In dieser Session zum Thema Qualitäts- und Patientensicherheitsforschung werden sowohl Studien mit methodischen Themen als auch Projekte mit einer inhaltlichen Fragestellung vorgestellt. Die Studien und Projekte wurden dabei mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt, die reichen von quantitativen über qualitativen Methoden bis zu Übersichtsarbeiten.
Hintergrund
Abseits von den erheblichen Kosten für das Gesundheitssystem, führt der unangemessene Einsatz diagnostischer Verfahren zu Risiken und Belastungen für die PatientInnen. Am häufigsten ist psychischer Stress durch Unsicherheit oder falsch positive Befunde. Durch letztere kommen außerdem weiterführende, zum Teil invasive, Untersuchungen hinzu, welche wiederum ein Gesundheitsrisiko darstellen können. Eine weitere Folge sind Überdiagnosen und die damit verbundenen unnötigen Behandlungen.
Die Frage, wie unangemessene Versorgung idealerweise festgestellt wird, ist derzeit umstritten. Methoden zur Feststellung unangemessener Versorgung wurden bisher hauptsächlich in Verbindung mit Krebs systematisch aufbereitet. Die vorliegende Arbeit stellt die erste systematische Übersichtsarbeit über Methoden zur Erhebung von unangemessener Nutzung von CT und MRT im Muskel-Skelett-System dar.
Fragestellung
Welche Methoden kommen in der internationalen Forschung zur Erhebung unangemessener Verwendung von CT oder MRT im Muskel-Skelett-System zur Anwendung und was sind deren Vor- und Nachteile?
Methode
Zur Identifikation relevanter Literatur wurde eine systematische Literatursuche durchgeführt. Eingeschlossen wurden Studien deutscher oder englischer Sprache, die unangemessene Nutzung von MRT oder CT im Muskel-Skelettsystem erhoben haben. Artikel zu Krebs, unsystematische Reviews und Kommentare wurden ausgeschlossen. In einem mehrstufigen Prozess wurden die Methoden beschrieben und anschließend kategorisiert. Anschließend wurden die Methoden hinsichtlich benötigter Daten, Übertragbarkeit der Ergebnisse in die Praxis und Biasrisiko bewertet.
Ergebnisse
47 Studien entsprachen den Einschlusskriterien. Die Kategorisierung der Methoden zur Erhebung unangemessener Nutzung von CT oder MRT im Muskel-Skelett-System resultierten in 7 verschiedene Verfahren. (1) Bei der „Verfügbarkeit diagnostischer Information“ wird geprüft, ob die Ergebnisse der Untersuchung einen Einfluss auf die weitere Behandlung hatten; (2) „Prädiktoren in Verbindung mit Nutzung von MRT und CT“ verwenden statistische Verfahren zur Prüfung welche Faktoren einen Einfluss auf die Nutzung von MRT oder CT haben; (3) Beim „Vergleich mit Leitlinienempfehlungen“ wird geprüft, ob die Nutzung durch Leitlinienempfehlungen gedeckt ist; (4) „Experteneinschätzung“ wurde als Kategorie gewählt, wenn lediglich anhand eines unsystematischen Expertenratings die Angemessenheit bewertet wurde; (5) Beim „Vergleich oder Analyse von Patientenpfaden“ wurden unterschiedliche Behandlungsverläufe ausgewertet; (6) Die Kategorie „Vergleich mit Operationsergebnissen“ wurde gewählt, wenn die Ergebnisse der Bildgebung mit den Ergebnissen eines folgenden chirurgischen Eingriffs verglichen wurden und (7) „regionale Variation der Versorgung“ nutzt Unterschiede in den Nutzungsraten zwischen verschiedenen Regionen zur Abschätzung unangemessener Versorgung.
Diskussion
Keine der identifizierten Methoden kann unangemessene Versorgung zweifelsfrei nachweisen. Die Methoden stellen lediglich eine Abschätzung von unangemessener Nutzung dar und haben unterschiedliche Anforderungen an die verwendeten Daten. Dementsprechend schlagen wir zur Erhebung unangemessener Versorgung eine Kombination aus unterschiedlichen Verfahren vor. Diese kann dazu dienen die Nachteile einzelner Methoden zu reduzieren oder auszugleichen. Letztendlich können dadurch genauere Aussagen über das Ausmaß unangemessener Versorgung getroffen werden.
Praktische Implikationen
Unsere Arbeit stellt die Vor- und Nachteile der aktuell eingesetzten Methoden zur Feststellung unangemessener Versorgung von CT oder MRT im Muskel-Skelettsystem dar. Außerdem geben wir Hinweise, wie durch eine sinnvolle Kombination verschiedener Methoden eine verlässlichere Abschätzung unangemessener Versorgung gewonnen werden kann. Wir haben eine derartige Methodenkombination an OECD Daten exemplarisch durchgeführt und konnten Hinweise für eine unangemessene Nutzung von MRT in Verbindung mit totalen Kniegelenksersätzen finden. Hinweise auf unangemessene Versorgung können in weiterer Folge genutzt werden, um Problemfelder zu identifizieren und gezielt Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung zu entwickeln.
Hintergrund: Qualitätsinformationen in der medizinischen Versorgung können einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsförderung leisten, indem bereits die Messung und Erwartung der Veröffentlichung eine bessere Behandlung mit sich bringen kann (Berwick et al. 2003). Zum anderen wird bei der Veröffentlichung von Qualitätsinformationen eine Ex-post-Systemverbesserung angenommen, da diese zur Identifizierung von Schwachstellen beitragen und interne Qualitätsverbesserungen anregen kann (ebd.). Zuletzt dienen transparente Qualitätsinformationen auch einer Angebotsselektion durch Patienten/ Zuweiser (Marshall et al. 2000), wobei das zwar die anderen Wirkungspfade fördern kann, aber keine Voraussetzung darstellt. In anderen Ländern nimmt die Messung sowie externe Darlegung der Versorgungsqualität und daraus resultierende Konsequenzen eine zentrale Rolle ein (Kelley & Hurst 2006), während in Deutschland etablierte Verfahren eher auf die interne Qualitätstransparenz ausgerichtet sind.
Fragestellung: Ziel der Studie ist es, international Erfahrungen hinsichtlich der Messung und Darlegung von Qualität in der ambulanten Versorgung zu erfassen, vergleichend darzustellen und mögliche Implikationen für Deutschland herauszuarbeiten. Dabei sollen folgende Fragen beantwortet werden: (1) In welchem Umfang und mit welcher Zielsetzung werden Instrumente zur Qualitätsdarlegung in anderen Ländern genutzt? (2) Wie wird die Qualität gemessen und wie werden die Ergebnisse zur Qualitätsentwicklung eingesetzt? (3) Welche Faktoren tragen zu einem Erfolg hinsichtlich des Entwicklungsstandes, der Durchdringungstiefe und des Zielerreichungsgrades bei?
Methode: Für die fragebogenbasierte Untersuchung wurden internationale Experten aus insgesamt neun Ländern (Australien, England, Estland, Israel, Frankreich, Niederlande, Schweden, Schweiz und den USA) rekrutiert. Der Länderauswahl lagen auf einer Literaturrecherche basierende Kriterien zugrunde, z.B. Erfahrungen in der Nutzung von Instrumenten zur Qualitätsdarlegung. Zur vergleichenden Analyse der Initiativen wurde ein Schema entwickelt, das die wichtigsten Aspekte der Versorgungsqualität (Sicherheit, Responsiveness, Effektivität) in den Bereichen der präventiven, kurativen und palliativen Versorgung sowie der Behandlung chronisch Kranker umfasst und diese mit den Dimensionen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität vereint.
Ergebnisse: Die meisten der Qualitätsinitiativen sind auf die Primärversorgung ausgerichtet und zielten auf deren Stärkung ab. International zeigen sich viele Erfahrungswerte bei der Messung von Qualität. Dabei variiert die Bandbreite der Qualitätsindikatoren, die zumeist im Bereich der Effektivität angesiedelt sind und chronische Erkrankungen betreffen. Insgesamt finden Patientenperspektive (z.B. über Patient-Reported-Experience-Measures) und der Aspekt der Sicherheit zu wenig Beachtung, wohingegen Präventionsindikatoren (z.B. Impfraten) häufiger angewendet werden. Die Darstellung der Qualität erfolgt in vielen der Vergleichsländer auf Ebene einzelner Ärzte/ Praxen (z.B. England, Estland, Niederlande, Schweden). Mit Ausnahme von Australien werden Qualitätsinformationen zudem für internes Feedback genutzt. Als Konsequenz aus der Qualitätsmessung kommt oftmals eine qualitätsbezogene Vergütung zum Einsatz, deren Einführung stets in Verbindung mit einer Budgetsteigerung stand. Zudem findet Qualität bei Vertragsverhandlungen, beim Leistungseinkauf und in der Allokation von Mitteln international eine starke Berücksichtigung. Die Studienlage hinsichtlich der Effekte der Initiativen hinsichtlich einer verbesserten Versorgungsqualität ist inkonsistent, gibt aber wichtige Hinweise auf zu beachtende Aspekte.
Diskussion: In Deutschland existierende Indikatoren zur Messung der ambulanten Versorgungsqualität (z.B. AQUIK) befinden sich im internationalen Vergleich im Mittelfeld und heben sich mitunter sogar positiv ab. Dahingegen ist der Aggregationsgrad veröffentlichter Qualitätsinformationen vergleichsweise hoch, was dem zunehmenden Bewusstsein für Qualitätsinformationen und deren Nutzung zur Entscheidungsfindung auf Seiten der Patienten und Leistungsanbieter (Emmert 2013) widerspricht. Vereinzelte Initiativen umfassen bisher nur einen bestimmten Versichertenkreis oder Strukturdaten und unterliegen zum größten Teil keiner Validierung (Emmert 2012). Im Hinblick auf Konsequenzen aus der Versorgungsqualität besteht in Deutschland noch deutliches Verbesserungspotential, etwa über eine stärkere Nutzung von Selektiverträgen.
Praktische Implikationen: Internationale Ansätze zur Förderung von Qualitätstransparenz können wichtige Impulse für eine Weiterentwicklung der Transparenz zur Versorgungsqualität im ambulanten Sektor in Deutschland geben. Im internationalen Vergleich besteht hinsichtlich der Darlegung von Qualitätsinformationen deutlicher Nachholbedarf. Die vorhandenen Indikatoren zur Qualitätsmessung bieten eine gute Ausgangsbasis für eine Erhöhung der Transparenz.
Hintergrund: Die Zahl häuslich beatmeter Patienten wächst seit Jahren. Medizinisch-technische Entwicklungen machen es möglich, dass viele von ihnen trotz häufig schwerster Erkrankung und dauerhafter Angewiesenheit auf Fremdhilfe in der eigenen Häuslichkeit leben können. Über Voraussetzungen, Prozesse und Ergebnisse ihrer Versorgung ist noch wenig bekannt und damit verbundene Aspekte ihrer Sicherheit wurden bislang kaum thematisiert. Vor diesem Hintergrund wurde in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten dreijährigen pflegerischen Versorgungsforschungsprojekt SHAPE. („Safety in Home Care for Ventilated Patients“) untersucht, wie Patienten, Angehörige und professionelle Akteure die häusliche Beatmungsversorgung in Bezug auf das Thema Sicherheit erleben, einschätzen und gestalten.
Fragestellung: Nachdem in der ersten Phase des Projekts Erfahrungen von Patienten und Angehörigen mit der häuslichen Beatmungsversorgung und deren Sichtweisen auf das Thema Sicherheit exploriert wurden, wurde in der zweiten Phase gefragt, wie professionellen Akteure auf diese Erkenntnisse reagieren, welches Sicherheitsverständnis sie haben und welche Themen sie in diesem Zusammenhang beschäftigen.
Methode: Als Bestandteil des mehrphasigen, qualitativ-explorativen Forschungsprojekts wurden zur Erkundung der Sichtweisen der professionellen Akteure sechs Focus Groups mit 48 Teilnehmern aus unterschiedlichen Professionen, Einrichtungen und mit verschiedenen Funktionen in der häuslichen Beatmungsversorgung durchgeführt; darunter Pflegende, Physio-, Ergotherapeuten und Logopäden, Personen aus der Fall- und Versorgungssteuerung, Patientenberatung und Medizintechnikversorgung sowie konsultierende Experten aus Spezialeinrichtungen. Die Focus Groups wurden audiotechnisch aufgezeichnet, transkribiert sowie diskurs- und inhaltsanalytisch ausgewertet und verdichtend aufbereitet.
Ergebnisse: Das Thema Patientensicherheit wird in den Focus Groups als ein überwiegend implizites Thema behandelt. Es bleibt in den Aussagen der Akteure seltsam unklar und wird überlagert von Debatten über strukturelle Problemen und eigene Handlungsherausforderungen im Feld der häuslichen Beatmungsversorgung, mit denen sich die professionellen Akteure konfrontiert sehen. Auffallend ist weiterhin, dass die professionellen Akteure die klassischen, in der Literatur diskutierten Sicherheitsthemen, z.B. Hygiene, Stürze, Immobilisation, allenfalls randständig thematisierten. In den Äußerungen der Focus Group Teilnehmer wird auf inhaltlicher Ebene erkennbar, dass für sie zuverlässige technische Hilfsmittel für die Gewährleistung von Sicherheit in der häuslichen Beatmungsversorgung unverzichtbar sind. Sie allein haben jedoch geringen Wert, wenn es an kompetenten professionellen Akteuren fehlt, die in der Lage sind, diese Hilfsmittel fach- und bedarfsgerecht einzusetzen. Unter den Befragten scheint Konsens dahingehend zu bestehen, dass Patientensicherheit durch eine gelingende interprofessionelle Kooperation und durch die Interaktion zwischen ihnen und den Patienten und Angehörigen entsteht. Zur Gewährleistung von Sicherheit sind aus ihrer Sicht förderliche strukturelle, prozedurale und personale Voraussetzungen vor Ort in der Häuslichkeit sowie auf der institutionellen Ebene der Leistungserbringung unabdingbar. Diese sind jedoch keinesfalls immer vorhanden.
Diskussion: Die Befragten verweisen auf aktuelle Sicherheitsherausforderungen in diesem Feld, die in vielerlei Hinsicht mit den Erfahrungen und Sichtweisen häuslich versorgter beatmeter Patienten und deren Angehörigen übereinstimmen. Zugleich bleibt das Sicherheitsverständnis der professionellen Akteure insgesamt diffus und ihre Schilderungen deuten darauf hin, dass von einer gelebten Sicherheitskultur vielerorts kaum auszugehen ist. Sicherheitsrelevante Besonderheiten der häuslichen Versorgung scheinen ihnen zwar durchaus bewusst zu sein, doch fehlt es ihnen an einschlägigen Konzepten, kommunizierten Regeln und Strategien, um ihnen angemessen begegnen zu können.
Praktische Implikationen: Die Ergebnisse der Focus Groups mit den professionellen Akteuren können dazu dienen, die Schilderungen und Einschätzungen der zuvor befragten beatmeten Patienten und deren Angehörigen zu sicherheitsrelevanten Aspekten zu verdichten, zu ergänzen und zu kontrastieren. Damit entsteht eine mehrperspektivische Erkenntnisgrundlage für die Entwicklung forschungsgestützter, nutzerorientierter Konzepte und Strategien für mehr Sicherheit beatmeter und vergleichbar technikabhängiger Patienten im häuslichen Setting.
Hintergrund:
Bei Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS) kommen komplexe therapeutische Strategien während der intensivmedizinischen Behandlung zur Anwendung. Bislang ist in Deutschland über die intensivmedizinische Versorgung von Patienten mit ARDS unter Alltagsbedingungen nur wenig bekannt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Versorgungsqualität der Intensivtherapiestationen (ITS), auf denen Patienten mit ARDS behandelt werden.
Fragestellung:
Wie stellt sich die Versorgungsqualität in ITS dar hinsichtlich allgemeiner und für die Behandlung von Patienten mit ARDS spezifischer Merkmale?
Methode:
Die Stichprobe dieser querschnittlichen Untersuchung umfasst 62 ITS in Deutschland, in denen Patienten in die DACAPO-Studie (“Surviving ARDS: the influence of quality of care and individual patient characteristics on health-related quality of life”) eingeschlossen wurden. Daten zu allgemeinen Charakteristika der ITS sowie zur Versorgungsqualität wurden mittels eines Fragebogens erfasst, der jeweils an die Leitung der ITS gerichtet war. Versorgungsqualität wurde entsprechend existierender Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) wie folgt operationalisiert: Generische struktur- und prozessbezogene Merkmale von ITS (z.B. Personalschlüssel, Qualifikation, apparative Ausstattung und Dokumentation) wurden um weitere für die Behandlung von Patienten mit ARDS spezifische prozessbezogene Indikatoren (z.B. die standardmäßige Anwendung relevanter Behandlungspfade) ergänzt. Die Auswertung erfolgte deskriptiv.
Ergebnisse:
48% der ITS sind an Universitätskliniken, 18% an Krankenhäusern der Maximalversorgung angesiedelt; 65% gehören dem ARDS-Netzwerk an. Die Leitung der ITS besitzt in 95% der Fälle die Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“. Die Zahl der Betten pro ärztlicher Vollzeitstelle beträgt im Median 1.5 (IQR 1.2-1.8). Der Anteil der Fachärzte an der Gesamtzahl der Arztstellen variiert zwischen 15% und 100% (Md: 43%, IQR: 33-59%).
Auf jede Pflegevollzeitstelle kommen im Median 0.4 Betten (IQR: 0.3-0.4), der Anteil an Fachpflegenden mit Weiterbildung Anästhesie und Intensivmedizin an allen Pflegenden beträgt zwischen 25% und 81% (Md: 35%, IQR: 34-62%). Alle ITS verfügen über umfangreiche apparative Ausstattung zur Diagnostik.
62% der ITS verfügen über ein elektronisches Patientendatenmanagementsystem. Regelmäßige Visiten mit Pharmakologen bzw. Mikrobiologen werden in 51% bzw. 68% der ITS durchgeführt. Dokumentierte tägliche Patienten-Visiten mit Tageszielfestlegung finden in nahezu allen der ITS (97%) statt, in 76% der ITS werden auch die Angehörigengespräche dokumentiert.
Die meisten der für die Behandlung des ARDS empfohlenen Behandlungskonzepte werden in mehr als 90% der ITS standardmäßig umgesetzt. Eine Ausnahme bilden die täglichen Spontanatmungsversuche unter Anwendung eines Weaning-Protokolls. Diese werden nur in 68% der ITS routinemäßig umgesetzt.
Diskussion:
Die Strukturqualität entspricht hinsichtlich der Merkmale zu personeller Ausstattung und Qualifikation in der überwiegenden Mehrheit, aber nicht in allen untersuchten ITS den Empfehlungen der DIVI. Besonders die auf Qualifikation bezogenen Merkmale der Strukturqualität zeigen eine große Variabilität.
In Bezug auf die Prozessqualität ist auffällig, dass in einer erheblichen Anzahl der ITS standardmäßig keine Visiten mit Pharmakologen bzw. Mikrobiologen durchgeführt, keine Angehörigengespräche dokumentiert und keine Weaning-Protokolle eingesetzt werden.
Praktische Implikationen:
Die vorliegende Analyse verdeutlicht, dass in der deutschen Intensivmedizin Potenziale zur Verbesserung der Strukturqualität und der generischen wie ARDS-spezifischen Prozessqualität bestehen.
Hintergrund
Die Verfügbarkeit von Daten zur Krankenhausqualität durch Patientenzufriedenheitsbefra-gungen und die externe Qualitätssicherung hat u.a. dazu geführt, dass in Deutschland eine Vielzahl von Krankenhausvergleichsportalen entstanden ist. Diese Portale haben vor allem zum Ziel, Patienten eine qualifizierte Auswahlentscheidung zu ermöglichen. Für die Kranken-hauswahl ist jedoch auch der niedergelassene Arzt ein potentieller Adressat der Portale. Im Unterschied zu Patienten bringt der Arzt ein ungleich anderes professionelles Wissen mit und hat deshalb möglicherweise andere Informationsbedürfnisse. Frühere Studien haben gezeigt, dass niedergelassene Ärzte die Qualitätsberichte der Krankenhäuser kaum kennen, und dass sie nur in wenigen Fällen zur Patientenberatung verwendet werden. In unserer Untersuchung haben wir deshalb die Informationsbedürfnisse niedergelassener Ärzte ermittelt und unter-sucht inwieweit diese durch die Informationen auf Krankenhausbewertungsportalen adressiert werden.
Fragestellung
Zwei Fragestellungen wurden verfolgt:
(1) Welche Kriterien legen niedergelassene Ärzte zugrunde, wenn sie ein Krankenhaus aus-wählen, um Patienten für eine stationäre Behandlung einzuweisen?
(2) Sind diese Kriterien auf deutschen Krankenhausvergleichsportalen verfügbar?
Methode
Die Untersuchung gliedert sich in zwei Abschnitte. Zunächst wurde (1) ein systematischer Literaturreview durchgeführt. Fünf Datenbanken Medline (via PubMed), Cochrane Library, Business Source Complete, PsycINFO und EconLit wurden dafür durchsucht. Die Suchstra-tegie besteht aus vier Komponenten. Damit werden niedergelassene Ärzte, deren Auswahlkri-terien und Einstellungen, der Einfluss dieser auf die Entscheidungsfindung und die Einwei-sung in ein Krankenhaus adressiert. Zwei Autoren durchsuchten unabhängig voneinander die Titel und Abstracts nach potentiell relevanten Suchtreffern und klärten die abweichenden Er-gebnisse im Konsens. Gleiches gilt für die Analyse der eingeschlossenen Studien und die Ka-tegorisierung der gefundenen Kriterien in sechs Kategorien (Struktur- und Prozessqualität, Medizinische Ergebnisse, Patientenerfahrung, Einweisererfahrung, Kostenwirksamkeit). An-schließend sind (2) 18 deutsche Krankenhausvergleichsportale, die in einer systematischen Internetrecherche identifiziert werden konnten, nach Verfügbarkeit der wichtigsten Informa-tionen (high-prority-criteria) für niedergelassene Ärzte durchsucht worden.
Ergebnisse
Im ersten Teil der Untersuchung konnten für den Zeitraum Januar 2006 bis Juli 2016 insge-samt 11 Artikel in den Review einschlossen werden. Die Studien bezogen sich auf Deutsch-land (n=4), Niederlande (n=3), Dänemark, Frankreich und Norwegen (je n=1). Aus den einge-schlossenen Studien wurden 119 unterschiedliche Kriterien extrahiert, wobei der größte Anteil der Kriterien Strukturqualität und Einweisererfahrung zum Ausdruck bringen. Auf Ebene der Struktur waren die technische Ausstattung und deren Verfügbarkeit, die Qualifikation des Krankenhauspersonals oder auch die Fallzahl für bestimmte Behandlungen von großer Bedeu-tung. Bezüglich der Einweisererfahrung standen Aspekte der Kooperation wie die z. B. die Fortführung der hausärztlichen Medikation im Krankenhaus oder regelmäßige Treffen mit den Kollegen im Krankenhaus sowie eigene Erfahrungen und Erfahrungen anderer niedergelasse-ner Kollegen im Vordergrund. Im zweiten Teil zeigte sich bei der Betrachtung der deutschen Krankenhausbewertungsportale, dass die meisten der von Einweisern am wichtigsten erachte-ten Kriterien zur Strukturqualität auf den Portalen zu finden sind. Anders verhält es sich mit den Kriterien zur Einweisererfahrung, die auf den Portalen völlig unterrepräsentiert sind. Le-diglich zwei Portale zeigten dazu Informationen z. B. in Form einer strukturierten Einweiser-befragung.
Diskussion und praktische Implikationen
Kriterien der Strukturqualität sowie die eigenen und die Erfahrung anderer niedergelassener Ärzte spielen bei der Auswahl eines Krankenhauses eine wichtige Rolle. Informationen zur Strukturqualität werden auf den Portalen umfangreich berücksichtigt während strukturierte Einweisererfahrungen, bis auf zwei Ausnahmen, nicht abgebildet werden. Den Krankenhäu-sern auf der anderen Seite können diese Einweisererfahrungen dazu dienen, ihre Versor-gungsqualität aus Sicht der niedergelassenen Ärzte zu reflektieren. Dies kann bei entsprechen-der Konstruktion über das herkömmliche krankenhausindividuelle Einweisermarketing hin-ausgehen und einen weiteren Beitrag zur sektorenübergreifenden Qualitätssicherung beitragen.
Neben den gefragten Strukturparametern sollten auch mehr Erfahrungen und Bewertungen von deren niedergelassenen Kollegen dargestellt werden, um die Nutzung der Portale durch niedergelassene Ärzte bei der Patientenberatung und letztlich auch bei der Auswahlentschei-dung zu vergrößern.