Hintergrund:
Limitierte Ressourcen bezüglich Budget, Personal und IT-Infrastrukturen gehören zu den verbreiteten Kennzeichen der Epidemiologie und Versorgungsforschung. Insbesondere kleineren Registern und Kohortenstudien fehlt es oft an Personal mit Programmierkenntnissen und daher behelfen sich derartige Studien häufig mit vermeintlich einfachen Erhebungs- und Studienteilnehmerverwaltungsverfahren anstelle eines IT-gestützten Datenmanagements inklusive Studiendatenbanken. Oftmals werden für kleinere Forschungsprojekte stattdessen dezentrale Excel-Tabellen genutzt, in die die zu erhebenden Daten eingetragen und die in regelmäßigen Abständen manuell zusammengeführt werden. Automatisierte Pseudonymisierungsverfahren sind nicht die Regel, was die datenschutzgerechte Trennung von identifizierenden (IDAT) und medizinischen Daten (MDAT) erschwert.
Im Rahmen des MOSAIC-Projektes wurde eine flexible Software-Lösung für das Datenmanagement in kleineren Forschungsvorhaben kostenfrei bereitgestellt. Diese sogenannte „MOSAIC Toolbox for Research“ (kurz: MOSAIC Toolbox) ist für eine Vielzahl von Anwendungsszenarien geeignet und unterstützt bei der standortübergreifenden Erhebung, Verarbeitung und Speicherung von Forschungsdaten. Die automatische Installation der entstandenen Open Source Lösung wurde wesentlich durch den Einsatz von Docker und eine umfangreiche Begleitdokumentation vereinfacht.
Fragestellung:
Da in kleineren Forschungsprojekten eine automatisierte Trennung von MDAT und IDAT ohne Treuhandstellenunterstützung schwer umzusetzen ist, sollen innerhalb der MOSAIC Toolbox keine personenidentifizierenden Daten gespeichert werden. Um die medizinischen Forschungsdaten innerhalb der Toolbox und die IDAT aus dem klinischen Kontext dennoch nachvollziehbar in Beziehung setzen zu können, muss die MOSAIC Toolbox über ein einheitliches und im Bedarfsfall transparentes Pseudonymisierungskonzept umsetzen.
Methode:
Innerhalb der MOSAIC Toolbox werden ausschließlich pseudonymisierte Forschungsdaten gespeichert. Die Pseudonymisierung erfolgt dabei vollkommen unabhängig vom Datenerhebungswerkzeug und macht die Angabe einer Einrichtungs-spezifischen Patienten-ID und Fallnummer je Datensatz erforderlich. Nur die eingebende Einrichtung selbst, beispielsweise ein Krankenhaus, hat Kenntnis von den IDAT des Patienten. Eine darüberhinausgehende Trennung von IDAT und MDAT ist nicht erforderlich.
Innerhalb der MOSAIC Toolbox wird die zentrale Pseudonymisierung mit Hilfe des Pseudonymisierungsdienstes gPAS realisiert. Je Patient und Behandlungsfall werden konfigurierbare standort- und gerätespezifische Pseudonyme sowie ein übergeordnetes Projekt-Pseudonym (z. B. eine eindeutige Register-ID) erstellt und an zentraler Stelle verwaltet. Diese Pseudonyme werden automatisch bei Anlegen des Patienten erstellt und gestatten keinen Rückschluss auf die im klinischen Kontext eindeutige Patienten-ID und Fallnummer. Gleichzeitig hat autorisiertes Personal die Möglichkeit im Bedarfsfall, z. B. zur Wiederkontaktierung, am Studienstandort eine Depseudonymisierung durchzuführen, um anhand der so ermittelten Patienten-ID und Fallnummer den Patienten im klinischen Kontext zu identifizieren.
Dabei vereinfacht ein in die MOSAIC Toolbox integriertes Software-Modul (der sogenannte Dispatcher) interne Prozesse, wie das Anlegen und Suchen von Patienten per Web-Oberfläche sowie die Steuerung der zentralen Vergabe von standortspezifischen und projektspezifischen Pseudonymen.
Ergebnisse:
Für eine Pilotierung wurde die MOSAIC Toolbox inklusive des umgesetzten Pseudonymisierungskonzeptes für die technische Restrukturierung des nationalen Verbrennungsregisters (Leitung: Dr. Oliver C. Thamm) genutzt. Auf diese Weise konnte eine zentrale und web-basierte Erfassung der Registerdaten über Standortgrenzen hinweg realisiert und gleichzeitig die strikte Trennung von IDAT und MDAT berücksichtig werden.
Diskussion:
Die MOSAIC Toolbox gestattet derzeit ausschließlich die Dokumentation von Patientenfällen. Die eindeutige Identifikation von Patienten (Dublettenprüfung) ist aufgrund des nicht Vorhandenseins von IDAT per se nicht möglich. Dennoch ist eine Nachverfolgung bzw. Depseudonymisierung für berechtigte Anwender am Studienstandort durchführbar, um z. B. eine Wiederkontaktierung von gespeicherten Teilnehmern durchzuführen.
Aufgrund des modularen Aufbaus der MOSAIC Toolbox können zukünftig problemlos weitere Werkzeuge oder Arten von Gerätedaten integriert oder einzelne Komponenten im Bedarfsfall ausgetauscht werden.
Praktische Implikationen:
Die MOSAIC Toolbox wird seit Frühjahr 2016 im Nationalen Verbrennungsregister eingesetzt. In rund 12 Monaten wurden 5.000 Fälle in mehr als 50 Standorten dokumentiert. Die MOSAIC Toolbox wird kontinuierlich weiterentwickelt und steht in der Version 1.2.2 über das MOSAIC-Portal zur Verfügung.
Hintergrund: Im Rahmen von Kohortenstudien können umfassende Primärdaten zur Beantwortung verschiedenster gesundheitsrelevanter Fragestellungen gewonnen werden. Zur Abbildung genauer Behandlungspfade oder um Zusammenhänge zwischen Ereignissen herstellen zu können, werden dabei auch immer wieder genaue Angaben zu Diagnosen, Arztkontakten, Krankenhausaufenthalten oder eingenommenen Medikamenten benötigt. Die entsprechenden Informationen können durch Befragungen allein allerdings nur unvollständigen und ungenau erhoben werden. In den Abrechnungsdaten gesetzlicher (und privater) Krankenversicherungen (GKV) liegen die Angaben zwar in ausreichender Präzision vor, jedoch fehlen hier andere wichtige Informationen für die Forschung, beispielsweise zum Lebensstil oder zu relevanten Laborparametern. Es ist daher nicht überraschend, dass immer häufiger primär gewonnene Daten mit GKV-Abrechnungsdaten verknüpft werden, um so die Vorteile beider Datenquellen zu kombinieren. Ein Beispiel dafür ist die NAKO Gesundheitsstudie (NAKO) (BMBF FKZ: 01ER1301A), in deren Rahmen von den 200.000 Teilnehmenden Primärdaten in 18 Studienzentren deutschlandweit durch Befragungen, medizinische Untersuchungen und Tests erhoben werden und anschließend mit diversen Sekundärdatenquellen verknüpft werden. Dazu gehören auch die Abrechnungsdaten der GKV.
Fragestellung/Methode: Ziel dieser Arbeit ist es, späteren Nutzern der NAKO-Daten, aber auch Wissenschaftlern, die eine Verknüpfung von Primärdaten einer Kohortenstudie mit GKV-Daten planen, Möglichkeiten und Hürden bei einem solchen Vorhaben am Beispiel der NAKO aufzuzeigen. Betrachtet werden drei relevante Faktoren: die Bereitschaft der Teilnehmenden zur Freigabe ihrer Daten, die Kooperationsbereitschaft der Krankenkasse sowie datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen.
Ergebnisse: Um eine hohe Teilnahmebereitschaft bei den Teilnehmenden zu gewährleisten, ist vor Unterzeichnung der Einwilligung eine ausführliche Aufklärung über das geplante Vorgehen und die Art der zu erhebenden Daten von zentraler Bedeutung. Nur so können eine informierte Einwilligung gewährleistet und mögliche Sorgen der Teilnehmenden ausgeräumt werden. In der NAKO wurde das Erhebungspersonal, das für die Aufklärung und Einwilligung zuständig ist, in persönlichen Schulungen und in einem Webseminar eingehend informiert. Aktuell kann bei einer Einwilligungsquote von 91,1 Prozent (Stand: Februar 2017) zur Freigabe der Krankenkassendaten von einer sehr hohen Teilnahmebereitschaft gesprochen werden.
Nachdem die NAKO bei verschiedenen Krankenkassen vorgestellt wurde und diese sich von der Relevanz und einem sinnvollen Aufbau der Studie überzeugen konnten, besteht großes Interesse an einer Kooperation. Hürden, für die Lösungen gesucht werden müssen, sind primär fehlende zeitliche und personelle Ressourcen sowie fehlende Strukturen seitens der Krankenkassen. Ursächlich sind immer häufiger anstehende oder bereits durchgeführte Kassenfusionen. Die Lösungsansätze sind vielfältig und reichen vom Einbezug des zugehörigen Dachverbandes über die personelle Unterstützung bei der Datenziehung bis hin zur Erstattung anfallender Kosten.
Eine besondere Bedeutung kommt bei der Verknüpfung von Primärdaten mit GKV-Daten den (datenschutz-)rechtlichen Rahmenbedingungen zu. Je nach Aufbau der Studie zählen das Vorliegen einer informierten Einwilligung der Teilnehmenden und/oder eine Genehmigung des Antrags nach § 75 Sozialgesetzbuch X durch die zuständige Aufsichtsbehörde der Krankenkasse dazu. Aufgrund der Möglichkeit einer sehr restriktiven Auslegung von § 75 muss ein Antrag auf Übermittlung von Sozialdaten zu Forschungszwecken bei groß angelegten Vorhaben wie der NAKO Gesundheitsstudie große Hürden überwinden.
Diskussion/ praktische Implikation: Immer mehr Forschende erkennen das große Potential, durch Verknüpfung von Primärdaten mit GKV-Routinedaten Versorgungsabläufe präziser darzustellen. Die Bereitschaft auf Seiten von Teilnehmenden und Krankenkassen ist gegeben. Allerdings besteht dringender Bedarf, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen an die aktuellen Forschungsbedürfnisse anzupassen.
Background
In adaptive group sequential designs (AGSD), statistical testing is performed at an interim stage k after a group of observations. In comparison to classical single-stage designs with no statistical interim analyses, AGSD enable more economical and ethical studies because of the possibility of an early stopping for efficacy or futility in case of an overwhelmingly large or small effect, respectively. Hence, they facilitate to save time and money and reduce the patients' risk of an inferior treatment. In case the study is continued to the next consecutive stage, sample size re-estimation based on conditional power of the current trend of the data can be performed. Though a growing number of researchers increasingly recognize interim analyses, quite often difficulties arise during the a priori planning phase and the application of these highly sophisticated statistical procedures.
Research Objective
We clearly outline the concise application of these statistical procedures including sample size reassessment based on conditional power during the conduct of the ongoing study. Therefore, we provide a succinct workflow chart for the potentially tricky part of the planning phase and sample size re-estimation and reassessment.
Method
For the sake of demonstration of the application, we focus only on the dependent variable patient satisfaction assessed with a standardized questionnaire, applied on randomly sampled psychiatric real-world data.
Study Design
The study is conducted as a prospective cohort study of mental health services. We explain how such a study with an AGSD can be planned using the group sequential approach by Wang and Tsiatis (1987) with K = 2 stages and power parameter Delta = .25, and the adaptive inverse normal combination test by Lehmacher and Wassmer (1999). Additionally, we also outline the case of testing the null hypothesis against a two-sided alternative, though adaptive designs have been initially designed and are mostly applied only in one-sided testing scenarios.
Data Collection
The data are sampled at two different psychiatric hospitals in Germany. In the workflow chart, we also introduce to the exact sample size estimation including the correction by the sample size inflation factor of the chosen group sequential approach, which is necessary for the application of interim analyses.
Data Analysis
Data analysis has been performed with the statistics and programming software R and IBM SPSS Statistics, Version 23 (SPSS: only for the independent two sample t-test).
Results
The workflow chart provides all parts for the concise application of AGSD in health services research. It displays the detailed workflow process of the following (greatly reduced) steps:
(1) Design the AGSD: Choose the group sequential and adaptive approach, and all statistical parameters, respectively;
(2) Sample size estimation with sample size inflation factor for each group;
(3) Data sampling for Stage 1;
(4) Statistical interim analysis after Stage 1;
(5) Test decisions based on the inverse normal method (INM);
(6) If not stopped after Stage 1: Sample size re-estimation and reassessment based on conditional power;
(7) Data sampling for Stage 2;
(8) Statistical analysis and test decision based on the INM;
This is exemplified by the application on the data of two psychiatric hospitals.
Discussion
The carefully chosen example for the demonstration of the concise application of AGSD evidently underpins the well-known strengths of interim analyses and mid-trial design modifications. The benefits of enabling well-powered studies in case of no early stopping but a continuation to the next planned stage, or saving time and money in case of an early stopping for efficacy or futility after Stage 1, clearly outweigh the slightly more effort in the planning phase. Thus, these methods outperform on average over many studies traditional single-stage designs with no interim analyses.
Practical Implications
Our provided workflow chart dramatically eases the many necessary steps during the planning phase and the application of these highly sophisticated AGSDs, especially focusing on sample size reassessment based on conditional power. Hence, the chart bridges the gap between theory and application for saving on average limited resources, while facilitating more ethical studies in mental health services research.
References
Lehmacher, W., & Wassmer, G. (1999). Adaptive Sample Size Calculation in Group Sequential Trials. Biometrics, 55, 1286-1290.
Wang, S. K., & Tsiatis, A. A. (1987). Approximately optimal one-parameter boundaries for group sequential trials. Biometrics, 43, 193-199.
Hintergrund: Das maligne Melanom ist eine lebensbedrohliche Erkrankung der Haut. Die Therapie des Melanoms als auch die Produktivitätsverluste durch Morbidität und Mortalität verursachen Kosten aus der gesellschaftlichen Perspektive. Diese gesellschaftlichen Kosten wurden bisher nur in wenigen europäischen Ländern untersucht. Eine vergleichende Studie der Krankheitskosten des Melanoms über alle Europäischen Länder existiert bislang nicht.
Fragestellung: Ziel dieser Analyse ist die Modellierung und der Vergleich der gesellschaftlichen Kosten durch das maligne Melanom in den Ländern der Europäischen Union (EU) und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) nach Kostenarten. Anhand der Ergebnisse kann das ökonomische Potential präventiver Maßnahmen bestimmt werden.
Methoden: Die direkten und Morbiditätskosten wurden anhand einer systematischen Literaturrecherche ermittelt. Für Länder, aus denen keine Kosteninformationen verfügbar waren, wurden die Kosten anhand des nationalen Bruttoinlandsprodukts, der Gesundheitsausgaben, des nationalen Einkommens und epidemiologischer Daten modelliert. Die Mortalitätskosten wurden anhand von Mortalitätsstatistiken und des nationalen Pro-Kopf-Einkommens nach Altersklassen berechnet. Die Mortalitätskosten wurden mit einer jährlichen Rate von 3% diskontiert. Eine Adjustierung der Kosten um die Kaufkraftparität ermöglichte einen internationalen Vergleich.
Ergebnisse: Die nationalen Krankheitskosten des malignen Melanoms schwankten von 1,1 Millionen Euro in Island bis 526,5 Millionen Euro in Deutschland und ergaben für alle 31 Länder 2,7 Milliarden Euro. Auf Patientenebene lagen die Kosten zwischen 6.422 Euro in Bulgarien und 50.734 Euro in Luxemburg.
Nach Adjustierung um die Kaufkraftparität verringerten sich die Kostenunterschiede. In Bulgarien entstanden mit 14.420 Euro die geringsten Kosten und in Zypern mit 50.961 Euro die höchsten Kosten pro Patient. Die direkten Kosten und Morbiditätskosten waren in Ländern, die der EU seit 2004 beigetreten sind, deutlich geringer als in den restlichen Staaten. Dies war insbesondere der Fall, wenn die Modellierung basierend auf den Gesundheitsausgaben durchgeführt wurde. Die Mortalitätskosten fielen dagegen in Ländern mit einem hohen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf am geringsten aus.
Schlussfolgerung: Das maligne Melanom verursacht in dieser ersten Annährung relevante Krankheitskosten in Europa. Es bestehen signifikante Disparitäten hinsichtlich der Krankheitskosten pro Patient und den Anteilen der Kostenarten zwischen den Ländern. Dies kann auf Unterschiede in den Gesundheitssystemen, dem Zugang zur Gesundheitsversorgung, der Verfügbarkeit effektiver Therapieoptionen, aber auch dem Präventionsangebot und dem Bewusstsein in der Bevölkerung zurückgeführt werden. Für Informationsmaßnahmen sowie Maßnahmen der Früherkennung besteht in Europa das Potential die Belastung für Patienten zu senken sowie die Höhe der Behandlungskosten und Produktivitätsverluste zu verringern.
Hintergrund:
In den letzten Jahren haben sich Sekundärdatenanalysen in der Versorgungsforschung als eigener Forschungszweig etabliert. Die dafür genutzten Routinedaten werden in der Regel bei der Abrechnung von Leistungserbringern mit den Kostenträgern erfasst. Die meisten Patienten in der Krankenhaus-Notaufnahme werden im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) behandelt und stationär mit den Krankenkassen oder ambulant mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) abgerechnet. Weitere Kostenträger sind die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) und die private Krankenversicherung (PKV). Die einzelnen Abrechnungsverfahren stellen auf Basis der deutschen Version der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10-GM) eigene Anforderungen an die Diagnosekodierung. Die Schnittstellenfunktion von Notaufnahmen zwischen ambulantem und stationärem Sektor sowie verschiedene abrechnungstechnische Zuständigkeiten bedingen die Existenz verschiedener Datenhalter. Diese Umstände führen zur erschwerten Beantwortung von versorgungsepidemiologischen Fragenstellungen im Bereich der Notaufnahmen.
Fragestellung:
Ziel ist eine Gegenüberstellung der Anforderungen von nach ICD-10-GM kodierten Diagnosen, die im Rahmen der Versorgung in Notaufnahmen obligatorisch erfasst werden. Diese könnten für die Versorgungsforschung genutzt werden. Sekundäres Ziel ist die Beantwortung der Frage, ob aus Sicht der Datenhalter die Versorgung eines Patienten in einer Notaufnahme fallbezogen zu identifizieren ist.
Methode:
Vergleich der Anforderungen zur Datenerhebung und -übermittlung in den verschiedenen Sektoren.
Ergebnisse:
Bei ambulant behandelten Patienten ist bei Abrechnung mit den KVen mindestens eine nach ICD-10-GM kodierte Diagnose zu erfassen. Die Angabe eines von vier Zusatzkennzeichen zur Diagnosesicherheit ist obligatorisch (V: Verdacht, G: gesichert, A: ausgeschlossen, Z: Zustand nach). Bei Vorliegen mehrerer Diagnosen werden diese gleichwertig übermittelt. Das trifft auch bei ambulanten Behandlungen im Rahmen der GUV zu, hier ist die Angabe von Zusatzkennzeichen allerdings nicht vorgesehen. Für Abrechnungen mit der PKV oder bei Selbstzahlern ist die Erfassung einer dokumentierten Diagnose nicht obligatorisch.
Am Ende eines stationären Aufenthalts ist bei GKV-Patienten gemäß § 301 SGB 5 V eine Diagnose als Hauptdiagnose zu definieren. Diese muss nicht mit dem Behandlungsanlass in der Notaufnahme identisch sein. Gemäß § 21 KHEntgG müssen diese Daten von allen stationären Patienten (einschließlich GUV und PKV) zusammengefasst und fallbezogen an das DRG-Institut (InEK) übermittelt werden. Nur bei GKV-Patienten ist eine Aufnahmediagnose gemäß § 301 SGB 5 V zu erfassen und mit der Aufnahmeanzeige an die zuständige Krankenkasse zu übermitteln. Bei GUV-Patienten erfolgt das mit dem Durchgangsarztbericht.
Die KVen können ambulante Behandlungen in einer Notaufnahme über deren Betriebsstättennummer direkt identifizieren. Ein Fachabteilungsschlüssel in stationären Daten für Notaufnahmen existiert nicht. Daher können gesetzliche Krankenkassen und das InEK die Behandlung von stationären Patienten in einer Krankenhausnotaufnahme nur indirekt über den Aufnahmeanlass und den Aufnahmegrund „Notfall“ abschätzen.
Diskussion:
Im ambulanten Bereich ist bei GKV- und GUV-Fällen weder die Kennzeichnung einer führenden Diagnose, noch bei PKV-Fällen überhaupt eine Diagnosekodierung obligatorisch. Bei einem verunfallten ambulant behandelten Patienten wird unterschiedlich kodiert, je nachdem ob es sich um einen Unfall in der Freizeit (GKV – mit Zusatzkennzeichen) oder einen Wegeunfall (GUV – ohne Zusatzkennzeichen) handelt. Diagnosen im Rahmen der KV-Abrechnung mit dem Zusatzkennzeichen „A“ stellen eine Besonderheit dar. Sie sagen eher etwas über eine durchgeführte Diagnostik als über eine tatsächliche Diagnose aus (z.B. ICD-Diagnose „I61“ mit Zusatzkennzeichen „A“ als Hinweis auf eine craniale Computertomographie zum Ausschluss einer intrazerebralen Blutung). Zusammengefasst ergeben sich erhebliche Limitationen bei diagnosebezogenen Analysen ambulanter Krankenhausfälle.
Aus Sicht der Datenhalter ist nur bei ambulanten GKV-Fällen eine Versorgung in der Notaufnahme direkt identifizierbar. Hinsichtlich der sekundären Fragestellung zeigt sich, dass Prävalenzschätzungen von Behandlungen in Notaufnahmen auf Basis von Sekundärdaten erschwert sind.
Praktische Implikationen:
Eine Vereinheitlichung der Kodier-Anforderungen ist wünschenswert, scheint aber mittelfristig nicht umsetzbar. Krankenhausintern ist die Dokumentation einer kodierten „führenden Notaufnahmediagnose“ möglich. Diese Lösung wurde auch für das Notaufnahmeregister AKTIN (Förderkennzeichen BMBF: 01KX1319A) gewählt und für den Austausch elektronischer Dokumente technisch umgesetzt. Damit wird es möglich, die aktuelle politische Diskussion um die Notfallversorgung mit konkreten versorgungsepidemiologischen Analysen zu fundieren.
Hintergrund
Im Zuge der Erneuerung des Klinischen Arbeitsplatzsystems der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) ist auf Initiative der IT-Strategiekommission und in enger Abstimmung mit dem Vorstand der UMG das KAS+ Projekt initiiert worden, welches das Ziel verfolgt, Versorgung und Forschung auf Basis einer erneuerten, integrierten Infrastruktur zu verbinden. So sollen Behandlungsdaten für Forschungszwecke erschlossen, klinische Abläufe optimiert und gleichzeitig Forschungsvorhaben wie bspw. die Durchführung Klinischer Studien vereinfacht werden. Neben der Extraktion von Daten aus einer Vielzahl klinischer Systeme und einem Transfer dieser Daten in eine einheitliche Forschungs-Patientenakte hinein sind hohe Anforderungen einer technischen Systemintegration umzusetzen.
Fragestellung
Die aktuelle Systemlandschaft im Umfeld der Krankenhaus-IT wird bestimmt durch eine Vielzahl von Systemen, die teils nicht vernetzt sind, als Insellösungen betrieben oder in verschiedener Art und Weise für die Dokumentation genutzt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Arztbriefschreibung der einzelnen Einrichtungen des Klinikums. Durch die vorherrschende Sicht auf einen konkreten Behandlungsfall werden nicht alle Möglichkeiten zur Optimierung der Versorgung ausgeschöpft, die durch gesamtheitliche Betrachtung einer Patientenakte bestünden. Ein Beispiel hierfür sind bildgebende Doppeluntersuchungen. Das KAS+ Projekt stellt einen Infrastrukturansatz vor, der nachnutzbare Lösungen hierfür beschreibt.
Methode
Im KAS+ Projekte wird eine strategische Entwicklungspartnerschaft mit drei Industriepartnern umgesetzt, in deren Zuge die Hersteller der Teilplattformen Versorgung (TP-V; MCC, Fa. Meierhofer AG) und Forschung (TP-F; CentraXX, Kairos GmbH) eng zusammenarbeiten. Die UMG hat hierzu eine integrierende Zielarchitektur definiert. Bestandssysteme wie SAP IS-H oder Swisslab werden mit den neuen Komponenten in optimierter Weise verbunden.
Ergebnisse
Nach einjähriger Implementierungszeit konnten im Zuge einer EFRE-Prüfung erste Ergebnisse in Form von 6 Use Cases praktisch demonstriert werden. Die Durchführung von Studien ist in die klinische Routine integriert. Das anwenderseitige Wechseln von Fenstern, Programmen oder Bildschirmen wird konsequent vermieden. Es besteht zudem die Möglichkeit, Studien ausschließlich in der forschungsseitigen Plattform durchzuführen. Die Systemintegration wird maßgeblich bestimmt von (1) der automatisierten Überführung klinisch erfasster Daten in die TP-F, (2) dem Abgleich aktueller Studiendefinitionen zwischen TP-F und TP-V, (3) der transparenten Einblendung von Formularen im versorgungsseitigen System sowie (4) der Umsetzung system¬übergreifender Workflows. Die Anforderungen des Datenschutzes sind durch eine technisch und organisatorisch separierte Treuhandstelle auf Basis der MOSAIC-Werkzeuge (mosaic-greifswald.de) für das Identitäts-, Einwilligungs- und Pseudonym-Management berücksichtigt. Als systemübergreifender Workflow ist ein „Fallzahlschätzer“ auf der Forschungs-Patientenakte umgesetzt, der mit der Hinterlegung von Rekrutierungsvorschlägen im versorgungsseitigen System verbunden werden kann.
Diskussion
Der Use Case „Fallzahlschätzer“/Rekrutierungsvorschlag hat sich bereits vor Produktivstart des KAS+ in Diskussionen mit klinisch tätigem Personal als hilfreich und relevant erwiesen. Die angestrebte Rückwirkungsfreiheit auf Abrechnung und Betrieb der klinischen Systeme erfordert die Trennung der Datenbestände und die möglichst automatisierte Überführung klinisch erhobener Daten in den Forschungsdatenbestand. Folgerichtig war hierzu die Erweiterung des Identitätsmanagements um die Möglichkeit, mehrere klinisch verschiedene Identitäten forschungsseitig zusammenzufassen und zwischen beiden „Welten“ wechseln zu können. Die Nutzung offener Standardformate wie XML oder Mechanismen wie REST/JSON hat sich bewährt, die Umsetzung der Gesamtarchitektur auf Basis von IHE erweist sich „aus dem Stand“ als zu großer Schritt. Der KAS+ Ansatz bildet die Basis für die Schaffung des Greifswalder Datenintegrationszentrums im share-it! Konsortium der BMBF-Förderinitiative Medizininformatik.
Praktische Implikationen
Besonders in Hinblick auf die erforderliche Anpassung am Markt etablierter Klinischer Arbeitsplatzsysteme ist die feste Verankerung tradierter Abläufe, Sicht- und Denkweisen sowohl bei Herstellern wie auch Kunden zu berücksichtigen. In enger strategischer Abstimmung der beteiligten Partner können die bestehenden Chancen dennoch zum wechselseitigen Nutzen technisch umgesetzt werden. Es ist zu erwarten, dass der Integration forschungsseitiger Bedarfe mit versorgungsseitigen Systemen zukünftig eine entscheidendere Rolle im Markt der Klinischen Arbeitsplatzsysteme zukommt.
Background
Calculation of the area under the curve (AUC) is a widely used practice in longitudinal study settings. The AUC values should reflect study participants’ particular trajectories by means of a continuous measure which can be further analyzed with ordinary statistical methods. Since longitudinal data are often collected in the course of randomized as well as observational studies in health services research, usage of AUC has a practical relevance for the field.
Research question
AUCs calculated by means of the common formulas do not necessarily mirror exactly the piece of information one is seeking for, since they always refer to the full area which is enclosed by the trajectory and both plotting axes. The available formulas need to be adapted in some cases in order to prevent misleading conclusions.
Methods
Common formulas for the calculation of the AUC as well as their specific advantages and limitations are presented. Furthermore, different approaches are discussed for developing AUC-derived measures for the application in particular analysis situations, e.g. capturing the extent of undercutting or exceeding a given threshold. All analyses are conducted in the statistical software R (version 3.2.1).
Results
The presented approaches are applied to various data sets from practice. First, a clinical data set capturing the follow-up of blood pressure measurements in intensive care patients are used. Second, longitudinal measurements of cerebral oxygenation in preterm infants are considered. Third, the time course of rehabilitation treatments in a large secondary data set is analyzed. All analyses base on sensible research questions which may be addressed in the course of a longitudinal data analysis.
Discussion
The results will demonstrate the inappropriateness of common AUC formulas when interpreting specific research questions related to longitudinal data. The standard calculation approaches only reveal the entire area enclosed by the trajectory and both axes, but the full AUC value is often not of primary interest. Therefore, the available formulas were adapted to more flexible algorithms. By means of the applied data examples it will be obvious that more situational approaches are required.
Practical implications
Since the analysis of longitudinal data is frequently used in health services research, this contribution may be of significant interest for data analysts in the field. A comprehensive description of study participants’ time course is required in order to assess treatments effects, risk factors, etc. in routine care to the full extent.
Hintergrund: Primäre Ziele von Modellprojekten zur Versorgung psychisch kranker Menschen nach § 64b SGB V sind die Verbesserung der Behandlungsqualität sowie ein effizienter Einsatz vorhandener Ressourcen.. Für die Evaluation dieser Modellprojekte eignen sich GKV-Routinedaten in besonderem Maße. Da bisher jedoch keine Empfehlung zur standardisierten Vorgehensweise für die routinedatenbasierte Kostenbewertung existiert, ist die Analyse mit besonderen methodischen Herausforderungen verbunden.
Fragestellung: In diesem Beitrag werden Herausforderungen bei der routinedatenbasierten Kostenbewertung von sektorübergreifenden Versorgungsmodellen systematisch aufgearbeitet. Am Beispiel der Evaluation von Modellprojekten nach § 64b SGB V, an der 89 gesetzliche Krankenversicherungen beteiligt sind, werden geeignete Vorgehensweisen zur Lösung dieser Probleme aufgezeigt.
Methode: Der für die ökonomische Bewertung zentrale Parameter ist die Kostenentwicklung, getrennt nach psychiatrischem und somatischem Bereich, in den Modellprojekten im Vergleich zur Regelversorgung. Dafür wurden durchschnittliche Kosten für voll-, teilstationäre und ambulante Leistungen sowie für Arznei- und Heilmittel ermittelt, die innerhalb eines Jahres vor und nach Eintritt eines Versicherten in ein Modellprojekt entstanden. Voll- und teilstationäre Kosten wurden bestimmt, indem die abgerechneten Beträge jeder Entgeltart (bspw. PEPP, psych. Pflegesätze, DRG) mit deren Anzahl multipliziert und die Produkte aller Entgeltarten aufsummiert wurden (inkl. Korrektur um Zu- und Abschläge bei Budgetabweichungen). Diese Kosten wurden den psychiatrischen Kosten zugeordnet, wenn die stationäre Behandlung in einer Abteilung für Psychiatrie oder Psychosomatik stattfand oder eine F-Diagnose als Hauptdiagnose dokumentiert war. Eine besondere Herausforderung lag in der Erarbeitung eines Mengengerüsts für ambulante Leistungen im psychiatrischen und somatischen Bereich. Da hier nicht nach Haupt- und Nebendiagnosen differenziert wird, und psychiatrische/psychosomatische Leistungen von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen erbracht werden, musste für die Zuordnung der Kostenpositionen eine eigene Systematik entwickelt werden: Während abgerechnete Positionen Psychiatrischer Institutsambulanzen vollständig den psychiatrischen Kosten zugeordnet wurden, erfolgte die Zuordnung von Leistungen der Hochschulambulanzen auf der Basis einer Zuordnung arztgruppenspezifischer sowie übergreifender Gebührenordnungspositionen (GOP) zum psychiatrischen und somatischen Bereich. Nicht eindeutig bestimmbare GOP wurden anteilig anhand des relativen Anteils psychiatrischer Diagnosen an allen Diagnosen eines Versicherten den psychiatrischen Versorgungskosten zugeordnet. Die Zuordnung der Abrechnungspositionen ambulanter Leistungserbringer erfolgte in gleicher Weise: Wurde eine Leistung durch einen Facharzt mit eindeutigem Schwerpunkt (z. B. Psychiatrie / Psychotherapie) erbracht, erfolgte eine Zuordnung zu den psychiatrischen Kosten. Bei Ärzten, die sowohl psychiatrische als auch somatische Leistungen erbringen (z. B. Neurologen, Hausärzte), erfolgte eine Zuweisung eindeutig psychiatrischer GOP zu den psychiatrischen Kosten. Nicht eindeutig bestimmbare GOP wurden wiederum anhand des relativen Anteils psychiatrischer Diagnosen den psychiatrischen Versorgungskosten zugeordnet. Die Kosten vertragsärztlicher Leistungen wurden bestimmt, indem je Behandlungsfall die Punkte aller Leistungen mit dem jeweils gültigen Orientierungswert bewertet wurden. Die Kosten für Arzneimittel wurden durch das Produkt aus Bruttopreis und abgegebenen Einheiten ermittelt. Arznei- und Heilmittelkosten wurden den psychiatrischen Kosten zugeordnet, wenn die Verordnung durch einen psychiatrischen Facharzt erfolgte oder sich auf Basis der Pharmazentral- bzw. der Heilmittelpositionsnummer ein ATC-Code für Psychopharmaka bzw. eine therapeutische Leistung für psychisch Erkrankte zuordnen ließ.
Diskussion: Herausforderungen bei der Ermittlung von Versorgungskosten über GKV-Routinedaten bestehen weniger in der Bewertung der Kosten als vielmehr in der Zuordnung zu bestimmten Indikationen, da keine Einzelleistungsvergütung auf Basis von Diagnosen erfolgt. Dennoch kann eine mittels Routinedaten durchgeführte Evaluation wichtige Erkenntnisse zu den Kosten verschiedener Erkrankungen sowie den Auswirkungen neuer Gesundheitsleistungen liefern, auf deren Basis Aussagen zum effizienten Ressourceneinsatz im Gesundheitswesen möglich sind.
Praktische Implikationen: Bislang existieren weder standardisierte Empfehlungen noch in vergleichbarem Umfang auf Basis von GKV-Routinedaten kassenübergreifend durchgeführte Kostenanalysen. Die in diesem Beitrag vorgestellte Vorgehensweise kann anderen Wissenschaftlern eine Orientierung bei der gesundheitsökonomischen Evaluation von Versorgungskonzepten aus Krankenkassenperspektive bieten.
Hintergrund
Seit einigen Jahren werden zunehmend Daten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Forschungszwecke genutzt. Allerdings bleiben die Studien auf das GKV-Leistungsgeschehen beschränkt. Bei der Gesundheitsversorgung leisten Rehabilitationsmaßnahmen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ebenso einen wertvollen Beitrag. Aufgrund der individuellen Bedürfnisse nach einer hohen Versorgungskontinuität über verschiedene Schnittstellen im Gesundheitssystem hinweg, ist eine isolierte Betrachtung dieser beiden Sektoren in der Versorgungsforschung jedoch nicht hinreichend. Um Forschungsfragen zum bedarfsgerechten Zugang sowie zur Wirksamkeit von Rehabilitationsleistungen beantworten zu können, ist sowohl eine Betrachtung der Versorgungsprozesse im Vorfeld und im Anschluss der Rehabilitation als auch der Rehabilitationsmaßnahme selbst erforderlich. Während anhand der GKV-Daten relevante Informationen zu Leistungen vor und nach der Rehabilitation gewonnen werden können, müssen Routinedaten der DRV herangezogen werden, um Informationen über Rehabilitationsleistungen und Erwerbsbiografien zu erhalten. Da eine Verknüpfung oftmals eine erhebliche methodisch-technische sowie datenschutzrechtliche Herausforderung darstellt, insbesondere im Zusammenhang mit Sozialdaten, wurde die Versorgung in den beiden Sektoren bisher nicht im Zusammenhang untersucht.
Fragestellung
Im Hinblick auf eine integrierte Auswertung der Versorgungsprozesse in den beiden Sektoren stellte sich die Frage, wie die Daten der Sozialversicherungsträger (GKV und DRV) mithilfe eines Konzepts zur datenschutzgerechten fallbezogenen Zusammenführung für sektorübergreifende Analysen von Behandlungspfaden nutzbar gemacht werden können.
Methode
Da ein direkter Austausch personenbezogener Daten zwischen GKV und DRV nicht zulässig ist und das Institut keine personenbezogenen Daten erhalten darf, wurde vom IFR Ulm gemeinsam mit der DRV BW und DRV Bund sowie der AOK BW ein spezielles Datenschutzkonzept erarbeitet, um die Daten der drei beteiligten Sozialversicherungsträger auf Einzelfallebene verknüpfen zu können.
Ergebnisse
Zur fallbezogenen Zusammenführung der Daten wurde gemäß dem konsentierten Datenschutzkonzept wie folgt vorgegangen: Die Daten wurden bei der AOK BW sowie der DRV BW und DRV Bund anonymisiert, d.h. personenbezogene Informationen wurden entfernt sowie sensible Angaben vergröbert, z.B. wurde das Geburtsdatum auf das Geburtsjahr reduziert. Ferner wurden Angaben zu sehr seltenen Krankheiten nicht übermittelt.
Die AOK BW, die auch über die Rentenversicherungsnummer der Versicherten verfügt, erzeugte ein „Pseudonym“. Diese wurde durch eine IT-Dienstleistungsgesellschaft der AOK BW mittels eines Verschlüsselungslogarithmus nach anerkanntem Standard aus der Krankenversicherungsnummer gebildet. Das Verfahren wurde beschrieben und dokumentiert.
Es wurde eine Pseudonymisierungsdatei erstellt, welche die Zuordnung von Rentenversicherungsnummer und Pseudonym beinhaltet. Diese wurde an die DRV BW und DRV Bund übermittelt, die ihren Versicherten anhand der Rentenversicherungsnummer das entsprechende Pseudonym zuordnen und die Daten pseudonymisiert an das IFR Ulm übermitteln konnte.
Für Versicherte, die bei der AOK kranken- und bei der DRV BW bzw. DRV Bund rentenversichert sind, war somit gewährleistet, dass das gleiche Pseudonym verwendet wurde, so dass am IFR Ulm hierüber die Datensätze auf Einzelfallebene verknüpft werden konnten.
Das Institut hat keinen Zugriff auf die Pseudonymisierungsdatei und kann keinen Personenbezug herstellen. Die Auswertungen erfolgen am IFR Ulm vollständig anonym.
Diskussion
Durch die Unterstützung der Sozialversicherungsträger, eine frühzeitige Einbeziehung ihrer Datenschützer sowie ein entsprechendes Datenschutzkonzept und ein adäquates Datenmanagement konnte ein einmaliger Datensatz mit hoher Aussagekraft und Repräsentativität erstellt werden. Er umfasst ca. 1 Mio. Personen, die sowohl bei der AOK BW krankenversichert als auch bei der DRV BW bzw. DRV Bund rentenversichert sind. Dabei kann das GKV- und DRV-Leistungsgeschehen erstmals im Zusammenwirken über einen Zeitraum von acht Jahren (2004-2011) analysiert werden. D.h. es können individuenbezogene Analysen des gesamten Versorgungsprozesses über Sektorengrenzen hinweg durchgeführt sowie mittel- und langfristige Ergebnisse verschiedener Versorgungsleistungen betrachtet werden. Am IFR Ulm werden derzeit Behandlungsverläufe sowie Erwerbsbiografien von Rehabilitanden und Nichtantragstellern mit ähnlichem Gesundheitsstatus verglichen. Die Auswertungen leisten einen wertvollen Beitrag dazu, die immer wieder eingeforderten Belege für die Wirksamkeit von Rehabilitation zu gewinnen.
Praktische Implikationen
Anhand des erschlossenen Datenpools kann ein breites Spektrum zusätzlicher Fragen beantwortet werden. Das entwickelte Datenschutzkonzepts hat sich bewährt und dürfte für weitere Studien in der Versorgungsforschung wertvoll sein, um den Erkenntnisgewinn zu steigern.
Hintergrund
Fragen der Implementierung technologischer Innovationen erfahren innerhalb der internationalen Versorgungsforschung in den letzten Jahren zunehmende Beachtung. Die Berücksichtigung von Aspekten soziotechnischer Überlegungen ist vor diesem Hintergrund obligatorisch. An diesem Punkt des aktuellen Diskurses weist die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) als Sozialtheorie in ihrem postmodernen Paradigma ein großes Anknüpfungspotential auf, denn „Die bekannteste und zugleich umstrittenste These der ANT, [ist] die methodologische Forderung, sämtliche Entitäten – Menschen wie technische Apparate – als Akteure zu behandeln […]“ (Belliger und Krieger, 2006, S. 15). In Bezug auf die Implementierung von Technologien im Gesundheitswesen wird die ANT international bereits zur Kenntnis genommen (vgl. Cresswell et al., 2010). Eine aktuelle Zusammenschau zur Thematik konnte bislang nicht identifiziert werden.
Fragestellung
Ziel ist es zu klären, wie die ANT in der Versorgungsforschung im Rahmen der Implementierung technologischer Innovationen zum jetzigen Zeitpunkt aufgegriffen wird. Damit soll ein theoriegeleiteter Beitrag zum Technik-Diskurs in der Versorgungsforschung geleistet werden.
Methode
Zur Bewertung der Konzeption der ANT als theoretische Basis für die Implementierung technologischer Innovationen wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Der Materialzugang erfolgte durch Recherche in elektronischen Fachdatenbanken (PubMed und CINAHL) mit den Suchbegriffen ‚actor network theory‘ und ‚health services research‘, verknüpft mit dem Booleschen Operator ‚AND‘, um einen breiten Zugang zu gewährleisten. Eingeschlossen wurden alle deutsch- und englischsprachigen Beiträge mit Bezug zur ANT im Rahmen der Versorgungsforschung, dabei besonders im Hinblick auf die Implementierung technologischer Innovationen. Die relevanten Daten aus den Beiträgen zur Beantwortung der erkenntnisleitenden Fragestellung wurden extrahiert, narrativ zusammengefasst und diskutiert.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 41 Beiträge identifiziert, davon wurden elf als wesentlich für die vorliegende Fragestellung eingestuft. Von diesen Beiträgen stammen fünf aus der nordamerikanischen Region und sechs aus dem skandinavischen Raum bzw. aus dem Vereinigten Königreich. Deutschsprachige Publikationen konnten nicht identifiziert werden. Zumeist konnte ein positiver Nutzen der ANT im Rahmen der Implementierung technologischer Innovationen bemerkt werden. In einem weiteren Sinne beziehen sich die relevanten Beiträge auf die Implementierung technologischer Innovationen im Bereich der Versorgungsforschung unter Heranziehung der ANT. Folgende Aspekte bei der Anwendung der ANT sind zu unterscheiden:
1. ANT als theoretischer Zugang
2. ANT als Basis für das methodische Vorgehen
3. Grundsätzliche Überlegungen zur ANT.
Diskussion
Die eher marginalen Trefferzahlen sowie die eher aktuellen Publikationsdaten der identifizierten Beiträge verweisen darauf, dass die ANT im internationalen Technologie-Diskurs der Versorgungsforschung langsam Eingang findet. Die genannten Ergebnisse bestätigen weiterhin den Schluss von Cresswell et al (2010, S. 1), dass die ANT „can be helpful in investigating technology implementations in healthcare settings.“ Für die deutschsprachige Versorgungsforschung wird vor diesem Hintergrund eine intensivere Beschäftigung mit der ANT gefordert, denn die postmoderne Verwobenheit der Entitäten, insbesondere bei technologischen Implementierungsprozessen, weist einen Bedarf nach komplexen Aushandlungsprozessen auf und „Die ANT beschreibt weder Gesellschaft noch Natur, sondern einen Prozess der Artikulation.“ (Belliger & Krieger, 2006, S. 29).
praktische Implikationen
Die erarbeiteten Hinweise deuten darauf hin, dass die ANT bei einer langfristigen und nachhaltigen Implementierung technologischer Innovationen hilfreich ist, da zunächst die soziotechnischen Beziehungen und Zusammenhänge der Netzwerke verstanden werden müssen. Der nächste Schritt für die Intensivierung der Theoriediskussion sowie der Forschungspraxis ist die Erstellung eines Implementierungs-Konzeptes/-Frameworks mit akteur-netzwerk-theoretischer Basis für eine versorgungswissenschaftlich geprägte Implementierungsforschung.
Literaturangaben
Belliger, A., & Krieger, D. J. (2006). Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. In A. Belliger & D. J. Krieger (Hrsg.), ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie (pp. 13–50). Bielefeld: Transcript.
Cresswell, K.M., Worth, A., & Sheikh, A. (2010). Actor-Network Theory and its role in understanding the implementation of information technology developments in healthcare. BMC Medical Informatics and Decision Making, 10(67), 1-11. Abgerufen von http://www.biomedcentral.com/1472-6947/10/67/prepub
Hintergrund
Die NAKO (Nationale Kohorte) ist mit geplanten 200.000 Teilnehmern im Alter von 20 bis 69 Jahren eine der größten Gesundheitsstudien Deutschlands. Die zufällig aus der Bevölkerung ausgewählten Teilnehmer werden in 18 Studienzentren (SZ) persönlich mit eCRF, mit Touchscreens und mittels schriftlichen Fragebögen befragt. Dazu werden die Teilnehmer mit medizinischen Geräten untersucht sowie um die Abgabe von verschiedenen Bioproben gebeten. Alle Studiendaten werden in den SZ mit einer Webanwendung des Integrationszentrums (IZ, Greifswald und Heidelberg) erhoben und in dessen zentraler Studiendatenbank gespeichert. Mit Hilfe von einheitlichen Standardarbeitsanweisungen (SOP) z.B. zur Ausführungsqualität der Untersuchungen sollen Unterschiede bei der Datenerhebung zwischen den SZ minimiert werden.
Durch ein kontinuierliches Monitoring der Studiendaten können Auffälligkeiten frühzeitig erkannt und die Datenqualität ständig weiter verbessert werden.
Fragestellung
Die Sicherstellung einer hohen Datenqualität obliegt in der NAKO der internen und der unabhängigen externen Qualitätssicherung (QS). Über einen Beantragungsprozess können beide aus dem IZ Studiendaten für einen bestimmten Zeitraum erhalten, um damit statistische Auswertungen durchzuführen. Dieser Ablauf erfordert jedoch wiederkehrenden Aufwand für die Datenextraktion, -aufbereitung und -zusammenstellung. Zudem können die Auswertungen und Berichte nicht zeitnah erstellt werden. Dies kann dazu führen, dass Probleme bei der Datenerhebung erst verzögert entdeckt werden. Da dieser Prozess von der Beantragung bis hin zur Auswertung häufig einen wesentlichen zeitlichen Verzug mit sich bringt, besteht Bedarf für ein zeitnahes, automatisiertes Monitoring der Daten.
Methode
Für die Erzeugung der Monitoringberichte wurde die serverbasierte Webanwendung REMOND („Reporting and monitoring of data“) mittels Java Enterprise Edition entwickelt, die einen direkten Zugriff auf die NAKO Studiendatenbank besitzt. Die Berichtsinhalte (Tabellen und Abbildungen) werden mit dem frei verfügbaren Statistikpaket R berechnet. Mit REMOND werden die R-Routinen entwickelt, gespeichert, konfiguriert und getestet. Anschließend besteht die Möglichkeit, diese über eine grafische Oberfläche zu strukturierten Berichtsvorlagen zusammenzustellen. Mit Hilfe einer Zeitsteuerung werden regelmäßig und automatisiert aus den Berichtsvorlagen Berichte in verschiedenen Ausgabeformaten erzeugt (LaTeX-PDF, CSV und XLSX). Diese Berichte werden unter Berücksichtigung eines detaillierten Rechte- und Rollenkonzepts den Nutzern bereitgestellt. Die Benutzer können dabei mittels eines Webbrowsers die für ihre Nutzergruppe(n) jeweils zugänglichen Berichte abrufen und speichern.
Ergebnisse
REMOND wird in allen 18 SZ der NAKO für den Abruf von Monitoringberichten aktiv genutzt. Derzeit werden etwa 120 R-Routinen und 20 verschiedene Berichtsvorlagen verwaltet. Die R-Routinen umfassen z.B. allgemeine und deskriptive Statistiken z.B. zu fehlenden Variablen und fehlenden Untersuchungsbestandteilen (z.B. Gerätedateien) und die Berechnung der Anteile fehlender Untersuchungen. Die grafischen Darstellungen der R-Routinen umfassen z.B. Linien- und Balkendiagramme, Box-Whisker-Plots, Heat-Maps sowie selbstentwickelte Trendabbildungen.
Der Bericht Teilnehmerstatistik beinhaltet 34 Tabellen und 27 Abbildungen mit umfassenden Informationen zum tagesaktuellen Stand der Rekrutierung von Teilnehmern der Studie. Unterschreitungen von Zielzahlen für die Rekrutierung sind dadurch objektiv und quantitativ erkennbar und ein frühzeitiges Gegensteuern ermöglicht. Der Bericht Untersuchungsstatistik liefert einen Überblick über die Vollständigkeit aller 38 Module des Studienprogramms (Befragungen, körperliche Untersuchungen und Bioproben). In den Einzelberichten, für verschiedene gerätebasierte Untersuchungen, wird auf die Vollständigkeit der an das ZDM übermittelten Daten zu den einzelnen Modulen, die Vollständigkeit jeder der Variablen und der Status der nicht durchgeführten Module geschaut (u.a. Abbruch durch Teilnehmer oder durch Untersucher). Neben den Berichten unterstützt REMOND z.B. auch die Erstellung von Kandidatenlisten mit potentiellen Teilnehmern für Kalibrierungsuntersuchungen, Nachbefragungen und Folgeuntersuchungen.
Diskussion
Die Berichte sind zum Teil umfangreich und müssen sowohl die Integrität aller Inhalte als auch eine hohe Verständlichkeit gewährleisten. Der Vorteil der automatischen und generischen Berichtsgenerierung ist, dass nach Fertigstellung einer Berichtsvorlage der Aufwand für Wartungund Anpassung geringer ist.
Praktische Implikationen
Es sollen in Zukunft noch weitere Berichte entstehen, die mit fortgeschrittener Statistik das Monitoring von Studiendaten erleichtern (z.B. SZ-Gesamtberichte und Untersuchungszeiten). Alle Prozesse müssen an die rasch wachsende Datenmenge der Studie angepaßt werden. was weiterhin hohe Anforderungen an die Stabilität und Bedienbarkeit der REMOND Software stellen wird.
Hintergrund
In Deutschland beträgt die 12-Monats-Prävalenz für die psychiatrischen Erkrankungen Schizophrenie und schizoaffektiven Störungen 2,6 % und 1,5 % für bipolare Störungen. Die medikamentöse Behandlung ist ein zentraler Baustein in der Behandlung dieser Krankheiten sowohl in akuten Stadien als auch häufig ein Leben lang. Aber nur 35 – 50 % der Patienten mit Schizophrenie und bipolaren Störungen verhalten sich adhärent. Häufig sinkt die Adhärenz über die Zeit betrachtet weiter ab.
Fragestellung
Das Ziel dieser Analyse war es, Determinanten für die Medikamentenadhärenz von Patienten mit Schizophrenie und bipolaren Störungen zu identifizieren.
Methode
Die verwendeten Daten wurden der Baseline Erhebung einer prospektiven, randomisiert-kontrollierten Studie entnommen (Tecla-Studie), in der untersucht wird, ob telemedizinische Interventionen (Telefon- und SMS-Kontakte) die Medikamentenadhärenz von schizophrenen und bipolaren Patienten verbessern können. Die Patienten wurden im Anschluss an eine stationäre Behandlung in die Studie eingeschlossen. Die Adhärenz wurde mit der deutschen Version des Medication Adherence Report Scale (MARS-D, Score: 5-25) gemessen. Als weitere Faktoren flossen Alter, Geschlecht, Bildung, Erwerbstätigkeit, das Funktionsniveau (Global Assessment of Functioning (GAF)), Soziale Unterstützung (F-SozU), soziale Erwünschtheit (KSE-G) und die Anzahl der schweren und sehr schweren Nebenwirkungen in eine logistische Regression ein. Der Mars-D wurde dafür dichotomisiert in adhärentes Verhalten (Score von 25) und nicht-adhärentes Verhalten (Score < 25). Zuvor wurde eine multiple Imputation für fehlende Werte durchgeführt.
Ergebnisse
127 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 42,4 Jahren (SD 12,9 Jahre) wurden in die Analyse eingeschlossen, davon waren 57,7 % Männer (n = 73). 106 Patienten hatten eine Diagnose aus dem Spektrum Schizophrenie und schizoaffektive Störungen und 27 hatten die Diagnose bipolare Störung; dabei gab es auch Patienten mit mehreren Diagnosen. Der MARS-D Score beträgt im Durchschnitt 23,4 (SD 2,5, Median 24). Einen Score von < 25 hatten 53,5 % der Patienten (n = 68) und sind damit als nicht adhärent einzustufen. Ein höheres Alter (OR 1,02, p<0,0001), ein höheres Level des Funktionsniveaus (OR 1,02, p<0,0001) und ein höherer Score bei der Sozialen Unterstützung (OR 1,02, p<0,0001) zeigten eine positive und signifikante Assoziation zur Medikamentenadhärenz. Das Geschlecht (weiblich versus männlich OR 0,64, p<0,0001), Erwerbstätigkeit (OR 0,63, p<0,0001) und Soziale Erwünschtheit (hier der Aspekt der Minimierung der negativen Qualitäten der eigenen Person (je höher der Score, desto stärker werden negative Qualitäten minimiert) OR 0,615, p < 0,0001) sind negative Determinanten für die Adhärenz. Ein höherer Bildungsgrad (OR 1,036, p = 0,6826) und Nebenwirkungen (OR 1,002, p = 0,9396) zeigten positive, aber nicht signifikante Einflüsse. Außerdem wurden Sensitivitätsanalysen berechnet (eine logistische Regression mit einem Cut off von 24 und eine lineare Regression in einem Generalisiertem Linearen Modell (GLM) mit einer Poisson-Verteilung), die zeigten, dass die Ergebnisse für GAF, Soziale Erwünschtheit und Soziale Unterstützung belastbar sind.
Diskussion
Es ist bekannt, dass Messungen der Adhärenz mit self-reporting-Instrumenten dazu neigen, dass adhärentes Verhalten überschätzt wird. Die Originalversion des MARS-D, der MARS-5, ist jedoch mit Fokus darauf entwickelt worden, nicht-adhärentes Verhalten zu entdecken. Die Art der Befragung soll die Patienten dazu ermutigen, wahrheitsgemäß auf die Fragen zu antworten, die in einer nicht bedrohlichen und nicht-beurteilenden Weise gestellt werden. Der Bias aufgrund von sozialer Erwünschtheit soll so minimiert werden. Die Zweifel an der Richtigkeit zu den Aussagen non-adhärenten Verhaltens können als geringer angesehen werden, wenn der Patient sagt, sich nicht adhärent zu verhalten. Die negative Assoziation der Minimierung der negativen Qualitäten als Faktor der sozialen Erwünschtheit auf die Adhärenz bestätigt, dass Patienten, die eine Non-Adhärenz zugeben, ihre negativen Qualitäten weniger minimieren.
Praktische Implikationen
Patienten dieses Krankheitsspektrums haben eine hohe Krankheitslast und bedürfen einer kontinuierlichen Behandlung und Nachbetreuung. Insbesondere eine auch dauerhafte Adhärenz zur medikamentösen Behandlung ist wichtig, um diese Erkrankungen unter Kontrolle zu halten. Daher ist es wichtig, Faktoren, die die Medikamentenadhärenz negativ beeinflussen, zu minimieren und Faktoren, die sie positiv beeinflussen zu stärken. Die Ergebnisse dieser Analyse haben gezeigt, dass die soziale Unterstützung einen positiven Einfluss hat. Daher sollte in der Behandlung schizophrener, schizoaffektiver und bipolarer Patienten auch das soziale Umfeld, Angehörige und Betreuer, in die Behandlung einbezogen werden und ihre Kenntnis, ihr Verständnis und ihre Unterstützung für die medikamentöse Behandlung gestärkt werden.
HINTERGRUND
Bei Auswertungen medizinischer Daten ist die Berücksichtigung von Änderungen in den Metadaten besonders wichtig, um vergleichbare Aussagen über längere Zeiträume zu erhalten. Gleichzeitig ist die Dynamik bzgl. Änderungen im Gesundheitswesen häufig sehr prägnant. Diagnosen z.B. werden in vielen Ländern der Welt nach der Klassifikation International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) erfasst und die deutsche Modifikation (ICD-GM) jährlich vom DIMDI aktualisiert. Dazu werden neu identifizierten Erkrankungen Codes zugewiesen, bestehende Codierungen zusammengefasst oder einzelne Bereiche von Krankheiten neu unterteilt, wobei sich jedes Jahr ca. 1,5% der Einträge des ICD-GM 10 änderten.
FRAGESTELLUNG
Wie lassen sich Änderungen in Klassifikationen mittels IT-Unterstützung so auswerten, dass Nutzern inhaltliche Änderungen angezeigt werden und eine erfolgte Veränderung der Modellierung bei der Ergebnisgenerierung berücksichtigt werden kann, ohne dass eine vorherige, potentiell mit Informationsverlust behaftete Anpassung der gespeicherten Datengrundlage notwendig ist.
METHODE
Der Ansatz basiert auf einer graphenbasierten Ad-hoc-Datentransformation, bei der Änderungen in den Klassifikationen visualisiert und für Auswertungen verwendbar gemacht werden. Metadatenänderungen können dabei sowohl syntaktischer als auch semantischer Natur sein und werden als verbindende Kanten zwischen verschiedenen Versionen einer Klassifikation modelliert (Überleitungen), wobei diese Klassifikation als Graphenstruktur aufgefasst werden.
Durch die Interpretation der Verbindungen für eine Analyseanfrage werden sogenannte Evolutionspfade identifiziert, die aus Mengen von verbundenen Klassifikationselementen verschiedener Versionen bestehen. Die Evolutionspfade repräsentieren dabei domänenspezifisches Hintergrundwissen, welches in den Überleitungen repräsentiert ist, wie z. B. die Bedeutungsänderung von Codierungen über die Zeit.
Nutzer können dieses Hintergrundwissen visuell erfassen und sich für einen geeigneten Evolutionspfad entscheiden. Die Analyseanfrage wird dann zur Anfragezeit so umgewandelt, dass die auszuwertenden Daten zum Zeitpunkt der Anfrage und speziell für deren Zwecke unter die gewählte Bedeutung des Evolutionspfads transformiert werden. Dabei wird auf eine tatsächliche Umcodierung der Datenbasis sowie die Nutzung von Approximationen verzichtet.
ERGEBNISSE
Der als IT-Prototyp umgesetzte Ansatz wurde, neben einer Gebietsklassifikation, mit den vom DIMDI für die ICD-GM bereitgestellten Überleitungen der Jahre 2004 bis 2012 getestet. Der IT-Prototyp wurde u. A. neun Personen aus dem Bereich Krebsepidemiologie im Rahmen einer Befragung vorgestellt. Hier fanden acht Personen sowohl die Visualisierung als auch den Ansatz hilfreich. Insbesondere die aus der Visualisierung gewonnene Erkenntnis, dass einzelne Codes für vergleichbare Ergebnisse bei Anfragen hinzugefügt werden mussten, wurde als überraschend angesehen. Dies wurde an dem ICD-GM 10 Code C80 gezeigt, der von der Version 2009 zu 2010 restrukturiert und ein Teil zu C79.9 exkludiert wurde. Für inhaltlich vergleichbare Ergebnisse zu C80 aus 2009 müssten ab 2010 die Codes C80, C80.0, C80.9 als auch C79.9 betrachtet werden.
Alle Befragten gaben an, bereits selbst mit dem Problem der sich ändernden Codierungen und Bedeutungen konfrontiert gewesen zu sein.
Für Analysen wurde der Prototyp bisher nur für Daten der strukturierten Qualitätsberichte der Krankenhäuser der Berichtsjahre 2006, 2008 und 2010 verwendet. Hier gab es Hinweise, dass die Ergebnisse die Entwicklung von Fallzahlen für angefragte Diagnosen besser abbilden als ohne die Berücksichtigung aller zugehörigen Überleitungen des DIMDI.
DISKUSSION
Die Identifizierung verschiedener Bedeutungen von Codierungen und die Visualisierung von Änderungen in Klassifikationen wurde von Nutzern aus dem epidemiologischen Bereich als nützlich angesehen. Um den Nachweis zu erbringen, dass die Ergebnisse der Analysen besser sind, bedarf es konkreter Auswertungen von medizinischen Daten aus einem längeren Zeitraum. Da der Ansatz aus der IT entwickelt wurde ist hier noch Bedarf an einer inhaltlichen Überprüfung durch die Versorgungsforschung bzw. Epidemiologie.
PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN
Um die Veränderungen in Klassifikationen wie der ICD-GM 10 nachvollziehen zu können braucht es Systeme zur Aufbereitung der Überleitungen. Der skizzierte Ansatz ist für Datengrundlagen geeignet, bei denen bekannt ist nach welcher Version einer Klassifikation die Daten erfasst und gespeichert wurden. Eine kennzahlabhängige Approximation zur Umcodierung einzelner Werte wird nicht benötigt. Dadurch müssen gegebenenfalls Gruppen von Codierungen analysiert werden, im Gegenzug wird eine Unschärfe durch Schätzwerte ausgeschlossen und der Ansatz ist direkt ohne Anpassung der Datenbasis nutzbar.
Background
A simulation can be a tool to explore methodological challenges of used study designs or data analysing methods.
Here, we provide an R-package for sampling multidimensional distributed data within cluster randomized trails,
for stepped wedge design (SWD) trails as well as cross-over and parallel designs.
The SWD is an alternative study designs when a simple parallel design is not useful or not be feasible.
Aim
This design is relative new and for health care researchers in practice several methodological pitfalls are possible.
The aim is to give an orientation before beginning a study to determine how sensitive their study is against common
scenarios in research practice.
Method
A simulation experiment is performed investigating three factors:
the intervention reach not the 100\% assumed implementation,
number of missing clusters and time point at which clusters were lost.
The data within an (cross-sectional as well as longitudinal) SWD trial including
the deviations from the assumed perfect situation were sampled using the R-package.
Then the followed effect estimation were realized using a linear mixed-effects model.
Results
The results of the simulation study show that the SWD was not robust against a lack of implementation,
identifying that a delay in implementation had the greatest influence on the estimates.
The variance of the effect estimates increased with the number of lost clusters,
where the time-point of clusters loss had only a marginal influence.
Discussion
Researcher may consider using simulation studies to quantify the effect of possible practical lacks within studies.
Moreover, solutions to encounter such identified lacks should be found before a study is performed.
For example, for implementation errors within SWD trials it is suggested
to estimate the degree of intervention implemention via process evaluation,
which can ten be included into the statistical model.
Practical implication
The provided R-package is usefull to sampling data within such studies and the simulation can be adapted for other settings.