Hintergrund
Ausgangspunkt des Projektes sind das im Juli 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz und die Realisierung eines Modellvorhabens nach § 20g SGB V unter Berücksichtigung des nationalen Gesundheitsziels „Gesund leben und arbeiten“, formuliert in den Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionskonferenz (NPK) vom 19. Februar 2016, entsprechend § 20d Abs. 3 SGB V.
Fragestellung
Wie lassen sich die Qualität, Effizienz und Akzeptanz von Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) und zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) in ländlichen und strukturschwächeren Regionen langfristig und nachhaltig verbessern?
Methode
Ziel des Projektes ist die Entwicklung von arbeitsmedizinischen Angeboten und Maßnahmen, die an die spezifischen Rahmenbedingungen von KMU und deren Beschäftigte in ländlichen und strukturschwächeren Regionen angepasst sind und eine qualitativ hochwertige, umfassende und nachhaltige (arbeitsmedizinische) Versorgung an der Schnittstelle zwischen Arbeitsschutz und kurativer Medizin gewährleisten.
In einem ersten Schritt wird über Dokumentenanalyse, Gespräche und Interviews eine Datenbank aller relevanten Akteure der BGF und des BGM in einem Flächen-Bundesland mit ausgeprägter KMU-Struktur erstellt.
Diese Datenbank dient als Basis für die Erhebung und Analyse des Ist-Zustandes der BGF und des BGM in diesem Bundesland. Mit Hilfe von standardisierten (gruppenspezifischen) Fragebögen und semi-strukturierten Experteninterviews werden die betroffenen Akteure und die Anbieter von BGF-/BGM-Maßnahmen sowohl über das bestehende Angebot als auch die Kooperationsmuster zwischen den unterschiedlichen Akteuren und deren Bedarfsvorstellungen befragt.
Zeitgleich erfolgt eine Auswertung der aktuellen Forschungsliteratur, wobei zunächst insbesondere zwei Bereiche abgedeckt werden:
(1) spezifische Analysen zum Bundesland
- Analysen zur Unternehmens- und Betriebsstruktur
- Untersuchungen zur BGF und zum BGM
(2) Untersuchungen, Analysen, Modelle zur regionalen Versorgung
- eHealth: telemedizinische Versorgungswege und internetgestützte Kommunikationsansätze
- interorganisationale Netzwerke im Bereich BGF und BGM (Formen, Umfang, Effizienz)
Auf der Basis der quantitativen und qualitativen Datenerhebung und der Dokumenten- und Literaturauswertung werden Modelle und Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit (Vernetzung) erarbeitet
- zwischen den Akteuren des betrieblichen Arbeitsschutzes und der BGF
- zwischen betrieblicher Versorgung und kurativ-medizinischer Versorgung in der Region zur Gestaltung eines ganzheitlichen Betrieblichen Gesundheitsmanagements
Ergebnisse
Liegen aktuell noch nicht vor.
Diskussion
In den vergleichenden Studien des Commonwealth Fund (2011, 2016) zeigt sich ein hoher Anteil an Erwachsenen in Deutschland, die Koordinationsprobleme bei ihrer medizinischen Betreuung und Versorgung wahrnehmen. In der Literatur werden auch Defizite im Informationsfluss, im kommunikativen Datenaustausch und in der (engen) Verzahnung und intensivierten Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten (Moßhammer et. al. 2012) oder zwischen Rehabilitationsmedizinern und Betriebsärzten (Völter-Mahlknecht/Rieger 2014) diskutiert. Die Studie soll einen Beitrag dazu leisten, an der Schnittstelle zwischen Arbeitsschutz, BMF und kurativer Medizin unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungsprofile im Feld von KMU und deren Beschäftigten in ländlichen und strukturschwächeren Regionen die medizinische Versorgung und Betreuung durch neue Versorgungswege und eine intensivere Vernetzung zu verbessern.
Praktische Implikationen
Das Modellprojekt trägt zur Verbesserung der BGF an der Schnittstelle zwischen Arbeitsschutz und kurativer Medizin, insbesondere für KMU in ländlichen und strukturschwächeren Regionen, bei. Bestehende Möglichkeiten zur Prävention und Gesundheitsförderung werden bekannter und vorhandene Strukturen stärker vernetzt.
Literatur
Bönisch, Sebastian 2017: Was bringt Vernetzung im Gesundheitswesen. Eine wirkungsorientierte Betrachtung interorganisationaler, Springer VS.
Commonwealth Fund 2011: International Health Policy Survey of Sicker Adults in Eleven Countries, November 2011.
Commonwealth Fund 2016: International Health Policy Survey of Adults in Eleven Countries, November 2016.
Moßhammer, Dirk/Natanzon, Iris/Manske, Ira/Grutschkowski, Philipp/Rieger, Monika A. 2012: Die Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten in Deutschland: Wo befinden sich Defizite und Barrieren?: Eine qualitative Analyse anhand von Fokusgruppeninterviews, Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 106: 9, 639–648.
NPK 2016: Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionskonferenz nach § 20d Abs. 3 SGB V.
Völter-Mahlknecht, Susanne/Rieger, Monika 2014: Patientenversorgung an der Schnittstelle von Rehabilitation und Betriebsärzten. Systematische Literaturübersicht zur Versorgungsgestaltung, Deutsche Medizinische Wochenschrift, 1390, 1609–1614.
Hintergrund: Im Hinblick auf die Versorgung einer alternden Gesellschaft und die steigenden Kosten der kurativen Medizin rücken Maßnahmen zur Primär- aber auch Sekundärprävention stärker in den Vordergrund. Im Rahmen des neuen Präventionsgesetzes ist es Ärztinnen und Ärzten in der Funktion eines Präventionslotsen möglich, gezielte Empfehlungen zu Präventionsleistungen in Form einer ärztlichen Bescheinigung auszusprechen und Versicherte zur Inanspruchnahme von primärpräventiven zertifizierten Angeboten zu motivieren. Zentrale Handlungsfelder sind Bewegungsgewohnheiten, Ernährung, Stressmanagement und Suchtmittelkonsum. Hinzu kommen der Ausbau von Früherkennungsmaßnahmen und die Stärkung der Rolle des Betriebsarztes.
Fragestellung: Wird Präventive Medizin als eigenständiges fächerübergreifendes Lehrfach von Studierenden angenommen und erfolgreich absolviert?
Methode: Im Rahmen eines Reformstudienganges erhalten Medizinstudierende erstmals die Möglichkeit, Präventive Medizin als eigenständiges Wahlpflichtmodul über 9 Semester zu belegen und mit einer Studienarbeit sowie gegebenenfalls einer Dissertation abzuschließen. Zu den tragenden Basisdisziplinen des Angebotes zählen die Ernährungsmedizin, die Sportmedizin, die Arbeitsmedizin, die Suchtprävention und die Gesundheitspsychologie. Neben evidenzbasierten Maßnahmen zur individualisierten Prävention geht es um die Gesundheitsförderung in speziellen Zielgruppen und im Setting. Darüber hinaus werden soziale und gesundheitsökonomische Aspekte thematisiert und die zahlreichen präventiven Teilgebiete wie z.B. u.a. Dermatologie, Pädiatrie, Onkologie, Kardiologie und Osteologie vernetzt. Die Studierenden erhalten Einblick in das interprofessionelle Arbeiten in der Prävention im ambulanten und stationären Bereich.
Ergebnisse: Die hohe Bewerbungsquote für den Wahlpflichtbereich spiegelt die Attraktivität bezüglich der Thematik Prävention wider. Evaluationsergebnisse weisen auf eine große Zufriedenheit der Studierenden mit den Lehrinhalten hin. Das geht mit einer hohen Nachfrage nach Studienarbeiten und Promotionen in der ersten Kohorte der Studierenden einher.
Diskussion: Neben einer besseren Verankerung der Prävention als Querschnittsfach im Medizinstudium könnte die Möglichkeit einer gezielten zusätzlichen Spezialisierung Studierender einen Beitrag dazu leisten, Maßnahmen zur Etablierung der Prävention in der medizinischen Versorgung besser zu verankern. Hierzu bedarf es allerdings auch geeigneter Anreize u.a. einer eigenen Abrechnungsziffer zur Integration in die Praxisabläufe und die Routineversorgung.
Praktische Implikation: Ein höherer Stellenwert der Prävention in der zukünftigen medizinischen Ausbildung kann einen Beitrag dazu leisten, Ärztinnen und Ärzte stärker in die Gesundheitsförderung einzubinden und dadurch Patienten mit gesundheitsbezogenen Risiken zur Inanspruchnahme von präventiven Angeboten zu motivieren.
Hintergrund: Arthrose zählt zu den häufigsten muskuloskelettalen Erkrankungen (MSKE) und verursacht mehr Einschränkungen und Behinderungen in der Bevölkerung der westlichen Industrienationen als jede andere Erkrankung. Von Arthrose betroffene Patienten gehören in Deutschland zu den häufigsten Nutzern des Gesundheitssystems (RKI 2013). Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Die Gesamtlebenszeitprävalenz der Arthrose ist für Frauen (27,1%) signifikant höher als für Männer (17,9%). In der Gruppe der über 65 jährigen sind etwa die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer betroffen (RKI 2012). Während für einige bedeutende chronische Erkrankungen klare Zusammenhänge mit Risikofaktoren aufgezeigt werden konnten, besteht für Arthrose noch in vielen Punkten Unklarheit, deshalb geht diese Arbeit der Frage nach :
1. Ist körperliche Inaktivität von Frauen im mittleren Lebensalter ein Risikofaktor für das Entstehen von Hüft- und Kniegelenharthrose?
2. Welche anderen Risikofaktoren können aus der Literatur erschlossen werden?
Methode: Es wurde eine systematische Literatursuche in den relevanten medizinischen Datenbanken durchgeführt. Vier Kohortenstudien wurden identifiziert, die den Einfluss von körperlicher Aktivität auf die Entstehung von symptomatischer Arthrose untersuchten. Die Studien wurden anhand des STROBE Statements bewertet.
Ergebnis: Allen Studien liegt die Hypothese zu Grunde, dass körperliche Aktivität ein Risikofaktor für das Entstehen von Arthrose ist. Diese Hypothese konnte widerlegt werden. Obwohl alle Studien körperliche Aktivität unterschiedlich operationalisieren, kommen sie zu dem Ergebnis, dass weder ein hohes Maß an körperlicher Aktivität noch körperliche Inaktivität einen Risikofaktor für die Entstehung von Arthrose bei Frauen darstellt. Dieses Ergebnis lässt sich auf übergewichtige und adipöse Personen übertragen. Übergewicht und psychischen Erkrankungen können als unabhängige Risikofaktoren für die Entstehung von Arthrose belegt werden.
Diskussion: Es ist allgemein anerkannt, dass körperliche Aktivität einen positiven Einfluss auf die physische und psychische Gesundheit hat. Körperliche Aktivität ist ein fester Bestandteil von Prävention und in der Rehabilitation chronischer Krankheiten. Ein aktiver Lebensstil reduziert das Risiko von Übergewicht und psychischen Erkrankungen.
Frauen im späten mittleren Lebensalter erfahren mit dem Eintritt der Menopause um das fünfzigste Lebensjahr körperliche Veränderungen. In dieser Lebensphase erhöht sich das Risiko für die Entstehung von Arthrose und anderen chronischen Erkrankungen. Durch gezielte geschlechtersensible Präventionsmaßnahmen lässt sich die Zahl der chronisch behandlungsbedürftigen Hüft- und Kniegelenksarthrosen reduzieren.
Praktische Implikationen: Entwicklung einer Hüft- bzw. Knieschule unter Einbeziehung neuester Erkenntnisse aus der Medizin, Therapie, Psychologie sowie mit partizipativer Patientenbeteiligung.
Hintergrund: Abdominale Adipositas steht in direktem Zusammenhang mit den meisten nicht übertragbaren Krankheiten (NCDs), der mittlerweile führenden Todesursache weltweit. Dazu zählen in erster Linie die von der WHO als Haupttypen postulierten kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes, Krebs und chronisch-respiratorische Erkrankungen. Die Identifikation effektiver Therapieoptionen für abdominale Adipositas ist daher von besonderer Bedeutung, um sowohl der Zunahme ihrer Prävalenz als auch dem weiteren Ansteigen der assoziierten NCDs präventiv entgegenzutreten. Der hier vorgestellte systematische Review soll die vorliegende Fragestellung untersuchen und wurde im März 2017 im internationalen prospektiven Register für Protokolle systematischer Reviews PROSPERO registriert: CRD42017057898.
Fragestellung: Welche therapeutischen Optionen zur Behandlung abdominaler Adipositas im Erwachsenenalter stehen zur Verfügung? Erstellung eines Überblicks über Verhaltens-, Lebensstil und pharmazeutische Interventionen sowie kombinierte Ansätze, deren Wirksamkeit und potenzielle Nebenwirkungen.
Methode: Systematische Literaturrecherche in Medline, Embase und dem Cochrane Central Register of Controlled Trials (CCRCT) sowie den Referenzlisten der eingeschlossenen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs). Zwei Wissenschaftler führen unabhängig voneinander einen Title-Abstract Scan der Trefferlisten der Literaturrecherche nach vorher festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien durch. Konflikte werden durch einen dritten Wissenschaftler gelöst. Die so identifizierten Studien werden in einem weiteren Schritt im Volltext erneut anhand der Ein- und Ausschlusskriterien nach demselben Schema geprüft. Die Datenextraktion erfolgt wiederum durch zwei Wissenschaftler und wird jeweils gegengeprüft. Für die Datenextraktion werden spezielle Tabellen erstellt, die den Anforderungen für den abschließenden Bericht entsprechen. Alle wichtigen Informationen bezüglich der Studiendetails werden erfasst, wie Setting, Anzahl der Teilnehmer, Beschreibung und Komponenten der Intervention und Kontrolle, Basischarakteristika der Teilnehmer (z.B. Altersgruppe, Geschlecht, Gesundheitszustand), Dauer der Intervention und des Follow-Up, berichtete (stetige) Ergebnismaße zusammen mit dem jeweiligen Delta (Δ) und der prozentualen Veränderung, sowie berichtete Nebenwirkungen. Alle eingeschlossenen RCTs erhalten ein Rating anhand des „Cochrane Collaboration’s tool for risk of bias assessment (SCORE)“. Der Bericht erfolgt aufgrund der erwarteten Vielfalt an unterschiedlichen Zielgrößen, bedingt durch die nicht einheitlichen Mess- und Definitionsverfahren der abdominale Adipositas, in narrativer Form basierend auf der Leitlinie des “Economic and Social Research Council (ESRC) Methods Programme”.
Diskussion: Ein bereits existierender Review zu Therapieoptionen für abdominale Adipositas konnte bei Vorrecherchen in einschlägigen Datenbanken nicht gefunden werden. Wirksame Therapieoptionen für abdominale Adipositas können sich allerdings deutlich von den Therapieoptionen für allgemeine Adipositas unterscheiden, da für den Abbau von abdominalem Fett nicht zwangsläufig eine Gewichtsabnahme erforderlich ist.
Praktische Implikationen: Abdominale Adipositas ist ein bisher in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung vernachlässigter Risikofaktor. Zwar gibt es eine S3 Leitlinie zu allgemeiner Adipositas, nicht jedoch zu der eigentlichen Hochrisikovariante der abdominalen Adipositas, auf die in der Leitlinie nur sehr kursorisch eingegangen wird. Die Identifikation wirksamer Therapien ist von besonderer Bedeutung für eine umfassende Patientenversorgung. Da abdominale Adipositas ein bedeutsamer Risikofaktor für NCDs ist, ist nicht nur die Therapie von großer Bedeutung, sondern vor allem die damit verbundene Präventionsleistung.
Hintergrund: Übergewicht und Adipositas im Kindesalter sind in Deutschland und weltweit omnipräsent, mit steigender Tendenz. Sie haben vielseitige und weitreichende Folgen für das Kind, dessen Familie und letztendlich auch für das Gesundheitssystem. Untersuchungen zur Zahlungsbereitschaft für Verbesserungen der Gesundheit im Allgemeinen, und speziell für die Reduktion von Übergewicht und Adipositas bei Kindern, sind selten. Diese können jedoch für Kosten-Effektivitätsanalysen von Präventions- und Gesundheitsförderprogrammen im Kindesalter genutzt werden. Zusammenhänge zwischen Gesundheitseinstellungen und Gesundheitsverhalten der Eltern und deren Zahlungsbereitschaft können gezielt Implikationen für Maßnahmen liefern.
Fragestellung: Wie hängt die elterliche Zahlungsbereitschaft für die Prävention von Übergewicht und Adipositas bei Kindern mit den Gesundheitseinstellungen und dem Gesundheitsverhalten der Eltern zusammen?
Methode: Daten der cluster-randomisierten Interventionsstudie mit Wartekontrollgruppendesign zur Evaluation des schulbasierten Gesundheitsförderprogramms „Komm mit in das gesunde Boot“ bei Grundschülern und ihren Eltern in ganz Baden-Württemberg wurden ausgewertet. Geschultes Personal erhob standardisiert anthropometrische Parameter der Kinder. Elternfragebögen erfassten Angaben der Väter und Mütter zur eigenen Anthropometrie, soziodemographischen Faktoren, verschiedenen Gesundheitseinstellungen (Körperbild, allgemeine Gesundheit) sowie dem eigenen Gesundheitsverhalten, gemessen an Medienkonsum (Fernsehsendungen und Videofilme, Computernutzung), körperlicher Aktivität und dem Rauchverhalten. Die Zahlungsbereitschaft für eine Halbierung der Inzidenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern wurde mit ja/nein erfragt. Um Unterschiede für zahlungsbereite und nicht-zahlungsbereite Eltern zu untersuchen, wurden Fisher´s exakte Tests berechnet, mit einem Signifikanzniveau für zweiseitige Tests von α < 0.05.
Ergebnisse: Daten zur generellen Zahlungsbereitschaft ihrer Eltern lagen für 1451 Kinder vor, wobei knapp die Hälfte (48,9%, n=710) der Eltern grundsätzlich zahlungsbereit waren. Zahlungsbereite Eltern empfanden Übergewicht und Adipositas signifikant häufiger als Gesundheitsproblem und hatten ein signifikant höheres Familieneinkommen (p<0.001) als nicht-zahlungsbereiten Eltern. Kinder von zahlungsbereiten Eltern waren signifikant häufiger übergewichtig (p<0.05), adipös und abdominal adipös (p<0.01). Zahlungsbereite Mütter waren signifikant häufiger übergewichtig (p<0.01), adipös (p<0.001) und schätzten sich selbst als zu dick ein (p<0.001). Zahlungsbereite Väter und Mütter waren signifikant häufiger der Meinung, dass es wichtig ist dünn zu sein, um attraktiv zu sein (p<0.01), fanden ihr Kind häufiger zu dick (p<0.001), fanden Ihr Kind sollte abnehmen (p<0.001) und ermahnten ihr Kind häufiger, auf sein Gewicht zu achten (p<0.01). Medienkonsum, körperliche Aktivität sowie das Rauchverhalten beider Eltern zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen zahlungsbereiten und nicht-zahlungsbereiten Eltern.
Diskussion: Etwa die Hälfte der Eltern war bereit, etwas für die Reduktion der Inzidenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern zu bezahlen. Die Übergewichtsprävalenz der Kinder und Mütter sowie die Gesundheitseinstellungen, besonders das Körperbild und das Bewusstsein beider Eltern, dass Übergewicht und Adipositas negative Auswirkungen haben, zeigen sich in einer höheren Zahlungsbereitschaft. Das elterliche Gesundheitsverhalten hängt nicht mit der Zahlungsbereitschaft zusammen. Dies sind wichtige Erkenntnisse für die Planung von zukünftige Studien und Maßnahmen. Aufgrund der geringen Präsenz von ähnlichen Studien ist eine Einordnung der Ergebnisse schwierig. Längsschnittuntersuchungen sind notwendig. Die Zahlungsbereitschaft kann jedoch ein wichtiges Maß für Kosten-Effektivitätsanalysen bieten.
Praktische Implikationen: Die größere elterliche Zahlungsbereitschaft für von Übergewicht und Adipositas betroffene Familien und deren damit zusammenhängende Gesundheitseinstellungen reflektieren das Bewusstsein der Problematik und die Bereitschaft, etwas dagegen zu tun. Politische Entscheidungsträger sollten dies in landesweite Maßnahmen umsetzen. Gesundheitsfördernde Interventionen für Kinder sollten demnach neben deren Verhaltensänderung, die bekanntermaßen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit hat, auch auf eine Veränderung der Gesundheitseinstellungen der Eltern zielen.
Hintergrund: Nach Schätzung des Bundesgesundheitsministeriums werden rund ein Drittel aller Kosten im Gesundheitswesen durch Krankheiten verursacht, die direkt oder indirekt durch die Ernährung beeinflusst werden [1]. Dazu zählen Adipositas, Diabetes mellitus II, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Allergien; einige Formen von Krebs sowie chronische Entzündungsprozesse werden durch bestimmte Nährstoffe beeinflusst. HIer ist die Ernährungsberatung (EB) ein wichtiger Baustein in der Prävention und der Therapie. Entsprechend sind EB und Ernährungstherapie (ET) in zahlreichen Leitlinien verankert. Bei einigen Erkrankungen, wie Zöliakie ist die ET die einzig mögliche Therapieform.
Im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ist die Kostenerstattung für EB im SGB V §20 (Primäre Prävention und Gesundheits¬förderung) und für ET im SGB V §43 SGB V (Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation) geregelt. Für die privaten Krankenversicherungen (PKV) gibt es bezüglich der EB und ET keine gesetzlichen Regeln. In der Praxis unterliegt die Kostenübernahme der individuellen Ausgestaltung der Verträge wodurch ein sehr uneinheitliches Bild entsteht.
Fragestellung: Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es einen Überblick der Kostenerstattung ausgewählter Krankenkassen und -versicherungen zu geben.
Methodik: Es wurden online Fragebögen zur Kostenerstattungspraxis von Beratungsleistungen erstellt und mittels EvaSys versandt. Der Fragebogen für die GKV umfasste 32 Fragen, der Fragebogen für die PKVs 23 Fragen. Im Allgemeinen Teil wurden Fragen zur Kostenübernahme und dem Vorhandensein von Ansprechpartnern, im zweiten Teil Fragen im Bereich der Prävention und im dritten Teil mit zu Leistungen für die ET gestellt.
Kriterien bei der Auswahl der GKV und PKV waren die Anzahl der Versicherten, der Marktanteil der Versicherungen sowie Erfahrungswerte aus der praktischen Arbeit von Ernährungsfachkräften. Von den insgesamt 123 in Deutschland existierenden GKV (Stand 2015, [2]) wurden 25 angeschrieben. Hiervon beteiligten sich 12 GKV (48 %) an der Befragung. Von den 49 existierenden PKV [3] erhielten 10 den Fragebogen. Davon antwortete eine inhaltlich, ohne den Fragebogen auszufüllen.
Ergebnisse: Aufgrund der relativ klaren gesetzlichen Vorgaben, ergab sich eine weitgehende Übereinstim¬mung zwischen den unterschiedlichen GKV hinsichtlich der Umsetzung im Bereich der Prävention. Die Erstattung im Rahmen der ET ist heterogen geregelt und von Einzelfallentscheidungen mit teilweise hohem bürokratischem Aufwand geprägt. Die Honorarhöhe unterscheidet sich zwischen den Kassen und ist bei einem Stundesatz zwischen 35,- und 53,- € insgesamt als unbefriedigend zu bewerten.
PKV sind nicht zur Prävention verpflichtet. Lediglich eine PKV nahm in einer E-Mail Stellung zur Problematik. Diese bezuschusst sowohl präventive EB als auch ET nach Einzelfallprüfung und verweist auf die Leistungen durch die Beihilfe. Für Leistungen, die von einem Arzt erbracht werden, besteht, unabhängig von seiner Qualifikation, ein tariflicher Leistungsanspruch.
Diskussion: Aufgrund der mangelnden Teilnahme der PKVs ist eine vergleichende Darstellung ihrer Leistungen mit denen der GKVs nicht möglich. Insgesamt sind die Angebote und die damit verbundenen Rahmenbedingungen primärpräventiver Maßnahmen für unbeteiligte Privatpersonen nahezu unüberschaubar. Das könnte dazu führen, dass sich viele Betroffene nicht über bestehende Möglichkeiten bewusst sind oder nicht ausreichend darüber informiert werden. Zudem ist davon auszugehen, dass die notwendige Bürokratie und die erforderlichen Vorausleistungen einige Betroffene abschreckt. In der Regel stehen keine festen Ansprechpartner für Fragen zur EB zur Verfügung. Hierdurch wird der Zugang zu ernährungstherapeutischen Leistungen erschwert – dies gilt nicht nur für die Patienten, sondern auch für die verschiedenen Berufsgruppen, welche die Leistung erbringen.
Praktische Implikationen: Für gesetzlich Versicherte besteht die Möglichkeit einer Leistungserstattung für die primärpräventive EB, die ET unterliegt Einzelfallentscheidungen. Bei privat Versicherten ist die Kostenübernahme nicht geregelt. Aus Sicht der Patienten wäre es wünschenswert, die Versorgung mit EB und ET einheitlich zu regeln. Es ist zu prüfen, wie Leistungen im Bereich der EB und -therapie im Leistungskatalog der GKV und PKV verankert werden können.
Literatur:
[1] Bundesministerium für Bildung und Forschung (2017): Ernährung http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/ernaehrung.php ( 30.04.2017)
[2] Gottfried M, Schild M (2016): vdek-Basisdaten des Gesundheitswesens 2015 / 2016. Hg. v. Verband der Ersatzkassen e.V. Berlin. URL: https://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2016/basisdaten-2016.html (02.03.2017)
[3] PKV (2014): Zahlenbericht der Privaten Krankenversicherung 2013. URL: https://www.pkv.de/service/broschueren/daten-und-zahlen/zahlenbericht-2013/ (02.03.2017)
Hintergrund:
Die deutsche Studienreihe “PsoHealth” hat in den letzten Jahren die Qualität der Versorgung der Schuppenflechte (Psoriasis) untersucht. Dabei wurde herausgefunden, dass ein bedeutender Anteil nicht gemäß der nationalen Leitlinie behandelt wird, was auch in weiteren Studien belegt wurde. Eine ähnliche Unterversorgung konnte auch in anderen Ländern festgestellt werden, was sich unter anderem auch durch eine Unzufriedenheit der Patienten mit ihrer Versorgung zeigt.
Fragestellung:
Diese Studie zielt darauf ab, Barrieren leitliniengerechter Versorgung bei Psoriasis in fünf europäischen Ländern zu identifizieren.
Methode:
Anhand einer multizentrischen Querschnittsstudie werden Barrieren und Qualität der Psoriasisversorgung erfasst. Die fünf Länder (Dänemark, Polen, Spanien, Großbritannien und Deutschland), in denen Daten erhoben werden, stehen repräsentativ für das jeweilige Gesundheitssystem und der dortigen ambulanten dermatologischen Versorgung. In jedem Land sollen 500 Patienten in die Studie eingeschlossen werden, was zu einer Gesamtpopulation von 2.500 Patienten mit Psoriasis führt. Die Datenerhebung wurde im Januar 2016 gestartet und soll Ende 2017 abgeschlossen werden. Der vorliegende Beitrag zeigt Zwischenergebnisse der in Deutschland befragten Patienten. Die Daten werden zunächst deskriptiv und im weiteren Verlauf der Studie multivariat mittels SPSS ausgewertet.
Ergebnisse:
Bis Januar 2017 konnten in Deutschland n = 327 Patienten in die Studie aufgenommen werden. Das mittlere Alter lag bei 50 Jahren, 42,3 % waren weiblich. Der mittlere Schweregrad, gemessen mit dem Psoriasis Area and Severity Index auf einer Skala von 0-72 (PASI) lag bei 7,2. 24 % hatten einen PASI über 10, was gemäß der Leitlinie einer mittleren bis schweren Psoriasis entspricht und eine medikamentöse (systemische) Therapie erfordert. Die mittlere Beeinträchtigung der Lebensqualität, gemessen mit dem Dermatology Life Quality Index (DLQI, Skala 0-30) betrug 5,6. 63,5 % der Patienten wurden mit systemischen Medikamenten behandelt, 28,8 % erhielten Biologika. Seit Feststellung der Diagnose haben die Patienten im Durchschnitt 3 verschiedene Dermatologen aufgesucht (min 0, max 27) und haben 4 mal die Therapie gewechselt. 10 % gaben an, dass ihre Kasse schon mal eine Therapie abgelehnt hat, die durch einen Arzt empfohlen wurde.
Diskussion:
Die Zwischenergebnisse der in Deutschland erhobenen Daten zeigen erste Trends und erweitern Erkenntnisse aus den vorangegangenen Studien zur Versorgungssituation der Psoriasis. Die hohe Zahl an aufgesuchten Ärzten und Therapiewechseln zeigen, dass sich die Behandlung der Psoriasis sehr komplex gestalten kann. Derartige Wechsel können durch ein sich veränderndes Krankheitsbild oder auch durch Unzufriedenheit des Patienten mit der eigenen Behandlung begründet sein. Dies und die verwehrten Therapien geben Hinweis auf mögliche Barrieren der leitliniengerechten Versorgung der Psoriasis in Deutschland. Der europäische Vergleich ermöglicht zum ersten Mal die direkte Beschreibung der Versorgungssituation (inklusive Herausforderungen und Zugangsbarrieren im Laufe des Patientenpfads) für ein breites Spektrum europäischer Länder.
Praktische Implikationen:
Die laufende Studie wird die Implementierung der Nationalen Versorgungsziele für Psoriasis 2010-2020 sowie die Ergreifung von Maßnahmen zum verbesserten Zugang zu systemischen Medikamenten und Biologika fördern. Die Verknüpfung von patientenberichteten Endpunkten mit Daten des Gesundheitssystems und Barrieren aus Sicht des Arztes sind ein weltweites Novum und werden dazu beitragen, Strategien zur Überwindung dieser Barrieren zu entwickeln.
Hintergrund
Sexuell übertragbare Infektionen (sexual transmitted infections, STI) sind ein globales Gesundheitsproblem und auch in Deutschland sind seit einigen Jahren deutlich steigende STI-Inzidenzen zu beobachten. Das Ausmaß des Nichtwissens um STI und deren Verbreitung ist in der deutschen Bevölkerung groß. Auf Versorgerseite besteht ebenso Optimierungsbedarf: Die wenigen vorliegenden empirischen Studien zu hausärztlichem Beratungsverhalten bei STI verweisen auf große Unsicherheiten, welche Patientengruppen aufgrund erhöhter Risiken verstärkt zu STI-Prävention/-Früherkennung beraten werden sollten und bei welchen Symptomen STI-Testung von therapierelevantem Nutzen wären (1-4). Hausärzte (als häufig erste Ansprechpartner) berichten Kommunikationsprobleme bzgl. Sexualitäts- und STI-Themen, die zur Vermeidung der STI-Patientenberatung in der Hausarztpraxis führen (3). In Deutschland fehlen bislang valide Daten zu STI-Versorgungsabläufen.
Fragestellung
Wie schätzen Hausärzte ihre Kompetenz hinsichtlich Prävention, (Früh-) Erkennung und Beratung von STI ein? Welche STI-Tests werden in Hausarztpraxen durchgeführt?
Methode
Im Rahmen einer explorativen Pilotstudie erfolgte eine schriftliche Befragung bei hausärztlich tätigen Teilnehmern auf einem regionalen Jahreskongresses einer allgemeinmedizinischen Fachgesellschaft im Juni 2016. Der verwendete vierseitige Fragebogen fokussierte auf die Selbsteinschätzungen der STI-Beratungskompetenz, des STI-Beratungsverhaltens und des STI-Testungsverhaltens. Die Daten wurden mit SPSS 23.0 erfasst und mittels deskriptiver Analyseverfahren ausgewertet.
Ergebnisse
47 (62 % Frauen) von insgesamt 63 hausärztlich tätigen Kongressteilnehmern beteiligten sich an der Befragung. Fast alle Befragten (98 %) bestätigten, Patienten präventiv zum Thema Sexualverhalten/STI zu beraten, wobei 43 % sich dafür als unzureichend ausgebildet einschätzten. 36 % gaben an, mehr als die Hälfte der Patienten mit STI-Diagnose oder -Verdacht an spezialfachärztliche Kollegen oder den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu verweisen. In den letzten 12 Monaten führten 74 % der Hausärzte mind. einen HIV-Test, 64 % mind. einen Chlamydien-Test, 30 % mind. einen Gonorrhö-Test und 11 % mind. einen Syphilis-Test durch.
Diskussion
Gemessen an der Häufigkeit der Testungen war bei den Hausärzten für HIV eine höhere Sensibilität im Vergleich zu anderen STI zu beobachten, die wesentlich höhere Prävalenzen in der Bevölkerung aufweisen. Das STI-Testungsverhalten der Hausärzte muss im Kontext gegenwärtiger Versorgungsstrukturen (z.B. fehlende hausärztliche Abrechnungsmodalitäten für STI-Screenings oder für STI-Test bei Risikoverhalten und keinen berichteten Symptomen) betrachtet werden. Weiterhin verweisen die mit anderen Studien vergleichbaren Ergebnisse unserer Pilotstudie auf bestehende Kommunikationsprobleme (Angst, Scham) im Umgang mit Patienten mit STI oder STI-Verdacht.
Praktische Implikationen
Bei Hausärzten besteht Bedarf an speziellen Fortbildungen zum Thema Sexualverhalten/STI, die auf fachliche, aber auch kommunikative Beratungskompetenzen sowie auf patienten- und arztseitige Enttabuisierung und Entstigmatisierung fokussieren sollte. Hinsichtlich Versorgungsstrukturen sollten risikogruppenbezogene Testung- und Screeningmaßnahmen für häufige STI (z.B. Chlamydien) in den hausärztlichen Leistungskatalog aufgenommen werden.
Literatur
(1) Cedzich DA, Bosinski HA. Sexualmedizin in der hausärztlichen Praxis: Gewachsenes Problembewusstsein bei nach wie vor unzureichenden Kenntnissen. Sexuologie. 2010; 17: 135-47
(2) Markham WA, Bullock AD, Matthews P, Firmstone VR, Kelly S, Field SJ. Sexual health care training needs of general practitioner trainers: a regional survey. The journal of family planning and reproductive health care / Faculty of Family Planning & Reproductive Health Care, Royal College of Obstetricians & Gynaecologists. 2005; 31: 213-8
(3) Verhoeven V, Bovijn K, Helder A, Peremans L, Hermann I, Van Royen P, et al. Discussing STIs: doctors are from Mars, patients from Venus. Family practice. 2003; 20: 11-5
(4) Matthews P, Fletcher J. Sexually transmitted infections in primary care: a need for education. The British journal of general practice : the journal of the Royal College of General Practitioners. 2001; 51: 52-6
Hintergrund
Künftig werden im deutschen Gesundheitssystem zusätzliche Mittel zur Finanzierung von Präventionsmaßnahmen verfügbar sein, die im direkten Lebensumfeld der Menschen ansetzen. Stürze und die resultierenden Frakturen stellen ein bedeutendes Gesundheitsrisiko für ältere Menschen dar. In dieser Arbeit wird unter-sucht, ob Sturzprävention durch eine Optimierung der häuslichen Sicherheit gegenüber dem Verzicht auf Prävention bei älteren Pflegebedürftigen in einem nicht-institutionalisierten Umfeld kosteneffektiv ist.
Methoden
Die Fragestellung wird mithilfe einer Kosten-Nutzwert-Analyse aus der Perspektive der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflegeversicherung unter-sucht, die auf einem Markov-Modell beruht. Die Modellierung konzentriert sich auf die Entwicklung der Lebensqualität und die ökonomischen Konsequenzen der Intervention durch die Verringerung der Inzidenz sturzbedingter Hüftfrakturen. Die Robustheit der Ergebnisse wird in einer deterministischen und einer probabilistischen Sensitivitätsanalyse überprüft.
Ergebnisse
Die Präventionsmaßnahme ist für eine weibliche Kohorte dominant gegenüber dem Verzicht auf Prävention. Für eine männliche Kohorte resultiert eine inkrementelle Kosten-Nutzen-Relation von 23.896 Euro pro qualitätsadjustiertem Lebensjahr. Die Sensitivitätsanalyse deutet auf robuste Ergebnisse hin. Eine Budget-Impact-Analyse zeigt mögliche Einsparungen von 335.000 Euro im Jahr.
Diskussion
Die Analyse spricht für die Kosten-Effektivität der Präventionsmaßnahme im betrachteten Kontext – insbesondere für den weiblichen Teil der Zielpopulation. Die Ergebnisse sind vorsichtig zu interpretieren. Der Interventionseffekt bezieht sich auf einen Surrogatparameter und besteht für den gesamten Zeithorizont des Modells. Kosten gewonnener Lebensjahre finden keine Berücksichtigung und möglicherweise wird das Einsparpotenzial für Pflegekosten unterschätzt.
Demographic ageing and working as 1. general practioner, 2. pharmacist or 3. nursery means being involved in management of polypharmacy in geriatric patients. Within this vulnerable patient group drug safety requires more educated and interprofessional engagement of all health professionals.
To obtain intense and precise cooperation, communication and networking with regard to polypharmacy SAPREMO was designed addressing all three health professions equally. Operating as a team is the fundamental idea of this interprofessional project involving the three groups treating the same patient at different yet confluencing stages. The innovative aspect is to identify new symptoms that might result from drug effects or side effects and adapt as early as possible. Interprofessional round table educating workshops as well as interprofessional educative lectures are implemented throughout the German federal state Saxony Anhalt as the project´s baseline. SAPREMO aims to leave the most critically universalized step up treatment with further drug therapy to cope with drug induced new symptoms as observed by the author´s more than 8680 detailed medication reviews of geriatric patients in traumatology, intensive care units as well as nursing homes. In consequence the worldwide public health‘s challenge esp. concerning manifestation of cognitive dysfunction and falls and fractures in the elderly people imperatively requires prevention instead of the overall and most expensive attempt to iron out manifestations of undetected because disregarded drug related problems.
Cooperation partners are the Medical Council, Pharmacists‘ Chamber, General Practioners‘ Association and Association of Statutory Health Insurance Saxony Anhalt. The challenging project has started with great resonance striking a significant chord and is promoted by the Robert Bosch Foundation.
Hintergrund: Peergestützte Selbstmanagementprogramme können für chronisch Erkrankte unterstützend im Umgang mit der Erkrankung wirken und dabei auch die Gesundheitskompetenz sowie das Empowerment fördern und Auswirkungen auf die Versorgung haben.
Fragestellung: Führt die Steigerung von Gesundheitskompetenz und Selbstmanagement zu einer angemesseneren Inanspruchnahme gesundheitlicher Leistungen? Dabei meint eine angemessene Inanspruchnahme sowohl eine Reduktion der Über- als auch eine Reduktion der Unter- und Fehlversorgung. Außerdem untersuchen wir, welche Änderungen der gesundheitlichen Inanspruchnahme sich in der Literatur zeigen.
Methodik: Durchgeführt wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken - Cochrane Library und Medline über Pubmed, im März 2017. Verwendet wurde eine Kombination aus MESH-Terms und Keywords, wie bespielsweise „self-management“, „self care“, „peer*“, „lay-led“, „chronic disease“, „long term disease“, „healthcare use“ und „patient acceptance of health care“. Je Datenbank wurde die Suchstrategie angepasst. Aus dem Titel oder Abstract der Treffer musste hervorgehen, dass quantitative oder qualitative Daten zur Wirksamkeit hinsichtlich der Änderung der gesundheitlichen Inanspruchnahme (Arztbesuche, Besuche in der Notaufnahme, Hospitalisierungen, Krankenhausaufenthalte) durch peer-gestützte Selbstmanagementprogramme für chronisch Erkrankte ein wesentlicher Bestandteil der Publikation sind. Berücksichtigt wurden Reviews, Meta- Analysen und HTA Berichte zwischen 2006 und 2017. Alle Titel und Abstracts der identifizierten Übersichtsarbeiten wurden unabhängig voneinander von zwei Personen auf Ihre Relevanz hin überprüft. Zusätzlich erfolgte die Durchsicht der Referenzlisten der identifizierten Reviews, um eventuelle Lücken zu schließen und die Suchstrategie zu bestätigen. Eine Person extrahierte die Charakteristika der Reviews, die Outcomes zur gesundheitlichen Inanspruchnahme und die methodische Qualität der Quellen mit Hilfe der AMSTAR Kriterien.
Ergebnisse: Insgesamt können wir 742 Treffer mit der Suchstrategie identifizieren. 44 Volltexte verbleiben nach Titel und Abstract Screening, neun Volltexte verbleiben für die qualitative Zusammenfassung. In diesen neun Übersichtsarbeiten werden insgesamt 41 Studien eingeschlossen, die das Outcome der gesundheitlichen Inanspruchnahme berücksichtigen. Etwa in der Hälfte der Reviews wird das standardisierte Chronic Disease Self-Management Programm als Intervention betrachtet. Eine Übersichtsarbeit beschreibt nicht nur Selbstmanagementprogramme die von Laien, sondern auch von Experten im Gesundheitswesen, durchgeführt werden. Die methodische Qualität der identifizierten Reviews ist sehr unterschiedlich (4/11 bis 11/11 auf der AMSTAR Skala). Problematisch ist hier hauptsächlich, dass vorab kein Protokoll oder Ethikvotum veröffentlicht und keine Liste mit den ausgeschlossenen Studien zur Verfügung gestellt wurde. Die neun Reviews berücksichtigen unterschiedliche Fragestellungen und schließen damit auch unterschiedliche Parameter der gesundheitlichen Inanspruchnahme ein. Die Literatur veranschaulicht ein heterogenes Bild. Deutlich wird aber, dass sich durch die Verbesserung des Selbstmanagements eher bei Erkrankungen wie, Herzerkrankungen, Lungenerkrankungen, Arthrose, Diabetes und Schlaganfall Änderungen in der gesundheitlichen Inanspruchnahme zeigen. Untersuchte Outcomeparameter waren hier die Anzahl der Arztbesuche, Anzahl der Besuche in der Notaufnahme und die Dauer der Krankenhausaufenthalte.
Diskussion: Durch die Förderung des Selbstmanagements der Patient*innen kann die Nutzung des Gesundheitssystems positiv beeinflusst werden. Deshalb lohnt es sich weiter in Interventionen zu investieren, die das Selbstmanagement und auch die Gesundheitskompetenz der Patient*innen fördern.
Praktische Implikationen: Mit dem Wissen, welche Erkrankungen durch eine bessere Selbstmanagementfähigkeit auf Seiten der Patient*innen eine angemessene Nutzung des Gesundheitswesens ermöglichen, können Patient*innen gezielt angesprochen, unterstützt und motiviert werden, ihre eigene Versorgung aktiv mitzugestalten und zu steuern.
Hintergrund: Psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten chronischen Krankheiten der westlichen Gesellschaft, die mit erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität einhergehen. Sie sind mit einer hohen individuellen und gesellschaftlichen Krankheitslast verbunden. Psychische und physische Gesundheit sind dabei eng miteinander verknüpft; somatische und psychiatrische Komorbidität ist bei Menschen mit psychischen Erkrankungen besonders häufig. Bundesweite epidemiologische Studien zeigen, dass 28% der deutschen Bevölkerung in einem Zeitraum von zwölf Monaten von mindestens einer psychischen Erkrankung betroffen waren (Jacobi et al. 2015).
Gesundheitskompetenz (GK) wird als Schlüsselkonzept für gesundheitsrelevantes Verhalten verstanden. Sørensen et al. (2012) unterscheiden in einer integrierten Definition der GK vier Schritte im Prozess der Verarbeitung von Gesundheitsinformationen: sie zu finden, zu verstehen, zu bewerten und in gesundheitsförderliches Verhalten umzusetzen.
Fragestellung: Ziel dieser empirischen Studie ist es, die GK von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen zu untersuchen.
Methode: Die Analyse basiert auf Zwischenergebnissen einer Querschnittserhebung in einer Population von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen (N=153), die sich hilfesuchend an ein Früherkennungszentrum für psychische Erkrankungen in Köln oder München wenden. Die Erhebung erfolgte mittels standardisierter Fragebögen und umfasst selbsteingeschätzte GK (HLS-EU-Q47), gesundheitsbezogenes Verhalten und Folgen sowie soziodemographische Daten. Psychopathologische Angaben der Patienten wurden separat von Mitarbeitern der Früherkennungszentren erfasst. Es wurden Zusammenhänge zwischen soziodemographischen sowie psychopathologischen Charakteristika und Einschränkungen im Bereich der GK analysiert. Eine differenzierte Betrachtung erfolgt im Hinblick auf Limitationen innerhalb der vier Schritte des Informationsverarbeitungsprozesses. Die vorliegenden Daten werden mit einem repräsentativen Deutschlandsample verglichen (Schäfer et al. 2016).
Ergebnisse: In einer Population von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen zeigen 63,6% eine problematische GK. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ist die GK damit deutlich niedriger, obwohl bekannte Risikofaktoren für eine niedrige GK einschließlich niedrigem Bildungsstatus und hohem Alter deutlich unterrepräsentiert sind. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Psychopathologie einen relevanten Prädiktor für die GK darstellt. Zwischen klinischen Diagnosen lassen sich Unterschiede feststellen, wobei Menschen mit affektiven Störungen und Angststörungen eine besonders problematische GK aufzeigen. Darüber hinaus scheint das Level der GK mit steigender depressiver Symptomatik zu sinken.
Einschränkungen der GK gehen mit einem schlechteren subjektiven Gesundheitszustand, vermehrten Angaben über chronische Erkrankungen sowie psychischer Komorbidität einher.
Eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass die Limitation vor allem durch die Prozessschritte der Bewertung und Umsetzung erklärt wird. Im Vergleich zum deutschen Sample wird insbesondere die Umsetzung gesundheitsrelevanter Informationen als schwierig empfunden. Gleichzeitig weisen die Daten darauf hin, dass dieser Prozessschritt den größten Einfluss auf Gesundheitsverhalten und -folgen, wie z.B. Alkoholkonsum, Bewegungsverhaltung und der Häufigkeit chronischer Erkrankungen, hat.
Diskussion und praktische Implikationen: Menschen mit psychischen Erkrankungen könnten von einer hohen Gesundheitskompetenz voraussichtlich sehr profitieren, wobei zugleich ihre Krankheit eine potentielle Barriere für den Informationsverarbeitungsprozess darstellt. Bislang fokussierte die Forschung im Kontext der GK psychisch Erkrankter vorwiegend auf Literalität sowie die Fähigkeit, gesundheitsrelevante Informationen zu verstehen. Die vorliegende Analyse legt jedoch nahe, dass die Prozessschritte der Bewertung und Umsetzung in dieser Population von besonders kritischer Bedeutung sind.
Die vorläufigen Ergebnisse dieser Studie werden durch die Erkenntnis gestützt, dass psychische Erkrankungen nachteilige Auswirkungen auf Motivation, Selbstwirksamkeit und exekutive Funktionen haben können. Wir nehmen an, dass die motivationale Komponente in dieser Population die Fähigkeit beeinflusst, gesundheitsrelevante Entscheidungen umzusetzen. Gefühle von Angst und Unsicherheit, die durch (erstmalige) psychische Probleme hervorgerufen werden, könnten zudem die subjektiven Bewertungsfähigkeiten einschränken.
Im Hinblick auf eine Implementierung von Fördermaßnahmen zur Stärkung der GK sind zunächst die Fähigkeiten und Kompetenzen der Individuen in den Blick zu nehmen. Erste Forschungsergebnisse implizieren, dass der Bedarf in einer Population von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen insbesondere in einer Stärkung der Bewertungs- und Umsetzungskompetenz liegt.
Hintergrund: Eine ausreichende Gesundheitskompetenz ist insbesondere in komplexen Versorgungsstrukturen wie der Onkologie bedeutsam. In Deutschland mangelt es bislang an Erkenntnissen zu den Gesundheitskompetenzen von Krebspatienten und ihren Determinanten. Insbesondere Wissen darüber, ob und inwiefern die Ausprägung einzelner Dimensionen der Gesundheitskompetenz zwischen verschiedenen Patientengruppen variiert, kann wichtige Ansatzpunkte für einen gezielten Einsatz von edukativen Maßnahmen zu ihrer Förderung liefern.
Fragestellung: Welche soziodemographischen und klinischen Patientenmerkmale determinieren die Gesundheitskompetenzen von Patientinnen und Patienten (nachfolgend Patientinnen) mit erstmalig diagnostiziertem primärem Mammakarzinom?
Methode: Im Rahmen einer multizentrischen Querschnittsstudie wurden im Jahr 2015 erstmalig an einem Mammakarzinom erkrankte Patientinnen (N=4460) im Anschluss an ihren Aufenthalt in nordrheinwestfälischen Brustkrebszentren (N=86) schriftlich befragt. Mit Hilfe des Health Literacy Questionnaires (HLQ) von Osborne et al. 2013 wurden insgesamt vier ausgewählte Dimensionen der Gesundheitskompetenz erhoben: „Fähigkeit zum aktiven Umgang mit Gesundheitsdienstleistern“, „Fähigkeit gute Gesundheitsinformationen zu finden“, „Gesundheitsinformationen ausreichend zu verstehen, um zu wissen, was zu tun ist“ sowie „Bewertung von Gesundheitsinformationen“. Mit Hilfe multivariater Regressionsmodelle wurden soziodemographische und klinische Determinanten für jede dieser vier Dimensionen ermittelt.
Ergebnisse: Vorläufige Ergebnisse deuten auf teils einheitliche und teils unterschiedliche Determinanten für die einzelnen Dimensionen der Gesundheitskompetenz hin. Einheitlichkeit zeigt sich insofern, als dass ältere Patientinnen, Patientinnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch und Patientinnen mit einem gesetzlichen Versicherungsstatus (verglichen mit einem privaten Versicherungsstatus) in allen Dimensionen über eine geringere Gesundheitskompetenz verfügen. Unterschiede zwischen den Gesundheitskompetenzdimensionen zeigen sich für die Variablen Bildung, Beziehungsstatus sowie Gesundheitszustand. So gehen ein geringerer Bildungsstand, das Leben ohne einen Partner sowie ein schlechterer Gesundheitszustand lediglich mit einer geringeren Gesundheitskompetenz in einzelnen Dimensionen einher, während sich für andere Dimensionen keine Zusammenhänge feststellen lassen.
Diskussion: Die Ausprägung einzelner Dimensionen der Gesundheitskompetenz von Brustkrebspatientinnen mit Ersterkrankung wird von soziodemographischen und klinischen Merkmalen der Patientinnen determiniert.
Praktische Implikationen: Die Ergebnisse liefern wichtige Anhaltspunkte für die Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz, die an die individuellen Bedürfnisse von Brustkrebspatientinnen angepasst sind.
Hintergrund: Die Einbindung von Patientenvertretern in Forschungsprojekte ist wichtig, weil sie die Bedeutung der Forschungsprojekte erhöht und die Implementierung der Ergebnisse in den Versorgungsalltag erleichtert. Seit dem Jahr 2009 sind Patientenvertreter aktiv involviert in Forschungsprojekte der Europäischen Rheumaliga (EULAR). Seit 2010 wurden seitens der EULAR die ersten Trainingskurse für Betroffene durchgeführt, in denen diese auf die Aufgaben eines Patientenvertreters vorbereitet wurden.
Fragestellung: Ziel war es, einen Trainingskurs für Rheumapatienten in Deutschland zu entwickeln, der die Betätigungsfelder von Patientenvertretern in Forschungsprojekten darstellt und auf die Aufgaben vorbereitet. Das Wissen um die Existenz geschulter Patientenvertreter soll die Bereitschaft von Projektleitern erhöhen, Patientenvertreter in ihre Forschungsprojekte einzubinden und somit die Verbreitung partizipativer Forschung fördern. Der Trainingskurs soll bei den Patienten die Scheu vor dem Engagement in dem für sie fremden Bereich der wissenschaftlichen Forschung mindern und ihr Selbstvertrauen stärken.
Methode: Der interaktive Trainingskurs läuft über zwei Tage. Zur Evaluation des Kurses füllen alle Teilnehmer anonym einen Evaluationsbogen mit 14 Fragen aus.
Ergebnisse: Der Trainingskurs besteht aus sieben Modulen. Im ersten Modul (I) werden die Historie der Einbindung von Patientenvertretern in EULAR-Forschungsprojekte und mögliche zukünftige Aufgabenbereiche der geschulten Rheumapatienten als sogenannte „Forschungspartner“ dargestellt. In den anschließenden Modulen werden die unterschiedlichen Gebiete in der Forschung (II), die Entwicklung von Forschungsfragen und Hypothesen (III), verschiedene Forschungsmethoden (IV), generalisierte Abläufe von Forschungsprojekten (V), Literaturrecherchen (VI) und die Erstellung von Gutachten im Rahmen von Förderausschreibungen (VII) erläutert. Jedes Modul ist unterteilt in einen einleitenden Teil, einen Aufgabenteil und einen Diskussionsteil.
Seit Ende 2014 wurden zwei Kurse mit 13 Teilnehmern durchgeführt. Der Kurs wurde ausschließlich als „sehr gut“ (77%) und gut (23%) bewertet. Bisher waren die Forschungspartner an neun Projekten beteiligt. Diejenigen Forschungspartner, die bereits aktiv in Forschungsprojekte eingebunden waren, beschrieben die Tätigkeit als interessant und bereichernd.
Diskussion und praktische Implikationen: Der Trainingskurs wurde von den Teilnehmern sehr gut bewertet. In zukünftigen Auffrischungstreffen, wird die Relevanz der unterschiedlichen Module mit den Forschungspartnern diskutiert werden. Außerdem sollen fehlende Elemente identifiziert werden. Auf Basis dieser Erkenntnis wird der Trainingskurs ständig weiterentwickelt. Die Deutsche Rheuma-Liga strebt an, dass in allen von ihr geförderten Projekten Forschungsansätze der partizipativen Forschung genutzt werden.
Titel:
Stand der Forschung zur Teilhabe- und Patientenorientierung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der GKV
Hintergrund:
Im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes wurde eine systematische Literaturrecherche und -bewertung zum aktuellen Stand der Forschung zur Teilhabeorientierung in der Rehabilitation durchgeführt. Im Mittelpunkt stand die besondere Zielgruppe der nicht mehr im Erwerbsleben stehenden älteren Versicherten und ihrer Förderung von Teilhabe im Kontext der medizinischen Rehabilitation der GKV. Damit müssen viele unterschiedliche Teilhabebedarfe Älterer in den Blick genommen werden, was sich nicht zuletzt auch dadurch bedingt, dass sich die Lebensphase Alter ausdifferenziert und sich ältere Menschen immer mehr Teilhabemöglichkeiten erschließen. Bei der Literaturrecherche zeigte sich zunächst die Notwendigkeit, den Begriff der Teilhabe zu operationalisieren und seine unterschiedlichen Facetten zu spezifizieren, was aufgrund der zu berücksichtigenden Mehrdimensionalität der Zielgruppe als auch unterschiedlich existierender Teilhabeverständnisse eine Herausforderung darstellte. Für das Poster wird auf diese Operationalisierung und Systematisierung spezifischer Teilhabefelder für ältere Menschen mit Beeinträchtigungen fokussiert.
Fragestellung:
Um eine Suchstrategie für die Literaturrecherche mit präzisen Suchbegriffen entwickeln zu können, wurde in einem ersten Schritt eine inhaltlich-konzeptionelle Grundlage erarbeitet, womit hier die Frage nach der theoretischen Operationalisierung des Begriffs der Teilhabe fokussiert wird.
Methode:
Das Teilhabekonzept der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) stellt die Grundlage der formulierten Teilhabefelder dar. Allerdings erschien eine ausschließliche Orientierung an der ICF nicht sinnvoll, da in der Literatur vorhandene Spezifika von Teilhabefeldern für ältere Menschen mit Beeinträchtigungen in der ICF nur bedingt abgebildet werden. Somit erfolgte die Operationalisierung zudem auf der Grundlage weiterer (nationaler wie internationaler) Bezugsliteratur, wie z.B. der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Durch Definition sowie Differenzierung in Subaspekte wurde eine Abgrenzung der sich abzeichnenden Teilhabefelder vorgenommen. Letztlich konnten sieben inhaltlich-theoretisch begründete Teilhabefelder resp. Teilhabecluster entwickelt werden.
Ergebnisse:
Das Ergebnis stellt eine fundierte Systematisierung von Teilhabefeldern dar, sie umfassen die Felder:
1. Alltag, Pflegebedarf und Wohnen
2. Mobilität, öffentlicher Raum, Sicherheit und Schutz
3. Übergang in den Ruhestand, Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit und Freizeitgestaltung
4. Familie und weitere soziale Beziehungen
5. Materielle Lage und materielle Rahmenbedingungen
6. Gesellschaftliches Leben und Zugang zu Lernfeldern
7. Kommunikation und Mediengebrauch
Jedes dieser Teilhabefelder differenziert sich in weitere Teilhabeaspekte auf.
Diskussion:
Die Operationalisierung der Dimensionen von Teilhabe hat sich in diesem inhaltlich sehr weiten und wenig spezifizierten Feld der Teilhabe als aufwändig und äußerst notwendig gezeigt. Sie wird als theoretischer Beitrag und Anregung zur Diskussion über die theoretische Bündelung verschiedener Teilhabefacetten in Dimensionen verstanden.
Praktische Implikationen:
Mit der Operationalisierung und Systematisierung des Teilhabebegriffs wird eine theoretisch-konzeptionelle Auseinandersetzung mit dem Thema Teilhabe im Kontext der medizinischen Rehabilitation bei älteren, nicht mehr im Erwerbsleben stehenden Menschen vorgeschlagen. Sie kann als heuristisches Werkzeug für aktuelle vertiefende Recherchen im Zusammenhang mit dem Thema Teilhabe genutzt werden.
Evaluation von Qualitäts- und Bewertungsportalen im Internet – Relevanz und Nutzen im Hinblick auf die Patientenorientierung
Hintergrund:
Das Internet ist ein wichtiges Medium zur Beschaffung von Gesundheitsinformationen und gibt in vielerlei Hinsicht Auskunft über die Leistungen stationärer Einrichtungen. Zahlreiche Internetportale informieren auf unterschiedliche Weise über Krankenhäuser und deren medizinische Qualität. Eigenen Begutachtungen zu Folge scheinen die Portale nicht niederschwellig genug und dadurch unverständlich. Es ist somit zu hinterfragen, inwieweit die Portale der Öffentlichkeit eine Orientierung geben und damit bei der Krankenhaussuche helfen. Eine Evaluation des Nutzungsverhaltens soll helfen, mögliche Verbesserungspotentiale aufzudecken und Strategien zu entwickeln, die der Patientenorientierung dienen.
Fragestellung:
Wie ist das Nutzungsverhalten gegenüber Qualitätsportalen im Internet und inwiefern trägt die Nutzung zur selbstbestimmten Entscheidungen bei der Krankenhauswahl bei?
Methode:
Um das Nutzungsverhalten zu ermitteln erfolgten zunächst eine Internet- und eine Literaturrecherche über medline und SpringerLink. Die anschließend geführten explorativen Interviews mit Patienten einer Uniklinik sollen ein erstes Sampling bilden. Hinsichtlich der befragten Personen wurden wenige Einschränkungen gesetzt. Insgesamt wurden bislang 16 elektiv einbestellte Patienten im Alter zw. 18 und 63 J. befragt.
Ergebnisse:
Die Internetrecherche ergab, dass derzeit 15 Portale online sind. Die Bewertung der Inhalte nach deren Verständlichkeit, Vergleichbarkeit, der Herkunft der Informationen und Ziele ergab eine Einteilung in drei Kategorien: Bewertungsportale (6), Qualitätsportale (3) und Krankenhausfinder (6). Bewertungsportale basieren hauptsächlich auf Patientenbewertungen und Erfahrungen, die wie in Foren ausgetauscht werden. Qualitätsportale sollen die medizinische Qualität der Krankenhäuser objektiv darstellen. Basis dieser Portale sind die Qualitätsberichte. Krankenhausfinder ziehen für die Darstellung der Krankenhäuser sowohl Empfehlungen von Patienten, als auch Qualitätsberichte heran und ermöglichen die konkrete Suche mithilfe verschiedener Kriterien, wie der Diagnose, dem Standort und der medizinischen Ausstattung. Die reine Existenz dieser Portale gibt jedoch noch keine Auskunft darüber, inwiefern die gebotenen Informationen genutzt werden, ob sie ausreichend und verständlich sind und wie hilfreich sie für die Wahl eines Krankenhauses sind. Dieser Thematik scheint bislang eher wenig Beachtung geschenkt worden zu sein, denn auch die Literaturrecherche lieferte keine ausführlichen Ergebnisse zur Nutzung der Portale. Häufig wurden nur die Wichtigkeit des Mediums Internet und die Informationsbedürfnisse von Patienten betont.
Die Interviews ergaben, dass fast alle Befragten hinsichtlich der Wahl des Krankenhauses am Ehesten auf die Empfehlung des einweisenden Arztes vertrauen. Die Existenz der Qualitäts- und Bewertungsportale war nur einer geringen Anzahl der Interviewten bekannt. Oft schienen die Patienten gegenüber dem Internet als Informationsquelle für den bevorstehenden Krankenhausaufenthalt skeptisch zu sein, da Unsicherheiten bzgl. des Wahrheitsgehaltes der dargestellten Informationen existieren. Das Internet wird eher als Quelle für Zusatzinformationen, wie die Ausstattung der Stationen, die behandelnden Ärzte oder die Erkrankung selbst genutzt. Besonders negativ fiel die Beurteilung der Bewertungsportale aus, die Freitextangaben zulassen. Nach Aussage einiger Interviewpartner würden rein subjektive Erfahrungen präsentiert, die häufig nicht dem medizinischen Standard und der Behandlungsqualität entsprechen.
Diskussion:
Die Relevanz des Vorhabens ergibt sich daraus, dass vielen Menschen das Wissen über die Existenz der Internetportale zur Darstellung der medizinischen Versorgungsqualität in stationären Einrichtungen fehlt. Dies verhindert die eigenständige Recherche. Genau damit verfehlen die Portale aber ihr Ziel. Deshalb erscheint es wichtig, (potentielle) Patienten darüber aufzuklären, welche Portale es gibt und welche unterstützend bei der Wahl des Krankenhauses wirken können, da anzunehmen ist, dass ein aufgeklärter und selbstbestimmter Patient auch die Effizienz der Behandlung beeinflusst. Oder man muss die Intention Qualitätsmerkmale und -defizite transparent darstellen zu wollen grundsätzlich überdenken, da ein enormer Fundus an Informationen ungenutzt bleibt.
Praktische Implikation:
Es werden zunächst noch weitere Interviews geführt und diese qualitativ ausgewertet. Aus den bisherigen Ergebnissen wird bereits ersichtlich, dass es im Hinblick auf eine vermeintliche Steigerung des Nutzens von Bewertungsportalen auch zu einer Steigerung der Patienteninformation über die Existenz und die Sinnhaftigkeit der Portale kommen muss. Zu diesem Zweck wurden bereits aufklärende und wegweisende Materialien entwickelt, welche den Patienten als Orientierungs- und Kommunikationshilfe dienen könnten.