Eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen ärztlichen und nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen ist eine Voraussetzung für ein zukunftsfestes Gesundheitssystem. Angefangen mit Delegation im hausärztlichen Bereich gibt es inzwischen eine Reihe von Konzepten und Qualifizierungsansätze für verschiedene Patientengruppen, Settings und Sektoren. Es werden fünf innovative Konzepte vorgestellt, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien befinden. Zusätzlich wird die Delegation aus wirtschaftlicher Perspektive betrachtet.
Hintergrund: Die gesetzliche ambulante Bedarfsplanung stellt in der Pädiatrie für weite Teile Deutschlands eine Überversorgung fest. Dem steht gegenüber, dass insbesondere in ländlichen Regionen durch die geringe Kinderzahl eine wohnortnahe Versorgung nicht immer sichergestellt werden kann.
Die Sicherstellung der flächendeckenden pädiatrischen Versorgung in ländlichen und peripheren Regionen stellt deswegen zunehmend eine Herausforderung dar.
Innovative Versorgungskonzepte (z.B. berufsgruppen- und sektorübergreifende Delegationsleistungen, telemedizinische Konzepte, regionale kooperative Behandlungspfade) können genutzt werden, um die Leistungserbringer in den ländlichen Regionen bei der Sicherstellung der Versorgung zu unterstützen und zu entlasten.
In der hier vorgestellten Untersuchung wurde ermittelt, ob im pädiatrischen Bereich Delegationsfunktionalitäten eine Möglichkeit sein können, die Versorgung in ländlichen Regionen zu unterstützen und damit einen Beitrag zur flächendecken pädiatrischen Versorgung zu leisten.
Fragestellung: Können sich Leistungsanbieter bzw. Eltern vorstellen, dass definierte ärztliche Aufgaben bei entsprechender Qualifizierung von Angehörigen nichtärztlicher Gesundheitsberufe übernommen werden? Welche Tätigkeitsbereiche und welche nichtärztlichen Gesundheitsberufe kommen dafür in Frage? Unterscheidet sich die Akzeptanz in Bezug auf verschiedene Altersgruppen der zu behandelnden Kinder und Jugendlichen?
Methode: Es wurden zwei modular aufgebaute Fragebögen für die Gesundheitsberufe und für Eltern entwickelt. Inhaltliche Kernpunkte waren die Vorstellbarkeit der Übernahme ausgewählter Delegationsaufgaben, teilweise für definierte Altersgruppen von Patienten und die Frage welche Gesundheitsberufe Delegationstätigkeiten übernehmen können. Es wurde auch gefragt, ob aus Sicht der Befragten Probleme in der pädiatrischen Versorgung bestehen.
Insgesamt wurden 1.189 Fragebögen an Angehörige von Gesundheitsberufen in Mecklenburg-Vorpommern verschickt. Zu den Adressaten gehörten alle niedergelassenen Pädiater und Hausärzte mit pädiatrischer Qualifikation und ihre Mitarbeiter, Mitarbeiter von stationären Kinderabteilungen, Reha-Einrichtungen, Intensivpflegediensten, Nachsorgeteams nach SGB V §43c, das Team zur ambulanten Palliativversorgung von Kindern, Familienhebammen, die SPZ-Leiter, Mitarbeiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes und weitere Akteure. Die Eltern-Fragebögen wurden über 28 Kitas verteilt. Diese lagen zur Hälfte in Gebieten mit mehr als 20 km Entfernung zur nächsten pädiatrischen Versorgungsmöglichkeit (n=1.040 Eltern) und zur Hälfte in der Nähe einer pädiatrischen Einrichtung (n=1.265 Eltern). Zusätzlich wurden Fragebögen an Sprecher von Selbsthilfegruppen und -vereinen verteilt (n=40).
Ergebnisse: 617 Fragebögen wurden beantwortet, mit nahezu gleicher Response durch Gesundheitsberufe (n=206, 17,3%) und Eltern (n=411, 17,5%). Teilnehmende waren zu 87% weiblich und im Durchschnitt 38 Jahre alt. 47% gaben als höchsten Schulabschluss Abitur oder Fachhochschulreife, 6% einen Hauptschulabschluss oder weniger an. Mehr als die Hälfte der Befragten (58%) bestätigten Probleme in der pädiatrischen Versorgung und benannten diese auch in einem Freitext. Für die Aufgabe „Beratung im Bereich der Gesundheitsvorsorge und Prävention“ war der Anteil mit 68% (n=415) am höchsten, gefolgt von der „Begleitung bei der Transition eines chronisch kranken Kindes“ mit 67% (n=411). Am niedrigsten war mit 36% (n=225) der Anteil derer, die sich die Übernahme von Impfungen vorstellen konnten. Der Anteil der Ärzte, die sich eine Aufgabendelegation vorstellen können, ist bei 4 von 6 Aufgaben höher als der Anteil der Angehörigen nichtärztlicher Gesundheitsberufe. Als geeignete Professionen wurden am häufigsten Pflegefachkräfte und Medizinische Fachangestellte angegeben. Auf der Basis der Ergebnisse wurde ein Konzept erstellt, welche Berufsgruppe welche Tätigkeiten innerhalb und außerhalb der Kinderarztpraxis übernehmen kann.
Diskussion: Unter den Befragungsteilnehmern besteht eine hohe Akzeptanz für die Delegation von Aufgaben im pädiatrischen Bereich. Es scheint gerechtfertigt, in Regionen mit problematischen Versorgungsstrukturen erste Modellprojekte zu implementieren. Dies wird bestätigt durch die hohe Akzeptanz und Nachfrage von Delegation, die seit einigen Jahren in die hausärztliche Regelversorgung von Erwachsenen implementiert wird.
Praktische Implikationen: Es müssen jetzt in Kooperation mit den Leistungserbringern vor Ort Modellprojekte im Bereich Delegation in der Pädiatrie entwickelt, implementiert und evaluiert werden. Erste Modellprojekte für Mecklenburg-Vorpommern sind für 2017 bereits geplant.
Hintergrund
In den letzten Jahren wurde zur Entlastung der Hausärzte die Delegation von Hausbesuchen gestärkt. Im Rahmen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetz und durch einen Beispielkatalog delegationsfähiger Leistungen in den Bundesmantelverträgen definierte der Gesetzgeber notwendige Anforderungen zur Delegation von Hausbesuchen an nichtärztliches medizinisches Personal. Hinsichtlich dieser Veränderungen ist ein Einblick in die Versorgungsrealität notwendig, um zu überprüfen, welche Beratungsanlässe an Praxispersonal mit unterschiedlichen Qualifikationen bereits delegiert werden. Unabhängig von Modellprojekten liegen für Deutschland zu diesem Aspekt keine aussagekräftigen Daten vor.
Fragestellung
Welche medizinischen Leistungen werden beim Hausbesuch in der aktuellen Versorgungsrealität an nichtärztliches medizinisches Personal delegiert, und inwieweit lassen sich dabei Unterschiede in den Beratungsanlässen auf die Qualifikation des Praxispersonals zurückführen?
Methode
In der vorliegenden Primärdatenerhebung wurden Inhalte und organisatorische Merkmale von Hausbesuchen im hausärztlichen Setting erfasst. Das Studiendesign zielte auf eine repräsentative und saisonunabhängige Darstellung der realen Versorgungssituation bei Hausbesuchen. Dafür wurde jeder teilnehmenden Hausarztpraxis eine randomisiert zugeteilte Dokumentationswoche innerhalb eines einjährigen Zeitraums zugewiesen. Während dieser einwöchigen Erhebungszeit dokumentierten alle Praxismitarbeiter (Hausärzte und nichtärztliches medizinisches Personal) selbstständig jeden durchgeführten Hausbesuch mittels standardisierten Erhebungsbögen. Zusätzlich wurden von jeder teilnehmenden Hausarztpraxis die Praxismerkmale schriftlich mit Kurzfragebögen erfasst. Insgesamt konnten 4.286 dokumentierte Hausbesuche ausgewertet werden.
Ergebnisse
Die Auswertungen zeigen, dass nichtärztliches medizinisches Personal (NMP) an rund 11 % aller Hausbesuche beteiligt war. In knapp 2,5 % aller Hausbesuche war das NMP in einer ärztlich begleitenden Funktion tätig, davon war circa jeder zweite ein Routinebesuch. In knapp 8,5 % aller Hausbesuche führte das NMP einen delegierten Hausbesuch selbstständig durch. Dabei zeigt eine Differenzierung zwischen den Qualifikationen, dass der Anteil mit 90 % an eigenständig durchgeführten Hausbesuchen bei Personal mit Zusatzqualifikation (ACE, AGNES, VERAH, NÄPA) signifikant höher lag, als der Anteil beim NMP ohne entsprechender Zusatzqualifikation mit knapp 70 %.
In Summe wurden 357 Patienten eigenständig vom NMP versorgt. Für diese Patientengruppe wurden insgesamt 434 Beratungsanlässe angegeben, in 58,5 % der Fälle umfasste der Hausbesuch nur einen Beratungsanlass und betraf in circa zwei Drittel der Fälle allgemeine und unspezifische Symptome. Bei beiden Gruppen konnten knapp 80 % der Beratungsanlässe in fünf Prozeduren-Codes der zweiten Version der International Classification of Primary Care kategorisiert werden, darunter:
1) die Blutuntersuchung (44,5 %);
2) die teilweise ärztliche Untersuchung (14,1 %);
3) die Ausführung einer unspezifizierten Folgevorstellung (9,7 %);
4) die Verabreichung einer Medikation Verschreibung oder Injektion (7,6 %);
5) sowie die Verabreichung einer präventiven Impfung oder Medikation (3,9 %).
Hinsichtlich dieser Kategorisierung zeigt sich, dass Beratungsanlässe mit einer höheren Verantwortung, darunter unter anderem die Ausführung einer unspezifizierten Folgevorstellung, signifikant häufiger in der Gruppe des NMPs mit Zusatzqualifikation zu finden sind (18,8 % vs. 3,8 %).
Diskussion
Die Diskussion über alternative Versorgungskonzepte, die den Hausbesuch in eine verstärkte Delegation oder zukünftig möglicherweise in eine Substitution überführt, benötigt eine Informationsbasis über die tatsächlichen und potentiell übertragbaren Versorgungsinhalte von Hausbesuchen. Dazu ermöglichen die Ergebnisse einen konkreten Einblick in die heutige Versorgungsrealität mit einer differenzierten Darstellung nach der Qualifikation des nichtärztlichen medizinischen Personals.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse eröffnen die Diskussionsmöglichkeit auf Grundlage evidenter Daten über die Beratungsanlässe bei delegierten Hausbesuchen. Durch die Qualifikationsdifferenzierung kann gezeigt werden, welche Hausbesuche an welches nichtärztliche medizinische Personal eine Delegation erfahren. Aufbauend auf diesen Ergebnissen kann diskutiert werden, welche konkreten Beratungsanlässe – unter welchen Voraussetzungen – zukünftig theoretisch und praktisch delegierbar wären. Zudem sollen die Ergebnisse einen Erkenntnisbeitrag zur Optimierung von Aus-, Fort- und Weiterbildung von nichtärztlichem medizinischem Personal leisten.
Hintergrund
Multiple Sklerose (MS), eine chronische Erkrankung des Zentralnervensystems, beginnt meist im frühen Erwachsenenalter. MS-Betroffene wünschen sich eine aktive Rolle im Entscheidungsprozess zu Immuntherapien. Die zunehmenden Immuntherapieoptionen machen umfassende Informationen zu Nutzen und Risiken der Optionen durch den Arzt schwieriger. Mit dem Nurse-geleiteten Entscheidungscoaching (Decision-Coaching) wird eine Umstrukturierung der Kompetenzen von Gesundheitsfachpersonal angestrebt. Pflegende unterstützen MS-Betroffene bei der Entscheidungsfindung bezüglich einer Immuntherapie unter Einbezug des Konzepts der gemeinsamen Entscheidungsfindung.
Fragestellung
Ziel der Pilotstudie war die Testung des Einschlussverfahrens und der Machbarkeit.
Methode
Das Programm wurde nach den Leitlinien zur Entwicklung und Evaluation komplexer Interventionen entwickelt und umfasst eine Schulung für MS-Nurses, die Coaching Intervention: bis zu drei Decision-Coachings mit der Nurse pro Patient, Moderationskarten zur Unterstützung, Patienten-Arbeitsbücher zur Frühtherapie und zum Therapiewechsel, Zugang zur evidenzbasierten Informationsplattform (DECIMS-Wiki) sowie ein abschließendes Arztgespräch.
Nach der Pilotierung der Schulung und der Materialien erfolgte die Evaluation im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Pilotstudie mit begleitender Prozessevaluation.
Zwischen März 2014 und Juni 2015 wurden in zwei deutschen MS-Zentren MS-Betroffene mit Verdacht auf MS oder schubförmig-remittierender MS, die mit einer Immuntherapie-Entscheidung konfrontiert waren, rekrutiert und der Interventions- (IG) oder Kontrollgruppe (KG) zugeordnet. MS-Betroffene in der IG erhielten das Coaching, Betroffene in der KG die Standardversorgung. Beide Gruppen hatten Zugang zum DECIMS-Wiki und ein abschließendes Arztgespräch. Nurses waren hinsichtlich der Gruppenzuordnung nicht verblindet, während MS-Betroffene und Ärzte verblindet waren. Primärer Endpunkt war "informierte Entscheidung", eine mehrdimensionale Erhebung einschließlich der Subdimensionen Risikowissen (Fragebogen nach 14 Tagen), Haltung bezüglich einer Immuntherapie (eine Frage nach der Intervention) und Immuntherapiestatus (Erhebung nach sechs Monaten). Weiter erfolgte eine Videoanalyse der aufgezeichneten Coachings bzgl. einer gemeinsamen Entscheidungsfindung.
Daten zur Prozessevaluation wurden mittels Fragebögen (MS-Betroffene, Nurses und Ärzte) und qualitativen Interviews erhoben. Alle Nurses und eine Stichprobe der MS-Betroffenen wurden interviewt. Aufgrund des Pilotcharakters werden die Daten deskriptiv dargestellt.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 73 MS-Betroffene in die Studie eingeschlossen. Die Gruppen waren bei Baseline vergleichbar. Für 51 MS-Betroffene (70%) lagen Daten für den primären Endpunkt vor. In der IG haben 15 von 31 (48%) Betroffenen nach sechs Monaten eine informierte Entscheidung getroffen und in der KG 6 von 20 (30%). Die Analyse der Fragebögen und der Coaching-Videos zeigte die Beteiligung von MS-Betroffenen im Entscheidungsprozess. Die Auswertung der Prozessevaluation zeigte eine positive Resonanz auf das Coaching-Programm und eine gute Akzeptanz seitens der MS-Betroffenen, der Nurses und der Ärzte.
Diskussion
Trotz der erfolgreichen Pilotierung des auf dem Prinzip einer gemeinsamen Entscheidungsfindung beruhenden Decision-Coaching Programms in zwei MS-Zentren musste eine nachfolgende cluster-randomisiert kontrollierte Studie vorzeitig beendet werden. Verschiedene Barrieren, wie die Verfügbarkeit von MS-Nurses und fluktuierende Priorisierung der teilnehmenden MS-Zentren führten dazu, dass die geplante Fallzahl in der Hauptstudie nicht erreicht werden konnte.
Praktische Implikationen
Grundsätzlich hat die Delegation der Bereitstellung von evidenzbasierten Informationen zu einer Therapieentscheidung an Pflegende das Potenzial die gegenwärtige arztzentrierte Praxis zu ändern und Ärzte zu unterstützen. Allerdings bedarf es innovativer Ansätze zu einer weiterreichenden Implementierung und Evaluation des vielversprechenden Konzeptes.
Hintergrund. Geriatrische Patienten sind durch ihr Alter, Komorbiditäten, Multimedikation und aktuelle oder drohende funktionelle Einschränkungen gekennzeichnet. In der geriatrischen Rehabilitation arbeiten verschiedene Berufsgruppen aus Medizin, Pflege und Therapie zusammen. Gemeinsames Ziel der Zusammenarbeit sollte die Förderung des Patienten zu Mobilität, Selbstständigkeit und Beschwerdemanagement sein. Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln spielen dabei eine wichtige Rolle. So können Schlafmittel mit einer langen Halbwertszeit zu einem Hangover-Effekt am Tage führen. Therapeutische Maßnahmen können nicht adäquat durchgeführt werden. Wünschenswert ist daher, dass alle Berufsgruppen, die am Patienten arbeiten, Informationen regelmäßig austauschen und Absprachen untereinander treffen und einhalten.
Fragestellung. Fördert eine interprofessionelle Fortbildung die Zusammenarbeit zum Thema Arzneimittelsicherheit zwischen ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Mitarbeitern einer stationären geriatrischen Rehabilitation?
Methode. Die interprofessionelle Fortbildungsreihe wurde für das medizinische, pflegerische und therapeutische Personal der geriatrischen Abteilungen (Bettenanzahl: 96) eines Krankenhauses der Grund- und Regelversorgung in Südniedersachsen durchgeführt. Inhalte für die Fortbildung wurden auf Grundlage von Ergebnissen eines explorativen Projektes zum Einsatz von Schlaf- und Beruhigungsmitteln, durchgeführt im selbigen Krankenhaus, entwickelt. Der Fokus lag auf Bedarfsmedikamenten, insbesondere Schlaf- und Schmerzmitteln. Geplant war, innerhalb eines Jahres an 4 bzw. 5 Tagen jeweils 3 Unterrichtseinheiten (3 x 45 Minuten) anzubieten und durchzuführen. Alle Mitarbeiter aus Therapie, Pflege und Medizin wurden eingeladen, an der Fortbildung teilzunehmen. Voraussetzung einer Teilnahme war die Anwesenheit an allen 4 Veranstaltungen. Die Fortbildung fand während der Arbeitszeit statt, Ärzte erhielten Fortbildungspunkte. Die Evaluation erfolgte quantitativ mittels standardisiertem Fragebogen, unmittelbar nach der letzten Veranstaltung und nach 3-4 Monate qualitativ durch offene Gespräche mit allen Teilnehmenden, den jeweiligen Stationsleitungen und dem Pflegedienstleiter. Ebenen der Evaluation waren Machbarkeit (Möglichkeit der Teilnahme aller Berufsgruppen), Akzeptanz (Übernahme der Funktion einer Multiplikatorenrolle) und Effektivität (verändererte Einschätzungen zur interprofessionellen Zusammenarbeit).
Ergebnisse. Nach intensivem Austausch mit den Hauptbeteiligten wurden innerhalb von drei Monaten vier Module mit je 2 Lehreinheiten (2x45 Minuten) geplant und durchgeführt. Aus allen relevanten Bereichen (Medizin, Pflege, Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie) kamen Teilnehmer, insgesamt 11Teilnehmer. Unmittelbar nach der Fortbildungseinheit bewerteten die Teilnehmer die Frage: „Ich habe durch Übungen gelernt, mich auf die Sichtweise der anderen Profession einzulassen“ auf einer 5-Punkt-Skala (von 1 „trifft zu“ bis 5 „trifft nicht zu“) mit 1.8; die Fragen: „Die bearbeiteten Inhalte der Fortbildung lassen sich gut auf mein Arbeitsalltag übertragen“ mit 1.6 und „Ich würde gern öfter in interprofessionellen Fortbildungen lernen“ mit 2.1. Während der qualitativen Befragung wurde gefragt, ob die Inhalte der Fortbildung Auswirkungen und Veränderungen auf den Stationsalltag mit sich gebracht haben. Teilnehmer aus Pflege und Therapie kamen zu dem Ergebnis, dass sich Ihr Bewusstsein im Umgang mit Schlafmitteln positiv verändert habe. Alternative Möglichkeiten werden vermehrt berücksichtigt und angeboten. Kommunikationstools zur Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit blieben bisher allerdings im praktischen Alltag unberücksichtigt. Die bereits vorhandenen Strukturen einer geriatrischen Rehabilitation (regelmäßige Fallbesprechungen, geriatrische Zirkel) wurden für eine interprofessionelle Zusammenarbeit als förderlich und unterstützend empfunden. Als Hindernisse für eine interprofessionelle Zusammenarbeit wurden benannt: Leistungsverdichtung und mangelnde Kontinuität bei den Ansprechpartnern – hervorgerufen durch unterschiedliche Anwesenheitszeiten der Berufgsruppen.
Diskussion. Die Evaluation zeigt, dass interprofessionelle Fortbildungen – wenn auch mit Einschränkungen in der praktischen Umsetzung – akzeptiert werden. Sollte eine bestimmte Thematik in der täglichen Routine implementiert werden, empfiehlt es sich, ein solches Ziel kontinuierlich zu thematisieren, beispielsweise durch Aufnahme in die jährlichen Qualitätsziele des Hauses und durch verschieden Fortbildungen.
Praktische Implikationen. Die einmalige Durchführung einer interprofessionellen Fortbildungsveranstaltung erscheint nicht ausreichend, um langfristig die Zusammenarbeit in den Berufsgruppen Pflege, Medizin und Therapie effektiv zu fördern und zu stärken.
(Mitglied der Arbeitsgruppe "Arbeitsteilung und Kooperation der Gesundheitsberufe")
Hintergrund
Aufgrund des sich vor allem im ländlichen Raum abzeichnenden Hausärztemangels wird einer Aufgabenneuverteilung im deutschen Gesundheitswesen ein bedeutender Stellenwert zugeschrieben, um Versorgungsengpässen entgegenzuwirken. Die Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf nichtärztliche Gesundheitsfachberufe erweist sich dabei als vielversprechender Versorgungsansatz. Neben den gesellschaftspolitischen Potentialen haben für Praxisinhaber auch betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte einen bedeutenden Stellenwert in diesem Kontext. Unter den in Deutschland verbreiteten Modellen können zwei unterschiedliche Anreiz- und Vergütungsformen unterschieden werden. Zum einen das Modell der VERAH, das einem pauschalisierten Entgeltsystem innerhalb der Hausarztentrierten Versorgung (HZV) unterliegt und zum anderen das bundesweit einheitliche Modell des NäPa, bei welchem Einzelleistungen nach dem EBM vergütet werden.
Wissenschaftliche Fragestellung
Wie lassen sich die beiden Delegationsmodelle (VERAH / NäPa) aus wirtschaftlicher Perspektive bewerten? Können diese zu einer höheren Effizienz in der Hausarztpraxis führen?
Methodik
Der aktuelle Forschungsstand des Themas und die vergütungsrechtlichen Rahmenbedingungen wurden anhand der Literatur aufgearbeitet. Für die wirtschaftliche Bewertung wurden Beispielrechnungen auf Basis von Studien-Daten sowie fiktiven und realitätsnahen Beispiel-Praxis-Werten analysiert und verarbeitet. Innerhalb der Berechnungen wird das VERAH-Modell dem NäPa-Modell gegenübergestellt.
Ergebnisse
Die Beispielrechnungen zeigen hohe Wirtschaftlichkeitspotentiale innerhalb der beiden Delegationsmodelle auf. Die Dauer der Amortisation der Qualifizierungskosten weist in beiden Modellen starke Zusammenhänge mit den Parametern Patienten- und Praxisstruktur auf. Die Rentabilität des jeweiligen Delegationsmodells hängt dabei von der Anzahl der delegierbaren und vergütungsfähigen Einzelleistungen sowie von der Anzahl der in der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) eingeschriebenen Patienten, für welche ein VERAH-Zuschlag möglich ist, ab. Werden in einer Praxis relativ viele delegierbare Haus- oder Pflegeheimbesuche durchgeführt, zeigt sich das NäPa-Modell als attraktiv. Sind in der Praxis relativ viele chronisch kranke Patienten mit einem Alter ab 65 Jahre in der Hausarztzentrierten Versorgung eingeschrieben, zeigt sich der VERAH-Einsatz als empfehlenswert.
Diskussion
Die Ergebnisse der Berechnungen zeigen die relevanten Einflussgrößen auf die Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Delegationsmodells. Neben den Amortisationsrechnungen zeigen ebenfalls Prozesskosten- sowie Opportunitätskosten-Berechnungen vielversprechende monetäre Vorzüge in einer Hausarztpraxis auf. Dennoch sind ebenso die Grenzen, Beschränkungen wie Komplexitätsreduktionen innerhalb der Modellrechnungen zu beachten. Des Weiteren berücksichtigt die rein wirtschaftliche Betrachtung der Delegation mit dem Fokus auf der Effizienz des Hausarztes, Aspekte, wie z.B. Patientensicherheit und Versorgungsqualität nicht.
Praktische Implikationen
Die Berechnungen zeigen, dass die Delegation ärztlicher Tätigkeiten in beiden Modellen hohe Wirtschaftlichkeitspotentiale für den Hausarzt birgt. Je nach Patientenstruktur (Anzahl HZV-Patienten, Alter, Gesundheitsstatus, etc.) und Anzahl der delegierbaren Einzelleistungen können konkrete Empfehlungen für den Einsatz des jeweiligen Modells abgeleitet werden.
Hintergrund
In Deutschland sind derzeit mehr als 1.5 Mio. Menschen an einer Demenz erkrankt. Die bedarfsgerechte Versorgung der Betroffenen und die Entlastung der (pflegenden) Angehörigen erfordern innovative Konzepte. Für die ambulante Versorgung und das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern erfolgte daher die Entwicklung des Dementia Care Management Konzeptes im Rahmen der DelpHi-MV Studie (Demenz: lebensweltorientierte und personenzentrierte Hilfen in Mecklenburg-Vorpommern). Das Konzept beinhaltet u.a. ein (1) Baselineassessment incl. der Erstellung eines Hausarztbriefes mit Versorgungsempfehlungen, (2) Interventionen in drei Säulen (Versorgungs- und Behandlungsmanagement, Medikationsmanagement Angehörigenunterstützung) sowie ein (3) jährliches Follow-up. Speziell qualifizierte Pflegefachpersonen übernehmen die Funktion des Dementia Care Managers (DCM). Sie führen das Baselineassessment durch und arbeiten während des Interventionszeitraums von zwölf Monaten eng mit dem Hausarzt, den Betroffenen, Angehörigen und weiteren Akteuren (z.B. Facharzt, Pflegedienst und Apotheke) zusammen.
Fragestellung
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit folgenden Fragestellungen: (1) Welche Versorgungsempfehlungen werden von der DCM an den Hausarzt getätigt?, (2) Besteht ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Empfehlungen und dem Gesundheitszustand der Menschen mit Demenz? und (3) Welche Versorgungsempfehlungen werden am häufigsten vom Hausarzt an die DCM übertragen? Ziel ist es, die Arbeitsteilung von Hausarzt und Pflegefachperson in der ambulanten Demenzversorgung zu beschreiben und damit einen Beitrag zur künftig optimierten Zusammenarbeit beider Professionen zu leisten.
Methode
Die Analyse erfolgt im Rahmen der hausarztbasierten, clusterrandomisierten Interventionsstudie DelpHi-MV bei den 323 Probanden der Interventionsgruppe, die die Baselinebefragung abgeschlossen haben. Das Dementia Care Management wird in einem computergestützten Interventionsmanagementsystem (IMS) dokumentiert. Grundlage der Analyse bilden die Daten der Baselineerhebung, die von den DCMs für die Erstellung eines Hausarztbriefes mit Versorgungsempfehlungen genutzt werden. Diese Daten wurden zur deskriptiven Analyse und multivariablen Regression einbezogen.
Ergebnisse
Für die 323 Probanden wurden insgesamt 1.578 Versorgungsempfehlungen von den DCMs an die Hausärzte getätigt (durchschnittlich 4.89 Empfehlungen pro Proband). Die häufigsten Empfehlungen erfolgten zur pflegerischen Behandlung (n=580) (z.B. Beantragung einer Pflegestufe), sozialrechtlichen Beratung und Unterstützung (n=378) (z.B. Erstellung einer Vorsorgevollmacht) sowie (c) zur pharmazeutischen Behandlung/Betreuung (n=231) (z.B. Indikationsprüfung Antidementiva). Probanden, die mehr Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens aufweisen, haben eine höhere Anzahl an Empfehlungen (p<0.024). Das Monitoring von Probanden bei Mobilitätseinschränkungen und Sturzrisiko (n=106), die Information der Probanden zur Demenzerkrankung (n=44) und die Wiederverschreibung von Pflegehilfsmitteln (n=26) sind die drei medizinischen Tätigkeiten, die am häufigsten vom Hausarzt an die DCM delegiert wurden.
Diskussion
Für die DelpHi-MV Studie wurden durchschnittlich 4.89 Versorgungsempfehlungen pro Proband identifiziert. Dabei konnte kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Fortschreiten der Demenzerkrankung und der Anzahl der Versorgungsempfehlungen nachgewiesen werden. Dennoch führt insbesondere die Zunahme von Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens tendenziell zu einem Anstieg der Versorgungsempfehlungen. Die Hausärzte akzeptieren im hohen Maße die Empfehlungen der DCM (86.7% von insgesamt 1.578 Empfehlungen). Dabei werden insbesondere Aufgaben zur pflegerischen Versorgung, der sozialrechtlichen Beratung und zur Angehörigenunterstützung vom Hausarzt an die DCMs übertragen. Die Möglichkeit des Hausarztes, spezifische medizinische Tätigkeiten an die DCM zu delegieren werden von den beteiligten Hausärzten genutzt. So werden rund ein Viertel der delegierbaren ärztlichen Tätigkeiten auch tatsächlich vom Hausarzt an die DCMs delegiert. Diese Erkenntnisse können genutzt werden, um die künftige Arbeitsteilung von Hausärzten und Pflegefachpersonen in der ambulanten Demenzversorgung zu spezifizieren.
Praktische Implikationen
Die Hausärzte bewerten die Empfehlungen der DCMs als hilfreich und beschreiben die Zusammenarbeit als entlastend. Somit ist von einem Beitrag zur Optimierung der Versorgung von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen auszugehen.