Hintergrund
Hebammen der außerklinischen Versorgung haben durch ihre aufsuchende Betreuung während Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit ein besonderes Potential im Rahmen der Gesundheitsversorgung von Frauen und Familien in Deutschland. Die steigende Relevanz chronischer Erkrankungen bei schwangeren Frauen, eine Zunahme des Alters bei Erstgebärenden und die Versorgung von Frauen und Familien mit besonderen Belastungen sind nur einige der Faktoren, die ihre interprofessionelle Kooperation mit den Berufsgruppen des Gesundheitswesens erforderlich machen (DH, 2010; NZFH, 2014). Die Stärkung fördernder und die Einschränkung hemmender Faktoren der Kooperation gilt als zukünftige Herausforderung in der Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen (Cameron & Lart, 2003).
Der Abstract ist ein Beitrag im Rahmen der neu gegründeten AG Arbeitsteilung und Kooperation der Gesundheitsberufe.
Fragestellung
In einem integrativen Review wurden zentrale Themen zur interprofessionellen Kooperation von Hebammen der außerklinischen Versorgung mit anderen Berufsgruppen aus nationalen und internationalen empirischen Daten gewonnen. Die Analyse war von der Frage geleitet, welche Faktoren sich aus Perspektive der Hebammen fördernd oder hemmend auf die interprofessionelle Kooperation mit den anderen Professionen auswirken.
Methode
Relevante Literatur wurde durch eine systematische Recherche in den Datenbanken CINAHL, PubMed, PsycInfo, Cochrane Library und CareLit im Zeitraum von 2005 - 2015 identifiziert. Die Recherche erfolgte mit einer dokumentierten Schlagwortliste und orientierte sich an den Vorgaben des PRISMA-Statements (Moher et al., 2009). Eingeschlossen waren qualitative, quantitative, Mixed-Methods Studien sowie Literaturreviews aus westlichen Industrienationen, die einem peer-review Verfahren unterzogen und in englischer oder deutscher Sprache veröffentlicht wurden. Die inkludierten Artikel berücksichtigten die Perspektive der Hebamme auf die Kooperation mit anderen Berufsgruppen im Kontext der außerklinischen Versorgung. Es folgten die kritische Beurteilung und thematische Analyse (Aveyard, 2014) der ausgewählten Studien.
Ergebnisse
Die in der Literatur beschriebenen fördernden und hemmenden Faktoren für eine Kooperation sind vielfältig. Als zentrale Themen ließen sich „Kommunikation“, „Sichtweisen zur Versorgung“ und „Beziehungen“ herausfiltern. Die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen beeinflusst die Intensität der Zusammenarbeit und kann zu einem gelingenden Übergang an Versorgungsschnittstellen beitragen. Unterschiedliche Sichtweisen der Berufsgruppen zu Versorgungsfragen können zu einem gemeinsamen Ziel führen oder lassen sich als Quelle für Spannungen identifizieren. Die Aufrechterhaltung interprofessioneller Beziehungen trägt zum Erfolg von Kooperation bei.
Nur wenige Studien fokussieren ausschließlich auf die Hebammenperspektive der interprofessionellen Kooperation. In der Mehrheit der Studien wird die Hebammenperspektive unter einer gemeinsamen, disziplinenübergreifenden Perspektive subsummiert.
Diskussion
Die Erkenntnisse aus der Literatur liefern wertvolle Hinweise zur Kooperation von Hebammen der außerklinischen Versorgung mit anderen Berufsgruppen. Sie reichen jedoch nicht aus, um ein umfassendes Bild zur Kooperation von Hebammen zeichnen zu können. Hierzu ist weitere Forschung notwendig.
Praktische Implikationen
Aus den Ergebnissen lassen sich Strategien zur Förderung der Kooperation von Hebammen der außerklinischen Versorgung mit anderen Berufsgruppen für die Praxis ableiten. Die Resultate liefern Erkenntnisse über den Gewinn von Kooperation für die Nutzerinnen des geburtshilflichen Versorgungssystems. Eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Thematik der Interprofessionalität wird darüber hinaus als Voraussetzung für den Erfolg der in Deutschland stattfinden Akademisierung der Gesundheitsberufe gesehen (Walkenhorst, 2016).
Literatur
Aveyard, H. (2014). Doing a literature review in health and social care: A practical guide. Maidenhead, Berkshire: Open University Press.
Cameron, A., & Lart, R. (2003). Factors promoting and obstacles hindering joint working: A systematic review of the research evidence. Journal of Integrated Care, 11(2), 9-17.
DH. Department of Health (Ed.). (2010). Midwifery 2020: Delivering expectations. London: DH.
Moher, D., Liberati, A., Tetzlaff, J., & Altman, D. G. (2009). Preferred reporting items for systematic reviews and meta-analyses: The PRISMA statement. PLoS Medicine, 6(7), e1000097.
NZFH. Nationales Zentrum Frühe Hilfen (2014). Bundesinitiative Frühe Hilfen. Zwischenbericht 2014. Köln: NZFH.
Walkenhorst, U. (2016). Die Relevanz interprofessioneller Lern- und Arbeitsprozesse im Kontext der Akademisierung der Gesundheitsberufe. International Journal of Health Professions, 3(1), 21–28.
Der Beitrag beschäftigt sich mit den Ergebnissen, der im Rahmen der Nachwuchsakademie Versorgungsforschung BW geförderten Pilotstudie zur zahnärztlichen Betreuung von Pflegeeinrichtungen nach Einführung von Kooperationsverträgen. Neben den Fragestellungen der Pilotstudie werden ebenfalls Überlegungen diskutiert, die insbesondere die Zusammenarbeit sowie die Arbeitsteilung von Zahnärztinnen und Zahnärzten mit Pflegekräften in Pflegeeinrichtungen in den Blick nehmen.
Hintergrund
Bei Bewohnerinnen und Bewohnern in stationären Pflegeeinrichtungen sind fast die Hälfte der vorhandenen Zähne kariös bzw. zerstört.
Seit 2014 besteht eine Rahmenvereinbarung zwischen der KZBV und dem GKV Spitzenverband zur Umsetzung der gesetzlichen Regelungen nach §119b SGB V. Zahnärztinnen und Zahnärzte haben seither die Möglichkeit, Kooperationsverträge mit stationären Pflegeeinrichtungen zu schließen. Seit Inkrafttreten der Rahmenvereinbarung haben viele Pflegeeinrichtungen bereits Verträge mit Zahnärztinnen und Zahnärzten abgeschlossen. Über den Erfolg dieses neuen Betreuungskonzeptes war bislang nichts bekannt, dieser wurde in der Pilotstudie untersucht.
Fragestellung
Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht die Frage nach der realistischen Umsetzbarkeit der interprofessionellen Zusammenarbeit und deren Konsequenzen für die Beteiligten. Sind die vorgesehenen Kooperationsmaßnahmen praktisch umsetzbar? Lassen sich die vorgesehenen Maßnahmen mit den bestehenden standardisierten
Aufgaben der Pflegekräfte hinsichtlich der Mundhygiene sinnvoll kombinieren?
Methodisches Vorgehen
Hauptziel des Projekts ist die systematische Erhebung und Auswertung der über Fokusgruppen generierten Erfahrungen der an der Umsetzung des neuen Betreuungskonzeptes beteiligten Zahnärztinnen/Zahnärzte und Pflegekräfte. Damit verbundene Nebenziele sind die Planung, Durchführung und konversationsanalytische Auswertung von Fokusgruppen, sowie diesen vorausgehenden fokussierten ethnografischen Erkundungen, die Evaluierung des bislang gültigen Vertragswerks sowie der Umsetzung des neuen Betreuungskonzepts und die Formulierung von Anregungen zur Verbesserung des Vertragswerks.
Das Projekt verlangt ein qualitatives Forschungsdesign. Es wurde eine fokussierte Ethnografie (Knoblauch 2001), d.h. zwei kurzzeitige Aufenthalte in Pflegeeinrichtungen sowie insgesamt sechs Fokusgruppengespräche (Wolff/Puchta 2007) und vier Einzelinterviews in Räumlichkeiten der Kooperationspartner sowie in unterschiedlichen Pflegeeinrichtungen durchgeführt.
Das Datenmaterial umfasst Audioaufnahmen, Transkriptionen, Feldnotizen, Beobachtungsprotokolle und Interviewtranskripte. Die Auswertung der Daten erfolgte nach den Prinzipien der Konversationsanalyse im Rahmen von sogenannten Datensitzungen.
Ergebnisse (ein Auszug)
Mit den im Kooperationsvertrag vorgesehenen Maßnahmen zur Betreuung von Bewohnerinnen und Bewohnern einer Pflegeeinrichtung ergaben sich verschiedene Umsetzungsanforderungen.
Die Zahnpflege scheint immer noch ein „Stiefkind der Altenpflege“ zu sein. Die Zeitvorgaben für pflegerische Aktivitäten sind zu knapp bemessen, weshalb für die Zahnpflege der Bewohnerinnen und Bewohner im Zweifel wenig Rücksicht genommen wird. Für einen reibungslosen Ablauf bedarf es zudem einer regelmäßigen Kommunikation zwischen Kooperationszahnarzt und Ansprechpartnern in den Pflegeeinrichtungen.
Die im Kooperationsvertrag festgesetzten Schulungen für Pflegekräfte stoßen auf positive Resonanz. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Fluktuation des Pflegepersonals in den Pflegeeinrichtungen sind regelmäßige Schulungsmaßnahmen unerlässlich. Der damit verbundene Mehraufwand für die Pflegekräfte lohnt sich: Die Bewohnerinnen und Bewohner haben eine deutlich verbesserte Mundgesundheit und erlangen dadurch eine Zunahme an Lebensqualität, die sich wiederum positiv auf die psychosoziale Situation der Bewohnerinnen und Bewohner auswirkt. Insgesamt profitieren beide Partner des Kooperationsvertrags.
Diskussion und praktische Implikationen
Gerade der Umgang mit Demenzkranken erfordert ausgewählte Techniken, wie beispielsweise basale und orale Stimulationen, weshalb Pflegekräfte mehr Zeit in die Zahnpflege investieren müssten. Um dies gewährleisten zu können, sollte jedoch der Umfang und die Qualität zahnmedizinischer Themen in der Aus- und Weiterbildung von Pflegekräften wesentlich erhöht werden. Die Untersuchung zeigt auch, dass die Attraktivität des Pflegeberufs, beispielsweise über finanzielle Anreize, gesteigert werden müsste. Nur so können die hohe Fluktuation des Pflegepersonals sowie der Personalmangel gestoppt werden.
Zu beobachten ist ebenfalls, dass die Zusammenarbeit zwischen Zahnärztinnen/Zahnärzten und Pflegekräften ganz wesentlich vom Erfahrungsschatz der Pflegekräfte im Umgang mit demenziell erkrankten Bewohnerinnen und Bewohnern profitiert. Hierbei können Pflegekräfte gegenüber Zahnärzten als Experten auftreten und das klassische Hierarchiegefälle abbauen.
Hintergrund: Der von der OECD verfolgte „Ageing in Place“-Ansatz stellt eine Lösungsstrategie zum Umgang mit den Herausforderungen des demografischen Wandels sowie des Fachkräftemangels dar. Der Schlüssel zur Umsetzung dieses Ansatzes ist die Kombination adäquate Qualifizierung pflegender Angehörigen und Pflegeassistenztechnik. Durch flächendeckende Bildungs- und Weiterbildungsangebote könnten pflegende Angehörige in die Lage versetzt werden, der zunehmenden Versorgung multimorbider, älterer chronisch- und demenziell erkrankter Menschen zu begegnen.
Fragestellung: Welche Bedarfe und Bedürfnisse haben pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz in Hinblick auf Bildungsangebote zum Einsatz von Pflegeassistenztechnik (u.a. AAL-Technik) im Land Sachsen-Anhalt? Inwiefern lassen sich didaktisch digitale und medial-unterstützte Lernelemente in die interprofessionelle Versorgung implementieren und welchen integrativen Stellenwert können hierbei adäquate Bildungsangebote für pflegende Angehörige einnehmen?
Methode: Auf der Grundlage einer systematischen Literaturanalyse sind dazu in einem ersten Schritt Ansprechpartner aus Angehörigen- und Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz (Gatekeeper) in Sachsen-Anhalt ausgewählt worden. Diese werden mithilfe von qualitativen, leitfadenstrukturierten Fokusgruppen befragt. Die Auswertung der Erhebung erfolgt nach qualitativen und inhaltsanalytischen Gesichtspunkten (Flick, 2010). Der qualitative Forschungsansatz dient dabei der Fundierung eines geplanten quantitativen fragebogenbasierten Surveys zur Gesamtanalyse der Bedarfe und Bedürfnisse von pflegenden Angehörigen bzgl. der Integration von technischen und robotischen Assistenzsystemen.
Ergebnisse: Die ersten Ergebnisse der Literaturanalyse geben Hinweise auf allgemein hohe Technikaffinität der pflegenden Angehörigen. Im Versorgungssetting werden bekannte – im Heilmittelkatalog verzeichnete – technische Unterstützungen aktiv eingesetzt (u.a. Diagnostik und Medizinprodukte). Neuartige technische Unterstützungsmöglichkeiten, z.B. im Bereich Sicherheit, Haustechnik, Mobilität und der vernetzten Kommunikation – im Sinne einer interprofessionellen Versorgung – sind hingegen in der Wahrnehmung der pflegenden Angehörigen unterrepräsentiert und spielen in bisherigen Beratungs- und Bildungsangeboten für pflegende Angehörige eine untergeordnete Rolle.
Diskussion: Es sind Standards zur Integration von Pflegeassistenztechnik in multimodalen Bildungsangeboten für pflegende Angehörige – die auf interprofessionellem und kompetenzorientiertem Fundament fußen – zu entwickeln und vernetzend im System zu implementieren. Dazu ist das Potential universitärer und hochschulischer Einbettung stärker hervorzuheben und gezielt zwischen allen beteiligten Akteuren (Bildungsträger, Pflegeinstitutionen etc.) zu kommunizieren. Am Beispiel der forschungsbasierten Entwicklung von Bildungsangeboten im Land Sachsen-Anhalt (Forschungsprojekt FORMAT) können dazu Ableitungen für die Bundesrepublik erzielt werden.
Praktische Implikation: Die aus den Gatekeeper- und Fokusgruppenbefragungen eruierten alltäglichen Bedarfe und Bedürfnisse der pflegenden Angehörigen fließen unmittelbar in die Konzeption von Bildungsangeboten für die pflegenden Angehörigen mit ein und bilden die Basis zur praktischen Anschlussfähigkeit, die eine zentrale Zielsetzung des gesamten Forschungsprozesses darstellt. Die Bildungsangebote werden langfristig in der sich im Aufbau befindlichen Halle School of Health (HSHC) verstetigt.
Hintergrund
Der Eintritt in die Sterbephase erfordert die Neubestimmung der Therapieziele und Anpassung des Behandlungsplans im Rahmen eines multiprofessionellen Entscheidungsprozesses. Unbekannt ist, inwieweit dies in der Praxis umgesetzt wird. Ziel war es, die Qualität der Sterbebegleitung sowie das Erleben der Mitarbeiter – v. a. in Bezug auf belastende und unterstützende Faktoren – zu erfassen. Die Untersuchung soll Grundlage für die Entwicklung einer klinikspezifischen Handlungsempfehlung sein.
Fragestellung
Das Ziel des Projektes ist die Analyse der Situation sterbender Patienten und der Erfahrungen und des Erlebens der betreuenden Teams an einer Uniklinik. Die Analyse der Ausgangssituation setzt sich aus der Beantwortung der folgenden Teil-Fragestellungen zusammen:
1. Wie werden Patienten in der Sterbephase betreut (Pflegeinterventionen, diagnostische und therapeutische Maßnahmen, Betreuung Angehöriger)? Welche strukturellen Bedingungen liegen vor (Einbezug der Seelsorge, Räumlichkeiten etc.)
2. Wie gehen die Mitarbeiter dieser Abteilungen mit den daraus resultierenden Herausforderungen um? Wann empfinden sie Sterbebegleitungen als „gelungen“? Was belastet sie und welche Strategien haben sie entwickelt, um damit umzugehen?
Methode
Für das Projekt wurden vier Stationen mit einer hohen Anzahl von Sterbefällen aus verschiedenen Fachrichtungen ausgewählt (Gelegenheitsstichprobe). In einem Mixed Methods Ansatz wurden 40 Akten verstorbener Patienten analysiert, 10 semi-strukturierte Interviews mit Führungskräften (Oberärzte, Pflegedienst, Patientenservice) und eine Online-Befragung der Mitarbeitenden (n=226) durchgeführt. Für die Aktenanalyse wurde basierend auf den vier Qualitätsindikatoren (QI) der S3-Leitlinie für die Sterbephase (QI 4: Symptomassessment; QI 5: Erfassung von Unruhe; QI 6: Beenden von tumorspezifischen Maßnahmen und QI 7: Beenden von medizinischen Maßnahmen) und weiteren Schlüsselempfehlungen, wie z. B. zu Kommunikation und Betreuungskontinuität, ein Instrument in Form einer Checkliste entwickelt. Auch der Interviewleitfaden und die Online-Befragung orientieren sich an den Empfehlungen der S3-Leitlinie. Die Datenauswertung erfolgte anhand statistischer Methoden und der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.
Ergebnisse
Während die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte sich an Entscheidungen beteiligen können, waren es bei den Pflegenden nur etwa die Hälfte. Etwa 30% der Pflegenden und 20% der Ärztinnen und Ärzte möchten sich nicht an Entscheidungen beteiligen. Zusätzlich waren Entscheidungen nur für 61,8% der Pflegefachpersonen (Ärzte 83,8%) nachvollziehbar dokumentiert. Diese Zahlen decken sich mit den Berichten der Pflegenden in den Interviews. Dort berichteten sie ihre Frustration über langwierige Entscheidungsprozesse und den Eindruck, dass ihre Stimme nicht gehört werde. Gleichzeitig betonten die Oberärzte und Teamleitungen der Pflege die Bedeutung interdisziplinärer Entscheidungsfindung. Belastungen durch häufige oder schwere Sterbefälle zeigen sich vor allem durch Reizbarkeit und erhöhte Spannungen zwischen den Berufsgruppen. Gleichzeitig schätzen die Befragten die Zusammenarbeit im Team und mit anderen Berufsgruppen als hilfreichsten Faktor zur Bewältigung von Belastungen ein. Eine Struktur zur multidisziplinären Entscheidungsfindung ist aktuell auf einer Station in Form einer Ethikvisite implementiert. Alle drei Berufsgruppen äußerten den Bedarf nach mehr fachlichen Informationen und Handlungsempfehlungen.
Diskussion
Der Zusammenarbeit im Team kommt bei der Begleitung Sterbender eine Schlüsselrolle zu.
Eine gute Zusammenarbeit bei der Versorgung von Sterbenden wurde von allen beteiligten Berufsgruppen als hilfreich und entlastend angesehen – und wird von der S3-Leitlinie Palliativmedizin empfohlen. Andererseits können sich Belastungen auf das multiprofessionelle Team negativ auswirken und die Zusammenarbeit erschweren. Ein systematischer interprofessioneller Entscheidungsprozess ist bisher nur ansatzweise implementiert. Einer weiteren Untersuchung bedarf die Tatsache, dass sich ein Teil der Pflegefachpersonen und Ärztinnen und Ärzte nicht an Entscheidungen beteiligen möchte. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass einige der Befragten Unklarheiten bezüglich ihrer Rolle in der Begleitung Sterbender haben.
Praktische Implikationen
In einem nächsten Schritt werden Maßnahmen ergriffen, um die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen zu stärken und interdisziplinäre Entscheidungsfindung zu fördern. Hierzu gehört unter anderem die Erstellung einer Handlungsanweisung zur Versorgung sterbender Patienten mit der Regelung von Zuständigkeiten. Ergänzend sollen interprofessionelle Fortbildungsangebote und das Angebot von Fallbesprechungen ausgebaut und Maßnahmen zur Förderung des Rollenverständnisses ergriffen werden.
1. Hintergrund
Um Diagnostik und Therapien von Patienten koordinieren zu können, ist der Hausarzt auf Informationen von Kollegen anderer Fachrichtungen angewiesen. Bisher gibt es verschiedene Untersuchungen zur Kommunikation zwischen Krankenhäusern und Hausärzten bei Entlassung von stationären Patienten aus dem Krankenhaus.
Allerdings ist bisher nicht genau untersucht, wie häufig Überweisungen von Hausärzten an niedergelassene Fachärzte anderer Fachrichtungen mit einem Arztbericht beantwortet werden. Dabei ist besonders interessant, von welchen Faktoren die Rücklaufhäufigkeit abhängt, um gegebenenfalls maßgeschneiderte Interventionen zur Verbesserung der Kommunikation entwickeln zu können.
2. Fragestellung
Wie häufig werden Überweisungen von Hausärzten an niedergelassene Fachärzte anderer Fachrichtungen mit einem Arztbericht beantwortet?
Und von welchen Parametern hängt es ab, wie häufig eine Überweisung mit einem Arztbericht beantwortet wird?
3. Methode
Ab Ende Januar 2017 wurden 2000 zufällig ausgewählte Berliner und Brandenburger Hausärzte anonym zur Rücklaufhäufigkeit von Arztberichten befragt. Der postalisch verschickte Fragebogen wurde aufbauend auf qualitativen Experteninterviews entwickelt. Die Teilnehmer schätzten unter anderem die Menge an ausgestellten Überweisungen und eingegangenen Arztberichten. In einem fakultativen Teil zählten die Befragten für die letzten zehn Patienten in der Praxis die ausgestellten Überweisungen und eingegangenen Arztberichte für das Jahr 2016. Darüber hinaus wurden Einstellungen der Teilnehmer zum Themenkomplex „Rücklauf von Arztberichten“ und Charakteristika der Praxis erhoben.
Die Ergebnisse wurden mit der Statistiksoftware R analysiert. Neben deskriptiven Verfahren wurde auch eine Regressionsanalyse durchgeführt, die den Einfluss von Alter, Geschlecht, Praxisort und der Zustimmung der Ärzte zu Aussagen zum Kommunikationsverhalten mit Fachärzten anderer Fachrichtungen auf den Rücklauf von Arztberichten untersucht.
4. Ergebnisse
Bisher liegen ausgefüllte Fragebögen von 431 Hausärzten (Rücklauf von 21,5%) vor.
Die Teilnehmer schätzen im Mittel, dass auf 100 Überweisungen 31 Berichte bei ihnen eingehen.
Die Auswertung der letzten zehn Patienten wurde von 123 Ärzten durchgeführt und ergibt ein Verhältnis von 62 Berichten zu 100 Überweisungen.
Die Zufriedenheit mit dem Rücklauf von Arztberichten weist eine zweigipflige Verteilung auf mit 33,5%, die angeben, zufrieden zu sein und 44,7%, die dem nicht zustimmen.
Die Befragten beurteilen den Rücklauf von Fachärzten der Inneren Medizin, Kardiologie, Pulmologie und Gastroenterologie als am höchsten; der geringste Rücklauf wird bei den Fachrichtungen Gynäkologie, Dermatologie und Orthopädie angegeben.
46,6% der Teilnehmer geben an, bei Überweisungen oft oder immer einen Medikationsplan mitzugeben; 24,5% tun dies laut eigener Aussage selten oder nie. Darüber hinaus sagen 27,2% der Befragten, dass sie oft oder immer von anderen Fachärzten benachrichtigt werden, wenn diese die Medikation eines Patienten ändern; 37,4% beobachten dies selten oder nie.
90% der Befragten sind der Ansicht, dass sich bei anderen Facharztgruppen ein besseres Verständnis von der Tätigkeit des Hausarztes entwickeln sollte; 46,5% befürworten einen Ausbau der digitalen Kommunikation.
Über mehrere Regressionsmodelle hinweg zeigt sich nur ein Zusammenhang des geschätzten Rücklaufs von Arztberichten mit der Vernetzung mit Kollegen. Die völlige Zustimmung zu der Aussage „Ich bin eng mit Facharztkollegen vernetzt“ geht mit einem deutlich höheren geschätzten Rücklauf einher. Nach Ausschluss von drei Ausreißern ergibt sich dieser Zusammenhang auch für den gezählten Rücklauf der zehn letzten Patienten.
5. Diskussion
Der große Rücklauf des Surveys ist eine Stärke der Arbeit und unterscheidet sich zwischen Berlin und Brandenburg nicht. Die systematische Differenz zwischen geschätztem und bei den letzten zehn Patienten gezähltem Rücklauf zeigt den Recall Bias der Teilnehmer auf, der bei der Interpretation der Ergebnisse mitberücksichtigt werden muss.
6. praktische Implikationen
Die Ergebnisse zeigen sowohl aufgrund der nur mäßigen Zufriedenheit mit dem Rücklauf der Arztberichte als auch mit der geringen Mitteilung von Medikationsänderungen einen Interventionsbedarf auf. Unsere Daten zeigen einmal, dass dabei nach Facharztgruppen unterschieden werden sollte. Digitale Lösungen werden von den befragten Ärzten nicht sehr breit unterstützt. Der einzige relevante Einflussfaktor auf den Rücklauf von Arztberichten ist in unserer Studie eine sehr gute Vernetzung der Hausärzte mit anderen Fachärzten. Daher wäre hier ein guter Ansatzpunkt für zukünftige Interventionen.
Titel: Teamwork und Koordination im stationären Sektor – Deutschland im europäischen Vergleich
Hintergrund: Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit als auch eine gute Koordination innerhalb des Krankenhauses sowie über Sektoren hinweg sind Voraussetzungen für eine hohe Patientensicherheit und Effizienz. Bisher ist jedoch kaum erforscht, wie Teams in Krankenhäusern zusammenarbeiten und wie sie die Koordination der Behandlung bewerten.
Fragestellung: Diese Studie untersucht für den stationären Krankenhaussektor
i) inwieweit sich enges Teamwork innerhalb von 9 europäischen Ländern für die Behandlungspfade Brustkrebs (BK) und Herzinfarkt (HI) unterscheidet,
ii) mit welchen Berufsgruppen in den meisten Patientenfällen zusammengearbeitet wird und
iii) wie die Koordination innerhalb der Organisation und einrichtungsübergreifend aus Perspektive der Leistungserbringer eingeschätzt wird.
Methode: Die Studie basiert auf dem EU-geförderten Projekt MUNROS, welches in 9 europäischen Ländern (England, Deutschland, Italien, Niederlande, Norwegen, Polen, Schottland, Tschechien, Türkei) anhand von Behandlungspfaden den Einsatz neuer Gesundheitsberufe und neuer Rollen an der Versorgung untersuchte. Die Datengrundlage beruht auf einer fragebogenbasierten Querschnittserhebung (2015-2016) bei ärztlichen und nichtärztlichen Fachkräften, die am Behandlungspfad BK (n=802, 76 Krankenhäuser), bzw. am Behandlungspfad HI (n=914, 85 Krankenhäuser) beteiligt waren. Für diese Analyse wird enges Teamwork definiert als die Zusammenarbeit mit ärztlichen (z.B. Fach-, Assistenz-, Allgemeinarzt) und nichtärztlichen Fachkräften (z.B. Pflegekräfte, Apotheker, therapeutische Berufe, Röntgenassistenten) in 75-100% aller Patientenfälle. Die Koordination wurde anhand eines bestehenden Instruments erhoben und als Summenscore zusammengefasst (Cronbachs α > .79 < .91). Anhand deskriptiver Analysen wurden Unterschiede zwischen Deutschland und 8 europäischen Ländern ermittelt.
Ergebnisse: Die Zusammenarbeit von ärztlichem und nichtärztlichem Personal bei mind. 75% der Patienten (= enges Teamwork) liegt über alle 9 Länder zwischen 48% (BK) und 50% (HI), wobei Deutschland (DE) bei BK mit 66% an 2. Stelle nach den Niederlanden (NL) (68%) und bei HI mit 71% an erster Stelle liegt. Im Mittel wird mit 3.8 (BK) bzw. 4.3 (HI) Berufsgruppen kooperiert. Die Fachärzte werden in allen Ländern (HI) bzw. in 8 von 9 Ländern (BK) von mind. 50% der Befragten genannt, die Assistenzärzte sind in dieser Studie in 5 (BK) bzw. 7 (HI) Ländern Teil des engen Teamworks. Spezialisierte Pflegefachkräfte werden in 7 von 9 Ländern bei BK genannt, bei HI jedoch nur in den NL, Polen und Tschechien (CZ), bei HI sind es die Pflegefachkräfte, die in 8 von 9 Ländern genannt werden. In England (ENG) und Schottland (SCO) sind zudem Röntgenassistenten Teil des engen Teamworks bei BK und Krankenpflegehelfer in ENG, SCO und CZ bei HI.
Die Koordination innerhalb des Krankenhauses liegt über alle 9 Länder hinweg bei 3.8 (auf einer Skala von 1 [min.] bis 5 [max.]), der Wert ist etwas geringer (3.6) für den Behandlungspfad HI; DE liegt bei BK im Mittelfeld und bei HI an 8. Stelle. Die Koordination einrichtungsübergreifend erreicht über alle Länder hinweg für BK und HI statistisch signifikant geringere Werte (BK 3.5, HI 3.3, p <.001) als innerhalb des Krankenhauses, der Unterschied ist ebenfalls in 7 (BK) bzw. 6 (HI) Ländern statistisch signifikant.
Diskussion: In Bezug auf Teamwork erreicht DE im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gute Werte. Dies trifft jedoch nicht für die Koordination der Versorgung von Patienten mit BK und HI zu, hier besteht ein Verbesserungspotential innerhalb der Krankenhäuser und über Sektoren hinweg, insbesondere beim Behandlungspfad HI. In 7 von 9 Ländern (inkl. DE) ist eine enge Kooperation mit spezialisierten Pflegekräften bei der Versorgung von Patienten mit BK sichtbar, während in die Versorgung von HI-Patienten primär Pflegefachkräfte involviert sind. Dies kann auf spezialisiertere Tätigkeiten innerhalb des Behandlungspfads BK hindeuten. Auffallend ist, dass Länder, in denen neue Gesundheitsberufe bereits vermehrt an der Versorgung beteiligt sind (ENG, NL, SCO), diese Berufe wie z.B. Nurse Practitioner eher bei der Zusammenarbeit bei weniger als 75% der Patientenfälle genannt werden.
Praktische Implikationen: Die Versorgung von Patienten mit BK und HI in Deutschland ist von enger Teamarbeit geprägt, auch im europäischen Vergleich. Die Koordination innerhalb von Krankenhäusern als auch einrichtungsübergreifend zeigt für DE noch Verbesserungspotentiale auf. Verbesserte Strukturen der Koordination und des Case Managements durch spezialisiertes Pflege- oder anderes nichtärztliches Personal könnten dazu beitragen, die Koordinationsprozesse zu verbessern. Die Rolle der Breast Care Nurse oder Patientenlotsen in anderen Ländern hat gezeigt, dass sie die Rolle effektiv übernehmen können und das ärztliche Personal dahingehend entlasten könnten.