Hintergrund
Die Sicherstellung der Versorgung in der Fläche stellt eine der zentralen Herausforderungen für das deutsche Gesundheitssystem dar. Derzeit werden regionale Situationen oftmals noch nicht systematisch analysiert. Es fehlen aussagekräftige Gegenüberstellungen mit vergleich-baren Regionen. Die Einschätzungen der betroffenen Bevölkerungsgruppen sowie der regio-nalen Experten werden häufig nicht gleichwertig in die Analyse einbezogen. Die Handlungsempfehlungen basieren oft nicht auf vorhandener Evidenz für effektive Versorgungsprogramme oder erschöpfen sich in kaum umsetzbaren Forderungen für die Bundesebene.
In einer konkreten Studie für die betroffene Region, gefördert durch öffentliche Mittel, soll idealtypisch die mögliche Verbesserung der Versorgungssituation analysiert und mit den Beteiligten auf den Weg gebracht werden.
Fragestellung
• Wie stellt sich die Versorgungssituation der Bevölkerung in der betroffenen Region dar?
• Welche Handlungsfelder können durch Befragung der Allgemeinbevölkerung und Experten aufgezeigt werden?
• Welche evidenzbasierten Programme greifen die Problemfelder auf und können in der Region etabliert werden?
Methode
Das Forschungsvorhaben basiert auf mehreren methodischen Ansätzen:
1. Qualitative Datenerhebung mittels Experteninterviews: Politiker/innen, Vertreter/innen von entsprechenden Verbänden und Leistungserbringer werden persönlich über nichtstandardisierte Interviews anhand eines Leitfadens befragt. Dazu wurde ein Interviewleitfaden für Leistungserbringer der Region erstellt, ein zweiter Leitfaden für Vertreter/innen von Institutionen. Die Interviews werden transkribiert und in Bezug auf Problembereiche in der Region ausgewertet.
2. Quantitative Datenerhebung mittels schriftlicher Befragung der Allgemeinbevölkerung: Zur schriftlichen Befragung der Allgemeinbevölkerung zur Einschätzung der Gesundheitsversorgung in der Region wurde ein Fragebogen entwickelt. Die Fragen wurden, sofern möglich, aus den Befragungen des Gesundheitsmonitors der Bertelsmann Stiftung sowie der Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) des Robert Koch-Instituts übernommen. Dadurch sind Vergleiche mit Gesamtdeutschland oder anderen Regionen in Deutschland möglich.
3. Validierung der ermittelten Problembereiche: In einer Gruppenphase werden die ermittelten Problembereiche oder auch positiv hervor gehobene Aspekte den oben genannten Gruppen vorgestellt und nochmals diskutiert.
4. Entwicklung von Lösungsstrategien: In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Gesundheitsprogrammen, welche in der Vergangenheit durchgeführt und im Hinblick auf ihre Effektivität evaluiert wurden (bspw. Cochrane-Datenbank). Die für die Region ermittelten Problembereiche werden systematisch mit dieser vorhandenen Evidenz abgeglichen und darauf basierend werden regional umsetzbare Vorschläge erarbeitet.
Das Zusammenspiel der verschiedenen Methoden soll sicherstellen, dass sowohl die Ansprüche der Region berücksichtigt werden, gleichzeitig aber auch konkrete Lösungen entwickelt werden können. Die starke Dialogbasis der gesamten Studie soll helfen, die Akzeptanz für Maßnahmen herzustellen.
Ergebnisse
Es wird erwartet, dass die Kombination quantitativer und qualitativer Befragungen unterschiedlicher Anspruchsgruppen umfassende Erkenntnisse zur bestehenden Versorgungssituation in der Region liefert und Handlungsfelder aufdeckt.
Beispiele für Handlungsfelder könnten die Notfallversorgung, der Einsatz und die Akzeptanz von Telemedizin, die gezielte Verbreitung von primär präventiven Maßnahmen oder auch die Kooperation der Leistungserbringer zur Sicherstellung der Erreichbarkeit ärztlicher Versorgung in ländlichen Gebieten sein.
Ein weiteres Ergebnis der Arbeit wird der Aufbau einer Datenbasis sein, die für weitere Projekte in der Region oder auch die Anfertigung von Zeitreihen dienen kann.
Diskussion
Die innovative Studie soll es ermöglichen, für eine abgegrenzte Region in engem Dialog zwischen Leistungserbringern, Bevölkerung und Wissenschaft die Gesundheitsversorgung zu verbessern.
Die Stärken der Studie liegen in der Basierung auf transparenten und etablierten Methoden unter weitgehendem Verzicht von rein normativen Argumentationen. Eine Herausforderung stellt die Ansprache aller relevanten Gruppen in der Bevölkerung und auch Expertengruppen dar. Zudem ist zu erwarten, dass nicht für jedes identifizierte Problem ein Gesundheitsprogramm mit höchster Evidenzstufe existiert.
Literaturverzeichnis
Bertelsmann Stiftung (2016): Unsere Daten – Fragebogen Versicherte. Online verfügbar unter http://gesundheitsmonitor.de/ueber-uns/unsere-daten/.
Hübner, Ursula et al. (2016): ROSE – das lernende Gesundheitssystem in der Region Osnabrück-Emsland. In: International Journal of Health Professions. Vol. 3, Issue 1. Verein zur Förderung der Wissenschaft in den Gesundheitsberufen. Zürich, Schweiz.
Robert Koch-Institut (2016): Fragebogen GEDA. Online verfügbar unter http://www.geda-studie.de/fragebogen.html.
Hintergrund
Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung und der Anstieg chronischer Krankheiten in der Bevölkerung stellen ländlich geprägte Regionen vor multiple Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung. Um auch pflegebedürftigen älteren Menschen ein selbständiges Leben in ihrem zu Hause zu ermöglichen, sind lokale und regionale Handlungskonzepte erforderlich. Entsprechende Planungen stoßen aufgrund des Fehlens kleinräumiger Analysen der Versorgungssituation jedoch an ihre Grenzen. Fragen hinsichtlich des Zugangs oder der Entstehung von Versorgungsungleichheiten können daher nicht beantwortet werden.
Der Einsatz bewährter Verfahren zur Analyse lokaler Versorgungssituationen wie z. B. eines Community Health Assessment könnte entsprechende Grundlagen schaffen und somit einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten.
Ziel und Fragestellungen
Ziel des Projektes ist es, eine Bestandsaufnahme der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung bei Pflegebedürftigkeit in ausgewählten Gemeinden vorzunehmen. Auf Basis der Ergebnisse sollen Vorschläge zur Rolle der Kommune in der Versorgungsgestaltung und Förderung der Zusammenarbeit der professionellen Leistungserbringer erarbeitet werden.
Folgende Fragen sollen beantwortet werden:
Wie stellt sich die Versorgungssituation pflegebedürftiger, älterer Menschen in ländlichen Regionen dar?
Welche Probleme und Ressourcen zeigen sich in Bezug auf die Versorgungssicherheit bei Pflegebedürftigkeit älterer Menschen in der Primär- und Langzeitversorgung in der Region?
Methode und Material
Die Studie ist Teilprojekt eines Forschungsverbundes zum lernenden Gesundheitssystem in zwei ländlich geprägten Regionen eines deutschen Flächenlandes. Untersucht wird explorativ je eine Gemeinde der beiden Modell-Regionen. Das Vorgehen orientiert sich an den Maßgaben eines Community Health Assessment und entspricht einem Mixed Method Design. Theoretische Grundlage für das Community Health Assessment ist das „Alliance-for-Community-Health-Assessment“-Modell von Klainberg et al. (1998), welches eine Fokussierung auf gesundheitliche Bedürfnisse, Versorgungsstrukturen sowie interdisziplinärer Teamarbeit erlaubt.
Ausgehend von den Parametern des Community Health Assessments werden verfügbare Gesundheitsdaten der Leistungsträger und statistischen Bundes-, Landes- und Gemeindebehörden zusammengestellt und durch leitfadengestützte Experteninterviews mit professionellen Akteuren sowie kommunalen Vertreter/innen ergänzt. Die quantitativen Daten werden deskriptiv analysiert und aufbereitet; die Analyse der qualitativen Daten erfolgt anhand inhaltsanalytischer Methoden.
Erwartete Ergebnisse
Es wird erwartet, dass durch die Anwendung eines Community Health Assessment umfassende Erkenntnisse zur bestehenden Versorgungssituation in der untersuchten Region gewonnen werden. Im Rahmen der Ergebnisdarstellung sollen exemplarische Fallszenarien entwickelt werden. Die Ergebnisse sollen ein klares Bild der Bedarfslagen pflegebedürftiger, älterer Menschen in ländlichen Gebieten aufzeigen. Es steht zu erwarten, dass vor dem Hintergrund der identifizierten Versorgungssituation bestehende Lücken und Handlungsnotwendigkeiten deutlich werden, die zur Grundlage kommunaler Entscheidungsprozesse werden können.
Diskussion
Die Durchführung eines Community Health Assessment ist in den USA, Canada oder den skandinavischen Ländern ein erprobtes Instrument zur Erfassung kommunaler und regionaler Bedarfe unterschiedlicher Zielgruppen. Ausführende Person ist dort meist die für diese Region zuständige Community Health oder Public Health Nurse. Die Umsetzung dieses Ansatzes ist in Deutschland noch nicht verbreitet, könnte jedoch eine Perspektive aufzeigen, kommenden Herausforderungen in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung entgegenzutreten.
Praktische Implikationen
Durch die Einbindung in den Forschungsverbund und die Kooperation mit kommunalen Akteuren werden die Ergebnisse unmittelbar im regionalen Kontext diskutiert und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Versorgungsgestaltung geprüft werden können.
Literaturverzeichnis
Klainberg, Marilyn B. (1998): Community health nursing. An alliance for health. New York: McGraw-Hill, Health Professions Division (McGraw-Hill nursing core series).
Kruse, Andreas; Schmitt, Eric (2016): Soziale Ungleichheit, Gesundheit und Pflege im höheren Lebensalter. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 59 (2), S. 252–258. DOI: 10.1007/s00103-015-2285-4.
van der Vlegel-Brouwer, W. (2013): Integrated healthcare for chronically ill. Reflections on the gap between science and practice and how to bridge the gap. International Journal of Integrated Care (IJIC) 13, S. 1. Online verfügbar unter http://www.ijic.org/articles/abstract/10.5334/ijic.1079/.
Hintergrund:
Die zunehmende Anzahl (hoch-)betagter Patient/innen fragt neben einer alter(n)sgerechten medizinischen Behandlung weitere Maßnahmen nach, die eine selbstständige Lebensführung unterstützen und Teilhabe, Gesundheit und Lebensqualität im Alter fördern. Die Gestaltung einer demografiesensiblen, präventiven und wohnortnahen gesundheitlichen Versorgung stellt besonders im strukturschwachen, ländlichen Raum eine Herausforderung dar. Um hier die gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten, wird der Aufbau eines multifunktionalen Gesundheitszentrums (GZ) erprobt. Zentrale Aufgabe ist dabei die systematische Kombination folgender Bausteine, die konzeptionell ausgestaltet, in ihrem Zusammenwirken erprobt und über ein integriertes Betriebskonzept miteinander verzahnt werden.
• Entwicklung und Erprobung eines nachhaltigen Betriebskonzeptes für einen „Filialbetrieb“ professioneller Dienstleister (unter Einbindung nichtärztlicher Praxisassistenzen) sowie für gendergerechte und altersdifferenzierte Angebote der Prävention, Gesundheitsförderung und -bildung in einem GZ im ländlichen Raum.
• Koordination und Begleitung der Erprobung des „Filialbetriebs“ und der Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention.
• Entwicklung eines Schulungs- und Erprobungskonzeptes für „Ehrenamtliche Gesundheitsbegleiter/innen“, die ältere Nutzer/innen bei Maßnahmen der Verhaltensprävention und einer geplanten Lebensstiländerung unterstützen.
• Förderung gesunder Quartiersentwicklung (Verhältnisprävention) durch Unterstützung der Angebots- und Strukturentwicklung sowie der Zusammenarbeit der lokalen Akteure (gesundheitsförderndes Netzwerk).
Fragestellung:
Übergeordnete Fragestellung: Wie kann die gesundheitliche Versorgung für die (ältere) Bevölkerung in ländlichen Quartieren sichergestellt werden?
• Was sind Gelingensfaktoren und Hemmnisse bei der Verzahnung professioneller Dienstleistungsanbieter mit zivilgesellschaftlichen Ressourcen im GZ?
• Wie können Professionelle und Ehrenamtliche für die Angebote des GZ gewonnen werden?
• Welche Anforderungen stellen Bürger/innen an die Angebote des GZ und an ehrenamtliche Gesundheitsbegleiter?
• Wie kann es gelingen, (ältere) Bürger/innen in die Entwicklungsarbeiten für das GZ einzubeziehen, die an „klassischen“ Partizipationsmethoden i.d.R. nicht teilnehmen?
Methode:
Zur Analyse der Ausgangssituation erfolgt zunächst eine Bedarfsanalyse aus Sicht potenzieller (älterer) Nutzer/innen des GZ. Es wird eine Kombination von Desk-Research und Einsatz qualitativer und quantitativer Erhebungsmethoden gewählt, um bedarfs- und gendergerechte Angebote zu erarbeiten. Dabei wird ein Fokus auf vulnerable, gesundheitlich stark belastete Gruppen gelegt, u.a. pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz und Menschen mit niedrigen sozioökonomischen Status. Einer partizipativen Forschungsstrategie folgend werden zielgruppenspezifische Partizipationsmethoden (weiter-)entwickelt und ältere Bürger/innen sowie relevante lokale Akteure in unterschiedlichem Ausmaß beteiligt.
Ergebnisse
Erste Auswertungen der Nutzerbefragung verdeutlichen die Bedeutung der hausärztlichen Versorgung für die Bürger/innen. Allerdings zeigen sie auch, dass vulnerable Gruppen in diesem Meinungsbild eher selten vertreten sind. Die partizipative Entwicklung der Angebote des GZ erfordert daher den Einsatz zielgruppenspezifischer Methoden. Dazu werden u.a. vorhandene ländliche Strukturen (Vereine, Sportgruppen etc.) und Angebote der Gesundheitswirtschaft (Apotheken, Pflegedienste) sowie die neu zu entwickelnden ehrenamtlichen Gesundheitsbegleiter („peers“) als „gate keeper“ genutzt, um einen möglichst hohen Grad an Akzeptanz und Beteiligung für Angebote des GZ zu erreichen.
Diskussion
Die Beteiligung vulnerabler (älterer) Nutzergruppen, die am meisten von Angeboten des GZ profitieren können, an der Planung des GZ erweist sich als Herausforderung. Vulnerable Gruppen nutzen gängige Partizipationsmethoden eher selten, so dass hier methodische und methodologische Weiterentwicklungen nötig sind. Der Einbezug der gesamten Bürgerschaft ist für die Akzeptanz und die Nutzung des GZ jedoch von elementarer Bedeutung, um eine bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung in ländlichen Gebieten sicherzustellen.
praktische Implikationen
Der Aufbau und die Verstetigung eines GZ im ländlichen und strukturschwachen Raum zur Sicherung der Gesundheitsförderung ist ein wichtiges Thema. Das geplante Konzept kann auf andere Regionen im Sinne des Franchise-Gedanken übernommen werden. Damit könnte es gelingen, einen nachhaltigen Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung in ländlichen Regionen zu leisten.
Hintergrund
Für die bedarfsgerechte Planung innovativer Gesundheitszentren ist die Berücksichtigung regionaler und soziodemografischer Faktoren wichtig, um das Versorgungsangebot möglichst optimal an den Bedarf einer Region anzupassen. In einer ländlichen Gemeinde auf der Schwäbischen Alb, die derzeit hausärztlich noch gut versorgt ist, sowie in einem ländlich geprägten Landkreis mit einigen unbesetzten Hausarztsitzen, wurde jeweils eine Bürgerbefragung durchgeführt. Das übergeordnete Ziel dieser Befragung war es, die Bedarfe der Bevölkerung im Hinblick auf mögliche Versorgungsdefizite zu identifizieren.
Fragestellung
Wie beurteilen die Bürger die bestehenden Versorgungsangebote? Welche Bedarfe werden formuliert? Wie sehr unterscheidet sich der geäußerte Bedarf in den Regionen?
Methode
Für die Befragungen wurde ein Fragebogen auf Basis der Literatur, internationalen Beispielen und eigenen Erfahrungen entwickelt und pilotiert. Der Fragebogen besteht aus neun Fragenkomplexen, welche Aspekte der medizinischen Versorgung, sozialen Infrastruktur, dem bürgerschaftlichem Engagement und der eigenen Gesundheit beinhalten. Des Weiteren werden soziodemografische und -ökonomische Daten der Befragten ermittelt. Innerhalb zwei Freitextfeldern konnten die Befragten ihre Wünsche und Verbesserungsbedarfe detailliert beschreiben. Die Freitextantworten wurden in die Bereiche Verbesserungsbedarf hinsichtlich medizinischen und nicht medizinischen Leistungserbringern, sowie in weitere Versorgungsbedarfe kategorisiert. In der ländlichen Gemeinde wurde die Bürgerbefragung als Vollerhebung bei allen volljährigen Bürgern der Gemeinde durchgeführt (n= 3.750). Bei der Befragung innerhalb des Landkreises wurde der Fragebogen an eine repräsentative Zufallsstichprobe von 1.000 volljährigen Einwohnern versendet.
Ergebnisse
Der Rücklauf in der Gemeinde betrug 33% (n= 956) und im Landkreis 28% (n= 278). Während in der Gemeinde die hausärztliche Versorgung auf der fünfstufigen Likert-Skala insgesamt mit „gut“ (MW:1,7) bewertet wurde, wurde diese im Landkreis insgesamt mit „mittel“ (MW: 3,1) beurteilt. Die Versorgung durch Fachspezialisten wurde in beiden Befragungen mit „schlecht“ bewertet (MW: jeweils 4,0). Die verkehrstechnische Anbindung wurde in der Gemeinde mit eher „schlecht“ (MW=3,6) und im Landkreis mit „mittel“ (MW=2,9) bewertet. Hinsichtlich der Freitextantworten in der Kategorie medizinische Versorgung benennen rund 35% der Befragten in der Gemeinde den Bedarf an einem Kinderarzt. Im Landkreis beziehen sich 42% der Antworten in dieser Kategorie auf die gefährdete Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung. Die Angebote hinsichtlich der medizinischen Versorgung und der sozialen Infrastruktur werden insgesamt besser bewertet, je älter die Befragten sind.
Diskussion
Die Ergebnisse zeigen je nach Region, Population und Alter der Befragten eine unterschiedliche Zufriedenheit mit den einzelnen medizinischen und sozialen Angeboten. Diesbezüglich ist zu diskutieren, inwiefern der subjektiv geäußerte Bedarf in die Versorgungsplanung einer Region einfließen kann. Durch eine Ausweitung der selben Befragung auf weitere Landkreise und Gemeinden könnten durchgängige Muster bzw. Abweichungen aufgezeigt werden und damit zukünftig subjektive Bedarfserhebungen besser interpretierbar machen.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse dienen in der Gemeinde neben weiteren Bedarfsanalysen als Basis für die Entwicklung eines multiprofessionellen Gesundheitszentrums und im Landkreis für gesundheitspolitische Handlungsempfehlungen hinsichtlich der zukünftigen Versorgungsplanung. Des Weiteren könnten diese Befragungen die Basis einer regelmäßigen Evaluation der Gesundheitsversorgung einer bestimmten Population darstellen.
Hintergrund:
Überlastete Notaufnahmen und Spekulationen über ungerechtfertigte Inanspruchnahme der teuren Notfallbehandlung führen immer wieder zu regionalen Schlagzeilen, objektiviert sind die Fälle allerdings nur ungenügend. Die erstmalige diesbezügliche Datenerhebung in Bezug auf das Versorgungssystem in München wird in der Studie dargestellt.
Fragestellung:
Wie charakterisiert sich das Patientengut der internistischen Nothilfen in München mit Quantifizierung der Hausarztanbindung und Beurteilung der Krankenhauspflichtigkeit der Patienten?
Methode:
Es handelt sich um eine direkte Patientenbefragung im klinischen Alltag in vier internistischen Nothilfen Münchens. Die Patienten individuell mit einem standardisierten und anonymen Fragebogen interviewt. Dabei wurden sowohl soziodemographische, als auch krankheitsbezogene und versorgungsrelevante Daten gesammelt.
Ergebnisse:
502 Patienten gingen die Studie ein. 93,5% dieser Patienten gaben an, einen festen Hausarzt zu haben, 51,6 % gaben sogar ein Betreuungsverhältnis von über zehn Jahren an, wobei der Hausarzt einmal oder mehrmals im Quartal konsultiert werden würde.
Patienten, die eine Einweisung ins Krankenhaus mitbrachten, waren zu fast zwei Drittel vom Hausarzt geschickt worden.
Von den Patienten, welche die Notaufnahme ohne vorherige Arztkonsultation aufsuchten, wurden Gründe wie die Dringlichkeit der Beschwerden, das gewollte Zuwarten oder auch Angst genannt.
Es zeigte sich, dass Patienten mit einer Krankenhauseinweisung signifikant häufiger stationär aufgenommen wurden und krankenhausrelevanter waren (Fußgänger ohne Einweisung 46,9 % stationär, Patienten mit Hausarzteinweisung 76,6 %, p<0,001).
Diskussion:
Die Anbindung an den Hausarzt ist außerordentlich gut. Dabei ist der Hausarzt ist der primäre Ansprechpartner für Patienten in Akutsituationen, selektiert dabei mit hoher Präzision die krankenhauspflichtigen Patienten und hat daher eine führende Rolle in der Notfallversorgung. Auch die Quantität der Einweisungen durch den Hausarzt und die häufige Notwendigkeit einer stationären Behandlung dieser Patienten zeigt die gute Vorselektion und Einschätzung der Notfallsituation durch den Hausarzt. Zahlreiche Patienten würden von einem Arztkontakt vor Ihrer Vorstellung in der Nothilfe profitieren, jedoch sind die Beweggründe wie Angst oder unzureichendes Wissen über Alternativen ernst zu nehmen.
Praktische Implikationen:
Durch die Beschreibung der Daten ist es möglich, sowohl für Wissenschaft, als auch für Behandelnde und Patienten ein Bewusstsein zu schaffen, für die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Präselektion eines Notfallpatienten durch den Hausarzt.
Wünschenswert wäre, das Kollektiv der nicht krankenhauspflichtigen Patienten zu reduzieren, die trotzdem im klinikgebundenen Notfallsystem abgeklärt werden und diese besser an ambulante Behandlungen anzubinden. Dazu ist langfristig mehr Aufklärung, Information, Lenkung und bessere Vernetzung im Notfallsystem erforderlich.
Titel
Subjektive Gedächtnisstörungen älterer Menschen in der Hausarztpraxis – Literaturübersicht und Studiendesign
Hintergrund
Die öffentliche Aufmerksamkeit für Demenz und das eigene Gedächtnis wächst; in der Hausarztpraxis kann sich dies als subjektiv wahrgenommene Gedächtnisstörung zeigen (subjective memory impairment: SMI). Für den Hausarzt/die Hausärztin bietet SMI die Möglichkeit, mit älteren Patienten/innen ins Gespräch über das Gedächtnis zu kommen. Dies kann im Sinne eines erweiterten Frailty-Konzepts für die weitere hausärztliche Versorgung hilfreich sein.
Fragestellung
Was sagt die Literatur über das Auftreten von SMI in der Hausarztpraxis? Was ist SMI aus aus hausärztliche Sicht? Welche Umgangsstrategien wenden Hausärzte/innen bei SMI in der täglichen Praxis an? Welche Konzepte von SMI haben Hausärzte/innen?
Methoden
Literaturübersicht: Ergebnisse einer systematischen Recherche zur hausärztlichen Demenzversorgung aus einem BMBF-Projekt (KNDD/CADIF), nicht-systematische Recherche spezifisch zu SMI in der Hausarztpraxis; Design: Ableitung des Bedarfs aus der Literaturübersicht, Entwicklung des Studiendesigns anhand internationaler Standards (EQUATOR network).
Ergebnisse
Laut Studienlage geben ca. 50% der Hausarztpatienten/innen zwischen 75 und 89 Jahren SMI an, Sorgen darüber machen sich 10-20%. Ist SMI mit Sorgen verbunden, gilt dies als unabhängiger Risikofaktor für eine spätere Demenz. Als erste/r Ansprechpartner/in bei Gedächtnissorgen und Demenz gilt für den Großteil älterer Menschen der Hausarzt/die Hausärztin. Hausärzte/innen selbst geben an, zur Beurteilung des kognitiven Status ihrer Patienten/innen u.a. auch deren subjektive Einschätzung zu nutzen. SMI spielt in der hausärztlichen Entscheidungsfindung also anscheinend eine Rolle – aber in welcher Form? Spezifisch hausärztliche SMI-Konzepte konnten in der Literatur nicht gefunden werden. Lediglich Studien zu hausärztlichen Einstellungen zur Demenz liefern vereinzelt Hinweise auf Heuristiken im Umgang mit SMI. Anhand der GRAMMS-Guideline wird das Design für eine sequenziell-exploratorische Mixed-Methods-Studie dargestellt, die über Art und Verteilung verschiedener Einstellungen zu SMI unter Hausärzten/innen Aufschluss geben soll.
Diskussion und praktische Implikation
SMI ist häufig und beunruhigt einen deutlichen Teil der Patienten/innen. Die Forschung zu SMI ist geprägt von spezialistischen Fragestellungen und Ideen; die Weiterentwicklung des Konzepts geschieht zur Zeit ohne die Allgemeinmedizin. Eine neue Studie im sequenziell-exploratorischen Design soll diese Lücke in der hausärztlichen Versorgung schließen.
• Background
Vertigo and dizziness belong to the most frequent symptoms in outpatient practices. However, under- and misdiagnosis are frequent in primary care resulting in unnecessary prescription and examinations, and delay the effective treatment of the patient.
• Aim
The aim of this study is to understand challenges of management of the patient presenting with dizziness or vertigo from the primary care providers’ (PCPs) perspective. Further, we want to map the influence of guidelines and potential supporting interventions, as perceived by the PCPs.
• Method
Semi-structured interviews based on the Theoretical Domains Framework and the Consolidated Framework for Implementation Research were performed among PCPs from Bavaria in Southern Germany. All participating PCPs provided verbal consent to the anonymous audio-recording of the interview. The interviews were transcribed verbatim and analysed independently by two researchers using Structuring Content Analysis, segregating transcripts into distinct meaning units with MAXQDA12.
• Results
Twelve out of 13 contacted PCPs participated in the interviews (response rate: 92%), eight men and four women. Mean age was 49 years (range: 32-74) and mean time in practice was 14 years (range: 1-43). On average, participating PCPs consulted around 240 patients (range: 75-500) per week. All PCPs indicated that they used evidence-based guidelines for patient treatment at least sometimes.
Challenges in vertigo management in primary care covered four main fields: (1) diagnostics, hindered by the unspecific symptoms, and lack of standardised procedures, especially for the urgent assessment of severity; (2) therapy, with major difficulties in case of extensive co-medication or multimorbidity, and psychogenic vertigo; (3) the health care system by inducing time pressure, missing practice facilities, long waiting times for specialist appointments, and fewer resources in rural regions; and (4) patient-related challenges like limited compliance with diagnostic processes, and therapy.
Expectations of practice guidelines stressed the appropriateness of scope and applicability, PCPs complaining about poor consideration of their everyday reality in the primary care setting. Lack of clarity of presentation and especially the length of a guideline were perceived as a burden. In contrast, providing a diagnostic and therapeutic algorithm and a one-page summary would highly facilitate guideline use.
Regarding guideline implementation interventions, the PCPs preferred educational meetings with interactive involvement, and organisational interventions. Acceptance of patient-mediated interventions, reminders, and financial interventions was also high. Distribution of educational materials, local consensus process and outreach visit, and audits were rated less favourably.
• Discussion
Our interviews with PCPs revealed several challenges in vertigo management, mostly attributed to limited time, financial, organisational and workforce resources, perceived as effort-reward imbalance. The priorities of the PCPs included high applicability of guidelines fitted to and providing support for their daily routine, implemented through educational meetings and sustained by organisational interventions, i.e. with those methods reported in the literature to achieve the highest effect on guideline adherence in primary care.
• Practical implications
The challenges we mapped specific to the management of patients with vertigo and dizziness, will guide the development of a tailored intervention to improve quality of care. The investment in such solutions may contribute to more effective diagnostic activities in the primary care setting and result in reduced health care costs and increased well-being of the patient.
Fragestellung: Was sind die demographischen und klinischen Merkmale sowie zeitlichen Trends der Versorgung von Typ-2-Diabetespatienten (T2D) in Deutschland (2008-2016)?
Methodik: In einer retrospektiven Analyse wurden demographische Merkmale, Diagnosen, Therapien, und Laborwerte von T2D-Patienten in drei Zeiträumen miteinander verglichen. Eingeschlossen wurden 90.866 Patienten aus 818 hausärztlichen Praxen in 2008, 179.923 Patienten aus 1.158 Praxen in 2012 und 201.667 Patienten aus 1.184 Praxen im Zeitraum von Oktober 2015 bis September 2016 (Disease Analyzer Datenbank).
Ergebnisse: Hausärztliche Praxen behandelten durchschnittlich 111 T2D-Patienten in 2008, 155 in 2012 und 170 von 10/2015-09/2016. Der Anteil der Rentner reduzierte sich von 74% auf 61% während der Anteil der arbeitenden Bevölkerung unter den T2D-Patienten kontinuierlich anstieg (18% in 2008 auf 28% in 10/2015-9/2016). Die Prävalenz von Polyneuropathie (6,2% in 2008; 8,6% in 2016), Nephropathie (1,9%; 3,2%) und Depression (7,6%; 10,0%) erhöhten sich, während Hypertonie und Lipidstoffwechselstörungen seltener diagnostiziert wurden. Bei Laborwerten lässt sich eine leichte Verschlechterung des mittleren HbA1c und der Nüchternglukosewerte, sowie der eGFR und des durchschnittlichen Body-Mass-Index beobachten. Metformin bleibt die häufigste Therapie. Der Anteil der mit DPP-4 und ab 2012 mit SGLT-2 behandelten Patienten stieg kontinuierlich, während der Anteil der Sulfonylharnstoffe abnahm. Das gilt insbesondere für die orale Kombinationstherapie.
Schlussfolgerungen: Hausärzte spielen eine immer größere Rolle in der Versorgung von T2D-Patienten in Deutschland. In den letzten acht Jahren ließ sich keine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes von T2D-Patienten feststellen. Die Gründe müssen durch weiterführende Studien untersucht werden. Eine Zunahme der Prävalenz von Komplikationen könnte z.B. durch eine verbesserte Dokumentation bedingt sein.
Hintergrund
Um die zahnärztliche Versorgung der Bevölkerung langfristig sicherstellen zu können, sind unter anderem Kenntnisse zu den Niederlassungsplänen junger Zahnärztinnen und Zahnärzte erforderlich. Seit 2007 sinkt die Zahl der in eigener Praxis Niedergelassenen stetig; bisher ist nicht absehbar, ob trotz des geänderten Niederlassungsverhaltens der Sicherstellungsauftrag weiterhin flächendeckend gewährleistet werden kann.
Fragestellung
Ziel der Studie war es herauszufinden, (a) wo angehende Zahnärztinnen und Zahnärzte dauerhaft praktizieren wollen (Region und Raum) und (b) in welcher Arbeitsform sie ihre Tätigkeit dort planen (Niederlassung/Anstellung). Darüber hinaus wurde untersucht, (c) wie sich die geografische Herkunft der Zahnmedizinstudierenden auf die Wahl der zukünftigen Arbeitsregion auswirkt.
Methode
Das longitudinale Studiendesign sieht vor, angehende und junge Zahnärztinnen und Zahnärzte zunächst am Ende ihres Studiums zu befragen (Wintersemester 2014/15) und anschließend je zwei Jahre später in ihrer Assistenzzeit (2017) sowie in der Niederlassung oder Anstellung (2019). Für die erste Befragungswelle im Studium wurde ein mixed-methods-Ansatz gewählt. Die Ergebnisse von inhaltsanalytisch ausgewerteten Gruppendiskussionen mit Zahnmedizinstudierenden wurden bei der Entwicklung eines quantitativen Fragebogens genutzt. Mit diesem wurden in einer Vollerhebung alle Studierenden der 30 zahnmedizinischen Fakultäten in Deutschland im 9. und 10. Semester zwischen Dezember 2014 und Februar 2015 befragt. Bei den Fragen nach Beschäftigungsregion und- raum waren Mehrfachantworten zugelassen. Die Ergebnisse wurden mit deskriptiven statistischen Methoden ausgewertet. Signifikanzen wurden mit dem Pearson‘s Chi-Quadrat-Test ermittelt (Signifikanzgrenze p ≤ 0.05).
Ergebnisse
Bei der quantitativen Befragung der Studierenden, auf die sich die Ergebnisse beziehen, wurde eine Ausschöpfungsquote von 69,3 % (n = 1.367 Teilnehmer) erzielt.
(a) Vor allem Süd- und Westdeutschland waren als zukünftige Beschäftigungsregionen beliebt, je 61,2 % und 51,8 % der befragten Studierenden gaben an, sich dort eine dauerhafte Tätigkeit vorstellen zu können. Dagegen erklärten 45,6 %, in Norddeutschland und 23,7 %, in Ostdeutschland arbeiten zu wollen. Nicht nur die Tätigkeit im großstädtischen Raum war bei Teilnehmern beliebt (60,1 %), sondern vor allem der mittelstädtische Raum (81,2 %); aber auch der ländliche Raum (40,5 %) kamen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als dauerhafter Arbeitsort in Betracht. Die Präferenzen bezüglich einer Tätigkeit im eher städtischen oder eher ländlichen Raum waren in allen Regionen Deutschlands sehr gleichmäßig verteilt.
(b) Zwischen denjenigen, die niedergelassen und denen, die angestellt arbeiten wollen zeigten sich bei den Angaben sowohl zum gewünschten Beschäftigungsraum - groß- oder mittelstädtisch oder ländlich - als auch zur Beschäftigungsregion - Nord-, Ost- oder Westdeutschland - kaum Unterschiede. Lediglich Süddeutschland wurde von Studierenden mit Niederlassungswunsch gegenüber Studierenden mit Wunsch zur Anstellung häufiger als bevorzugte Beschäftigungsregion angegeben.
(c) Vor allem die eigene Herkunftsregion war bei Studierenden als zukünftiger Arbeitsort sehr beliebt. So waren beispielsweise die ostdeutschen Regionen unter Studierenden, die in Ostdeutschland aufgewachsen sind, für 79,4 % weiterhin sehr attraktiv als Arbeitsregion, während sich nur 18,5 % der in Norddeutschland, 12,3 % der in Westdeutschland und 7,6 % der in Süddeutschland aufgewachsenen Befragten vorstellen konnten, dauerhaft in Ostdeutschland zu arbeiten. Die Beliebtheit der eigenen Herkunftsregion lag in Norddeutschland bei 94,1 %, in Westdeutschland bei 89,5 % und in Süddeutschland bei 96,3 %.
Diskussion
Da einerseits nahezu 80 % aller Befragten angeben, in ihrer Herkunftsregion zahnärztlich tätig sein zu wollen und andererseits neben dem städtischen auch der ländliche Raum als Arbeitsort in Betracht gezogen wird, ist aus den Ergebnissen der Studie heraus zunächst keine ausgeprägte regionale zahnärztliche Unterversorgung zu erwarten. Zu beachten ist jedoch, dass hier individuelle Präferenzen für die Zukunft bekundet werden und das tatsächliche Verhalten im Hinblick auf die räumliche Mobilität abweichen kann.
Praktische Implikationen
Langfristig bleibt zu verfolgen, ob es im Laufe des Berufslebens zu Veränderungen des präferierten Arbeitsorts kommt und inwiefern diese Präferenzen sich mit dem tatsächlich gewählten Arbeitsort decken. So werden in den weiteren Befragungswellen der longitudinalen Studie noch detailliertere Angaben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu den bevorzugten Bundesländern und Ortsgrößen gemacht. Bekundungen junger Zahnärztinnen und Zahnärzte zu ihrem gewünschten Arbeitsort können bei der Planung der zahnmedizinischen Gesundheitsversorgung helfen, um auch zukünftig eine flächendeckende Versorgung gewährleisten zu können.
Hintergrund
In Deutschland versterben jährlich mindestens 80.000 Menschen am plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand. Obwohl bei rund 47% aller Fälle Familienmitglieder oder Freunde in der Nähe sind, führen nur ca. 34% aller anwesenden Personen eine CPR durch. Eine frühzeitige CPR erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Wiederbelebung um den Faktor 2-4. Gründe für das Nichtdurchführen einer Laienreanimation sind Angst, die Herz-Lungen-Wiederbelebung nicht richtig auszuführen, den Patienten zu verletzen (z.B. durch Rippenbrüche) oder sich mit einer Erkrankung anzustecken.
Fragestellung
Ziel des Projektes war es theoretisches Wissen und praktische Fertigkeiten von Jugendlichen zur CPR zu erheben sowie Prädiktoren für die Bereitschaft eine CPR durchzuführen und die Qualität der CPR zu eruieren.
Methode
Im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie wurden zwischen Mai und September 2015 insgesamt 604 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren an 4 weiterführenden Schulen in einer westdeutschen Großstadt rekrutiert. Die Teilnahme war freiwillig. Die Teilnehmer wurden in einer 90-minütigen Schulung durch erfahrene Fachkräfte in theoretischen und praktischen Fertigkeiten in CPR geschult. Die erlernten Fertigkeiten wurden dabei mittels OSCE (objective structured clinical examination) überprüft. Vor und 6 Monate nach der Schulung wurden eine schriftliche Befragung sowie eine praktische Übung zur Erhebung des theoretischen und praktischen Wissens der Jugendlichen durchgeführt. In der Befragung wurden zusätzlich Wissen, Zuversicht und Bereitschaft eine CPR durchzuführen erhoben. Die praktischen Schlüsselkompetenzen zur Durchführung der CPR wurden mittels OSCE erhoben. Die Bewertung erfolgte durch trainierte und erfahrene Prüfer. Die statistische Auswertung bezüglich des Wissens erfolgte mittels deskriptiver Statistik. Der Zusammenhang zwischen soziodemographischen Variablen und theoretischem Wissen wurde mittels einfaktorieller Varianzanalyse (ANOVA) geprüft. Die Berechnung des Einflusses der Prädiktoren auf die Bereitschaft eine CPR durchzuführen wurde mit einer logistischen Regression durchgeführt. Es wurden drei (additive) Modelle mit unterschiedlichen unabhängigen Variablen gerechnet. Als Bestimmtheitsmaß für die Varianz der Modelle wurde Nagelkerkes R² gewählt, die Güte der Modelle wurde mit dem Hosmer-Lemeshow-Test bestimmt. Einflussfaktoren für die Effektivität der CPR durch die Jugendlichen wurden mittels hierarchischem linearen Modell eruiert. Das statistische Signifikanzniveau wurde für alle Modelle mit α=0,05 festgelegt.
Ergebnisse
Rund ein Drittel der Jugendlichen sind 14 oder 15 Jahre alt. Es wurden etwas mehr männliche (51%) als weibliche (49%) Jugendliche eingeschlossen. Je ca. ein Drittel der Jugendlichen besuchten eine Realschule oder ein Gymnasium. Ein gutes Drittel der Jugendlichen hatte einen Migrationshintergrund. Weniger als die Hälfte (40,6%) hatten bereits einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Das Wissen zur CPR korrelierte signifikant mit Alter, Schulform und Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs (jeweils p<0,001). Zu beachten sind allerdings signifikante Unterschiede in der Verteilung der Altersgruppen zwischen den Schulformen. Prädiktoren für die Bereitschaft eine CPR durchzuführen sind Geschlecht, Schulform, subjektive Einschätzung der Kenntnisse und Fertigkeiten eine CPR durchzuführen. Stärkster Prädiktor ist die subjektive Zuversicht über genügend Wissen zur Durchführung einer CPR zu verfügen (OR 2,809; KI:1,551-5,086; p<0,001). Prädiktoren für die Effektivität der CPR sind Schulform, Wissen, Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs sowie die Bereitschaft eine CPR durchzuführen. Den stärksten Einfluss auf die Durchführungsqualität der CPR hat die vorhergehende Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs.
Diskussion
Diese Studie beschreibt das Wissen und die Prädiktoren für die Bereitschaft eine CPR durchzuführen sowie für die Qualität der durchgeführten CPR bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren. Das Wissen zur CPR ist bei den Jugendlichen über alle Schulformen und Altersklasse nicht in ausreichendem Maß vorhanden, variiert aber mit Alter, Geschlecht und Schulform. Die wichtigsten Prädiktoren für die Bereitschaft zur Durchführung einer CPR (Wissen, subjektive Zuversicht über genügend Wissen zur Durchführung einer CPR zu verfügen) können aufgrund internationaler Studienlage durch geeignete Schulungsformate positiv beeinflusst werden.
Praktische Implikationen
Die Daten dieser Studie weisen darauf hin, dass ein flächendeckendes Angebot an CPR unter Berücksichtigung der entsprechenden Prädiktoren in den Schulen geschaffen werden sollte. Ein frühzeitiges Heranführen an eine CPR baut Ängste ab und schafft Selbstvertrauen für eine erfolgreiche CPR unter Realbedingungen für Schülerinnen und Schüler aller Schulformen.
Hintergrund: Die Behandlung von Patienten mit Multiplem Myelom hat sich in den letzten 10 Jahren durch die Einführung mehrerer neuer Wirkstoffe weiter entwickelt, verbessert und maßgeblich verändert. Die zentrale Frage vor Behandlungsbeginn ist aber nach wie vor, ob der Patient für eine Hochdosistherapie mit Melphalan und einer anschließenden autologen Stammzelltransplantation geeignet ist? Vor diesem Hintergrund sollte im vorliegenden Projekt die Versorgungsrealität der Subgruppe der transplantierten Myelom-Patienten im Zeitraum 2006 - 2016 analysiert werden.
Fragestellung: Mit dieser Analyse sollten die folgenden Fragen zur Routineversorgung von transplantierten Myelom-Patienten beantwortet werden:
1. Wie werden die neuen Substanzen (Thalidomid, Lenalidomid, Pomalidomid, Bortezomib, Carfilzomib) in der Routineversorgung eingesetzt?
2. Welche Patientenpfade existieren in der Versorgungsrealität?
3. Welchen Stellenwert hat die Erhaltungs- und Konsolidierungstherapie in der Behandlung des Multiplen Myelomes?
Methode: Retrospektive Analyse aller Patienten mit einem Multiplen Myelom, die zwischen 01/2006 und 12/2016 in einer Schwerpunktpraxis für Hämatologie und Onkologie behandelt wurden und im Rahmen dieser Behandlung eine Hochdosistherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation erhielten. Klinisch relevante Behandlungsdaten wurden aus den Patientenakten extrahiert und mit Hilfe von SPSS 19 statistisch analysiert.
Ergebnisse: 51 Patienten mit einem medianen Alter von 59 Jahren (27 - 72) bei Erstdiagnose wurden evaluiert. 27% waren weiblich, 73% männlich. Die Diagnose wurde in der Mehrzahl der Fälle (55%) in einer Schwerpunktpraxis gesichert; 2/3 (67%) der Patienten waren initial symptomatisch. Für die Hälfte der Patienten (51%) erfolgte die Zuweisung durch den Hausarzt, etwa 1/3 (32%) wurde zur Diagnosesicherung aus Kliniken zugewiesen, niedergelassene Fachärzte wie Orthopäden (8%) und Nephrologen (2%) spielten nur eine untergeordnete Rolle. Die Stadieneinteilung zum Diagnosezeitpunkt nach Durie & Salmon bzw. ISS war folgendermaßen: Stadium I 33% bzw. 37%, Stadium II 8% bzw. 22% und Stadium III 57% bzw. 25%. Für 2% bzw. 16% konnte das Stadium nicht ermittelt werden. Bei 36 Patienten (71%) wurde eine Chromosomenanalyse durchgeführt; von diesen 36 Patienten wiesen 83% eine oder mehrere Aberrationen auf. Die Patienten erhielten im Median 5 (2 - 12) unterschiedliche Therapielinien. In der untersuchten Subgruppe erhielten alle eine Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation, 12% benötigten eine zweite Hochdosistherapie. 45% erhielten eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid, Thalidomid, Bortezomib oder Interferon, 4% eine Konsolidierung mit Lenalidomid und 8% eine Hochdosistherapie mit allogener Stammzelltransplantation. Alle Patienten erhielten darüber hinaus eine Standard-Therapie zur Behandlung des Myeloms oder als Induktion bzw. Mobilisierung vor der Hochdosistherapie. Die zur Standard-Therapie am häufigsten eingesetzten Protokolle bzw. Substanzen waren CAD (53%), Lenalidomid (47%), PAD (43%), Bortezomib (31%), Cyclophosphamid (27%), Pomalidomid (27%), VCD (25%), Carfilzomib (18%), Thalidomid (14%) und Bendamustin (10%). Weitere Substanzen / Protokolle, wie z.B. Daratumumab erhielten jeweils weniger als 10% der Patienten. Knapp ein Drittel (31%) verstarb im Beobachtungszeitraum, zumeist am Multiplen Myelom. Das Overall Survival ab Diagnose betrug im Median 5,6 Jahre (0,9 - 10,7+).
Diskussion: Transplantable Myelom-Patienten werden zumeist aufgrund vorhandener Symptome zur Diagnosesicherung an einen niedergelassenen Hämatologen überwiesen. Die Zuweisung erfolgt in vielen Fällen durch den Hausarzt oder eine beteiligte Klinik. 12% der Patienten benötigen im Verlauf ihrer Erkrankung, ggf. neben anderen Therapien, eine zweite Hochdosistherapie. Eine Konsolidierungstherapie erhalten Patienten in der Versorgungsrealität nur innerhalb klinischer Studien.
Praktische Implikationen: Etwa 20% aller Myelom-Patienten kommen für eine Hochdosistherapie in Frage. In der Routineversorgung einer Schwerpunktpraxis für Hämatologie und Onkologie erhalten diese Patienten, in Kooperation mit regionalen Kliniken, eine Hochdosistherapie mit Melphalan und eine anschließende autologe Stammzelltransplantation. Ein nicht unbeträchtlicher Anteil erhält zudem eine Erhaltungstherapie, zumeist mit Lenalidomid, dessen Zulassung als Erhaltungstherapie in naher Zukunft erwartet wird.
Einleitung: In Deutschland werden die meisten Patienten mit einer Hepatitis C-Virusinfektion (HCV) von niedergelassenen Fachärzten behandelt. Direkt antivirale Substanzen (DAAs) der zweiten Generation werden seit Januar 2014 eingesetzt. Das Deutsche Hepatitis C-Register (DHC-R) ist eine nicht-interventionelle, prospektive Studie zur Erfassung von Daten HCV-infizierter Patienten und knüpft an eine frühere nationale Kohortenstudie mit über 37.000 Patienten an. Ziel der vorliegenden Analyse war es, die Dynamik der Patientenmerkmale in den letzten 14 Jahren zu untersuchen.
Methodik: Charakteristika der seit Februar 2014 in das DHC-R eingeschlossenen Patienten (Periode II); n=8.878, davon 788 nur gescreent; Datenbankauszug vom 30. Juni 2016) wurden mit denen von Patienten, welche 2002-2007 in Vorläuferstudien eingeschlossen wurden (Periode I; n= 19.115, davon 10.552 nur gescreent) verglichen.
Ergebnis: Patienten, die in Periode II behandelt wurden (n= 8.090), waren 10 Jahre älter als die behandelten Patienten der Periode I (n= 8.563; 52,8 vs. 42,0 Jahre) und hatten häufiger Begleiterkrankungen (75,1 vs. 51% in Periode II bzw. I). DAAs erlaubten es, auch Patienten, die über 70 Jahre (8,0 vs. 1,0% in Periode II bzw. Periode I) oder sogar über 80 Jahre (0,9 vs. 0,04% in Periode II bzw. Periode I) alt waren, zu behandeln. Während die Geschlechterverteilung unverändert geblieben ist (männlich: 61,7% in Periode II vs. 59,6% in Periode I), veränderte sich die Verteilung der HCV Genotypen (HCV-GT): Infektionen mit dem HCV-GT3 nahmen in Periode II ab (15,2% vs. 30,7%), Infektionen mit dem HCV-GT4 nahmen hingegen zu (5,1% vs. 3,2%). In Periode II waren weniger Patienten therapie-naiv (53,5%) als in Periode I (87,5%). Der Anteil an Patienten mit Leberzirrhose stieg von 3,9% in Periode I auf 27,5% in Periode II an. Zirrhotische Patienten der Periode II hatten im Vergleich zu Periode I häufiger signifikanten Pfortaderhochdruck mit Thrombozytenzahlen <90/nl (29,3 vs. 23,6%) oder klinische Zeichen einer hepatischen Dekompensation (20,4 vs. 2,4%). Der Anteil an IFN-basierten Therapieregimen nahm in den letzten Jahren stetig ab. Während dieser Anteil 2014 noch 30% betrug, war er 2015 auf <1,5% gesunken.
Schlussfolgerung: Während der letzten 14 Jahre sind Alter, Begleiterkrankungen und Schwere der Lebererkrankung von HCV-Patienten, die in Deutschland in Real-World Registern dokumentiert wurden, deutlich angestiegen. Diese Entwicklung weist auf die Notwendigkeit des Einsatzes von nebenwirkungsarmen DAAs hin.
Hintergrund:
Ein wesentlicher Kostenfaktor im Gesundheitswesen ist der untere Rückenschmerz: durch Prävalenz, die Kosten für Produktionsausfall und Behandlung. Es gibt verschiedene Behandlungsmethoden, welche nur selten zum gewünschten Erfolg führen. Systematische Untersuchungen aus randomisierten kontrollierten Studien in den USA haben gezeigt, dass die chiropraktische Behandlung eine wirksame Therapie ist. Es gibt momentan keine therapeutische Methode, die den Goldstandard erfüllt. Allerdings zeigen sich bei der chiropraktischen Therapie, bezogen auf Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung bei unteren Rückenschmerzen, deutlich positive Ergebnisse.
Fragestellung:
Chiropraktik – eine wirksame Therapieform bei unteren Rückenschmerzen?
Methode:
Für die systematische Übersichtsarbeit führte einer der Autoren im Februar 2017 eine gezielte Literaturrecherche in PubMed durch. Die Suche war auf englischsprachige Literatur sowie randomisierte klinische Studien begrenzt. Suchparameter waren „Chiropractic and low back pain“[All Fields inkludiert MeSH]. Es wurden randomisierte klinische Studien und systematische Übersichtsarbeiten ausgewählt, bei denen im Titel Schlagworte wie Chiropraktik, Spinal Manipulation und Adjustment in Kombination mit unteren Rückenschmerzen vorkamen.
Ergebnisse:
Es wurden 131 Artikel zum Thema gefunden. 24 Artikel wurden ausgewählt. Davon wiederum lieferten 14 randomisierte klinische Studien im direkten Vergleich mit anderen Therapieverfahren Ergebnisse. Zwei neuere systematische Übersichtsarbeiten wurden zum Vergleich als Referenz ausgewählt. 4.578 Personen nahmen an den randomisierten klinischen Studien teil. Zu bewertende Endpunkte waren insbesondere Schmerz, funktionelle Einschränkungen, aber auch Patientenzufriedenheit und Kosteneffektivität.
In acht Studien wurde der Nachweis erbracht, dass Chiropraktik die besseren Therapieerfolge erzielt. Bei drei Studien konnten im Therapievergleich keine Unterschiede zwischen Chiropraktik und Physiotherapie gefunden werden, wobei sich aber die Endpunkte deutlich verbesserten. In lediglich einer Studie erreichte die Physiotherapie bessere Ergebnisse. Keinerlei Therapieunterschiede zeigen die Studien von Haas et al. und Hurwitz et al., in denen Chiropraktik mit Chiropraktik plus physikalischen Modalitäten verglichen wurde. Die zu betrachtenden Endpunkte wurden aber auch hier verbessert.
Diskussion:
Die Arbeit belegt deutliche Verbesserungen bei Anwendung chiropraktischer Therapie bei unteren Rückenschmerzen. Drei Studien weisen ihre Ergebnisse als klinisch relevant sowie statistisch signifikant aus.
Eine frühere systematische Übersichtsarbeit kam hingegen zu dem Ergebnis, dass chiropraktische Behandlung nicht effektiver als andere Therapien im Einsatz bei unteren Rückenschmerzen sei. In einer zweiten Übersichtsarbeit berichten dieselben Autoren, Rubinstein et al., über eine statistisch signifikante, aber nicht klinisch relevante positive Wirkung auf Schmerzlinderung und Funktionsstatus der Spinal Manipulation im Vergleich zu anderen Interventionen. Die Ergebnisse seien qualitativ hochwertig.
Die angewandten Methoden entsprechen der Fragestellung. Die Zahl der Studienteilnehmer ergibt eine hohe Power sowie einen repräsentativen Querschnitt für die ermittelten Ergebnisse.
Die Aktualität der Arbeit wurde durch Einarbeitung der neuesten Studienergebnisse gewährleistet. Allerdings unterliegen die Ergebnisse einer leichten Verzerrung, da die Studienanalysen nicht immer den Direktvergleich verschiedener Therapien untersucht haben. Ohne Kombinationsformen der Therapien wären die Ergebnisse noch eindeutiger.
Praktische Implikation:
Chiropraktik zeigt in der Mehrzahl der Studien positive Ergebnisse bei der Verbesserung der Endpunkte. Damit ist Chiropraktik eine wirksame Therapieform, um untere Rückenschmerzen zu behandeln. Meist werden die Schmerzen durch ossäre Fehlstellungen und damit verbundenen Muskelschmerzen ausgelöst. Durch fachgerechte, zielgerichtete Justierungen lassen sich diese sehr schnell lindern. Für zukünftige Studien sollten die Endpunkte wie Remission oder Rezidive untersucht werden.
Hintergrund: Rosazea zählt mit einer Punktprävalenz von 2-3% zu den häufigsten Hauterkrankungen in der deutschen Bevölkerung. Gehäuft tritt dieses Krankheitsbild erst im mittleren Erwachsenenalter auf. Das Ausbilden einer Rosazea kann unteranderem durch die solare UV-Strahlung getriggert werden. Aufgrund eines hohen Bevölkerungsanteils an über 65-Jährigen und vielen Außenberufen mit starker UV-Exposition, kann insbesondere bei der ländlichen Population von einem hohen Versorgungsbedarf ausgegangen werden.
Methode & Fragestellung: Die Querschnittstudie soll als Modellprojekt erste Aufschlüsse über Hauterkrankungen und die entsprechende medizinische Versorgung im Bayerischen Wald geben, welches in der bisherigen Versorgungsforschung ein weitestgehend unberücksichtigtes Gebiet ist. In den Wartezimmern von Haus- und nicht-dermatologische Fachärzten (Internisten, Orthopäden, Rheumatologen) in den Landkreisen Passau, Freyung-Grafenau, Regen und Cham wurden 935 Personen mithilfe eines standardisierten Papierfragebogen befragt. Die hiervorliegende Datenauswertung fokussiert sich auf die Punktprävalenz der Rosazea und deren medizinische Versorgung. Die deskriptive Analyse wurde mittels SPSS durchgeführt.
Ergebnisse: Für die hiervorgestellte Auswertungen wurden 512 Probanden (männlich 39,5 %, weiblich 60,5 %) mit einem mittleren Alter von 49,5 Jahren +/- 15,68 zufällig aus der gesamten Stichprobe gezogen. Davon gaben 21 (4,1 %) an, an einer Rosazea zu leiden. Das Durchschnittsalter der 16 betroffenen Frauen und 4 betroffenen Männer (ein Rosazea-Patient machte keine Angaben zum Geschlecht) liegt bei 57,9 Jahren +/- 12,39 Jahre und ist damit deutlich höher als das der gesamten 512 Teilnehmer. Nur 57,1 % der Rosazea-Fälle werden von einem Dermatologen behandelt. 19 % der Betroffenen gaben an, dass ihre Rosazea überhaupt nicht oder von ihnen selber behandelt wird. Unter den Rosazea-Patienten suchen 71,4 % bei Hautveränderungen jeglicher Art zuerst den Hausarzt auf, während nur 33,3 % den Hautarzt als erste Anlaufstelle nannten (zwei Fälle gaben sowohl Hautarzt als auch Hautarzt an). Zum Vergleich gaben von allen zufällig ausgewählten 512 Probanden, 66,2 % an bei Hautveränderungen jeglicher Art zuerst den Hausarzt und 31,4 % zuerst den Hautarzt aufzusuchen.
Schlussfolgerung: Die Punktprävalenz von Rosazea im Bayerischen Wald scheint mit 4,1 % höher zu sein als in der Literatur angegeben. Nur die Hälfte der Rosazea-Patienten befinden sich in dermatologischen Versorgung. Die Allgemeinmedizin leistet einen erheblichen Beitrag an der Diagnostik und Therapie der Rosazea. Bei einem fortschreitenden Hausärztemangel im Bayerischen Wald könnte dies die Gesundheitsversorgung vor große Herausforderungen stellen.
Background: There is growing evidence that beyond individual factors, community-level characteristics relate to the development and progression of chronic diseases. Persistent inflammation might act as an underlying mechanism. Study questions: We asked whether district-level socio-economic status is associated with C-reactive protein as an established non-specific biomarker of low grade inflammation and whether associations might be observed independently of individual-level factors including educational status, health-related behaviours, and measures of obesity. Methods: This cross-sectional analysis used individual-level data from the National Health Interview and Examination Survey for Adults in Germany 2008-2011 (DEGS1) which is based on a nationwide representative sample of the population 18-79 years. Serum high-sensitivity C-reactive protein (hs-CRP) measures and individual-level covariables were available for 6,662 participants nested in 163 municipalities. Information on district-level net household income as a proxy variable for district-level socio-economic status was assigned to each study participant according to residential area. Associations between individual and district-level variables with serum levels of hs-CRP were assessed using two-level random-intercept linear regression models. Besides sex and age, the following independent individual-level variables were consecutively added to multivariable models: educational status; health-risk behaviours including smoking, sports activity, alcohol consumption; and body mass index (BMI). In additional analysis, waist circumference and preexisting chronic diseases including cardiovascular diseases and diabetes were also considered. Results: District-level net household income was inversely related to hs-CRP measures. Adjusting for age and sex, a 13.3% lower geometric mean of hs-CRP levels was found among adults residing in districts with the highest tertile of net household income compared to those in the lowest tertile (p<0.001). Results were not materially changed after additionally adjusting for individual-level educational status and health-related behaviours. Additional inclusion of BMI attenuated the association between net household income and hs-CRP levels. An inverse association between individual-level educational status and hs-CRP was, however, only in part attenuated after further adjustment for health-risk behaviours and obesity. Similar results were obtained after additional inclusion of waist circumference and chronic diseases. Results were consistent after stratification by sex as well as after excluding individuals with hs-CRP levels above 10 mg/L (n=231). Conclusions: The observed association between district-level net household income and hs-CRP was apparently mediated by measures of obesity. The independent inverse relationship between individual educational level and low grade inflammation was, however, not fully explained by health-risk behaviours and obesity. Practical implications: Health-risk behaviours and obesity might be of great importance in explaining area-level social disparities in chronic disease burden. However, additional factors (e.g. indicators of psychosocial stress) need to be considered in order to explain individual-level social disparities.