Hintergrund:
Menschen, die schwer von MS betroffen sind, haben komplexe Bedürfnisse, die derzeit noch unzureichend abgedeckt sind. Auch äußern sie den Wunsch nach offener Kommunikation zu den Themen Lebensende, Tod und Sterben sowie Krankheitsverschlechterung. Der Einbezug von Palliativmedizin mit ihrem interdisziplinären Ansatz kann eine wertvolle ergänzende Versorgungsstruktur für Menschen mit MS sein. Dennoch wird derzeit für diese Patienten eine solche komplementäre Palliativversorgung oftmals als nicht relevant angesehen. Als niederschwelliges Beratungsangebot wurde eine bundesweite Telefonhotline eingerichtet, die schwer betroffene MS-Patienten, ihre Angehörigen und Versorger zu Möglichkeiten der palliativmedizinischen und hospizlichen Versorgung (PHV) informiert und Kontakte zu entsprechenden Strukturen vermittelt.
Fragestellung:
Bei der Analyse der eingegangenen Anrufe sind insbesondere die inhaltlichen Schwerpunkte der Anfragen von Interesse, um auf Bedürfnisse der Personen mit MS und deren Angehörigen schließen zu können. Zudem dienen strukturelle Informationen zu Merkmalen der Lebenssituation der Person und der Erkrankung dazu, ein genaueres Bild der Zielgruppe zu erhalten.
Methode:
Die Anrufe wurden von geschulten Beraterinnen mit mehrjähriger Erfahrung im palliativen und hospizlichen Kontext entgegengenommen. Eingehende Gespräche wurden mittels strukturiertem Dokumentationsbogen erfasst und deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse:
Zwischen 9/2014 - 11/2016 gingen 222 Anrufe (62% weibliche Anrufer) ein. 114 Anrufe kamen direkt von betroffenen MS-Patienten und 61 Anrufe von Angehörigen, meist (Ehe-)Partner (n=16), gefolgt von Freunden / Nachbarn (n=10) sowie Kindern der Betroffenen (n=9). Ein Drittel der Anrufer suchte konkret Informationen über palliative und hospizliche Versorgung (PHV) und entsprechende Versorgungsangebote, 8% hatte Fragen zur MS allgemein, 20% zur speziellen Versorgung bei MS und 13% zu Medikation / Behandlung der MS. 10% gaben ihre inadäquate Wohnsituation als Grund für den Anruf an und in 5% der Anrufe befand sich der Anrufer in einer Krisensituation. Die mittlere Erkrankungsdauer der Patienten (mittleres Alter 51 Jahre; 27 - 84 Jahre) lag bei 18 Jahren, 86% hatten eine progrediente Verlaufsform der MS, 85% lebten in der eigenen Wohnung. Patienten berichteten typische palliative Symptome (z.B. unkontrollierbarer Schmerz: 28%) und klassische Symptome der MS (z.B. Einschränkungen der Mobilität: 42%, Sprechstörungen: 14%, Störung der Harn- und Stuhlentleerung: 14%). Auch psychosoziale Probleme kamen häufig zur Sprache. So wurden für 13% der Anrufer psychische Belastungen, bei 12% eine schwierige Wohnsituation der schwer betroffenen MS-Patienten, z.B. ungewolltes Zusammenleben mit einem Ex-Partner, weil keine behindertengerechte Wohnung zu finden ist, und in 10% der Anrufe Nöte von Angehörigen, u.a. durch Überforderung mit der Pflege der erkrankten Angehörigen, als Problembereiche dokumentiert. Über diese Hauptkategorien hinaus berichten 21 Anrufer von einem erschwerten Zugang zu einer adäquaten Versorgung, u.a. Schwierigkeiten beim Hinzuziehen palliativer und hospizlicher Versorgungsangebote zu haben, weil diese als nicht zutreffend bei MS angesehen werden. In 30% der Anrufe wurde das Hinzuziehen von Strukturen der PHV als angemessene Maßnahme eingeschätzt und die Betroffenen an entsprechende allgemeine und spezialisierte palliativmedizinische und hospizliche Organisationen (u.a. SAPV, Hospizdienste) verwiesen. 8% der Anrufer wurden lediglich darüber informiert, was Palliativ und Hospizversorgung ist und wie diese bei MS unterstützend hinzugezogen werden kann (ohne konkreten Verweis). Die Hälfte der Anrufer wurde in ihren Anliegen an lokale und regionale Strukturen der DMSG weitergeleitet.
Diskussion:
Die Beschreibungen der Lebenssituation von MS-Erkrankten und Angehörigen bestätigen die hohe komplexe Symptomlast schwer betroffener MS-Patienten, so dass bei einem Drittel der Anrufer eine Integration von PHV indiziert ist. Die Zahl der eingegangenen Anrufe verdeutlicht auch das rege Interesse dieser Personen an palliativmedizinischen Themen und zeigt den Bedarf an Aufklärung über den Einbezug von PHV bei MS. Mit der vermittelnden Beratungstätigkeit zwischen MS-Betroffenen und PHV deckt die Hotline diese Bedarfslücke in der Versorgung dieser Patientengruppe.
Praktische Implikationen:
Trotz erkennbarem Bedarf konnten entsprechende Strukturen der PHV nicht immer vermittelt werden, was den Entwicklungsbedarf dieser Strukturen für MS-Erkrankte verdeutlicht. Die komplexen Bedürfnisse dieser Patienten lassen ferner darauf schließen, dass diese Zielgruppe von einem vermittelnden Koordinationsdienst im Sinne eines Case Managers profitieren könnte. Zudem zeigt die Belastung, die schwer betroffene MS-Patienten durch eine inadäquate Wohnsituation erleben, dass es der Entwicklung von Wohneinrichtungen bedarf, die auf die Bedürfnisse – teils noch junger – schwer betroffener MS-Patienten spezialisiert sind.
Hintergrund
Das Land Brandenburg verfügt über eine leistungsstarke Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), die jedoch noch nicht in allen Regionen des Flächenlandes gleich ausgeprägt ist; parallel dazu wird die Allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) – einst als Basisstufe der ambulanten Palliativversorgung gedacht - derzeit nur unzureichend in der Praxis realisiert, weshalb oft auch Patienten mit geringem Symptomgeschehen der SAPV zugeordnet werden.
Fragestellung
Wie lässt sich eine abgestimmte und qualitativ-hochwertige AAPV im regionalen, interdisziplinären und zugleich offenen Netzwerk umsetzen?
Methode (Projektskizze & Evaluation)
Seit Dezember 2016 wird auf Initiative von regionalen Leistungserbringern ein Pilotprojekt zur Stärkung der Allgemeinen ambulanten Palliativversorgung im Land Brandenburg realisiert. Die Umsetzung erfolgt in zwei Landkreisen, welche von unterschiedlichen (versorgungs-)strukturellen Charakteristika geprägt sind.
Ziel des Projektes ist die Festigung der palliativmedizinischen Grundversorgung im Netzwerk, um schwerkranken Patienten bereits früh - vor Eintritt in die SAPV - eine hochwertige ambulante Palliativversorgung anbieten zu können. Sobald eine spezialisierte Versorgung angezeigt ist, wird ein gleitender Übergang in die SAPV beispielsweise unter der Inanspruchnahme der SAPV als Teilleistung sichergestellt. Um dies zu ermöglichen, wird eine Vielzahl an Maßnahmen umgesetzt: Regelmäßige Netzwerktreffen und Qualitätszirkel unter Einbezug aller Interessierten, Einführung einer Dokumentationssoftware in den Versorgungsprozess, Umsetzung von verbindlichen Vertretungsreglungen, Koordination von Weiterbildungsmaßnahmen, Vorstellung der regionalen Versorgungsangebote sowie der versorgungsstrukturellen Dimension im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen, Anpassung der Vergütungsstrukturen für die AAPV etc.
Das Pilotprojekt wird von einer externen wissenschaftlichen Einrichtung begleitet und abschließend evaluiert. Dabei wird auf folgende Datentypen zurückgegriffen: medizinische und pflegerische Dokumentation des Versorgungsprozess, quantitative und qualitative Befragungen von Patienten, Angehörigen und teilnehmenden Leistungserbringern sowie KV-Abrechnungsdaten. Zentrale Indikatoren zur Valuation der umgesetzten Maßnahmen sind unter anderem der Sterbeort der teilnehmenden Patienten, die Fortbehandlung der teilnehmenden Patienten (SAPV, Krankenhaus, Hospiz, usw.), Patienten- und Angehörigenzufriedenheit, Häufigkeiten der SAPV-Verordnungen auf Ebene der teilnehmenden Hausärzte und Entwicklung der SAPV-Fälle in den Pilotregionen.
Ergebnisse
Zum derzeitigen noch sehr frühen Stand des Pilotprojektes (Januar 2017) können nur in ihrer Aussagekraft limitierte Zwischenergebnisse vorgewiesen werden. Bisher ist eine Pilotregion aktiv. In dieser Pilotregion nehmen 14 Ärzte und 9 Pflegedienste am Pilotprojekt teil. Es wurden 13 Patienten in die Versorgung im Rahmen des Pilotprojektes eingeschlossen. Der Großteil der Patienten (10) wird zuhause - und 3 Patienten werden im Pflegeheim versorgt. Bisher hat 1 Patient aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes kurzzeitig die Versorgungsstruktur gewechselt.
Diskussion
Die bis dato geringe Patientenzahl kann der kurzen Projektlaufzeit zugeordnet werden. Der Projektstart erfolgte kurz vor dem Jahreswechsel. Eine steigende Patientenzahl wird erwartet.
Praktische Implikationen
Im Jahr 2017 wird voraussichtlich die Besonders qualifizierte und koordinierte palliativmedizinische Versorgung gemäß § 87 Abs. 1b SGB V in die Versorgungspraxis einbezogen. Diesbezüglich ist zu prüfen, inwieweit die im Pilotprojekt umgesetzten Maßnahmen in die Regelversorgung übergehen können.
Hintergrund
Der zunehmende Fachkräftemangel in der Pflege und der nachfolgend steigende Handlungsdruck im Gesundheitswesen spiegeln sich in vielfältigen Aktivitäten mit teilweise ungewissem Erfolg wider. Das vorliegende von einem Sozialministerium eines deutschen Bundeslandes beauftragte Projekt zielt darauf ab, basierend auf einer umfassenden einschlägigen Recherche, evidenzbasierte Empfehlungen für die weitere Steuerung politischer Maßnahmen abzuleiten.
Fragestellung
Welche Interventionen sind geeignet, die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in der Pflegeausbildung zu erhöhen, Pflegefachpersonen zu akquirieren und die Attraktivität des Pflegeberufes zu erhöhen.
Methode
Durchgeführt wurde eine Recherche in diversen Datenbanken (pubmed, cinahl, carelit etc.), auf den Homepages von Ministerien, Verbänden, Trägern etc. ergänzt um Handsuche und ggf. Kontaktaufnahme zu den Projektverantwortlichen. Projektzeitraum: November 2015 - Februar 2017
Ergebnisse
Für den Zeitraum von 2005-2015 konnten für Deutschland 110 Studien/Projekte identifiziert werden. Projektträger waren u.a.: Einrichtungen im Gesundheitswesen; Wohlfahrtsverbände; Sozialministerien der Bundesländer; Kranken- und Pflegekassen. Die 110 Studien/Projekte wurden kriteriengestützt (schlüssige Begründung, genaue Beschreibung der Intervention, erfolgreiche Evaluation) analysiert. Zahlreiche Studien/Projekte waren unzureichend begründet, es fehlte eine genaue Beschreibung der Intervention oder der Evaluation oder die Evaluationsergebnisse etc.)
Die Anzahl der ausgewerteten Projekte betrug für die Ausbildung 4, für das Thema Akquise 7 und zum Themenfeld: Steigerung der Attraktivität: 22.
Die Auswertung der Recherche zeigt, dass
- die Projekte quantitativ auf die Steigerung der Anzahl der Auszubildenden bzw. der in der Pflege Tätigen abzielen und oft versuchen Randgruppen ansprechen
- Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität sich vielfach klassischen Formen wie Flexibilisierung der Arbeitszeiten und Angeboten zur Kinderbetreuung erschöpfen
- eine konzeptionelle Weiterentwicklung der Pflege (z.B. über strukturelles Empowerment und Professionalisierung der Pflegepraxis) nur in geringem Umfang als Beitrag zur Fachkräftesicherung in der Pflege genutzt wird.
Diskussion
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist als Problem erkannt. Vielfach werden jedoch Ideen umgesetzt, ohne dass deren Wirkungen überprüft werden. Die Ansätze sind oftmals nur kurzfristig angelegt und so ungeeignet, die Problemlage zu beheben. Insgesamt zeigt sich, dass Versuche, die Problemstellung quantitativ anzugehen, nicht ausreichen. Statt nur zu versuchen, durch diverse teilweise sehr aufwändige Akquisemaßnahmen die reine Anzahl der Schülerinnen und Schüler in der Pflege oder der Pflege(fach)kräfte zu erhöhen ist eine Umorientierung erforderlich. Dies betrifft die Ausrichtung auf Mitarbeiterorientierung als strategische Maxime. Dies betrifft des Weiteren die Notwendigkeit, das Handlungsfeld ‚Pflege‘ so weiterzuentwickeln, dass hier vorhandenes Potential mit beruflichem und akademischen Hintergrund abgerufen und eingesetzt werden kann.
Praktische Implikationen
Es lassen sich einige zentrale Themen identifizieren: Diese Prinzipien sind nicht neu, jedoch mangelt es im Bereich des Gesundheits-und Pflegewesens vielfach an einer konsequenten Umsetzung.
Angebotsorientierung löst sich von dem Gedanken der möglichst schnellen Verwertbarkeit neuer Mitarbeiter/innen, sondern begreift das vorhandene Potenzial von Bewerber/innen als Bereicherung und Chance zur Weiterentwicklung.
Mitarbeiterorientierung ist immer mit dem Gedanken der Personalentwicklung verbunden. Dies gilt für Mitarbeiter/innen auf allen Qualifikationsebenen. Umfangreiche Begleitung und Unterstützung ist z.B. sowohl im Bereich der Nachqualifizierung als auch beim Einsatz hochschulisch qualifizierter Pflegender anzubieten. Strategische Unternehmensentscheidungen sind jeweils auf ihre Auswirkungen auf das Prinzip der Mitarbeiterorientierung zu prüfen und ggf. zu modifizieren.
Nur langfristige Strategien haben eine realistische Chance auf Erfolg in dem zunehmenden Kampf um Arbeitskräfte.
Hintergrund
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „OPEN – Interkulturelle Öffnung in der Pflegeberatung“ fokussiert die Entwicklung, Erprobung und wissenschaftliche Evaluation sozialraumspezifischer Ansätze der Pflegeberatung, in Verbindung mit einer Hilfs- und Unterstützungsplanung, die sich an Case Management Grundlagen anlehnt. Dabei geht um eine netzwerkanalytisch begründete Verbesserung der Kooperation von Professionellen in der Pflegeberatung und um die Entwicklung von spezifischen Beratungsansätzen. Ziel ist es, eine barrierearme sowie sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegeversorgung für lebenserfahrene insbesondere zugewanderte Menschen zu gewährleisten.
Der vorliegende Beitrag führt die bereits veröffentlichten Ergebnisse zur Diversität in der Pflegeberatung (Khamo et al. 2016; Terjung et al. 2016) fort. Das von Fritz Schütze beschriebene Phänomen der `Paradoxie des professionellen Handelns‘ (2000) wurde in einer ersten Datenanalyse des hier vorgestellten Forschungsprojektes an das Setting ‚Pflegeberatung‘ angepasst, weiterführend untersucht und bereits von May (2017) publiziert. Die so entwickelten OPEN- Paradoxien beschreiben zwei sich gegenüber und in Konflikt zueinanderstehende, aber für sich legitime Grundsätze der Beratung sowie die hieraus resultierenden Spannungsfelder.
Darauf aufbauend werden im Projekt entwickelte und erprobte Inhalte von Qualifizierungsbausteinen für Pflegeberater_innen zur Weiterentwicklung ihres Selbstverständnisses im Gesundheitssystem bzw. zur Erweiterung ihrer Beratungsexpertise vorgestellt und diskutiert.
Fragestellung
Die Forschungsfragen „Welche Beratertypen lassen sich aus dem Material identifizieren?“ und „Welche verallgemeinerbare Handlungsweisen im Umgang mit den Paradoxien lassen sich in der Pflegeberatung abbilden?“ wurden an die vorliegenden Daten gerichtet und mit den Berater_innen formativ evaluiert.
Methode
Das der Grounded Theory folgende Projekt fand den Zugang zur Pflegeberatung mittels einer Kooperation zu neun Pflegeberatungsstellen in Hessen und in Rheinland-Pfalz. Zur Abbildung der Beratungsinhalte wurden zunächst die Gespräche aufgezeichnet. Diesbezüglich fanden im Anschluss teilstrukturierte Leitfadeninterviews mit den Ratsuchenden bzw. den Berater_innen statt. Methodisch angelehnt an Bohnsack (2007) konnten fünf Beratertypen beschrieben werden, die in mehreren Analyseverfahren in ihren Merkmalen verdichtet wurden. Im Sinne der formativen Evaluation wurden in Rückkopplungsgesprächen die Analyseergebnisse zwischen Forscher_innen und Berater_innen diskutiert und somit kommunikativ validiert, so dass die Ergebnisse methodisch-didaktisch transformiert werden konnten.
Ergebnisse
Die Beratungstypen strukturieren ihr beraterisches Handeln an idealtypischen Orientierungsrahmen. Der erste Beratungstypus orientiert sich an den Vorgaben des Gesetzes und zielt hauptsächlich darauf ab, dem Ratsuchenden zu seinen Leistungsansprüchen zu verhelfen. Ein weiterer Typus richtet sich durch Zuhören und Nachfragen an die Person bzw. an den fallspezifischen Lebensverhältnissen aus, um den Ratsuchenden möglichst passende Hilfeangebote vorstellen zu können. Der dritte Typus hat eine zeitliche Strukturierung, indem er mehrere Orientierungsnahmen bewusst nacheinander platziert. Ein vierter Beratungstypus hat einen deutenden Beratungsansatz, der sich an dem eigenen Fachwissen und Einschätzung der Beratungssituation orientiert. Einen gemeinsamen Diskurs auf der Suche nach individuellen Lösungen sucht der fünfte Idealtypus.
In der Empirie ließ sich zeigen, dass Berater_innen situationsspezifisch ihren Orientierungsrahmen wechseln und sich an die Individualität des Ratsuchenden anpassen konnten. Es wurde abgebildet, wie die Beratungstypen die verschiedenen Spannungsfelder der Paradoxien auflösen bzw. wie sie die einzelnen Polen gewichten.
Diskussion
Zur Diskussion steht, welche Aufgabe und Rolle politisch, institutionell von den hier untersuchten Professionellen erwartet wird und wie eine adäquate Qualifizierung hierfür gewährleistet werden kann. Welche Chancen sich in diesem Berufsfeld künftig abzeichnen und welche Desiderate sich hieraus für die Versorgungsforschung ergeben, gilt es zu erörtern.
Praktische Implikationen
Die Grenzen der eigenen Beratungstätigkeit nicht klar reflektieren zu können führt, laut der Datenanalyse, bestätigt durch die formative Evaluation, tendenziell zu Unsicherheit, Kompetenzüberschreitung oder zur Ausblendung einzelner Hilfebedarfe der Ratsuchenden. Die im Projekt generierten Beratungskonzepte und deren Übersetzung in Qualifizierungsmodule bieten der Pflegeberatung die Möglichkeit, fallspezifisch und situativ den Beratungstyp zu wechseln oder die Ratsuchenden an Kollegen oder fachübergreifend an Experten weiterzuvermitteln. Ergänzend durch Lehrempfehlungen sollen im Sinne der Nachhaltigkeit die Ergebnisse in verschiedene Pflegeberatungsfort- und -weiterbildungen einfließen.
• Hintergrund
Fragen der Versorgung von Menschen mit im Alter komplexerem Betreuungsbedarf dominieren zusehends die Entwicklung im Gesundheitswesen. Veränderte Familienstrukturen lassen dabei die Idee eines stabilen familiären Betreuungs- und Versorgungsnetzes an Bedeutung verlieren. Gleichzeitig befördert die Entwicklung zu einem funktionalen Gesundheitsbegriff den Bedeutungsgewinn zielgerichteter Strategien inter- und intrasektoraler Übergänge. Exemplarisch zeigt die Verweildauerreduktion im Krankenhaus mit gleichzeitig höherer Fallschwere bei Entlassung einen veränderten Pflege- und Betreuungsbedarf in nachgelagerten Einrichtungen. Dieser Prozess geht einher mit der Entwicklung, dass Übergänge in Pflegeheimen, gerade in Kurzzeitpflegen, erst in einem späten Stadium der Pflegebedürftigkeit erfolgen. Die Folge ist, dass Pflegeheimplätze oftmals akut und deshalb kurzfristig durch Angehörige oder Krankenhäuser angefragt werden.
• Fragestellung
Die komplementäre Ergänzungs- und Entlastungsfunktion von Kurzzeitpflege trifft auf eine Angebotsstruktur, die Pflegeheime aufgrund der institutionellen Anreizbedingungen dazu drängen, möglichst ständig alle Pflegeheimplätze voll auszulasten. In enger Abstimmung mit den Pflegekassen werden im dargestellten Modellprojekt fünf zusätzliche Kurzzeitpflegeplätze außerhalb des Versorgungsvertrages und damit ohne Belegungszwang befristet auf zwei Jahre vorgehalten, die spontan belegt werden können. Forschungsleitende Hypothese ist, dass mit dieser Vorgehensweise eine bestehende Versorgungslücke, die bei einer Vollauslastung der Heimplätze existiert, geschlossen werden kann. Dabei sollen komplementär potenzielle Entlastungswirkungen für pflegende Angehörige untersucht werden. Die Übertragbarkeit einer flexiblen „atmenden“ Struktur von Pflegeheimplätzen auf ähnlichen sozioökonomischen Kontexten soll darüber hinaus überprüft werden.
• Methode
In zwei Pflegeheimen in Regionen mit niedriger Bevölkerungsdichte und im Vergleich erhöhter demographischer Alterung werden über einen Zeitraum von zwei Jahren strukturiert Bewohnerdaten von Kurzzeitpflegepatienten und Daten der pflegenden Angehörigen aufgenommen. Ziel ist es darstellen, welche Personen, mit welchem Betreuungsprofil Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen. Darüber hinaus werden Angehörige mit Hilfe eines Fragebogens zur Nutzung der Kurzzeitpflege und der individuellen Belastungssituation befragt. Qualitative Interviews mit weiteren Akteuren die Teil der Schnittstellenübergänge sind, etwa Krankenhaus und Kommune, ergänzen die Daten.
• Erwartete Ergebnisse
Erste Auswertungen von ca. 120 Patienten im ersten Untersuchungsjahr lassen erkennen, dass ohne das Angebot der zusätzlichen Pflegeplätze annähernd jede zweite Anfrage für Kurzzeitpflege hätte abgelehnt werden müssen. Vor diesem Hintergrund gilt die Vermutung, dass durch das flexible Angebot regionale Versorgungslücken zumindest teilweise geschlossen werden. Die Analyse der Bewohnerströme zeigt weiterhin, dass in der untersuchten Region – zwei Standorte werden explizit beobachtet – im Vergleich zur durchschnittlichen Versorgung die Bereitschaft zur informellen, familiär getragenen Pflege deutlich höher ist. Dies lässt sich u. a. auf das noch stärker vorhandene Pflege-Töchterpotenzial in der Region zurückführen. Darüber hinaus werden mehr Pflegebedürftige, die aus der häuslichen Pflege kommen, im Anschluss an die Kurzzeitpflege stationär aufgenommen. Ursächlich hierfür könnte der durchschnittlich höhere Pflegegrad sein, den häuslich gepflegte Personen im ländlichen Raum haben.
• Diskussion
Erste Hinweise aus der qualitativen Untersuchung pflegender Angehöriger zeigen Rückwirkungen der höheren informellen Pflegebereitschaft auf den Gesundheitszustand pflegender Angehöriger und somit auch auf die Stabilität des Pflegearrangements. Die Flexibilität des Angebots im Modellprojekt hat darüber hinaus Rückwirkungen auf das „Pflegewissen“ der beteiligten Akteure in der Region. Somit ist das dargestellte Angebot Teil einer veränderten "Logik" von Pflegearrangements, beginnend von ambulanten Pflegeangeboten, über Tagespflege bis hin zur Stärkung der Selbstpflegekompetenz der betreffenden Personen etwa über Maßnahmen der Wohnraumanpassung. Die Frage der Übertragbarkeit der gewonnenen Ergebnisse auf vergleichbare sozioökonomische Räume gilt es in einer erweiterten Untersuchung zu diskutieren.
• Praktische Implikationen
Die Fragestellung adressiert ein konkretes anwendungsorientiertes Versorgungsproblem des ländlichen Raumes. Für viele Pflegende und Gepflegte ist die Kurzzeitpflege ein wichtiges Moment innerhalb der Pflegekarriere, da sich häufig die Organisation der Pflege nach Inanspruchnahme der Kurzzeitpflege ändert. Dieses Moment sollte noch stärker dazu genutzt werden, strukturiert zusätzliche Angebote für pflegende Angehörige und Gepflegte zu konzipieren.
Hintergrund
In Zeiten disparater Entwicklungen im Gesundheits- und Bildungswesen ist es insbesondere für die stärkste Berufsgruppe im Gesundheitswesen – die Pflegeberufe – wichtig, innovationsfähig zu bleiben, um für die zukünftigen Herausforderungen gerüstet zu sein. Eine stärkere Differenzierung der Pflegepersonalstruktur kann auch hierzulande einen wichtigen qualitativen Beitrag zur Sicherstellung einer hochwertigen und spezialisierten Patientenversorgung an Universitätskliniken liefern sowie die Attraktivität des Pflegeberufes in einer klinisch orientierten Fachlaufbahn nachhaltig sichern. Voraussetzungen hierfür ist die Entwicklung und Aushandlung differenzierter pflegerischer Aufgabenprofile und Zuständigkeitsbereiche in den jeweiligen Pflegeteams, die sich an den Versorgungsbedarfen der Patienten orientieren und eine Pflegequalität sicherstellen.
Die Implementierungsforschung liefert den konzeptionellen Rahmen für die wissenschaftliche Begleitung des partizipativ angelegten Entwicklungsprojektes mit ihren Entwürfen zur Wissenszirkulation, zur Analyse von Einflussfaktoren sowie über Implementierungsergebnisse.
Ziel der Pilotstudie ist es, eine am Versorgungsbedarf dreier Modellstationen orientierte, differenzierte Pflegepersonalstruktur mit den jeweiligen Pflegeteams zu entwickeln, Merkmale der Pflegeteams als mögliche Einflussfaktoren auf den Implementierungsprozess zu beschreiben sowie ein Monitoring zu entwickeln, welches zuverlässig über Veränderungen und Entwicklungen einer differenzierten Pflegepersonalstruktur auf pflegesensitive Patienten- und Mitarbeiteroutcomes berichtet. Das Projekt gliedert sich zunächst in eine 6-monatige Entwicklungs- und eine 9-monatige Erprobungsphase (Pilotierung) und ist im März 2017 gestartet.
Methode
Die Auswahl der Modellstationen im stationären Versorgungsbereich erfolgte über eine unternehmensweite Ausschreibung in einem Universitätsklinikum. Ausgewählt wurden drei Modellstationen mit „zufällig“ entstandener Differenzierung der Pflegepersonalstruktur, einem kontrastierenden Versorgungsprofil sowie mit geäußerter Veränderungsbereitschaft.
Die Datenerhebungs- und -analyseverfahren sind in ein Mixed-Method-Design eingebettet:
1. Qualitativer Zugang: Reflexion und Revision der "gewachsenen" Pflegepersonalstruktur
- Dokumentationsanalysen zum pflegerischen Versorgungsauftrag der Modellstationen,
- Gruppendiskussionen zu erhobenen pflegeberuflichen Aufgaben auf Basis der Pflegeinterventionsklassifikation (NIC ),
- Standardisierte Beobachtung der Teaminteraktion während der kollegialen Beratung in der Erprobungsphase.
2. Quantitativer Zugang: Monitoring mit Beginn/Ende der Erprobungsphase
- standardisiertes Monitoring pflegesensitiver Indikatoren wie Sturz, Dekubitus, Schmerz,
- standardisiertes Monitoring zur Ausbildungsqualität (CLESplusT* ),
- standardisierte schriftliche Befragung zur Patientenzufriedenheit und zum Arbeitskräftepotential (Nursing Workforce Index) .
Die qualitative Datenanalyse der Gruppendiskussion erfolgt zusammenfassend, die retrospektive Analyse der Teaminteraktion wird über Felddiagramme visualisiert. Die quantitativen Daten des Monitoring werden deskriptiv ausgewertet.
Erwartete Ergebnisse
Zum Zeitpunkt des Kongresses befindet sich das Pilotprojekt am Anfang der Erprobungsphase. Vorgestellt werden differenzierte, pflegeberufliche Aufgabenprofile einer allgemeinchirurgischen, einer internistisch-onkologischen und internistisch- infektiologischen Modellstation auf drei Qualifikationsstufen. Darüber hinaus liegen bereits Baseline-Daten zum Monitoring vor.
Diskussion
Innovationsprojekte, die in Zeiten des Pflegefachkräftemangels Personalstrukturen auf den Prüfstand stellen, profitieren in vielerlei Hinsicht von einem partizipativen Ansatz, der zugleich das Pflegeteam selbst als einen wesentlichen Einflussfaktor für das Gelingen von Innovationsprozessen miteinbezieht. Differenzierung bedeutet Veränderung für die bislang eher homogen aufgestellten Teams. Die Übernahme erweiterter und Delegation pflegeberuflicher Aufgaben bedeutet in diesem Zusammenhang eine Herausforderung, denn hierfür muss die Komfortzone der „kollektiven Verantwortung“ verlassen werden.
Das Monitoring liefert ein „Routinefeedback“ zur Pflege- und Ausbildungsqualität sowie zur Mitarbeiterzufriedenheit für die Versorgungsteams. Es könnte beispielsweise gezeigt werden, dass eine Integration von Pflegehelfern nicht zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Pflegequalität führen muss, oder die Integration hochschulisch qualifizierte Pflegender zu einem Anstieg der Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie der Ausbildungsqualität führen kann. Möglich ist es darüber hinaus, Hinweise auf vermeidbare Tätigkeiten von Pflegeexperten zu bekommen, die auf eine Fehl-/ Überversorgung hindeuten.
In unserer langlebigen Gesellschaft stellt die Sicherung der Gesundheitsversorgung älterer Menschen eine wachsende gesellschafts- und sozialpolitische Herausforderung dar. Mit zunehmendem Alter werden nicht nur der Verlust des Ehepartners wahrscheinlicher sondern auch andere Verluste, wie z. B. der Verlust enger Freunde oder anderer wichtiger Bezugspersonen, welche mit oftmals verheerenden Folgen einhergehen. Verlusterlebnisse und Trauer können daher maßgeblich mit ungedeckten Behandlungs- und Versorgungsbedarfen im hohen Alter assoziiert sein, welche häufig unerkannt bleiben und das Wohlbefinden und die Rollenfunktion negativ beeinflussen können. Bisher ist wenig über die Zusammenhänge zwischen Trauer und Verlusterlebnissen im hohen Alter und spezifischen, damit einhergehenden ungedeckten Bedarfen bekannt. In der vorliegenden Studie wurde im Rahmen der laufenden Studie „Die Messung des Versorgungsbedarfs bei Hochbetagten: Erprobung, psychometrische Überprüfung und Etablierung der adaptierten deutschsprachigen Version des Camberwell Assessment of Need for the Elderly (CANE)“ die deutsche Version des CANE in einer bevölkerungsrepräsentativen telefonischen Befragung in der Bevölkerung im Alter von 75+ Jahren (n = 1004) eingesetzt. Das CANE ist ein Instrument zur standardisierten Erfassung des physischen, psychischen und umfeldbezogenen Behandlungs- und Versorgungsbedarfs älterer Menschen und steht nunmehr in einer aktualisierten deutschen Version zur Verfügung. Neben der Bedarfssituation wurden Verlusterlebnisse, wie z. B. der Verlust eines engen Familienangehörigen durch Tod, Trennung oder Umzug erfasst und einer deskriptiven sowie inferenzstatistischen Analyse im Hinblick auf die Zusammenhänge zwischen Verlusterfahrungen und ungedeckten Bedarfen unterzogen. Erste Studienergebnisse werden präsentiert und diskutiert. Vor dem Hintergrund der sozialpolitischen, kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen, die der demographische Wandel mit sich bringen wird, könnten diese Studienergebnisse einen entscheidenden Beitrag zur künftigen Versorgungsplanung sowie Entwicklung und Zielgenauigkeit von Interventionen im Altenbereich leisten.
Hintergrund: Der demografische Wandel führt weltweit dazu, dass die Gruppe der Alten und Hochaltrigen immer weiter wächst und sich in den nächsten Jahren noch beschleunigen wird. Projektionen zeigen, dass die Altersgruppe 60+ von 2015 bis 2030 um 56%, d.h. von 901 Mio. auf 1.4 Mrd. Menschen weltweit anwachsen wird. Auch Deutschland ist vom demografischen Wandel betroffen. Grund dafür ist die steigende Lebenserwartung sowie niedrige Geburtenraten. Zeitgleich steigt mit einer erhöhten Lebenserwartung auch das Risiko, an chronischen Erkrankungen zu leiden oder pflegebedürftig zu werden. Psychischen Störungen, insbesondere Demenzerkrankungen und Depressionen, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Derzeit gibt es ca. 2.9 Mio. Pflegebedürftige in Deutschland, von denen 2.08 Mio. zu Hause und davon 1.38 Mio. allein von ihren Angehörigen versorgt werden. Aufgrund der hohen Belastungen, die Angehörige durch die Pflege erfahren, ist ihre Gesundheit inklusive Lebensqualität von großer Wichtigkeit. Studien zeigen, dass pflegende Angehörige im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung meist eine signifikant schlechtere Lebensqualität aufweisen. Jedoch ist es im Hinblick auf die Ableitung gesundheitsförderlicher Interventionen hilfreich zu erfahren, welche Studien allein den Zusammenhang von Pflegebelastungen und Lebensqualität bei Angehörigen erfassen. Da nach jetzigem Kenntnisstand noch keine derartige Übersichtsarbeit existiert, soll diese Forschungslücke hiermit geschlossen werden.
Fragestellung: Ziel dieser Arbeit ist die systematische Zusammenstellung und Auswertung von Artikeln zum Zusammenhang von Pflegebelastungen und Lebensqualität bei älteren pflegenden Angehörigen von Demenzkranken.
Methode: Am 3. März 2017 wurde in der Datenbank Web of Science eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Es wurden alle deutsch- oder englischsprachigen Artikel berücksichtigt, die im Zeitraum 2000 bis 2017 publiziert wurden. Originalarbeiten, die pflegende Angehörige unter 50 Jahren (im Durchschnitt) analysierten sowie Artikel, die weder Lebensqualität, Pflegebelastungen noch deren Zusammenhang erfassten, wurden ausgeschlossen.
Ergebnisse: In die Untersuchung wurden zehn Originalarbeiten eingeschlossen, die quantitative Analysen im Querschnittdesign durchführten. Bei den pflegenden Angehörigen handelte es sich in den meisten Fällen um den Ehepartner oder ein Kind des zu Pflegenden. Das durchschnittliche Alter der zumeist weiblichen pflegenden Angehörigen reichte von 51 bis 72 Jahre. Hinsichtlich der Pflegebelastungen und Lebensqualität lagen die Werte vielfach im moderaten Bereich. Bezugnehmend auf den Zusammenhang von Pflegebelastungen und Lebensqualität wurde in jeder untersuchten Studie eine signifikant negative Korrelation festgestellt, d.h. je höher die Pflegebelastungen, desto schlechter die Lebensqualität.
Diskussion: Es konnte festgestellt werden, dass in den meisten Fällen allein das Vorliegen von Pflegebelastungen in einem signifikant negativen Zusammenhang mit der Lebensqualität der älteren pflegenden Angehörigen steht. Hierbei wurden insbesondere der hohe Zeitaufwand als auch physische sowie psychische Beschwerden genannt. Insofern waren die Ergebnisse der Studien sehr konsistent. Trotz dessen ließen sich aufgrund der Querschnittdesigns der Studien keine Kausalaussagen treffen. Ferner wurden Artikel eingeschlossen, die teilweise keine ausführliche Methodenbeschreibung beinhalteten, was die Vergleichbarkeit untereinander erschwerte.
Praktische Implikationen: Die Ergebnisse dieser systematischen Übersichtsarbeit können in Gesetzgebungsprozesse der Gesundheits- und Pflegepolitik fließen, da sie die Unterstützung pflegender Angehöriger, wie sie im ersten Pflegestärkungsgesetz beschrieben ist, untermauert. Des Weiteren sind diese Ergebnisse eine gute Grundlage für u.a. Krankenkassen und Betriebe, um Maßnahmen zur verhaltens- und verhältnisorientierten Gesundheitsförderung zu entwickeln und zu implementieren.
Hintergrund:
Die steigende Zahl der auf Pflege angewiesenen Menschen gut zu versorgen, ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Zu Verbesserung der Versorgung bedarf es empirischer Analytik über deren Lebenssituationen sowie das Inanspruchnahmeverhalten.
Ziel:
Mittels Analyse von Routinedaten sollten Erkenntnisse darüber erlangt werden, welche Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflegebedürftige Versicherte ein Jahr vor ihrem Tod in Anspruch nahmen, welche Kosten dabei entstanden und welche Diagnosen sie aufwiesen.
Methoden:
Nach Qualitätsprüfung von Daten der DAK-Gesundheit zu allen im Jahr 2015 in Deutschland verstorbenen Pflegebedürftigen (VP) konnten 61.056 Versicherte ausgewertet werden. Zur Analyse des Zeitraums vor dem Tod wurden relative Zeitbezüge mit dem Todestag als t0 für alle VP berechnet und vier relative Quartale (91 Tage) vor dem Todestag untersucht. Es standen folgende Leistungsbereiche zur Analyse zur Verfügung: Ambulant ärztliche Versorgung, Krankenhaus (KH), Rettungsfahrten, Hospizversorgung, häusliche Krankenpflege (HKP) und spezialärztliche Palliativversorgung (SAPV).
Ergebnisse (Auszug):
Das Ø-Alter der VP lag bei 83,2 Jahren (weiblich (w): 84,6; männlich (m): 80,7). Die Ø-Dauer, die sich ein VP vor dem Tod in der aktuellen Pflegestufe befand, betrug 604 Tage. Bei über 90% der VP war in allen Quartalen vor dem Tod mindestens ein Arztbesuch dokumentiert. Häufige ambulante Diagnosen waren z.B. Hypertonie (w: 67,3%; m: 66,3%), chronische ischämische Herzkrankheit (w: 23,6%; m: 37,5%), Demenz (w: 29,7%; m: 23,2%) oder Dekubitalgeschwür (w: 15,4%; m: 14,1%). Die Ø-Kosten in den untersuchten Leistungsbereichen betrugen ein Quartal vor dem Tod (t-1) 7.481,4€ bzw. ein Jahr vor dem Tod 15.723,0€. Mit steigendem Alter nahmen die Ø-Kosten vor dem Tod ab. Mit einem Anteil von 83,0% entstand der Großteil der Kosten im KH. In t-1 befanden sich 69,1% aller VP in stationärer Behandlung (w: 65,3%; m: 75,8%). Die drei häufigsten Hauptdiagnosen nach ICD-Dreisteller waren Herzinsuffizienz (w: 7,7%; m: 8,7%), Pneumonie (w: 4,7%; m: 7,0%) und Hirninfarkt (w: 3,3%; m: 2,7%). Die mit 30,1% häufigste ICD-Gruppe waren bösartige Neubildungen. Häufige KH-Wiederaufnahmeraten zeigten sich bei bösartigen Neubildungen (30-40%), COPD (35%) und Herzinsuffizienz (25%), die häufigsten Akutereignisse waren intrazerebrale Blutungen, akutes Nierenversagen und sonstige Sepsis. Etwa die Hälfte der VP mit KH-Aufenthalt in t-1 wies auch eine Rettungsfahrt auf. Es wurden die zehn häufigsten Inanspruchnahme-Muster untersucht. Am häufigsten war "Regelmäßiger Arztkontakt in allen Quartalen vor dem Tod und KH-Fall mit Rettungsfahrt in t-1 ohne HKP, SAPV oder Hospizversorgung". Die SAPV wurde in t-1 am häufigsten von Patienten mit bösartigen Neubildungen und sonstigen Formen der Herzkrankheit genutzt und war in Kombination mit wiederholten KH-Fällen mit/ohne Rettungsfahrt und regelmäßigem Arztkontakt insgesamt das teuerste Inanspruchnahme-Muster.
Diskussion:
Erweiterung um Daten etwa zu Einkommen, zur Arzneimittelversorgung, zu Heil- und Hilfsmitteln, etc. sowie Vergleich mit verstorbenen, jedoch nicht pflegebedürftigen Versicherten. Erste Erkenntnisse über die Inanspruchnahme verstorbener Pflegebedürftiger im letzten Lebensjahr konnten jedoch bereits gewonnen werden, aber die Analysen sollten ergänzt, vertieft bzw. auch für bestimmte Subpopulationen durchgeführt werden.
Hintergrund
Durch eine erhöhte Lebenserwartung von Menschen mit Behinderungen ergeben sich veränderte Ansprüche an deren gesundheitliche und pflegerische Versorgung, welche allerdings nicht adäquat gedeckt werden und sich demgemäß eine Benachteiligung in der Versorgung dieser Personengruppe ergibt. Im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung sind die Zugänge zur gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung nachweislich eingeschränkt.
Die pflegebedürftigen älteren Menschen mit Beeinträchtigungen werden überwiegend von den MitarbeiterInnen der Wohneinrichtungen selbst pflegerisch versorgt, welche in der Regel in der pflegespezifischen Versorgung nicht geschult sind. Selten werden externe oder interne ambulante Pflegedienstleistungen in Anspruch genommen.
Einrichtungen der Eingliederungshilfe können aufgrund der aktuellen Entwicklungen vielfach den Bedarfen von älteren Menschen mit Behinderungen nicht gerecht werden. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass bislang ein systematisches Assessmentinstrument für die Einschätzung gesundheitlicher und pflegerischer Bedarfe älter werdender Menschen mit Behinderungen fehlt. Dieses sollte setting-, sektoren- und berufsgruppenübergreifend eingesetzt werden können, um eine umfassende und zielgruppenadäquate gesundheitliche und pflegerische Versorgung zu gewährleisten.
Fragestellung
Welche gesundheitlichen und pflegerischen Bedarfe von Menschen mit geistigen und/oder mehrfachen Behinderungen werden aus der Sicht der Einrichtungs-MitarbeiterInnen und der Zielgruppe selbst beschrieben?
Methode
Da bislang wenig Befunde zu gesundheitlichen und pflegerischen Bedarfen von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen zu finden sind, wird im ersten Arbeitsschritt des Projektes ein qualitativer Forschungsansatz gewählt, um die Perspektive der MitarbeiterInnen und der BewohnerInnen selbst im Hinblick auf die Erfassung und Darstellung der gesundheitlichen und pflegerischen Bedarfe erheben zu können. Als Forschungsdesign wird die Grounded Theory angewendet.
Es werden Interviews sowohl mit den MitarbeiterInnen, als auch den BewohnerInnen geführt. Mit den MitarbeiterInnen der Einrichtungen erfolgt jeweils ein episodisches Interview.
Mit den BewohnerInnen werden Interviews in leichter Sprache unter Zuhilfenahme von Piktogrammen geführt. Da Fremdaussagen beziehungsweise Stellvertreterbefragungen nicht hinreichend valide sind, werden die Menschen mit Beeinträchtigungen selbst befragt. Mimiken und Gestiken der Befragten werden ergänzend protokolliert.
Die Auswertung der Interviews erfolgt in Anlehnung an die Grounded Theory.
Ergebnisse
Es werden gesundheitliche und pflegerische Bedarfe aus Sicht der MitarbeiterInnen und den BewohnerInnen erhoben und abgebildet. Zusätzlich werden ihre Einschätzungen in Bezug auf die Erfüllung gesundheitlicher und pflegerischer Bedarfe sowie förderlicher und hinderlicher Faktoren bei der Bedarfserhebung, Planung und Umsetzung der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung herausgearbeitet.
Diese Ergebnisse bilden die Grundlage für die Entwicklung eines Einschätzungsinstrumentes zur systematischen Erfassung von gesundheitlichen und pflegerischen Bedarfen in den Einrichtungen der Behindertenhilfe.
Diskussion
Bislang wird in Einrichtungen der Behindertenhilfe vielfach das Metzler-Verfahren angewandt, welches als Grundlage für die gesetzliche geforderte Hilfeplanung ein paar allgemeine Fragen zur gesundheitlichen Versorgung beinhaltet. Diese reichen jedoch für eine differenzierte Planung und Durchführung einer gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung nicht aus. Auch das ICF kann diese Bedarfe nicht zielgenau abbilden. Daher bedarf es eines Instrumentes, welches sich explizit mit der systematischen Erhebung der gesundheitlichen und pflegerischen Bedarfe von Menschen mit Beeinträchtigungen befasst. Ein partizipativer Ansatz für die Entwicklung eines entsprechenden Instrumentes ist dabei von großer Bedeutung, um die relevanten Themen für die Bedarfserhebung abzudecken.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse der Interviews bilden die wesentliche Grundlage für die Entwicklung eines bedarfsorientierten, partizipativen Assessments zur systematischen Erfassung der gesundheitlichen und pflegerischen Bedarfe von Menschen mit geistigen und/oder mehrfachen Beeinträchtigungen.
Mit dem zu entwickelnden Instrument sollen innerhalb der jeweiligen Einrichtungen wie auch setting- und sektorenübergreifend die Prozesse der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen verbessert werden. Die MitarbeiterInnen werden schneller in die Lage versetzt, relevante Bedarfe zu erkennen, darauf mit Planungen und Maßnahmen zu reagieren sowie institutionen- und sektorenübergreifend die Bedarfe an andere Berufsgruppen in Einrichtungen von Gesundheit und Pflege (z.B. Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte) weiter zu leiten.
Immer mehr immer ältere und auch pflegebedürftige Menschen in Deutschland haben immer mehr eigene Zähne oder Implantate. In der bundeseinheitlichen Altenpflegeausbildung werden für den Mundbereich lediglich Soor- und Parotitisprophylaxe nicht aber Karies- und Parodontitisprophylaxe erwähnt.
Ziel dieser Studie ist die Entwicklung und Evaluation eines Gesamtkonzeptes für die Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege in der Pflegeausbildung und Pflegefortbildung, das den veränderten Verhältnissen in der Mundhöhle pflegebedürftiger Menschen gerecht wird.
Für das Lernfeld 1.3 der Altenpflegeausbildung (Alte Menschen personen- und situationsgerecht pflegen) wurden zwischen 2007 und 2009 drei Ausbildungsmodule sowie ein Fortbil-dungsmodul mit jeweils theoretischen und praktischen Schulungseinheiten erarbeitet. Die Lehr- und Lernmittel (Schulungsvorträge, Skripte, Pflegefilm, Übungsmodell und Phantomkopf) berücksichtigen dabei in besonderem Maße die Anforderungen der Pflegepraxis. Der Unterricht wird im 1. Ausbildungsjahr durch Fachlehrer der Pflegeschulen durchgeführt. Im 2. und 3. Aus-bildungsjahr wie auch in der Fortbildung übernehmen Zahnärzte aus der Praxis die Schulungen.
Nach einer einjährigen Erprobungsphase folgte zwischen April 2011 und Februar 2012 die eigentliche Studie mit insgesamt 10 Schulen. Begleitende Lernzielkontrollen vor und nach den Schulungen sollten den theoretischen Lerngewinn dokumentieren. Evaluationen durch die Schüler und Teilnehmer sowie durch die Referenten ermöglichten zudem eine weitere kritische Prüfung der Lehr- und Lernmittel. Von 836 Datensätzen aus 42 Klassen konnten 672 Datensätze zur Auswertung herangezogen werden.
Der theoretische Lerngewinn erreichte nach Jahrgängen ausgewertet bis zu 24,6 % (2. Ausbildungsjahr). Einzelne Klassen konnten einen Lerngewinn von bis zu 38 % erreichen und bei der Auswertung einzelner Aussagen betrug der Lerngewinn bis zu 57 %.
Dass andererseits im 3. Ausbildungsjahr der Lerngewinn nur 9,4 % erreichte, einzelne Klassen gar keinen Lerngewinn erzielten oder auch Einzelaussagen mit Lernverlust zu beobachten waren, kann nur teilweise auf materialbedingte Schwächen zurückgeführt werden. Bei einem Projekt dieser Art spielen die Motivation der Schüler und Teilnehmer sowie die äußeren Rahmenbedingungen und nicht zuletzt die pädagogische Lernkurve bei diesem für alle Referenten noch unbekanntem Thema eine große Rolle. Die Evaluationen haben zudem wichtige Hinweise für eine weitere Überarbeitung und Optimierung der Lehr- und Lernmittel gegeben. In allen Jahrgängen sowie in der Fortbildung wird eine deutliche Steigerung der subjektiv empfundenen Kompetenz angegeben – die Grundvoraussetzung für die Durchführung einer adäquaten Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege bei pflegebedürftigen Menschen. Die Lehrer und zahnärztlichen Referenten sind mit den Inhalten der Schulungen nahezu einstimmig einverstanden und bestätigen die Durchführbarkeit des Konzeptes in der Praxis.
Die Materialien wurden in der Zwischenzeit mehrmals überarbeitet und optimiert und sogar bereits auf die geplante Harmonisierung der Pflegeberufe abgestimmt.