Gesundheitsökonomische Analysen sind ein zentraler Bestandteil der Versorgungsforschung. Die Vortragssitzung fokussiert die Nutzenbewertungen sowie Kosteneffektivität und gibt einen Überblick über die Vor- und Nachteile der Nutzung von Routinedaten. Die vorgestellten gesundheitsökonomischen Analysen betonen die Bedeutung mittels geeigneter Kosten-Nutzen-Analysen den absoluten und relativen Wert medizinischer Interventionen zu bestimmen.
Hintergrund:
Demografische Veränderungen und steigende Lebenserwartungen der Bevölkerung machen es erforderlich, die gegenwärtige und zukünftige medizinische Versorgung - insbesondere in ländlichen, zumeist strukturschwachen Regionen Deutschlands zu planen, zu koordinieren und somit letztlich sicherzustellen. In diesem Kontext ist der Begriff »Landarzt« ein häufig verwendeter Terminus. Allerdings mangelte es in der Literatur bis dato an einer konkreten und zugleich unabhängig übergreifend anwendbaren Definition des Landarztbegriffes. Das entwickelte Modell des Landarzt-Abgrenzungsalgorithmus (La-Abal) ist der Versuch, diesem Defizit zu begegnen. Mit dem La-Abal wird erstmals eine einheitliche Vorgehensweise aufgezeigt, anhand dessen sich Ärzte strukturiert und nachvollziehbar in Landärzte und stätisch/urban tätige Ärzte differenzieren lassen.
Fragestellung:
Die folgenden Fragestellungen standen im Mittelpunkt der Untersuchungen:
1) Lässt sich der entwickelte La-Abal auf Gesamtdeutschland adaptiv anwenden?
2) In welchen Regionen sind Landärzte per Definition angesiedelt?
3) Inwieweit korrespondieren die als Landarztbereiche deklarierten Gebiete mit hausärztlich unterversorgten Regionen auf Basis der Bedarfsplanungsrichtlinie (BPL-RL) bzw. des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Gutachten 2014 (SVR-Gutachten 2014)?
Methode:
Das auf Erkenntnissen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) basierende Prinzip des hier konzipierten La-Abals ist die aufeinander aufbauende Abgrenzungssystematik unter Verwendung der drei Abgrenzungsparameter: »Grundzentrum«, »Ländliche Besiedelung« und »Räumliche Lage«. Bundesweite wissenschaftliche Aktivitäten des BBSR finden i.d.R. auf der Aggregationsebene von Einheitsgemeinden und Gemeindeverbänden statt. Das La-Abal-Modell beruht ebenfalls auf dieser Analyseebene. Grundsätzlich werden durch den La-Abal eindeutige Bedingungen formuliert, die erfüllt sein müssen, um Einheitsgemeinden bzw. Gemeindeverbände als Landarztbereiche definieren zu können. Bei den beiden erstgenannten Abgrenzungsparametern handelt es sich um modellseitig festgesetzte Größen. Der dritte Abgrenzungsparameter »Räumliche Lage« dient in diesem Kontext der Feinjustierung und lässt sich, je nach Bedarf/Interesse, flexibel anpassen. Detaillierte Erläuterungen zum Inhalt der Abgrenzungsparameter sowie zum konzeptionellen Aufbau des La-Abals finden sich bei Marschner et al. 2015 »Abgrenzungskonzeption zur Definition Landarzt«.
Ergebnisse:
Die Anwendung des La-Abal zeigte eine konsistente Übertragbarkeit auf das gesamte Bundesgebiet. Die einzelnen vorgenommenen Abgrenzungsszenarien auf Basis des dritten Abgrenzungsparameters zur „Räumlichen Lage“, verwies zudem darauf, dass es völlig unabhängig ist, wie „engmaschig“ der La-Abal eingestellt wird, es existierten in jedem Szenario Landarztbereiche. Lediglich die Anzahl der vorhandenen Landarztbereiche und die damit jeweils einhergehende Bevölkerungsanzahl und Flächenanteile veränderten sich. Darüber hinaus korrespondieren die identifizierten Landarztbereiche mit denen als hausärztlich unterversorgt geltenden Regionen sowohl gemäß den Erkenntnissen aus der BPL-RL als auch nach den Erkenntnissen aus dem SVR-Gutachten 2014. Die Analysen zeigten jedoch auch, dass städtisch/urban geprägte Einheitsgemeinden bzw. Gemeindeverbände existieren, die ebenfalls als unterversorgt gelten jedoch weder im Rahmen der BPL-RL noch im Rahmen des SVR-Gutachtens 2014 als solche identifiziert werden.
Diskussion:
In erster Linie ist der La-Abal ein im „top down“-Verfahren konzipierter Ansatz der es ermöglichen soll, ein einheitliches Landarztverständnis zu etablieren. Dies ist notwendig, um die mit den gesellschaftlichen und räumlichen Veränderungen einhergehenden Forderungen nach Lösungen zur Sicherstellung (regionaler) Gesundheitsversorgung, gezielter angehen zu können. Aktuell bestehende Lösungsansätze zur Aufrechterhaltung der ambulanten medizinischen Versorgung wie etwa in Form von Gesundheitszentren, Telemedizin, Gemeindeschwestern, Nachwuchsförderungsprogrammen usw. ließen sich vor dem Hintergrund der Ergebnisse durch den La-Abal ebenfalls auf ihre Wirksamkeit und ihren Nutzen hin beurteilen. Die bisher durchgeführten Untersuchungen zum La-Abal zeigen, dass dieser sich bundesweit anwenden lässt und eine ausreichende situations- und interessenbezogene Anwendungsflexibilität aufweist. Darauf aufbauend können Analysen nach dem notwendigen, dem tatsächlichen Bedarf an ambulant medizinischer Versorgung diskutiert werden. Hierdurch lässt sich der La-Abal durchaus als ergebnisorientiertes, praktikables und standardisiertes Modell zur Identifizierung von Land(arzt)bereichen bezeichnen.
Praktische Implikationen:
Der La-Abal ist ein Ansatz, eine im Rahmen der Versorgungsforschung unter zeitlichen und finanziellen Aspekten realisierbare Vorgehensweise zur deutschlandweiten Differenzierung zwischen Land- und städtisch/urban tätigen Ärzten anzubieten.
HINTERGRUND
In der Versorgungsforschung mit Routinedaten wurden in den letzten Jahren in Deutschland deutliche Fortschritte gemacht. Der Vorteil von Routinedaten besteht in deren Systematik und weitgehender Vollzähligkeit. Versorgungsstudien auf Basis von Routinedaten werfen aber oft Fragen auf, die mit verfügbaren Daten nicht beantwortet werden können. Um die Qualität und Leistungsfähigkeit der Versorgung, die Konsistenz von Versorgungsprozessen oder den Handlungsbedarf bei der Verbesserung von Rahmenbedingungen für die Versorgung beurteilen zu können, sind weiterführende Informationen erforderlich.
Forschungspraxennetze bieten eine wichtige Infrastruktur zur koordinierten Erhebung von Daten aus der ambulanten Versorgung und für die Durchführung von Studien zur Versorgungsrealität.
Internationale Beispiele für Forschungspraxennetze fokussieren in der Regel auf die hausärztliche Versorgung oder einheitliche fachspezifische Praxisnetze. In Deutschland steht hingegen eine große Vielfalt ambulanter Versorgungsangebote unterschiedlichster Fachrichtungen gleichberechtigt zur Verfügung.
FRAGESTELLUNG
Das Deutsche Forschungspraxennetz (DFPN) befindet sich zum Jahresbeginn 2017 in der Entwicklungs- und Aufbauphase. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2017 geplant. Im Rahmen des 16. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung soll das DFPN als Infrastruktur zur Versorgungsforschung vorgestellt werden. Hierbei sollen sowohl ein Fokus auf die Fallstricke gelegt werden, die eine Etablierung einer Forschungsinfrastruktur dieser Dimension mit sich bringt, als auch die Möglichkeiten eines Forschungsnetzes in der ambulante Versorgung zur differenzierten Abbildung der Versorgungsrealität dargestellt werden.
METHODE
Die Erforschung der Versorgungsrealität in Deutschland setzte einen fachübergreifenden Ansatz bei der Entwicklung des DFPN als Forschungsinfrastruktur voraus. Im Hinblick auf den Grad der Abbildung der Fachgebiete sowie ggf. ihrer Differenzierung nach Schwerpunkten im DFPN wurde ein explorativer Ansatz gewählt. Zur Ausgestaltung des Ansatzes wurden universitäre Einrichtungen mit Erfahrungen bei der Betreuung von Ärztenetzen eingebunden.
ERGEBNISSE
In der Konzeption des DFPN existieren neben den Forschungspraxen dezentrale Management-Zentren sowie ein zentrales Zentrum, dass die Gesamtkoordination übernimmt. Bei den dezentralen Zentren ist das wissenschaftliche Personal lokalisiert, welches zur Einhaltung notwendiger Standards bei der Datenerhebung und -auswertung sowie der Anfertigung wissenschaftlicher Publikationen unerlässlich ist. Unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse zur Bedeutung regionaler Unterschiede in den Versicherten- und Versorgungstrukturen in Deutschland, sollen die dezentralen Zentren des DFPN durch ihre Lage unterschiedliche Versorgungssituationen in Deutschland repräsentieren. Die dezentralen Zentren werden mit den für die jeweilige Region zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen verzahnt.
Einschlussberechtigt sind alle gesetzlich Versicherten, die Patienten der DFPN-Forschungspraxen sind. Die in den Forschungspraxen erhobenen Primärdaten sollen um Routinedaten der eingeschlossenen Probanden ergänzt werden. Datenschutzrechtliche Grundlage ist die informierte Einwilligung der Probanden.
In der ersten Ausbaustufe des DFPN sollen zunächst Fragen zum Einfluss des sozioökonomischen Status und der Lebensqualität auf das Inanspruchnahmeverhalten und den Therapieverlauf sowie Fragen zur Multimorbidität, zur Polypharmazie und zu nicht eingelösten Arzneimittelverordnungen beantwortet werden. Weiterhin sollen Fragestellungen untersucht werden, die sich mit dem Verlauf von Versorgungsprozessen, der tatsächlichen oder fehlenden Kooperation und Kommunikation zwischen den Beteiligten und der Effektivität sowie Effizienz der Versorgung beschäftigen.
Initial wird eine Gewinnung von 200 Praxen in sieben Regionen angestrebt. Bei einer vollzähligen Erfassung aller in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Patienten ist mit einem Probandenaufkommen von 200.000 im Jahr zu rechnen.
DISKUSSION
Eine repräsentative Analyse der Versorgungsrealität bedarf neuer und komplexerer Ansätze, da sowohl die Forschung mit Routinedaten und als auch ambulante spezialisierte Forschungsstrukturen an Grenzen stoßen. Anhand der Ergebnisse der ersten Ausbaustufe des DFPN ist zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen ein weitergehender Betrieb und Ausbau des DFPN als dauerhafte multizentrische und fachgebietsübergreifende Forschungsinfrastruktur durchgeführt werden kann.
PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN
Im Deutschen Forschungspraxennetz können perspektivisch wertvolle Erkenntnisse über den Stand des Gesundheitswesens gewonnen werden. Durch seine langfristige Anlage können longitudinale Betrachtungen von Effekten gesetzlicher Änderungen auf die Gesundheit der Patienten und Interaktionen im Gesundheitswesen dokumentiert und so wertvolle Information zur Steuerung des Gesundheitswesens geschaffen werden.
Hintergrund: In der aktuellen S3-Leitlinie zur „Prävention und Therapie der Adipositas” [1] werden in Abhängigkeit vom Adipositas-Grad und assoziierten Komorbiditäten Empfehlungen für/wider einen adipositaschirurgischen Eingriff formuliert. Diese Empfehlungen basieren auf einem niedrigen Evidenzgrad. Deshalb wurde eine Bewertung der aktuellen Datenlage zum Vergleich der Adipositas-Chirurgie mit der konservativen Adipositastherapie angeregt.
Fragestellung: Ziel der Nutzenbewertung war der o.g. Vergleich. Besondere methodische Herausforderungen stellten die Einordung der Patientenrelevanz der klinischen Endpunkte sowie die Einordnung schwerwiegender unerwünschter Ereignisse (SUE) dar. Darüber hinaus zeichneten sich die Studien durch hohe Drop-out-Raten aus. Vorgestellt und diskutiert werden soll die methodische Vorgehensweise bei ausgewählten Endpunkten und die daraus resultierende Einordnung der Ergebnisse.
Methode: Es wurde eine systematische Bewertung der Evidenzlage auf Grundlage von Primärstudien (RCT) vorgenommen. Als Basis dienten relevante Studien aus dem Cochrane-Review zur Adipositas-Chirurgie von Colquitt 2014 [2]. Zusätzlich erfolgte eine systematische Recherche nach aktuellen RCTs.
Veränderungen von Gewicht/BMI sind relevante Endpunkte für die Beurteilung eines Verfahrens, bei dem die Gewichtsreduktion zu den wesentlichen Therapiezielen zählt. Sie werden allerdings als Surrogat eingestuft, da sich die Patientenrelevanz des Verfahrens in der Verbesserung des klinischen Bildes der Komorbiditäten manifestiert. Als patientenrelevant wurden Endpunkte wie Lebensqualität, Absetzen der Medikation, SUE und z.B. bei Diabetes mellitus-Patienten die Endpunkte Diabetes-Remission und Diabetes-Spätkomplikationen eingestuft.
Ergebnisse: Es wurden 10 Studien identifiziert, in allen Studien waren Patienten mit Komorbiditäten eingeschlossen (1 Studie zu allgemeinen adipositasassoziierten Komorbiditäten, 7 Studien zu Typ-2-DM, 2 Studien zur OSA). Die meisten Studien lieferten kurzfristige (1-2-Jahres-Daten), weniger als die Hälfte der Studien mittelfristige Daten (3-5-Jahres-Daten). 5-Jahres-Daten liegen bislang nur aus 2 Studien vor.
Für die Surrogat-Endpunkte Gewicht/BMI ließen sich kurz- und mittelfristig große statistisch signifikante Vorteile der Adipositas-Chirurgie ableiten. Für den patientenrelevanten Endpunkt partielle Diabetes-Remission zeigte sich in den kurzfristigen Daten ein statistisch signifikanter Vorteil zugunsten der Adipositas-Chirurgie. Der Effekt blieb im Verlauf - allerdings mit teilweise deutlich rückläufiger Remissions-Rate im chirurgischen Behandlungsarm in den einzelnen Studien - erhalten. Wegen hoher drop-out-Raten besonders in den mittelfristigen Daten wurden zur Überprüfung der Robustheit der Daten Worst-case-Szenarien zuungunsten der Adipositas-Chirurgie berechnet. Hierbei zeigte sich für die mittelfristigen Daten zum Endpunkt partielle Diabetes-Remission kein statistisch signifikanter Vorteil mehr für die Adipositas-Chirurgie. Hohe drop-out-Raten fallen insbesondere bei relativ kleinen Fallzahlen (hier 20-50 Patienten/Behandlungsarm in einzelnen Studien) ins Gewicht.
Aus methodischen Gründen wurden die Ergebnisse zu SUE einer rein qualitativen Betrachtungsweise unterzogen. Wegen der Heterogenität der Daten – u.a. erfolgte in Studien teilweise keine Graduierung in SUE/UE; in Studien mit durchgeführter Graduierung konnte die Einordnung als SUE/UE teilweise inhaltlich nicht nachvollzogen werden, häufig auch aufgrund einer nicht ausreichend detaillierten Darstellung in den Publikationen - war es notwendig, eine eigene Einordnung von SUE vorzunehmen (orientiert an Brethauer 2015 [3]). Im Ergebnis zeigte sich in der überwiegenden Zahl der Studien ein gehäuftes Auftreten von SUE zuungunsten der Adipositas-Chirurgie.
Diskussion: In Studienpublikationen und (Leitlinien-)Empfehlungen werden häufig die Vorteile der Adipositas-Chirurgie mit Betonung der großen Effekte bei Gewicht und Diabetes herausgestellt. Die vorliegende Nutzenbewertung konnte diese Effekte teilweise bestätigen, allerdings wurde der Endpunkt Gewicht als Surrogat eingestuft. Für den Endpunkt partielle Diabetes-Remission zeigte sich kurzfristig ein Vorteil zugunsten der Adipositas-Chirurgie. Der Effekt blieb mittelfristig zwar erhalten, das Ergebnis ist allerdings nicht als robust anzusehen. Zu thematisieren wäre daher die Patientenrelevanz der in den Studien am häufigsten verwendeten Endpunkte sowie die möglicherweise eingeschränkte Aussagekraft der Daten bei Vorliegen hoher drop-out-Zahlen.
Praktische Implikationen: Publikationen zur Adipositas-Chirurgie sollten beachten:
• Klare Unterscheidung in patientenrelevante und Surrogat-Endpunkte
• Klare Graduierung von unerwünschten Ereignissen in SUE bzw. UE
• Diskussion der Aussagekraft von Daten bei hohen drop-out-Zahlen
Literatur
1. DAG et al. AWMF-Register Nr. 050/001. 2014
2. Colquitt et al. Cochrane Database Syst Rev, 2014; 8 CD003641
3. Brethauer et al. Obes. Surg, 2015; 25 (4): 587-606
Hintergrund
Eine Anschlussrehabilitation (AR) dient nach einem Akutaufenthalt dazu, verloren gegangene Funktionen oder Fähigkeiten wiederzuerlangen oder auszugleichen sowie den Patienten wieder an die Belastungen des Alltags und des Berufslebens heranzuführen. Je nach Erkrankungsschwere erfolgt eine AR stationär, teilstationär oder ambulant. Laut „Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung“ (2009) ist für die Teilnahme an einer ambulanten Rehabilitation eine ausreichende Belastbarkeit und Mobilität der Patienten erforderlich. Gegen die Durchführung der Rehabilitation im ambulanten Setting sprechen die Notwendigkeit von ständiger ärztlicher und pflegerischer Betreuung sowie eine ausgeprägte Multimorbidität. Dabei ist bisher unklar, welche Bedeutung die Fallschwere beim Zugang zu einer bestimmten Rehabilitationsform (stationär oder ambulant) tatsächlich hat.
Fragestellung
Die Untersuchung ging der Frage nach, welche Faktoren die Inanspruchnahme einer ambulanten bzw. stationären AR beeinflussen.
Methode
Datengrundlage waren Routinedaten der AOK Baden-Württemberg, der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und der Deutschen Rentenversicherung Bund. Für die Auswertungen wurden Patienten im erwerbsfähigen Alter ausgewählt, bei denen zwischen 2005 und 2010 eine Totalendoprothese (TEP) an Hüfte oder Kniegelenk implantiert oder eine Operation an der Bandscheibe (BS) vorgenommen wurde. Für jede der drei Operationsgruppen wurde mittels logistischer Regression die Wahrscheinlichkeit modelliert, eine stationäre AR in Anspruch zu nehmen. Dabei wurden sowohl Patientenmerkmale (z.B. Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Komorbiditäten) als auch präoperative und akutstationäre Behandlungsmerkmale sowie der Behandlungspfad (Direktverlegung vs. AR nach häuslicher Übergangszeit) hinsichtlich ihrer prognostischen Relevanz für die Rehabilitationsform überprüft.
Ergebnisse
Bei allen drei Operationsgruppen führten Patienten, die unmittelbar nach dem Akutaufenthalt zur AR kamen, eher eine stationäre Maßnahme durch, als Patienten, die nach einer häuslichen Übergangszeit zur Rehabilitation kamen (Hüft-TEP: OR=4,4; Knie-TEP: OR=4,1, BS-OP: OR=4,0). Mit zunehmendem Alter stieg die Wahrscheinlichkeit, eine stationäre AR in Anspruch zu nehmen (pro 5 Jahre: Hüft-TEP: OR=1,2; Knie-TEP: OR=1,3, BS-OP: OR=1,2).
Bei TEP-Patienten führten Rentenbezieher 12,6mal (Hüft-TEP) bzw. 8,4mal (Knie-TEP) häufiger die Rehabilitation stationär durch als beschäftigte Patienten. Eine höhere Wahrscheinlichkeit, die AR im stationären Setting durchzuführen, hatten Hüft-TEP-Patienten mit einem Schenkelhalsbruch (OR=2,5) bzw. mit Adipositas (OR=1,4) sowie Knie-TEP-Patienten mit einem Schlaganfall (OR=1,4). Bei den BS-Patienten nahmen ebenso Patienten mit Adipositas häufiger eine stationäre AR in Anspruch (OR=1,2). Dagegen führten Männer nach einer BS-Operation die AR seltener stationär durch (OR=0,75).
Zwischen 2005 und 2009 reduzierte sich die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an einer AR im stationären Setting bei den Hüft-TEP-Patienten von 7,8 auf 2,1 und bei den Knie-TEP-Patienten von 7,2 auf 1,7. Bei den BS-patienten verringerte sich diese von 3,5 auf 1,2.
Diskussion
Der Anteil der Rehabilitanden, die eine ambulante AR in Anspruch nahmen, stieg parallel zum Ausbau ambulanter Rehabilitationsstrukturen an.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Patienten mit einem höheren Betreuungsbedarf eher eine stationäre AR in Anspruch nehmen. So führten u.a. ältere Patienten sowie Patienten mit Komorbiditäten häufiger eine AR im stationären Setting durch. Bei älteren und adipösen Patienten könnte die für eine ambulante AR erforderliche Mobilität nicht gegeben sein. Ferner ist bei Patienten höheren Alters anzunehmen, dass sie über die Entlassung aus dem Akutkrankenhaus hinaus, einen höheren Versorgungsbedarf bspw. aufgrund einer verlangsamten Wundheilung haben. Da diese eher allein leben, ist denkbar, dass die erforderliche Betreuung im häuslichen Umfeld nicht sichergestellt ist, so dass eine stationäre AR erforderlich ist. Jüngere Patienten bevorzugen das ambulante Setting vermutlich aufgrund der Wohnortnähe, der Aufrechterhaltung des Kontakts zum sozialen Umfeld (Kinderbetreuung, etc.) und der Vereinbarkeit mit der beruflichen Tätigkeit.
Praktische Implikationen
Gemäß dem Rahmenkonzept beeinflusst die Fallschwere die Inanspruchnahme einer ambulanten bzw. stationären AR. Neben dieser scheinen aber auch Kontextfaktoren, wie die familiären und beruflichen Bedingungen, für das Setting der AR eine Rolle zu spielen. Diese sollten bei der Zugangssteuerung zu einer bestimmten Rehabilitationsform Berücksichtigung finden.
Literatur
Deutsche Rentenversicherung Bund (2009): Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung. URL: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/207036/publicationFile/2127/rahmenkonzept_medizinische_reha.pdf, Abruf: 09.10.2016.
Hintergrund: Unreif geborene Kinder haben ein erhöhtes Risiko für negative psychische, physische und soziale Langzeitfolgen. Die BMBF-geförderte Geburtskohortenstudie EcoCare-PIn (Early comprehensive Care of Preterm Infants – effects on quality of life, childhood development, and healthcare utilization; Förderkennzeichen: 01GY1323) dient der versorgungsepidemiologischen Analyse von Morbiditätsmustern Frühgeborener unter Beachtung der Inanspruchnahme ambulanter und stationärer Leistungen und daraus resultierender Kosten.
Fragestellung: Wie gestalten sich Morbidität, Inanspruchnahme ambulanter und stationärer Leistungen und Kosten für Kinder mit geringem Geburtsgewicht im Vergleich zu Kindern mit einem normalen Geburtsgewicht?
Methode: Analysiert wurden GKV-Routinedaten sächsischer Kinder, die in den Jahren 2007 bis 2013 geboren wurden; verglichen wurden Kinder mit einem Geburtsgewicht von <1.500 g (very low birthweight, VLBW), 1.500-2.499 g (low birthweight, LBW) und ≥2.500 g (normal birthweight, NBW). Ein stationärer Aufenthalt innerhalb der ersten 7 Tage nach Geburt (=perinataler Krankenhausaufenthalt, pKA) sowie dessen Länge und Kosten dienten der Operationalisierung des kindlichen Gesundheitszustands bei Geburt. Bezüglich Länge und Kosten des pKA wurden nicht verstorbene Kinder mit unzensiertem pKA betrachtet (nvlbw=1.087, nlbw=4.817, nnbw=17.304). Für die ersten 4 Lebensjahre wurden für jeweils durchgängig versicherte Kinder deskriptive Analysen sowie Regressionen durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen dem Geburtsgewicht unter Berücksichtigung weiterer Risikofaktoren (z.B. Geschlecht, Wohnort, Vorhandensein eines pKA) und den folgenden Outcomes zu analysieren: Anzahl an Abrechnungsscheinen und Abrechnungstagen für den ambulanten Bereich; Anzahl an Krankenhausaufenthalten, Liegedauer und Kosten für den stationären Bereich.
Ergebnisse: Von den 116.269 bezüglich des perinatalen Krankenhausaufenthaltes auswertbaren Kindern wurden 80% über die Mutter abgerechnet (gesunde Neugeborene). Die restlichen 20% erhielten eine perinatale Krankenhausbehandlung, die über die routinemäßige Versorgung hinausging. Dies betrifft alle VLBW-, 79% der LBW- und 16% der NBW-Neugeborenen. VLBW-, LBW- und NBW-Kinder unterscheiden sich erheblich bezüglich der medianen Kosten (40.052€, 7.393€ bzw. 2.032€) und Liegedauern (58, 16 bzw. 5 Tage) des pKA. Auch nach dem pKA unterscheiden sich die Gewichtsgruppen bezüglich der stationären Inanspruchnahme (IA). VLBW-Kinder verbringen nach ihrem ersten Geburtstag im Vergleich zu zur Geburt gesunden NBW-Kindern rund 4-mal mehr Tage im Krankenhaus. Auch zur Geburt kranke NBW-Kinder, das heißt NBW mit pKA, haben ein signifikant erhöhtes Risiko (RR 1.49; 95%-KI 1.46-1.53) für spätere Hospitalisierungen im Vergleich zu den zur Geburt gesunden NBW-Kindern. Mit zunehmendem Alter nimmt die stationäre IA in allen Geburtsgewichtsgruppen signifikant ab. In der Stadt lebende Kinder verbringen 27% weniger Tage im KH als Kinder vom Land. Für den ambulanten Sektor zeigt sich, dass VLBW- im Vergleich zu gesunden NBW-Kindern ein signifikant erhöhtes Risiko haben, mehr ambulante Abrechnungstage (RR 1.43; 95%-KI 1.31-1.56) und Scheine (RR 1,29; 95%-KI 1,26-1,31) zu generieren. Unabhängig vom Geburtsgewicht generieren Kinder mit pKA mehr Scheine als gesunde Neugeborene. Hinsichtlich der Morbidität zeigt sich, dass die Unreife bei der Geburt in den ersten Lebensjahren mit einem erhöhten Risiko stationärer Behandlungen aufgrund von Erkrankungen des Respirationstraktes, des zentralen Nervensystems und infektiösen Darmkrankheiten einhergeht. Im ambulanten Bereich sind Erkrankungen des Respirationstraktes die führende Ursache für eine Behandlung, mit geringen Unter-schieden zwischen den Gewichtsgruppen.
Diskussion: Die Folgen eines Geburtsgewichtes von unter 2.500 g auf individueller Ebene und für das Gesundheitssystem sind enorm und beschränken sich nicht auf die Perinatalperiode. VLBW-Kinder zeigen spezifische Morbiditätsmuster und weisen bis zum Schuleintrittsalter eine erhöhte ambulante als auch stationäre IA sowie erhöhte Gesundheitskosten auf. Versorgungsunterschiede zwischen Stadt und Land deuten auf mögliche Effizienzreserven in der pädiatrischen Versorgung hin.
Praktische Implikationen: Aufgrund ihrer langfristig erhöhten Behandlungsbedarfe im Vergleich zu gesund geborenen Kindern benötigen sowohl Kinder mit geringem Geburtsgewicht als auch normalgewichtig, aber krank geborene Kinder eine gezielte, sektorenübergreifend abgestimmte Versorgung. Ein Ausbau des ambulanten pädiatrischen Sektors in ländlichen Regionen wäre zu diskutieren, um den Grundsatz „ambulant vor stationär“ in allen Regionen zu gewährleisten.