Autor:innen:
H. Rempe (Bamberg, DE)
E. Kiesswetter (Nürnberg, DE)
D. Volkert (Nürnberg, DE)
G. Sproesser (Konstanz, DE)
C. Sieber (Nürnberg, DE)
E. Freiberger (Nürnberg, DE)
Hintergrund: Interventionen zur bedarfsgerechten Ernährung, die für ältere Menschen einen Beitrag zum Erhalt von Gesundheit und zur Prävention von Mangelernährung leisten können, setzten meist ein gesundheitsorientiertes Essverhalten der Patienten voraus. Bislang ist jedoch wenig bekannt, wie stark Gesundheitsaspekte eine Rolle in der Essenswahl für funktionell eingeschränkte, ältere Menschen spielen und welche weiteren Motive das Essverhalten wesentlich beeinflussen. Ziele waren daher (a) die Identifikation von Motiven mit starkem Einfluss auf die Essenswahl und (b) die Untersuchung soziodemografischer und gesundheitsbezogener Faktoren im Zusammenhang mit einer schwachen gesundheitsorientierten Essmotivation (SGE).
Methoden: In diese Substudie der europaweiten, multizentrischen Interventionsstudie SPRINT-T“* wurden 166 selbständig lebenden Senioren ≥ 70 Jahren im Raum Nürnberg mit funktionellen Einschränkungen („Short Physical Performance Battery“ 9-3) einbezogen. Unter Anwendung des „Eating Motivation Survey“ erfolgte die Erfassung 15 übergeordneter Essmotive auf einer 7-stufigen Likert-Skala von 1 „nie“ bis 7 „immer zutreffend für das Essverhalten“. Zusätzlich wurden Geschlecht (70,5% weiblich), Alter (80,4±5,2 Jahre), Body Mass Index (29,5±5,5), Lebensform, Kognitionen, Schmerz, Medikamentenstatus, subjektive Gesundheit und Gebrechlichkeitsstatus anhand der Fried-Kriterien erhoben. Neben deskriptiven Auswertungen erfolgte eine multivariate Regressionsanalyse mit dem Motiv „Gesundheit“ als abhängige Variable (1. vs. 2./3. Tertil).
Ergebnisse: Das Motiv „Appetit“ (5,4±1,4) hatte den größten Stellenwert in der Essenswahl der Teilnehmenden, gefolgt von „Gesundheit“ (4,7±1,6) und „Natürlichkeit“ (4,6±1,8). Die Wahrscheinlichkeit (OR) einer SGE war für männliche Teilnehmer um das 4,63-fache höher als für Frauen (95% KI 2,15–9,97). Im Vergleich zu Teilnehmenden mit drei bis fünf Gebrechlichkeitssymptomen (n=50) hatten Teilnehmende mit ein bis zwei Symptomen (n=99) eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit für eine SGE (OR=0,20; 95% KI 0,10–0,43). Darüber hinaus waren keine weiteren Faktoren mit einer schwachen gesundheitsorientierten Essmotivation assoziiert.
Schlussfolgerung: Der Stellenwert des Gesundheitsmotivs in der Essenswahl deutet insgesamt auf eine hohe Empfänglichkeit älterer Menschen mit Funktionseinschränkungen für gesundheitsbezogene Ernährungsinterventionen hin. Besonders für männliche und gebrechliche Senioren sollten personalisierte Strategien zum Einsatz kommen und mögliche Barrieren einer gesundheitsförderlichen Ernährung thematisiert werden. Weiterhin empfiehlt es sich, vor allem geschmackliche und genießerische Aspekte der Essenswahl in Beratungskonzepten zu berücksichtigen.
*Sarcopenia & Physical Frailty in older people: multicomponent treatment strategies