Autor:innen:
J. Schiefer (Magdeburg, DE)
J. Peters (Magdeburg, DE)
H. Gröne (Heidelberg, DE)
M. Zenker (Magdeburg, DE)
C. Bergmann (Freiburg im Breisgau, DE)
B. Witte (Magdeburg, DE)
P. Mertens (Magdeburg, DE)
C. Chatzikyrkou (Magdeburg, DE)
Fallvorstellung: Die Zuweisung des 36-jährigen syrischen Patienten aus der Orthopädie erfolgte zur Abklärung einer Osteomalazie und Niereninsuffizienz. Wiederholte Knochenbrüche der Beine mit insuffizienter Frakturheilung (Abb. 1) sowie eine Hyperlordose seien seit dem 13. Lebensjahr aufgetreten. Seine Schwester sei mit ähnlicher Symptomatik im Jugendalter verstorben. Außer einer zeitweise substituierten Hypothyreose bei vermuteter Hashimoto-Thyreoiditis sind keine Vorerkrankungen bekannt. Zusätzlich zur Nierenfunktionseinschränkung (eGFR 38 ml/min) zeigte sich eine generalisierte Funktionsstörung der proximalen Tubuli im Sinne eines kompletten De-Toni-Fanconi-Syndroms mit Hypokaliämie, Hypophosphatämie, renal tubulärer Azidose, tubulärer Proteinurie, Aminoazidurie und Glukosurie. In der Nierenbiopsie präsentierten sich lichtmikroskopisch eine fokal-segmentale, fokal-globale Glomerulosklerose und ein ausgeprägter chronischer tubulointerstitieller Schaden mit abgeflachten und segmententdifferenzierten Tubuli. Elektronenmikroskopisch (EM) fielen langstreckig fehlende Podozytenfußfortsätze auf. Es erfolgte eine genetische Untersuchung, wo eine pathogene Missense-Mutation c.451A>G (Arg161Gly) im Gen des lysosomalen Cystintransporters (CTNS) homozygot nachgewiesen wurde. Die nachgeforderte Elektronenmikroskopie zeigte in den Zellen der proximalen Tubuli mit hyperdensem Material prall gefüllte Lysosomen, teilweise mit Membranruptur (Abb. 2). Es wurde eine nephropathische Cystinose (juvenile Form) mit Endokrinopathie und sekundärer Osteomalazie im Rahmen der Tubulopathie diagnostiziert. Neben der Elektrolyt-, Bicarbonat- und Vitamin D-Substitution wurde eine Cystin-entspeichernde Therapie mit Mercaptamin-hydrogentartrat eingeleitet. Eine augenärztliche Untersuchung steht noch aus.
Schlussfolgerungen:
Der Fall verdeutlicht, dass bei Osteomalazie frühzeitig an eine komplexe metabolische Osteopathie gedacht werden sollte, bei der die Niere oft eine Rolle spielt. Es müssen metabolische, hereditäre, autoimmune und toxische Einflüsse bedacht werden. Bei relativ homogenem mitteleuropäischem Kollektiv ist die Cystinose global eine Erkrankung mit variablem Erscheinungsbild. Bei Europäern wird in 75 % der Fälle eine 57-kb-Deletion im CTNS-Gen mit Funktionsverlust des Proteins beobachtet, die mit schwerer Symptomatik ab dem Kleinkindalter, Dialyse-pflichtiger Niereninsuffizienz mit ca. 10 Jahren und Enzephalopathie im Erwachsenenalter einhergeht. Am zweithäufigsten ist die adulte, rein okuläre Form. In türkischen und persischen Fallserien werden verschiedene Punktmutationen beschrieben. Bei unserem Patienten findet sich eine intermediäre Symptomatik mit fortgeschrittener, aber keiner terminalen Niereninsuffizienz. Zudem hat er hat ein Studium erfolgreich abgeschlossen und weist keine kognitiven Störungen auf.