Hintergrund
Geflüchtete Frauen sind mit dem deutschen Gesundheitssystem nicht oder nur wenig vertraut. Die Beratungserfahrung zeigt, dass das Wissen von Frauen in Bezug auf ihren Körper, Sexualität, Verhütung und Schwangerschaft unzureichend oder gar nicht vorhanden ist. Der Zugang ins Beratungssystem ist vor dem Hintergrund von Informationsmangel, Schwellenängsten und Sprachproblemen erschwert. Deshalb ist es sinnvoll, sie an ihrem Aufenthaltsort aufzusuchen, um sie über Beratungs- und Hilfsangebote zu informieren.
Zielsetzung
Die Schwangerenberatung des Gesundheitsamts Düsseldorf hat das Pilotprojekt als aufsuchendes Angebot in Flüchtlingsunterkünften initiiert, um niederschwellig Informationen zu den Themen Empfängnisverhütung, Schwangerschaft und Geburt sowie diesbezüglichen Beratungsangeboten zu vermitteln.
Gleichzeitig soll den geflüchteten Frauen ein Erfahrungsaustausch untereinander ermöglicht werden.
Inhalte
- Informationen über körperliche Vorgänge im Zusammenhang mit Sexualität, Schwangerschaft und Geburt in Düsseldorf
- Informationen über gesetzliche Hilfen und Hilfsfonds
- Informationsvermittlung und sachgerechte Anwendung von Verhütungsmitteln und der „Pille danach“
- Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch
Methode
Die Durchführung des Pilotprojekts umfasst:
- Angebot vor Ort in den Unterkünften einmal wöchentlich für ca. zwei Stunden: Eine Gynäkologin im
wöchentlichen Wechsel mit einer Sozialpädagogin, begleitet jeweils durch eine Sprach- und Kulturmittlerin
- Aufsuchende Kontaktaufnahme in einem „geschützten Rahmen“ ohne männliche Begleitung
- Vorstellen der Beratungsstelle mit ihren Angeboten
- Anschauungsmaterial zeigen und erklären, beispielsweise mit Hilfe des „Verhütungskoffers“ und
Modellen der weiblichen Anatomie
- Aushändigen von Infomaterial
Die Beratungserfahrung zeigt, dass der Zugang zu den Frauen wesentlich erleichtert wird, wenn eine Frau aus dem jeweiligen Kulturkreis anwesend ist und deren Sprache spricht.
Fazit
Das Angebot stellt eine sinnvolle Ergänzung der bereits bestehenden psychosozialen Angebote für Flüchtlinge dar. Das Wissensspektrum der Teilnehmerinnen über das deutsche Gesundheitssystem, den eigenen Körper sowie unterschiedliche Verhütungsmethoden konnte erheblich erweitert werden. Voraussetzung ist, dass das Angebot unter Ausschluss von Männern stattfindet und somit die Sprach- und Kulturmittlung auch zwingend durch eine Frau erfolgen muss.
Bei den bisher durchgeführten Veranstaltungen zeigte sich, dass sich eine geringe Teilnehmerinnenzahl positiv auswirkt. Den Frauen wurde dadurch das Ansprechen von sehr persönlichen, intimen und schambesetzten Themen ermöglicht.
Durch das unterschiedliche Alter der Frauen ergab sich ein vielfältiges Themenspektrum. Darüber hinaus spielt der Erfahrungsaustausch untereinander mit unterschiedlichen, kulturell bedingten Herangehensweisen an Sexualität und Partnerschaft eine wichtige Rolle. Bewährt hat sich dabei der informelle Rahmen der Veranstaltung.
Einleitung
Die Lyme-Borreliose (LB) wird durch Schraubenbakterien des Borrelia burgdorferi sensu lato Komplexes ausgelöst und ist zwischen dem 40. und 60. Grad nördlicher Breite endemisch. Mitte 2012 wurde am LGL das LYDI-Sentinel initiiert mit dem Ziel, aktuelle Daten zum Auftreten der LB in Bayern auch hinsichtlich der häufigsten klinischen Manifestationen der LB (Erythema migrans (EM), Neuroborreliose (NB) und Lyme-Arthritis (LA)) zu erlangen.
Methode
Im LYDI-Sentinel wurden in Bayern ganzjährig Daten von Erwachsenen zur Lyme-Borreliose von kooperierenden hausärztlich tätigen Kollegen, niedergelassenen Dermatologen, Rheumatologen und Neurologen freiwillig erhoben. Über einen Fragebogen wurden pseudonymisierte Daten zum Patienten, zur Symptomatik der aktuellen LB Erkrankung (Allgemeinsymptomatik, dermatologische, neurologische und arthritischen Symptomatik), zur Labordiagnostik und zur Therapie erfasst und anhand von Falldefinitionen den drei klinischen Manifestationen EM, NB, LA zugeordnet.
Ergebnisse
In den Jahren 2013 bis 2016 wurden 282 Fälle über die Falldefinitionen den klinischen Manifestationen zugeordnet: 97,2% entwickelten ein EM, 3,2% eine LA und 0,4% eine NB. Die meisten LB Fälle wurden in den Sommermonaten Juni/Juli übermittelt. Im Jahr 2013 wurden deutlich mehr LB Fälle gemeldet als in den Jahren 2014, 2015 oder 2016.
Mit zunehmendem Alter traten bei den Erwachsenen vermehrt LB Neuerkrankungen auf mit einem Maximum in der Altersklasse von 50-64 Jahren. Das EM war bei je 29% der Patienten 5-9 cm bzw. 10-14 cm groß, bei 16% 15-19 cm und bei 26% ≥20 cm. Es befand sich bei 51% der Patienten an den Beinen, bei 23% am Rumpf, bei 17% an den Armen und bei 8% an der Anogenitalregion.
98 % (277 von 282) der LYDI-Patienten der Jahre 2013 bis 2016 wurden antibiotisch behandelt, hauptsächlich mit Doxycyclin (91%). Bei 88% der Patienten wurde der Therapieausgang rückgemeldet: dieser war stets erfolgreich (100%).
Zusammenfassung
Die klinische Manifestation der LB ist fast immer ein EM. Die meisten LB Fälle kommen in den Sommermonaten vor, wobei unter den Erwachsenen die über 50-Jährigen stärker betroffen sind. Von vielen Patienten wird ein EM erst sehr spät festgestellt; nur ca. 50% der Patienten nimmt einen Zeckenstich wahr. Nach LB-Diagnosestellung sollte eine leitliniengerechte Therapie eingeleitet werden, die in der Regel sehr erfolgsversprechend ist.
Einleitung
Das Bayern Influenza Sentinel (BIS) überwacht seit Ende 2009 die Zirkulation humanpathogener Influenzaviren in Bayern. Es ist eine Kooperation zwischen niedergelassenen Kinder- und Hausärzten mit dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Ziel des BIS ist es, den jährlichen saisonalen Verlauf des Influenzageschehens in Bayern virologisch zu erfassen, zirkulierende Influenzastämme zu beschreiben und darüber die bayerische Bevölkerung zu informieren.
Methode
Während einer Influenzasaison (Kalenderwochen (KW) 40 bis 15) schicken ca. 75 kooperierende Ärzte, die über ganz Bayern verteilt sind, 2 Rachen- oder Nasenabstriche pro Woche von Patienten mit einem akuten respiratorischen Infekt zusammen mit einem Fragebogen ans LGL. Dort werden die Proben mittels real time PCR auf Influenzaviren (Typ A, Subtypen H1N1 und H3N2 und Typ B) und bei Kindern ≤ 5 Jahren zusätzlich auf Respiratorische Synzytial-Virus untersucht.
Ergebnisse
Eine neue graphische Darstellung unter Einbeziehung der Streuung früherer Influenzasaisons mittels deren Spannweiten ermöglicht es in dieser Form erstmals für Bayern, die Dynamik des Influenzageschehens einer laufenden Saison im Vergleich zu vorherigen Saisons einzuordnen: Die Influenzasaison 2016/17 begann früher und endete früher als vorherige Saisons (KW 50/2016 bis KW 11/2017). Die durchschnittliche Positivenrate lag bei 33%.
Die Influenzasaison 2016/17 wurde vom Influenza A H3N2 Virus dominiert (92%) mit einem ersten Höhepunkt in KW 51 (Positivenrate: 61%) und einem zweiten Gipfel in KW 4 (Positivenrate: 59%).
In der Praxis ist eine Influenzainfektion symptomatisch häufig nicht zuverlässig von einer anderen ARE (akute respiratorische Erkrankung) abzugrenzen. Bei Patienten mit nachgewiesener Influenzavirusinfektion begann die Erkrankung häufiger akut (92%), sie klagten öfter über Husten (92%) und Fieber (83%) als ARE-Patienten ohne Influenza (p
Hintergrund
Im Jahr 2015 wanderten mehr als 4,5 Millionen Menschen in ein Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) ein. Eine unbekannte Anzahl von MigrantInnen leben ohne Papiere in der EU, sind nicht (mehr) behördlich registriert und damit meist von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen. Seit 2016 wird als Modellprojekt des Landes Niedersachsen in Hannover und Göttingen in Vergabestellen ärztlich beraten. Bei Bedarf werden Behandlungsscheine für eine gesundheitliche Versorgung von akuten Erkrankungen, Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen ausgegeben.
Methode
Wir beschreiben für die ersten 1,5 Jahre seit Projektstart (01.02.2016-31.07.2017) die Anzahl der Besuche und Beratungsanlässe sowie soziodemographische Merkmale der Betroffenen, die in den Vergabestellen dokumentiert werden. Zudem beschreiben wir die Erkrankungsgruppen und Vorsorgeleistungen, die nach der WHO International Statistical Classification of Diseases (ICD-10) erbracht wurden. Ziel ist die Identifikation besonderer Bedarfe niederschwelliger Angebote.
Ergebnisse
Es erhielten 162 Personen 417 Behandlungsscheine für eine ärztliche Versorgung. Im Mittel wurden 22 Scheine pro Monat ausgegeben (Spannweite: 1-54/Monat). Der Altersmedian lag bei 31 Jahren (Spannweite: vier Monate bis 86 Jahre), 27/162 (17%) waren
Hintergrund
Für das Screening von Patienten auf MRSA gelten in Deutschland die gesetzlich bindenden Empfehlungen der KRINKO. „Screenen nach KRINKO“ ist ein Schlagwort für gute krankenhaushygienische Praxis, dabei wird davon ausgegangen, dass die KRINKO-Empfehlungen in einrichtungsbezogene Hygienepläne umgesetzt werden.
Das „MRE-Netzwerk Metropolregion Rhein-Neckar“, bestehend aus 34 Krankenhäusern von vier Gebietskörperschaften und den zugehörigen Gesundheitsämtern, hatte als Arbeitsthema die Harmonisierung der Screeningverfahren gewählt. Hierzu wurde im ersten Schritt eine Erhebung der Screeningstandards vorgenommen.
Zielsetzung
Ziel der Studie war die Sachstandserhebung der bestehenden MRSA-Screeningstandards der 34 Kliniken des MRE-Netzwerkes Metropolregion Rhein-Neckar und die Überprüfung der KRINKO-Konformität.
Methoden
Von den 34 dem Netzwerk angehörenden Krankenhäusern wurden die jeweiligen MRSA-Standards den vier zuständigen Gesundheitsämtern zugesendet und von diesen getrennt nach Screeningkriterien und –methodik anonymisiert ausgewertet und mit den KRINKO-Empfehlungen abgeglichen. Anhand der KRINKO-Empfehlungen wurden in den Unterabschnitten „Kriterien“ und „Methodik“ Scores gebildet. Bei vollständiger Übereinstimmung konnten die Häuser in beiden Scores Maximalwerte erreichen.
Ergebnisse
In die Auswertung gingen hausinterne Screeningstandards aller 34 (100%) am Netzwerk teilnehmenden Kliniken ein. Es wurden 10 Screeningkriterien für MRSA bei Klinikaufnahme in der KRINKO-Empfehlung identifiziert (Score „Kriterien“, maximal 10 Punkte). 16 von 34 Krankenhäusern (47%) erfüllten alle Kriterien. Im Mittel wurden 9 von 10 Kriterien erfüllt. Am häufigsten wurde hierbei die Kriterien „Patient aus Einrichtungen/Region mit hoher MRSA-Prävalenz“ nicht in den hausinternen Standards umgesetzt. Deutliche Unterschiede waren in der hausinternen Definition einer hohen Prävalenz ersichtlich. Ergänzungen mit nicht-KRINKO-gelisteten Kriterien, wie „voraussichtliche Dauer des stationären Aufenthaltes “, „Flüchtling/ Asylbewerber“ oder „risikobereichsbezogenes Aufnahmescreening“ hatten 18 von 34 Häusern (53%).
In der Screeningmethodik (Score „Methodik“), die Punkte wie den Abstrichort , prästationäres Screening und die Präanalytik beinhaltete, zeigte sich in Bezug auf den Abstrichort vorwiegend KRINKO-konformes Verhalten der Häuser, wobei eine Regelung zu prästationärem Screening nur 12 von 34 Krankenhäusern (35%) festgelegt hatten.
Schlussfolgerung
Die von der KRINKO definierten Kriterien zum MRSA-Aufnahmescreening und Abstrichort wurden von den meisten Krankenhäusern KRINKO-konform in die einrichtungsspezifischen Hygienestandards umgesetzt.
Abweichungen der Häuser untereinander zeigten sich vor allem im Bereich der nicht-KRINKO-gelisteten Kriterien, bzw. der nicht explizit definierten Begriffe wie : „risikobereichsbezogene Aufnahmescreening“ oder Definition von hohen Prävalenzen. Hier gibt es Potential im Rahmen der Netzwerkarbeit Kriterien zu erarbeiten.
Hintergrund: In Deutschland eröffnen in den letzten Jahren immer mehr Nagelstudios. Für die Betreiber sind bislang keine Qualitätsanforderungen gesetzlich verankert. Die Gesundheitsämter können aber die Hygiene nach den einschlägigen Landeshygieneverordnungen überwachen. In Frankfurt am Main überwacht das Gesundheitsamt die Fußpflege-/Podologiepraxen, Kosmetikstudios, Nagelstudios, Friseurbetriebe seit 2006 intensiver. Da über die Jahre wenig Verbesserungen zu erkennen waren, wurde 2017 ein „Sonderprojekt Nagel- und Kosmetikstudios“ durchgeführt und – nach Angebot von Informationsveranstaltungen – die Studios hygienisch kontrolliert.
Material und Methode: Alle ca. 600 Studios in Frankfurt/Main wurden zu Informationsveranstaltungen eingeladen; Flyer wurden in verschiedenen Sprachen verteilt. Danach wurden die Studios mittels einer Checkliste von Mitarbeitern des Gesundheitsamtes begangen. Die Checkliste enthielt über 50 einzeln abzuprüfende Fragen, für die Punkte vergeben wurden. Für die Auswertung wurden diese thematisch zusammengefasst und auf die jeweilig maximal erreichbare Punktzahl des Themenbereichs bezogen.
Ergebnisse: Es wurden 112 Erst/Routinebegehungen vorgenommen (Daten der erforderlichen 36 Nachkontrollen in Klammern). Bei den fachlichen Grundlagen wurden 33% (42%) der maximalen Punktzahlen erreicht, bei den Anforderungen an Hygienekenntnisse des Personals 76% (80%), bei den Desinfektionsmaßnahmen 93% (95%). Maßnahmen wie Untersagung der Tätigkeiten, Versiegelung von Räumen oder Gegenständen waren in ca. einem Drittel der Fälle erforderlich.
Diskussion und Schlussfolgerung: Die Fortbildungen wurden gut besucht, dennoch verfügten nur wenige Studios über ein angemessenes Hygienemanagement. Es wurden teilweise erhebliche Mängel gefunden. Oft war die Kommunikation sehr schwierig, weil die Mitarbeiter der Studios aber auch die Betreiber kein Deutsch sprachen. Unsere Ziele, „Wachrütteln“ der Nagelstudio- und Kosmetikstudioszene in Frankfurt am Main sowie Erhöhung des Drucks auf die Betreiber wurde zumindest teilweise erreicht. Die Aktion wird wiederholt werden.
Mortalitätssurveillance ist ein notwendiges Instrument, um abrupte Veränderungen der Mortalität in der Bevölkerung aufzudecken. Zusätzlich ist die Exzessmortalität ein wertvoller Parameter zur Einschätzung der Schwere von gesundheitsgefährdenden Ereignissen, wie Influenzaepidemien/-pandemien, Hitze-/Kältewellen oder Bioterroranschlägen. Seit 2009 koordiniert EuroMOMO, ein ECDC- und WHO-finanziertes Netzwerk, eine solche Mortalitätssurveillance in europäischen Ländern. In Niedersachsen und anderen Bundesländern sind jedoch zeitnahe Sterbedaten bisher nicht verfügbar. Anhand von historischen Daten beschreiben wir das Sterblichkeitsmuster in Niedersachsen 2004–2014, um relevante Ereignisse mit hoher Sterblichkeit aufzudecken und Empfehlungen zum schnellen Erkennen und Handeln abzuleiten.
Wir verwendeten Daten des Statistischen Bundesamtes zur wöchentlichen Gesamtmortalität in Niedersachsen 2004–2014, stratifiziert in 5-Jahres-Altersgruppen, und modellierten die Anzahl der wöchentlich erwarteten Sterbefälle mithilfe des EuroMOMO-Algorithmus, einem Poisson-Regressionsmodell justiert für Trend und saisonale Variation. Als Hauptindikatoren wurden generiert: (i) wöchentliche Anzahl aller Sterbefälle, (ii) erwartete wöchentliche Zahl der Sterbefälle (Basislinie), (iii) wöchentliche Anzahl der überschreitenden Sterbefälle und (iv) Standardabweichung um die Basislinie (z-Score); gesamt und stratifiziert nach Altersgruppen (<5, 5–14, 15–64, 65–74,75–84, 85+ Jahre).
Vorläufige Analysen der Gesamtmortalität in Niedersachsen zeigten die höchsten Exzessmortalitäten in den Wintern 2004/2005, 2008/2009 und 2012/2013. In diesen Wintern waren ausgeprägte Influenzawellen mit erheblicher Zirkulation von Influenzaviren des Typs A (H3N2) zu verzeichnen. Deutliche Exzessmortalität zeigte sich auch in den Sommern 2006 und 2010, beide korrelieren eng mit Hitzeperioden jeweils im Juli. Die Exzessmortalität betraf ältere Menschen über 65 Jahre. In den Wintern 2004/2005 und 2012/2013 betraf der Exzess vornehmlich die über 75-Jährigen; die Sommer-Exzessmortalitäten beschränkten sich überwiegend auf die über 85-Jährigen.
Die Ergebnisse zeigen einen starken Anstieg der Sterblichkeit bei älteren Menschen im Zusammenhang mit verstärktem Auftreten von Influenza A (H3N2) im Winter sowie anhaltender Hitze im Sommer. Insbesondere Menschen ab 75 Jahren sind gefährdet. Wir empfehlen die Planung und Umsetzung gezielter Maßnahmen zum Schutz älterer Menschen während Hitzeperioden. In Influenza-Saisons mit Zirkulation von Influenza A (H3N2) sollte eine Behandlung mit Neuraminidase-Inhibitoren von bestätigten oder wahrscheinlichen Influenzafällen bei Patienten mit dem Risiko schwerer Erkrankungen erwogen werden. Die Ergebnisse belegen die Wichtigkeit von zeitnaher Mortalitätssurveillance, um einen Anstieg der Sterblichkeit rechtzeitig zu erkennen und Sofortmaßnahmen zu implementieren. Wir empfehlen die Einrichtung einer Mortalitätssurveillance (EuroMOMO) in Niedersachsen.
Hintergrund: Seit dem 1. Juli 2017 forscht der Verbund „RoBoPub“ zur Epidemiologie von Hantaviren und Leptospiren. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) einfließen. „RoBoPub“ steht für „Strengthening Public Health by understanding the epidemiology of rodent borne diseases“. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten gefördert.
Methodik: Das RoBoPub-Verbundvorhaben beinhaltet sechs Arbeitsschwerpunkte, die sich in Bezug auf Hantaviren und Leptospiren integrativ mit den verschiedenen Seiten der Schnittstellen zwischen Umwelt, Reservoirwirt, Erreger und Mensch beschäftigen. Ziel des Konsortiums ist es, Wissen über die Erreger selbst, ihre Verbreitung, Wirtsassoziation, Stabilität und Übertragung zu generieren. Darüber hinaus werden Faktoren der als Wirt dienenden Nagetierspezies, wie deren Populationsschwankungen und zugrunde liegende Umwelt- und Klimaparameter, betrachtet. Schließlich werden Faktoren untersucht, die die Übertragung auf den Menschen beeinflussen, sowie die Möglichkeiten zur Prävention. Für beide Pathogene soll die Prävention durch die Erarbeitung von detaillierten Risikokarten, Frühwarnmodulen, Managementstrategien und Gesundheitsempfehlungen verbessert werden. Im Sinne der Primärprävention wird angestrebt, das Risikobewusstsein der Allgemeinbevölkerung und insbesondere der Risikogruppen zu erhöhen, und im Sinne der Sekundärprävention soll die Sensibilisierung der behandelnden Ärzte verstärkt werden.
Translation in den ÖGD: Diverse Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass die Translation der Ergebnisse des Forschungsverbundes in den ÖGD erfolgreich wird. Zunächst sind das Niedersächsische Landesgesundheitsamt, das Landeszentrum Gesundheit NRW (als assoziierter Partner) und das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit am Projektverbund beteiligt. Ein kompletter Arbeitsschwerpunkt des Verbundes ist dem Transfer von Erkenntnissen in den ÖGD gewidmet. Es sind mindestens drei Workshops vorgesehen, bei denen Vertreter des ÖGD mit den Forschern zusammentreffen und Input zur Entwicklung der Instrumente geben. Weiterhin sind Fokusgruppendiskussionen unter ÖGD-Beteiligung geplant.
Fazit: Der Forschungsverbund bietet eine Chance, neue Erkenntnisse zu Hantaviren und Leptospiren zu gewinnen und dadurch die primäre und sekundäre Prävention zu verbessern. Die im Verbund geplanten innovativen Präventions- und Informationskonzepte könnten eine Vorbildfunktion für die Prävention weiterer zoonotischer Infektionskrankheiten haben.
In den letzten 20 Jahren ist weltweit eine signifikante Zunahme von Clostridium-difficile-Infektionen (CDI) zu verzeichnen. C. difficile ist der häufigste Krankheitserreger nosokomialer Diarrhö und kann mithilfe molekularbiologischer Verfahren wie der Ribotypisierung kategorisiert werden. Wenngleich CDI bislang weitgehend als nosokomiale Infektionen gelten, zeigen aktuelle Studienergebnisse, dass dieser Erreger zunehmend auch im ambulanten Bereich an Relevanz gewinnt. Schwere Krankheitsverläufe unterliegen zudem gem. IfSGMeldAnpV (2016) der ärztlichen Meldepflicht.
Zwischen dem 21.04.2017 und dem 23.06.2017 wurden in der Region Osnabrück 27 Stuhlproben aus dem ambulanten Bereich positiv auf C. difficile getestet. Die daraus gewonnenen Kulturisolate wurden ribotypisiert. Zur Erhebung soziodemographischer Daten und potentieller Risikofaktoren einer CDI wurden die behandelnden Arztpraxen telefonisch befragt.
Innerhalb der untersuchten Stichprobe waren vermehrt jüngere Personen von der Erkrankung betroffen (Altersspanne 18 – 88 Jahre; arith. Mittel 58, Median 62 Jahre). Bei den ermittelten Risikofaktoren trat die Einnahme von Antibiotika besonders in Erscheinung. Ribotyp RT 014 und RT, die nicht genauer klassifiziert werden konnten (je 5 Isolate) zeigten die höchste Prävalenz, gefolgt von RT 078, RT 001, RT 005, RT 023 und RT 002. Die Verteilung unterscheidet sich damit sowohl deutlich zu den publizierten Ribotypen aus dem staionären Bereich als auch zu denen der ambulanten Vorstudie aus dem Jahr 2010. Die in diesem ambulanten Cluster als meldepflichtig einzustufenden Erkrankungen wurden den Gesundheitsämtern nicht vollständig mitgeteilt.
Die Ergebnisse der Fallstudie zeigen, dass die CD-Zirkulation im ambulanten Bereich nur sehr partiell mit dem stationären setting überlappt und die Relevanz von CDI im ambulanten Bereich wahrscheinlich gravierend unterschätzt wird. Es ergeben sich Hinweise auf eine autochtone, ambulante Zirkulation von besonderen Ribotypen, die unbedingt weiter untersucht werden sollte. Der Kenntnisstand der Gesundheitsämter bildet aufgrund einer unzureichenden Umsetzung der Meldepflicht derzeit nicht die reale Situation und Relevanz dieser bakteriellen Erkrankung ab.
Hintergrund:
Stellungnahmen zu hygienerelevanten Krankenhausbauvorhaben sind für den ÖGD eine der nachhaltigsten Möglichkeiten, hygienerelevante Strukturqualität zu beeinflussen. In Baden-Württemberg müssen bei Bauanträgen zu medizinischen Einrichtungen die Gesundheitsämter gehört werden. Krankenhäuser sind verpflichtet, hygienerelevante Bauvorhaben hygienisch fachlich bewerten zu lassen. Bei der Bewertung der Bauvorhaben ist die Wahrung von Leitlinienkonformität, Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit, Qualitätssicherung und Handlungssicherheit wichtig. Es existieren hierzu wenige Vorgaben, Empfehlungen oder Good Practice Beispiele. Das Gesundheitsamt Mannheim hat im Rahmen eines periodisch hohen Aufkommens an Krankenhausbauvorhaben 2017 ein standardisiertes Vorgehen entwickelt, das zur Diskussion gestellt werden soll.
Ziele:
Entwicklung eines Standards zu Stellungnahmen zu hygienisch relevanten Krankenhausbauvorhaben zwecks Gewährleistung von Leitlinienkonformität, Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit, Qualitätssicherung sowie von Handlungssicherheit und Arbeitserleichterung für die Gutachter.
Methode:
Krankenhausbauvorhaben wurden vom Gesundheitsamt zunächst auf ihre Vollständigkeit hinsichtlich der für eine Stellungnahme notwendigen Angaben geprüft. Regelhaft war aus der krankenhaushygienischen Stellungnahme und den Bauplänen die Nutzung von Räumen nicht erkenntlich. Daher wurde die Vorlage eines Nutzungskonzeptes durch den Bauherrn gefordert. Es wurden vom Gesundheitsamt für alle Raumfunktionen Solltabellen mit Kriterien zu Vorhandensein, Größe, Lage und Hygieneausstattung erstellt, die sich an offiziellen fachlichen Leitlinien orientierten. Die Raumplanung und krankenhaushygienischen Stellungnahmen wurde dann mit den Solltabellen abgeglichen.
Ergebnisse:
Das Gesundheitsamt Mannheim hat auf diese Weise 2017 zu zwei Großbauprojekten und fünf mittelgroßen Bauvorhaben Stellung genommen. Alle Planungsvorhaben wurden in Gesprächen mit den Kliniken begleitet. Nach anfänglichen Unklarheiten seitens der Kliniken zur Erstellung eines Nutzungskonzeptes wurde dieses Vorgehen von allen Kliniken akzeptiert und verstanden. Die Erstellung der Solltabellen war zunächst zeitintensiv. Nach Erstellung konnten Solltabellen bei weiteren Stellungnahmen zu ähnlichen Bauvorhaben wiederverwendet werden und führten so zu einer Arbeitserleichterung. Für die Mitarbeiter bedeutete der die Festlegung eines standardisierten Vorgehens für bauhygienische Stellungnahmen Handlungssicherheit.
Schlussfolgerungen:
Ein standardisiertes Vorgehen bei Stellungnahmen zu hygienerelevanten Krankenhausbauvorhaben gewährt ein hohes Maß an Leitlinienkonformität, Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und Qualitätssicherung sowie Handlungssicherheit für den Gutachter. Nach anfänglich erhöhtem Arbeitsaufwand kann mittelfristig mit einer deutlichen Einsparung von Arbeitszeit gerechnet werden. Offizielle Empfehlungen für derartige Stellungnahmen wären wünschenswert.
Einleitung
Medizinstudierende sind besonderen Infektionsrisiken ausgesetzt, außerdem sind sie potentielle Überträger von Infektionskrankheiten auf Patientinnen und Patienten. Vor diesem Hintergrund sind Zahlen zum Immunschutz Medizinstudierender von besonderem Interesse.
Es war das Ziel der vorliegenden Untersuchung,
a) den Impfstatus von Medizinstudierenden der Ruhr-Universität Bochum insbesondere im Hinblick auf Masern-, Pertussis- und Hepatitis B-Impfungen zu überprüfen.
b) durch die Einbindung der Impfpassüberprüfung in die Lehre eine Sensibilisierung der Studierenden gegenüber möglichen Impflücken zu erreichen.
c) mittels einer Follow-Up-Erhebung ein Jahr nach der Intervention den Erfolg der Maßnahme zu überprüfen.
Methodik
Allen Medizinstudierenden der Ruhr-Universität Bochum wird im dritten Semester die Überprüfung des Impfpasses im Rahmen des Unterrichts angeboten. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Medizinstudierenden erhalten nach der Impfpass-Überprüfung jeweils individuelle schriftliche Empfehlungen zur Komplettierung des Impfstatus und die Möglichkeit zur Durchführung von Hepatitis-B-Impfungen. Im fünften Semester findet eine erneute Überprüfung des Impfstatus im Rahmen des Impfkurses statt. Grundlage der Bewertung sind die aktuellen Empfehlungen der STIKO (Standardimpfungen und Indikationsimpfungen aus beruflichem Anlass im medizinischen Bereich). Es wurden die Daten aus den Jahren 2015 und 2016 ausgewertet.
Ergebnisse und Diskussion
Von 242 Studierenden des dritten Semesters lagen auswertbare Angaben vor. Die Beteiligung an der Datenerhebung lag bei 82 %. Die Überprüfung des Impfstatus im dritten Semester ergab, dass 55 % der Studierenden unzureichend gegen Pertussis geimpft waren. Bei 26 % wurde eine Masern-Impfung empfohlen. 11 % hatten bereits eine Anti-HBs-IgG-Bestimmung zum Nachweis eines ausreichenden Schutzes vor Hepatitis B erfolgreich durchführen lassen, 61 % erhielten die Empfehlung zur einmaligen Hepatitis B-Auffrischungsimpfung mit anschließender Anti-HBs-Bestimmung. Bei den übrigen musste die Hepatitis B-Grundimmunisierung begonnen oder komplettiert werden. Bei nur 1 Studierenden des dritten Semesters war eine aktuelle Influenza-Impfung dokumentiert.
Alle Studierenden erhielten eine individuelle Analyse Ihres Impfstatus mit Empfehlungen zur Durchführung fehlender Impfungen. Im Rahmen des Lehrprojekts wurden Hepatitis B-Impfungen angeboten.
Während der Projekts wurden 118 Hepatitis B-Impfungen verabreicht, wie die Dokumentation in der Follow-Up-Untersuchung belegt.
Schlussfolgerung
Die Einbindung der Impfpassüberprüfung in den klinischen Unterricht ist ein aufwändiges, aber sinnvolles Instrument zur Verbesserung der Impfquoten künftiger Ärztinnen und Ärzte. Die Impfquoten bei Medizinstudierenden wurden deutlich verbessert.
Hintergrund
Zum 01.01.2017 trat das ProstSchG in Kraft. Damit wurde eine regelmäßige verpflichtende und namentliche Gesundheitsberatung für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter durch die Gesundheitsämter eingeführt. Im Vorfeld gab es große Unsicherheiten, wie sich dies auf die Inanspruchnahme der bestehenden anonymen und freiwilligen Beratungs- und Untersuchungsangebote der Gesundheitsämter auswirkt.
Methodik
Es wurden die routinemäßig in der Sprechstundendatenbank (Gumax) anonym erfassten Patientendaten von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern ausgewertet, die sich im Jahr 2017 in der HIV/STI-Sprechstunde des Gesundheitsamtes Franfurt am Main vorstellten.
Schwerpunkt waren - neben der Entwicklung des Patientenaufkommens - mögliche Änderungen in der Zusammensetzung der Patientinnen und Patienten hinsichtlich demografischer und sozialer Merkmale.
Ergebnisse
In einer ersten Zwischenauswertung war für das dritte Quartal 2017 ein Anstieg der Untersuchungszahlen um 58 % gegenüber dem Durchschnitt der ersten beiden Quartale zu verzeichnen.
Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, die sich im Zusammenhang mit der Einführung des ProstSchG in der Sprechstunde vorstellten, waren etwas älter, verfügten bei ausländischer Herkunft über bessere Kenntnisse der deutschen Sprache, waren häufiger krankenversichert und stammten häufiger aus Lateinamerika oder Südostasien.
Eine abschließende Auswertung kann erst unter Einbeziehung der Daten des vierten Quartals 2017 erfolgen.
Schlussfolgerungen
Die Einführung des ProstSchG führt derzeit zu einer verstärkten Inanspruchnahme der HIV/STI-Sprechstunde des Gesundheitsamtes Frankfurt am Main. Es ergeben sich Hinweise auf Veränderungen der Patientenstruktur, die aber noch zu bestätigen sind.
Einleitung:
Mit dem Reformationsjubiläum wurde im Zeitraum 2016/2017 der 500. Jahrestag des Beginns der evangelischen kirchlichen Erneuerung begangen. In diesem Rahmen wurden in der sachsen-anhaltinischen Kleinstadt Wittenberg, der „Lutherstadt“ mit knapp über 40.000 Einwohnern, mehrere Großveranstaltungen durchgeführt:
• Deutscher Evangelischer Kirchentag mit Abschlussgottesdienst am 28.05.2017 mit 120.000 Besuchern
• Konfirmanden- und Jugendcamps Juni bis August 2017 (11 Camps mit durchschnittlich 1.200 Jugendlichen pro Woche)
sowie das Bundeslager des Verbands Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) mit etwa 5.000 Teilnehmenden
• Weltausstellung Reformation vom 20.05. – 10.09.2017 mit rund 80 Ausstellern und mehr als 2.000 Veranstaltungen mit
insgesamt fast 300.000 Besucher
• Festwochenende und 500. Reformationstag vom 29.10. – 31.10.2017 mit 50.000 Besuchern, darunter zahlreiche nationale
und internationale Prominente.
Das Gesundheitsamt des Landkreises Wittenberg war im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags im Vorfeld und während dieser Veranstaltungen mit zahlreichen Aufgaben betraut.
Aufgaben und Resultate:
• Belehrungen beim Umgang mit Lebensmitteln (§§ 42 u. 43 Infektionsschutzgesetz): über 200 zusätzliche Belehrungen
von nationalen und internationalen Freiwilligen
• Trinkwasser (§§ 37ff Infektionsschutzgesetz + Trinkwasserverordnung) : Probennahmen, Bewertung der Ergebnisse,
Beratung der Verantwortlichen und Leitungsfreigabe in Gemeinschaftseinrichtungen wie Jugend- und Baucamps
• Hygienebegehungen von Gemeinschaftseinrichtungen (§§ 42 u. 43 IfSG): Begehungen vor und während aller genannten
mehrtägigen Veranstaltungen für Jugendliche
• Teilnahme des Amtsarztes an zahlreichen Beratungen der Kreisverwaltung mit den Veranstaltern und anderen
beteiligten Behörden und Organisationen (§§ 1 u. 3 Gesundheitsdienstgesetz des Landes Sachsen-Anhalt)
• Mitwirkung des ärztlichen Personals als Fachberater Gesundheit im Katastrophenstab des Landkreises (§ 1
Gesundheitsdienstgesetz des Landes Sachsen-Anhalt)
Diskussion/Fazit:
Die Mitarbeiter*innen der Abteilung Infektionsschutz sowie das ärztliche Personal des Gesundheitsamtes waren in vielfältiger Weise involviert in die Planung, Durchführung und Absicherung der Veranstaltungen zum 500. Reformationsjubiläum im Landkreis Wittenberg. Als Teil des Öffentlichen Gesundheitsdienstes leisteten sie, ohne zusätzliche Personalkapazitäten, einen erheblichen Beitrag zum Gesundheitsschutz von Teilnehmenden und Mitwirkenden. Damit bewiesen sie erneut die Unverzichtbarkeit dieser „Dritten Säule“ des Gesundheitswesens in Deutschland.
Das 2015 vom Bundestag verabschiedete Präventionsgesetz (PrävG) zielt darauf ab, die Gesundheitsförderung und Prävention in den Lebenswelten der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und die Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten weiterzuentwickeln. Ebenso ist es darauf angelegt, das Zusammenwirken von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz zu verbessern.
Für die Umsetzung dieser Ziele sieht das Präventionsgesetz den Settingansatz in gesundheitsrelevanten Lebenswelten der Bevölkerung vor. Um die Prävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter erfolgreich umzusetzen, stellt die Kinder- und Jugendarztpraxis das primäre Setting dar. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der Familie, die einen großen Einfluss auf die Kinder- und Jugendgesundheit hat.
Durch das Präventionsgesetz wird aber auch der ÖGD vor neue Herausforderungen gestellt und die zu erbringenden Präventionsleistungen werden deutlich zunehmen. Die in manchen Bundesländern bereits erfolgte Etablierung der frühen Hilfen im ÖGD soll in den unterstützten Familien primärpräventive Verhaltensweisen stärken, die Früherkennung von Entwicklungsgefährdungen ermöglichen und ggfs. geeigneteTherapien einleiten.
Dies bedeutet, dass auch nicht-ärztliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Präventionsarbeit stärker eingebunden werden müssen. Die Delegation nicht-ärztlicher Leistungen an Medizinische Fachangestellte - MFA- und Gesundheits- und KinderkrankenpflegerInnen ist daher notwendig und schafft eine spürbare zeitliche Entlastung für Kinder- und Jugendmediziner auch im ÖGD. Dies erfordert eine zusätzliche qualifizierte Weiterbildung.
Die Bundesärztekammer hat bereits 2007 das Fortbildungscurriculum „Prävention im Kindes- und Jugendalter“ erarbeitet, das sich an MFA und an Gesundheits- und KinderkrankenpflegerInnen richtet. Die Deutsche Akademie für Prävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter - DAPG - bietet das 84 Unterrichtseinheiten umfassende Curriculum seit 10 Jahren an verschiedenen Standorten in Deutschland erfolgreich an. Im Jahr 2016 schloss die 1000. MFA bzw. Gesundheits- und KinderkrankenpflegerIn ihre Qualifikation zur Präventionsassistentin erfolgreich ab. Ca 5% der Absolventinnen waren im ÖGD angestellt.
Das Poster beschreibt die Inhalte des Fortbildungscurriculums „Prävention im Kindes- und Jugendalter“ wie auch die Methoden, um den zukünftigen Präventionsassistentinnen klare, im Praxisalltag anwendbare Handlungskompetenzen zu vermitteln. Die Motivation von Kindern und Familien zur Primärprävention durch aktivierende und strukturierte Kommunikation und Interaktion zu fördern und diese zu gesundheitsförderndem Verhalten anzuhalten, sind weitere wichtige Lernziele der Fortbildung.
Im Rahmen einer obligaten Hausarbeit entwickeln die TeilnehmerInnen ein selbst gewähltes Präventionsthema und präsentieren es zum Abschluss des Curriculums. Für den ÖGD wichtige Hausarbeiten werden beispielhaft vorgestellt.
Hintergrund:
STI sind bundesweit auf dem Vormarsch. Zwei Drittel der Infizierten sind junge Menschen bis zum 25. Lebensjahr; trotzdem sind STI, außer HIV/Aids, bei ihnen wenig bekannt. STI verursachen oft keine Anzeichen, können aber dennoch schwerwiegende Folgen haben, z.B. Leberzirrhose, Krebs, Gelenkentzündungen, Herz- und neurologische Erkrankungen und sogar den Tod.
Fragestellung:
Wie können Schülerinnen und Schüler für dieses Thema sensibilisiert werden?
Material und Methode:
Peer-Ansätze und interaktive Methoden sind erfahrungsgemäß besonders erfolgreich.
Deshalb entwickelten wir mit Achtklässlern einer Werkrealschule, Spielekisten zu verschiedenen STI. Nach einer fachlichen Einführung stellten die Kids Spielteile (z.B. hölzerne Puzzle-Stücke, Dominosteine, Filzläuse etc.) im hauswirtschaftlichen Unterricht selbst her, auch wurden einige von einer Holz-Werkstatt professionell produziert. Andere Klassen testeten die Spiele.
"6" Spiele sind interaktive Spielekisten zu sechs verschiedenen STI. In jeder Box befindet sich ein Spiel, eine Spieleanleitung, ein Infoblatt mit Informationen zu der jeweiligen STI sowie ein Frage-Antwort Blatt.
In 60 Minuten können zwei bis vier der folgenden Spiele gespielt werden:
HIV - Dominospiel
Hepatitis-B - Crossboule (ähnlich wie Boccia)
HPV (Humane Papillomvirus) - Kegelspiel
Syphilis - Puzzlespiel
Filzläuse - Brettspiel
Chlamydien - Flitzpuckspiel
Um einen emotionalen Zugang zu den Krankheiten zu ermöglichen bespielten wir eine DVD mit dem Interview einer HIV-Positiven und ihrem Mann und legten eine Mappe mit sechs persönlichen Geschichten von fiktiven Menschen mit STI an.
Das Projekt wurde mit Mitteln aus dem Aids-Etat des Gesundheitsdezernates (Gesundheitsamt) finanziert (ca. 700 €).
Die "6" Spiele können von den weiterführenden Schulen im Landkreis ausgeliehen werden.
Ergebnisse/Evaluation:
115 Schülerinnen und Schüler der 7.- 9. Klassen zweier Realschulen und eines Gymnasiums wurden an Hand eines Fragebogens befragt. Durchschnittlich waren die Schülerinnen und Schüler 14 Jahre alt. Aus Sicht der Schülerinnen und Schüler kam der Spaß-Faktor an erster Stelle, dann das Lernen über verschiedene Krankheiten und die Teamarbeit. Am besten kam das Hepatitis-Spiel (Cross-Boule) und das Chlamydien-Spiel (Flitzpuck) an (Note 2,3).
Laut Aussage der Lehrkräfte eignen sich die „6 Spiele“ für alle Schularten in den Klassen 7 – 10 sowie für Berufsschulen. Die Spiele werden als eine gut gelungene Ergänzung zum Biologie-Unterricht gesehen. Der spielerische Ansatz hat den Schülern großen Spaß bereitet und sie motiviert, sich mit einem Thema länger zu beschäftigen.
Schlussfolgerung:
Mit einem interaktiven, spielerischen Ansatz können Schülerinnen und Schüler für das Thema STI gut sensibilisiert werden.
Seit Ende 2016 sind aus Deutschland für Trifluoressigsäure (TFA) erhöhte Gehalte in Oberflächen- und Trinkwasserproben berichtet worden. Trinkwasserkonzentrationen bis maximal 1,5 µg/L wur-den für Niedersachsen in einer Pilotstudie des Industrieverband Agrar e.V. (IVA) aus 2016/17 mitge-teilt. In 5 der 65 gemessenen Proben wäre der Gesundheitliche Orientierungswert (GOW) des UBA für TFA von 1,0 µg/L damit überschritten worden, nicht jedoch der im Januar 2017 aktualisierte GOWTFA in Höhe von 3,0 μg/L.
TFA stellt dennoch eine grundsätzliche regulatorisch-toxikologische Herausforderung dar: Die Säu-re kommt ubiquitär vor, ist extrem polar, gut wasserlöslich und mobil, gilt zugleich als weitgehend persistent und ist nur schwer aus dem Wasser zu entfernen. Die Datenlage zur Belastung des Roh- und Trinkwassers mit TFA ist allgemein unzureichend und ist zur besseren Identifizierung möglicher Eintragsquellen und Entwicklung möglicher Minderungsstrategien zwingend zu verbessern. Ele-mentare Voraussetzung für eine flächendeckende Datenerhebung ist die Verfügbarkeit einer vali-den chemischen Analytik zur Bestimmung von TFA in Wasser mit zu definierenden Mindestquali-tätskriterien.
Im Sinne eines vorsorgenden Gesundheitsschutzes wird das bisher im systematischen Trinkwas-ser-Monitoring nicht berücksichtigte TFA erstmalig in die „Niedersächsische Landesliste - Trinkwas-seruntersuchungen auf Pflanzenschutzmittel und Biozidprodukte 2018“ (NiLaLi) aufgenommen. Mittels der NiLaLi wird dem kommunalen öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) empfohlen, bei der Trinkwasserüberwachung TFA künftig in das Untersuchungsspektrum aufzunehmen.
Zudem sind für TFA grundsätzliche Aspekte der gesundheitlichen Bewertung in Trinkwasser und im regulatorischen Kontext auch zu anderen Bereichen zu diskutieren:
a) Der Anteil von Pflanzenschutzmitteln (PSM als Eintragsquelle ist zu quantifizieren. Zudem sollten Ergebnisse des PSM-Gewässermonitorings im Zulassungsverfahren Berücksichtigung fin-den (Vergleich der Messwerte des Monitorings mit modellierten Ergebnissen der Grundwasserbe-lastung).
b) TFA stammt aus verschiedensten anthropogenen Quellen und kommt ubiquitär in der Um-welt vor. Daher ist strenggenommen die alleinige Betrachtung von PSM als Eintragspfad bzw. Re-gulierung über das PSM-Recht unzureichend. Der Einsatz aller TFA-Bildner sollte identifiziert und hinterfragt werden, insbesondere in Trinkwassergewinnungsgebieten.
c) Der komplexe Zusammenhang mit anderen Regelungsbereichen ist zu analysieren (TFA-Monitoring in Grund-/Oberflächenwasser versus Kriterien zur Genehmigung von TFA-Abwassereinleitungen).
d) Die gesundheitliche Bewertung von TFA ist zu entscheiden. Mit dem vorläufigen ADI der EFSA (2014) von 0,05 mg/kg KG/d und den Kriterien/Expositionsannahmen nach WHO (2011) führt die toxikologische Ableitung zu einem Trinkwasserleitwert von 300 µg/L (20% ADI-Allokation) gegenüber dem GOWTFA von 3 µg/L.
Der Umfang der Kostenübernahme für medizinische Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unterscheidet sich grundsätzlich von der im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kostenträger geben deshalb regelhaft bei Gesundheitsämtern Gutachten zur Frage der medizinischen Notwendigkeit in Auftrag. Daten zur den Fragen der Befürwortungs-/Ablehnungsquote und der Kosten der beantragten medizinischen Maßnahmen sowie deren Verteilung und Verhältnis zur den Begutachtungskosten sind nicht bekannt. Die Daten mit Auswertung einer Vollerhebung aller im Jahr 2016 dem Gesundheitsamt Ravensburg gestellten Gutachtenaufträge zur Frage der medizinischen Notwendigkeit im Sinne des Asylbewerberleistungsgesetzes mit Kostenabschätzung werden dargestellt und diskutiert.