Prospektive Evaluation des komplexen psychoonkologischen Versorgungsprogramms isPO
Hintergrund
Psychoonkologische Leistungen sind aktuell sehr heterogen strukturiert (Singer, Hornemann, Bruns & Petermann-Meyer, 2016), sodass in Deutschland keine flächendeckende Versorgung gewährleistet ist. Das vom Innovationsfond des G-BA geförderte Projekt „isPO – integrierte sektorenübergreifende Psychoonkologie“ greift diese grundlegende Problemstellung auf und verfolgt das Ziel, eine neue strukturierte und bedarfsgerechte psychoonkologische Versorgungsform zu entwickeln, zu implementieren und intern wie extern zu evaluieren. Ziel ist, mit Hilfe einer gestuften psychosozialen und psychoonkologischen Versorgung Ängste und Depressionen von Krebspatienten innerhalb des ersten Jahres nach Diagnosestellung signifikant zu verringern. Weiterhin sind Qualitätsmerkmale des Versorgungsprogramms als sekundäre Endpunkte relevant. Die externe Projektevaluation ist dabei prospektiv, formativ und summativ ausgelegt, ihr liegt das Medical Research Council (MRC)-Framework zur Analyse und Bewertung komplexer Interventionen zu Grunde (Moore et al., 2015). Basierend auf dem Consolidated Framework for Implementation Research (CFIR) (Damschroder et al., 2009) sollen die für den Implementierungsprozess relevanten Einflussfaktoren analysiert werden. Die prospektive Evaluation wurde bereits abgeschlossen. In diesem Rahmen wurden die Relevanz und Übertragbarkeit des isPO-Versorgungsprogramms vor dessen Implementierung bewertet.
Fragestellungen
Ist das Versorgungsprogramm konsistent und nutzbar? Entspricht es relevanten Leitlinien, Verordnungen, Gesetzen und dem Projektantrag? Welche Förderfaktoren und Barrieren bestehen für die Implementierung? Welche Implementierungsstrategien sind geplant?
Methode
Mit Hilfe von Dokumentenanalysen sind in der prospektiven Evaluation drei Aspekte bewertet worden: die vertraglichen Rahmenbedingungen des Versorgungsprogramms, die Entwicklung des Versorgungsprogramms entsprechend des Projektantrages und der Aufbau der Versorgungsnetzwerke. Den Analysen lagen vielfältige Verträge sowie die Quartalsberichte der Konsortialpartner zu Grunde. Zur Auswertung wurde ein Kriterienkatalog entwickelt. Weiterhin wurde eine Fokusgruppe mit den Entwicklern des isPO-Versorgungsprogramms durchgeführt. Die Teilnehmenden wurden dafür im Sinne des „purposeful samplings“ (Patton, 2002) aus allen für das Projekt relevanten Bereichen ausgewählt. Ein Projektteilnehmer wurde in Form eines Telefoninterviews nachträglich befragt. Die Fokusgruppe (7 Teilnehmende) und das Telefoninterview wurden teilstrukturiert durchgeführt, aufgezeichnet und anschließend transkribiert und mittels MAXQDA inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Ergebnisse wurden in Form eines prospektiven Evaluationsberichts verschriftlicht und der Projektleitung sowie den Konsortialpartnern zur Verfügung gestellt.
Ergebnisse
Die vertraglichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung des Versorgungsprogramms sind erstellt worden und entsprechen den geforderten Gesetzen, Richt- und Leitlinien. Die Patientenversorgung findet im Rahmen des Vertrages zur Besonderen Versorgung nach § 140a SGB V statt und regelt damit Pflichten, Anforderungen und Leistungen der Vertragspartner sowie die Leistungsvergütung. Zudem besteht ein Vertrags- und Versorgungsmanagement z.B. durch detaillierte Meilensteinplanungen für die verschiedenen Aufgabenbereiche und die Erstellung eines Datenbank- und Dokumentenlenkungssystems. Die von den Konsortialpartnern entwickelten Ergebnisprodukte konnten als konsistent und nutzbar bewertet werden.
In der Fokusgruppe konnte eine Vielzahl an Förderfaktoren und Barrieren für die Implementierung des Versorgungsprogramms identifiziert werden. Mitarbeiterschulungen sowie die Entwicklung eines Versorgungs- und Qualitätsmanagements wurden als Implementierungsstrategien benannt. Weiterhin ist ein Verbesserungsbedarf in der Kommunikation innerhalb des Projekts deutlich geworden
Diskussion
Mit isPO wurde ein Prototyp eines psychoonkologischen Versorgungsprogramms entwickelt, der wesentliche Elemente für eine Umsetzung in die Versorgungsrealität enthält. Dieser ist wissenschaftlich fundiert und entspricht überwiegend den Anforderungen für eine erfolgreiche Implementierung. Aufgrund der bisher fehlenden Regelung zur Finanzierung psychoonkologischer Leistungen ergibt sich durch den vertraglichen Rahmen des Projekts eine Innovation im Vergütungssystem der GKV. Durch die Patientenzuweisung aus stationären und ambulanten Settings ist eine sektorenübergreifende Versorgung gegeben. Die Überprüfung der Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Qualität des Versorgungsprogramms soll weiterhin auf Basis valider Daten in der formativen und summativen Evaluation erfolgen.
Praktische Implikationen
Bei erfolgreicher Implementierung und Wirksamkeitsüberprüfung steht ein integriertes sektorenübergreifendes psychoonkologisches Versorgungsprogramm für die Regelversorgung zur Verfügung.
Hintergrund
Für Patientinnen nach einer Brustkrebsoperation stellt der Übergang in die ambulante Nachbehandlung eine besondere Herausforderung dar, da in der Regel eine Weiterbehandlung, z.B. Chemotherapie, erfolgt. Um diesen Übergang gut vorzubereiten und aufgrund der kurzen stationären Aufenthaltsdauer, bedarf es eines koordinierten Entlassungsprozesses im Krankenhaus. Zur Gestaltung eines zielführenden Entlassungsprozesses für Brustkrebspatientinnen ist eine multidisziplinäre Zusammenarbeit zwingend erforderlich. Der Entlassungsprozess wird von den Befragten der Patientinnenbefragung in den NRW-Brustzentren jedoch weniger gut bewertet (Ansmann et al., 2015). Eine Möglichkeit Arbeitsprozesse in Krankenhäuser zu verbessern, ist die Anwendung von Prozessoptimierungsmethoden aus anderen Wirtschaftszweigen. Die Methode Value Stream Mapping, ursprünglich aus der Automobilindustrie stammend (Womack & Jones, 1990), wurde bereits international zielführend im Kontext Krankenhaus angewandt (Nowak et al., 2017) und findet in der vorliegenden Interventionsstudie in vier Brustzentren in NRW Anwendung.
Fragestellung
Kann der Entlassungsprozess in Brustzentren in NRW mit Hilfe des Value Stream Mapping zeitlich messbar optimiert werden?
Methode
Bei der vom Innovationsfonds geförderten Studie (Förderkennzeichen 01VSF16040) handelt es sich um ein Prä-Post-Follow-up-Studiendesign in vier Brustzentren in NRW. Die Datenerhebung findet von November 2017 bis Juli 2019 statt. Im ersten Schritt wird mit einem multiprofessionellen Team der Entlassungsprozess des jeweiligen Brustzentrums, gemeinsam mit zwei Moderatorinnen, erarbeitet. Dabei werden alle Arbeitsschritte des Entlassungsprozesses visualisiert. Es folgt eine Validierung der einzelnen Prozessschritte im Krankenhausalltag mit anschließender erster Zeitmessung (t0). In einem zweiten Treffen werden dem Team die Ergebnisse der ersten Zeitmessung präsentiert und Schwachstellen im Prozessablauf eruiert. Zur Auflösung der Schwachstellen entwickeln die Teammitglieder entsprechende Maßnahmen, z.B. Einrichtung eines festen Wochentags für Abschlussgespräche zur Reduzierung der Wartezeit auf das Gespräch. Der Erfolg der Maßnahmenumsetzung wird in zwei weiteren Zeitmessungen, sechs Wochen (t1) und sechs Monate (t2) nach dem zweiten Treffen, überprüft. Die Zeitmessung wird von einer Study Nurse durchgeführt. Die Zeiten der jeweiligen Prozessschritte und die sich möglicherweise ergebenden Wartezeiten für die Patientinnen werden ermittelt und zwischen den einzelnen Messzeitpunkten verglichen. Ebenfalls werden die Häufigkeit und Uhrzeiten der Patientenkontakte ausgewertet.
Ergebnisse
Bisher konnten 242 Patientinnen in die Zeitmessung eingeschlossen werden. Für das erste Brustzentrum liegen Daten von 60 Patientinnen vor, für das zweite von 61 Patientinnen und für das dritte von 71 Patientinnen. Im vierten Brustzentrum wurden in der t0- und die t1-Messung 50 Patientinnen eingeschlossen, die t2-Messung erfolgt im Juni/Juli diesen Jahres.
Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass durch die Visualisierung des Entlassungsprozesses in jedem der vier Brustzentren Schwachstellen durch das interprofessionelle Team aufgedeckt werden konnten. Für die meisten Schwachstellen konnten von dem Team lösungsorientiert Maßnahmen entwickelt werden. Die ersten Auswertungen der Zeitmessung zur Überprüfung der Maßnahmen ergaben z.B., dass die Wartezeit auf das Abschlussgespräch in zwei Brustzentren gesenkt werden konnte (von durchschnittlich 87 auf 21 Minuten bzw. von 25 auf acht Minuten). In einem anderen Brustzentrum konnte die Dauer der Sentinel-Lymphknoten-Diagnostik, von durchschnittlich 158 Minuten auf 107 Minuten, gesenkt werden. Bei einigen Maßnahmen, wie dem Ziel, dass die Patientinnen bereits am prästationären Tag die Kompressions-Brustbandage erhalten, konnte keine Veränderung gemessen werden. Ein Teil der erarbeiteten Maßnahmen konnte nicht durch die Zeitmessung überprüft werden, Beispiel hierfür ist das Mitgeben von Rezepten bei Entlassung.
Diskussion
Die Methode Value Stream Mapping zeigt Schwachstellen im Entlassungsprozess von Brustzentren auf. Die Projektteams waren mit Hilfe der Moderatoren in der Lage zu den meisten Schwachstellen Maßnahmen zu entwickeln. Die Probleme, die innerhalb des Brustzentrums erkannt wurden, konnten in vielen Fällen auch umgesetzt werden. In den Fällen in denen Schnittstellen zu anderen Bereichen des Krankenhauses involviert waren gestaltete sich die Umsetzung meist schwieriger. Einzelne Prozessschritte, wie die Organisation des Abschlussgespräches, konnten zeitlich messbar optimiert werden.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse lassen vermuten, dass Value Stream Mapping einen guten Rahmen zur interprofessionellen Zusammenarbeit bietet. Dadurch können berufsgruppenübergreifende Probleme unkompliziert gelöst werden.
Hintergrund: Die Herausforderung eine komplexe Intervention in ein vielschichtiges Netzwerk unterschiedlicher Stakeholder und Organisationen innerhalb des deutschen Gesundheitssystems zu implementieren, lässt viele Pilotprojekte und innovative Ansätze nur mühselig voran kommen oder sogar fehlschlagen. Methoden des Change Managements können der Komplexität des Kontextes, der Innovationen, der Organisationen und der Interaktionen sowie den individuellen Voraussetzungen von Prozessbeteiligten als Unterstützungsfaktor bei Veränderungsprozessen gerecht werden.
Das durch den Innovationsfonds des G-BA geförderte Projekt „MamBo - Multimorbide Menschen in der ambulanten Betreuung: Patientenzentriertes, Bedarfsorientiertes Versorgungsmanagement“ (Förderungszeichen 01NVF17001) hat für den Implementierungsprozess seiner komplexen Intervention mit Beteiligung unterschiedlicher Akteure ein externes Change Management von einer Unternehmensberatung in den Projektplan mitaufgenommen und umgesetzt. So bot die Unternehmensberatung unter anderem Unterstützung bei dem Aufbau neuer Versorgungsstrukturen innerhalb eines regionalen Ärztenetzwerks aus Haus- und Fachärzten.
Das Ziel dieser Forschungsarbeit ist es, die Implementierungsstrategie des externen Change Managements während des Transformationsprozesses aus der subjektiven Perspektive relevanter Akteure zu beleuchten.
Fragestellung: Welchen wahrgenommenen Einfluss hatte das Change Management der Unternehmensberatung auf den Implementierungsprozess und die Projektumsetzung aus Sicht relevanter Projektbeteiligter?
Methode: Nach etwa der Hälfte der Projektlaufzeit wurden leitfadengestützte Experteninterviews mit zentralen Akteuren des MamBo Managements (BedarfsmanagerIn n=1; VersorgungsmanagerIn n=1) durchgeführt. Während des Interviews wurden partizipative ego-zentrierte Netzwerkkarten mit den InterviewpartnerInnen erstellt um alle Akteure und Verbindungen zu erfassen, die im Alltagsgeschehen von MamBo für die Befragten von Bedeutung sind. Weitere Experteninterviews werden mit den Unternehmensberatern (n=2) und Akteuren in der operativen Projektdurchführung (n=2) geführt.
Die mit der Pen&Paper-Methode erstellten Netzwerkkarten werden mittels der Software VennMaker visuell aufbereitet und zusammen mit den Interviewdaten qualitativ netzwerk- sowie inhaltsanalytisch ausgewertet (Hollstein und Straus 2006, Mayring 2015).
Ergebnisse: Daten aus den bisherigen Interviews und Netzwerkkarten zeigen, dass die Unternehmensberatung und deren Change Management insbesondere für die Geschäftsstelle des Ärztenetzwerkes relevante Unterstützung im Transformations- und Implementierungsprozess geliefert haben, weniger aber für die Prozesse in den einzelnen Arztpraxen. Insbesondere die Erarbeitung und Anpassung der MamBo-Strukturen innerhalb der Geschäftsstelle des Ärztenetzwerks fand in enger Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung statt, welche als sehr hilfreich und positiv wahrgenommenen wurde. Die Anpassungen zeigen sich u.A. in außerplanmäßig aufgewendeten personellen Ressourcen, welche für die operative Projektumsetzung zur Sicherstellung des Projekterfolgs notwendig waren.
Diskussion: Ziele des Change Managements beinhalten die stetige Anpassung von Strukturen und Strategien in Reaktion auf äußere, sich verändernde Bedingungen. Die vorläufigen Ergebnisse der Experteninterviews deuten darauf hin, dass auch im Rahmen des Projektes MamBo Anpassungen der Strukturen mit der Unternehmensberatung erarbeitet worden sind und die Akteure dies als hilfreich und notwendig für den Projekterfolg empfinden. Wenn solche Strukturanpassungen im Projektverlauf bei der Evaluation nicht berücksichtigt werden, können weder der tatsächliche Ressourcenaufwand, noch alle relevanten Strukturen, Akteure oder Verbindungen eingeschätzt werden.
Praktische Implikation: Abweichungen vom Projektplan und Änderungen von Strukturen und Prozessen sind im Sinne des Change Managements elementar für den Erfolg der Innovation und dessen Implementierung. Diese Veränderungen müssen bei der Evaluation des Projektes berücksichtigt werden, um einen realistischen Ressourcenauffand einschätzen und eine erfolgreiche Übertragung des Projektes in die Regelversorgung gewährleisten zu können.
Literaturverzeichnis
Hollstein, Betina; Straus, Florian (2006): Qualitative Netzwerkanalyse. Konzepte, Methoden, Anwendungen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Mayring, Philipp (2015): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 12., überarb. Aufl. Weinheim: Beltz (Beltz Pädagogik).
Hintergrund:
Das Projekt „MamBo – Multimorbide Menschen in der ambulanten Betreuung: Patientenzentriertes, Bedarfsorientiertes Versorgungsmanagement“ ist ein durch den Innovationsfonds des G-BA gefördertes Projekt zu den neuen Versorgungsformen (Förderungszeichen 01NVF17001). Das Projekt zielt auf die Verbesserung der Versorgungseffizienz multimorbider Patienten ab. Zum Beispiel soll durch die Delegation von patientennahen und koordinativen Aufgaben (z.B. Übernahme von Hausbesuchen) an eine Monitoring- und Koordinationsassistentin (MoniKa) der Arzt entlastet und die Koordination mit Fachärzten sowie die Medikamentensicherheit der Patienten verbessert werden. Die an Mambo teilnehmenden Haus- und Fachärzte eines regionalen Arztnetzes spielen aufgrund ihrer direkten Betroffenheit als Behandler von multimorbiden Patienten und ihrer besonderen Aufgabe der Patienteneinschreibung eine entscheidende Rolle für den Projekterfolg und die Implementierung der Versorgungsinnovation. Daher ist Ziel der vorliegenden Studie unterschiedliche ärztliche Werteorientierungen zu identifizieren, die die Bewertung des Projekterfolges beeinflussen könnten.
Fragestellung:
Welche Werteorientierungen sind bei den teilnehmenden Ärzten zu erkennen, die die subjektive Bewertung des Projekterfolgs beeinflussen und so gegebenenfalls die Annahme der neuen Versorgungsstrukturen determinieren?
Methode:
Im Rahmen der formativen Evaluation wurden, beruhend auf der Theorie Rogers (Rogers 2003), Fokusgruppen und drei Einzelinterviews mit Frühanwendern durchgeführt. Für diese wurden Haus- wie Fachärzte eingeladen, die sich innerhalb der ersten 6 Monate für eine Projektteilnahme entschieden haben. Die semistrukturellen Leitfäden wurden im Forscherteam entwickelt. Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch nach Mayring (2015) ausgewertet.
Ergebnisse:
Die erste Fokusgruppe (n=7) fand ca. 9 Monate nach Projektbeginn statt. Die zweite Fokusgruppe (n=4) und die Einzelinterviews erfolgten im Sinne der Prozessevaluation wiederum 8 Monate später. Vorläufige Ergebnisse weisen auf zwei zentrale Werteorientierungen der Teilnehmenden hin, die die subjektive Bewertung des Erfolg des Projektes beeinflussen: Werte die eher patientenorientiert und eher arztpraxis- bzw. unternehmensorientiert sind. Teilnehmende mit eher patientenorientierten Werten fokussieren die Patientenzufriedenheit, Versorgungsqualität oder Patientensicherheit zur Beurteilung des Projekterfolges. Im Rahmen des Mambo-Projektes nehmen sie schnell einen großen Projekterfolg wahr. Dieser schnell spürbare Erfolg zeigt sich förderlich für die Annahme der neuen Versorgungsstrukturen. Demgegenüber fokussieren Teilnehmende mit eher unternehmensorientierten Werten das Kosten-Nutzen Verhältnis und die Verbesserungen im Praxisablauf zur Beurteilung der Projektteilnahme. Die bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass unternehmensorientiertere Teilnehmende dem Projekt eher kritisch gegenüber stehen. Ein Projekterfolg, der sich zum Beispiel in einer Verbesserung des Praxisablaufs ausdrückt, wird bei dieser Gruppe im bisherigen Projektverlauf nicht bis kaum wahrgenommen.
Diskussion:
Die vorläufigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die jeweilige Haltung der Teilnehmenden den individuell gesehen Erfolg des Projektes definiert. So lässt sich annehmen, dass das Projekt Mambo von Teilnehmenden mit stärker unternehmensorientierten Werten aufgrund der erst langfristig erkennbaren Erfolge eher kritisch angesehen wird und dies die Strukturannahme und Verbreitung der Innovation hemmt.
Dieses Phänomen lässt sich auch in der Theorie Rogers (2003) zur „Verbreitung von Innovationen“ erkennen. Der subjektive „relative Vorteil“ sowie die Dimension Zeit ist maßgeblich an der Teilnahmeabsicht beteiligt und neben weiteren Faktoren, wie der Komplexität der Innovation, stärkster Prädikator der Innovationsannahme.
Praktische Implikationen:
Die Berücksichtigung möglicher Werteorientierungen potentieller Projektteilnehmer bei der Planung, Implementierung und Steuerung von Projekten könnte einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg neuer Versorgungsformen leisten. So könnten diese Erkenntnisse im Implementierungsprozess genutzt werden, indem die Motivation der Projektteilnehmenden durch typisierte Supervision gesteigert wird.
Literatur
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz; 2015.
Rogers EM, ed. Diffusion of innovations. New York u.a: Free Press; 2003.
Hintergrund
GeMuKi ergänzt die gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft und im 1. Lebensjahr durch eine strukturierte, niederschwellige Präventionsmaßnahme in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Genussmittelkonsum. Neben der Evaluation von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der zusätzlichen Beratungen wird eine Prozessevaluation durchgeführt. Diese begleitet den Implementierungsprozess der komplexen Intervention und untersucht, wie gut die Intervention in der Praxis umsetzbar ist und welche förderlichen und hinderlichen Faktoren sich für die Implementierung ergeben.
GeMuKi wird seit Januar 2019 in 4 Regionen Baden-Württembergs implementiert. Teilnehmen können volljährige Schwangere. Alle Leistungserbringer der Versorgungskette erhalten vorab eine Schulung zu Motivational Interviewing. Zusätzlich werden Handlungsempfehlungen zu Ernährung und Bewegung des Netzwerks Gesund ins Leben vermittelt. Darauf aufbauend führen Frauenärzte, Hebammen und Kinderärzte zu insgesamt 11 Zeitpunkten mit den Teilnehmerinnen eine Kurzintervention durch und vereinbaren jeweils individuelle Ziele. Die Umsetzung der Beratung wird durch eine projekteigene Datenplattform unterstützt, auf die das gesamte Behandler-Team entlang der Versorgungskette Zugriff hat. Dort tragen die teilnehmenden Leistungserbringer neben Daten aus Mutterpass und U-Heft Informationen zu Inhalten der erbrachten Beratungen sowie Notizen ein.
Fragestellung
Welche Faktoren fördern oder hemmen die Implementierung von GeMuKi? Können diese Faktoren im Projektverlauf adressiert werden?
Methode
Um förderliche und hemmende Faktoren zu untersuchen werden zu Beginn und Ende der Implementierung Fokusgruppen mit teilnehmenden ÄrztInnen und telefonische Interviews mit Hebammen, MFAs und teilnehmenden Frauen durchgeführt. Durch Protokolle aus den Berater-Schulungen sowie einem Monitoring der regionalen Studienkoordinatorinnen zur Durchführung der Intervention in den Praxen, können Schwierigkeiten in der Umsetzung aufgedeckt und Strategien optimiert werden.
Ergebnisse
Im Sommer 2019 werden erste Interviews und Fokusgruppen-Diskussionen durchgeführt. Anhand dieser ersten Ergebnisse können im weiteren Verlauf Intervention und Implementierungsstrategien zielgerichtet an die unterschiedlichen Kontexte angepasst werden. In den Interviews und Fokusgruppen zum Ende der Implementierung kann dann abschließend beurteilt werden, ob durch die eingeleiteten Maßnahmen hemmende Faktoren beseitigt werden konnten und ob im Projektverlauf neue Hindernisse hinzugekommen sind.
Zudem können wichtige Aussagen darüber getroffen werden, wie eine Präventionsmaßnahme in dieser Versorgerkette implementiert werden muss, damit sie wirksam sein kann und die Gesundheit von Mutter und Kind positiv beeinflusst.
Diskussion
Durch die wissenschaftliche Begleitung des Implementierungsprozesses des Projekts GeMuKi können förderliche und hemmende Faktoren für die Umsetzung der neuen Versorgungsform in der Praxis ermittelt und im Verlauf der Implementierung modifiziert werden. Somit werden beste Voraussetzungen geschaffen die Intervention bei positivem Wirksamkeitsnachweis in die Regelversorgung zu überführen.
Praktische Implikationen
Bereits im Projektverlauf werden relevante Faktoren ermittelt, um einen reibungslosen Transfer des Projektes in die Regelversorgung gewährleisten zu können. Die gewonnenen Erkenntnisse zu förderlichen und hemmenden Faktoren der Implementierung lassen sich darüber hinaus auch für andere Projekte nutzen, die in dieser Versorgungskette implementiert werden sollen. Zusätzlich werden durch die bessere Vernetzung der drei Leistungserbringergruppen bessere strukturelle Voraussetzungen für die Implementierung weiterer Interventionsprogramme geschaffen. Hierbei ist unter anderem die Digitalisierung von Mutterpass und U-Heft in der projekteigenen Datenplattform zu nennen.
Hintergrund
Die Anzahl von Notaufnahmepatient*innen, sowie deren Charakteristika und Akut-, Vor- und Nachversorgungsparameter, wurden in Deutschland bisher nicht umfassend systematisch erfasst, sondern lediglich anhand von Befragungsdaten, einzelnen Studien mit limitierter Fallzahl und in der Regel nicht sektorenübergreifend untersucht. Die Dokumentationssysteme, erhobene Parameter und Möglichkeiten der Extraktion von elektronisch vorhandenen Daten sind in Notaufnahmen in Deutschland sehr heterogen. Ein methodisches Ziel von INDEED ist es, einen homogenen Datenkörper aufzubauen, der eine notaufnahmeübergreifende Analyse von Versorgungsdaten ermöglicht und diese Daten mit ambulanten Behandlungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen verknüpft, um damit inhaltlich relevante Fragestellungen zu beantworten.
Fragestellung
Welche Herausforderungen stellen sich bei dem Aufbau eines homogenen Datenkörpers aus den Notaufnahmedaten?
Methode
Es wurden aus insgesamt 16 Notaufnahmen deutschlandweit rund sechzig Variablen für INDEED abgefragt, die sich auf vier Datenblöcke aufteilen. Variablen zu den allgemeinen Informationen des Patienten (u.a. Alter zu Notaufnahmekontakt, Geschlecht, Kostenträger), Angaben zur Versorgung in der Notaufnahme (u.a. einbringender Transport, Zeitstempel, Notaufnahmediagnose, Bildgebung, Konsile und behandelnde Fachrichtung), Blut- und Vitalwerte, sowie GCS und Schmerzscala und im vierten Teil Informationen zu einem sich gegebenenfalls anschließenden stationären Aufenthalt mit Variablen (u.a. Zeitstempel, Fachrichtung, Diagnosen, Prozeduren, Entlassart). Die Daten werden in den Kliniken extrahiert, vor Ort durch INDEED-Mitarbeiter einer groben Prüfung unterzogen, final aufbereitet und ggf. mit Erklärungen versehen. Die medizinischen Nutzdaten werden verschlüsselt an das zentrale Datenmanagement von INDEED weitergeleitet, wo sie aus Datenschutzgründen von anderen INDEED-Mitarbeitern weiterverarbeitet werden. Im zentralen Datenmanagement werden die verschiedenen Datensätze bereinigt und harmonisiert die Qualität der Daten wird geprüft (Vollständigkeit, Plausibilität) und eine relationale Datenbank aufgebaut.
Ergebnisse
Es zeigt sich eine sehr umfassende strukturelle als auch inhaltliche Heterogenität der Daten. So wird beispielsweise das Leitsymptom mit zwischen sechs bis 170 Ausprägungen in den verschiedenen Kliniken erfasst. Die Fachabteilungen sind meist unterschiedlich angelegt und die Behandlungsroutinen nur bedingt vergleichbar. Eine große Schwierigkeit stellt die Abfrage von Bildgebung und anderen diagnostischen Verfahren, da diese oft schwer zu identifizieren sind, im Arztbrief als Freitext dokumentiert oder aus den unterschiedlichen Systemen nicht mit angemessenen Aufwand ausleitbar sind. Scheinbar standardisierte Instrumente wie die Schmerzskala sind unterschiedlich in die Notaufnahmeroutine implementiert. Minutengenaue prozessgenerierte Zeitstempel lassen primär eine Präzision vermuten, die im Gesamtkontext der Daten nicht real erscheint. Die Harmonisierung des Datenkörpers wird in einem zweitägigen Workshop adressiert, in dem Kliniker, Statistiker und Datenmanager die Standards der Variablen festlegen mit Blick auf die Beantwortung der Forschungsfragen.
Diskussion
Die stark ausgeprägte Heterogenität der Daten beruht auf den verschiedenen Dokumentationsroutinen in den Kliniken und unterschiedlichen IT-Architekturen. So kommen in den Kooperationskliniken sechs verschiedene Notaufnahmedokumentationssysteme zum Einsatz. Weitere Daten werden zum Teil aus dem Krankenhausdokumentationssystem, wie Bildgebung und Labor, sowie dem medizinischen Controlling bezogen. Letztere stationäre Daten unterliegen standardisierten Vorgaben und sind dementsprechend qualitativ gut, da sie abrechnungsrelevant sind. Im Projektverlauf hat sich abgezeichnet, dass 2016 die elektronische Dokumentation in den Häusern oftmals noch in den Anfängen steckte und sich seitdem erst etabliert. Ebenfalls sind die Ressourcen und die Expertise zur Datenextraktion in den Häusern sehr unterschiedlich. Die Datenbereitstellung ist mit einem beachtlichen Zeitaufwand seitens der eingebundenen Klinikmitarbeiter verbunden, welche das Projekt nebenher zu ihren eigentlichen Aufgaben begleitet haben.
praktische Implikationen
Um eine aussagekräftige Analyse von Fragestellungen im Bereich der Versorgung in den Notaufnahmen durchzuführen sind vergleichbare Daten zwingend erforderlich. Vorhandene Standards der medizinischen Dokumentation müssen genutzt werden. Gleichzeitig sollte für Notaufnahmen eine einheitliche administrative Dokumentation gefordert werden, unabhängig von Abrechnungsmodus (ambulant/stationär) und Kostenträger (gesetzliche Krankenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung usw.). Nur mit einer einheitlichen Datengrundlage lassen sich notwendige Adaptationen der Patientenläufe planen und evaluieren. Den Kliniken müssen nicht nur im Rahmen von Forschungsprojekten die dafür notwendigen Ressourcen eingeräumt werden.
Hintergrund
Das Projekt CIRSforte wird vom Innovationsfonds gefördert (FKZ 01VSF16021) und hat zum Ziel, Fehlerberichts- und Lernsysteme (CIRS) für die ambulante Versorgung fortzuentwickeln. Nach einer umfassenden Aufbereitung der vorhandenen Evidenz zum Thema CIRS im Gesundheitswesen wurden in einer bundesweiten Arbeitsgruppe Empfehlungen für die Nutzung von Berichts- und Lernsystemen in der ambulanten Versorgung (APS Handlungsempfehlung „Handeln bevor etwas passiert. Berichts- und Lernsysteme erfolgreich nutzen.“) erarbeitet. Seit April 2018 werden 181 Praxen über 17 Monate mit verschiedenen Maßnahmen dabei unterstützt, auf der Grundlage der Handlungsempfehlung ein Fehlerberichts- und Lernsystem einzuführen und so das praxisinterne Fehlermanagement teambasiert fortzuentwickeln.
Fragestellung
Welche unterstützenden Maßnahmen werden von Praxen bei der Einrichtung eines Berichts- und Lernsystem und Fortentwicklung von Fehlermanagement angenommen?
Methode
Es nehmen 181 Praxen aus über 20 verschiedenen Facharztrichtungen an CIRSforte teil.
Unterstützende Maßnahmen: Alle Einrichtungen verpflichten sich, an einem Einführungsworkshop zu Fehlermanagement als Präsenz- oder Online-Workshop teilzunehmen. Fakultativ können die Praxen zwei kurze, vertiefende Online-Schulungen absolvieren. Ebenfalls fakultativ werden in der zweiten Hälfte der Praxisphase Präsenzworkshops und Webinare zum praxisübergreifenden Austausch über kritische Ereignisse und Fehlermanagement angeboten. Alle Praxen erhalten monatlich eine Info-Mail mit aktuellen Projektinformationen und Tipps rund um Fehlermanagement in der ambulanten Versorgung. Für Fragen steht den Teilnehmenden wochentäglich eine Projekthotline zur Verfügung, weiterführende Informationen und Materialien werden zudem auf einer projekteigenen Homepage bereitgestellt.
Evaluation: Dreimal im Verlauf der 17-monatigen Praxisphase werden die Praxen in einem Kurzfragebogen zum Stand der Umsetzung ihres Fehlermanagements befragt und zudem gebeten, einen Ereignisbericht aus ihrem Berichts- und Lernsystem einzusenden. Im Rahmen der formativen Evaluation finden qualitative Interviews mit 40 Praxen statt. Zu Beginn und Ende der Praxisphase wird zusätzlich ein Fragebogen eingesetzt, der die Einstellungen der Praxisteams zu Fehlermanagement erfasst.
Ergebnisse
Am Einführungsworkshop nahmen insgesamt Teilnehmer aus 169 Praxen teil (Präsenzworkshop 172 Teilnehmer aus 80 Praxen, Online-Workshop 122 Teilnehmer aus 89 Praxen). Beide Workshopformate wurden überwiegend positiv bewertet. Zum Zeitpunkt der Konferenz wird vorgestellt, welche weiteren Maßnahmen in welchem Umfang von den Praxen angenommen wurden.
Diskussion
Die Akzeptanz von unterstützenden Maßnahmen bei der Umsetzung von Fehlermanagement in den untersuchten ambulanten Praxen wird dargestellt. Es wird umfassend beleuchtet, wie die Adaptation eines – für den stationären Sektor bereits hinreichend bekannten – Fehlermanagements für die ambulante Praxis gelingen kann.
Praktische Implikationen
Niedergelassene Vertragsärzte sind laut QM-Richtlinie des G-BA verpflichtet, Fehlermanagement umzusetzen und dabei Fehlerberichts- und Lernsysteme zu nutzen. In CIRSforte wird erprobt, mit welchen unterstützenden Maßnahmen diese gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden können. Diese Erkenntnisse sind ebenfalls wegweisend für andere Implementierungsstudien in der ambulanten Versorgung.