Hintergrund: Das Vorhaben ist Teil eines Forschungsverbunds für gesunde Kommunen. Es wird gefördert durch das BMBF und widmet sich seit 2015 der partizipativen Gesundheitsforschung. In der aktuellen Förderphase (03/2018 - 02/2021) geht das Projekt der Frage nach, wie Jugendliche an der Angebotsentwicklung in der offenen Kinder- und Jugendarbeit im Sinne des Stufenmodells der Partizipation in der Gesundheitsförderung beteiligt werden können. Ziel ist die Befähigung der Jugendlichen, selbst bedarfsgerecht Angebote zu entwickeln sowie diese hinsichtlich ihres Erfolgs zu bewerten. Hierfür bestehen Kooperationen mit kommunalen Verantwortlichen sowie in kommunaler Trägerschaft befindlichen Jugendtreffs in drei soziostrukturell unterschiedlichen Stadtteilen.
Fragestellung: Das Forschungsvorhaben untersucht die vertiefende Identifizierung von Faktoren, die den Übergang der von Armutsfolgen betroffenen Jugendlichen im Rahmen integrierter kommunaler Strategien erleichtern. Darüber hinaus wird die Gestaltung und Evaluation bedarfsgerechter Angebote durch die Jugendlichen untersucht sowie die Feststellung der Eignung verschiedener partizipativer Forschungsmethoden für die Befähigung Jugendlicher, ihre eigenen Lebensbelange zu erforschen und zu gestalten. Es werden Erkenntnisse über die Erprobung verschiedener Methoden für die Dissemination der Ergebnisse erwartet.
Methode:
a) Partizipative Angebotsentwicklung: Die Einbindung der Jugendlichen in die Angebotsentwicklung entspringt deren Forderung nach „autonomen Räumen“, die im Rahmen der Jugendkonferenz (2017) aufgenommen wurde. Für das partizipative Forschungsvorhaben wurden von den Kooperationspartnern der städtischen Verwaltung drei Einrichtungen benannt. In drei Fallstudien wird das partizipative Vorhaben in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftler*innen, den Mitarbeiter*innen der Jugendeinrichtung und den Jugendlichen durchgeführt. Für die Analyse der Ausgangssituation finden in den drei Jugendtreffs Begehungen und eine Fragebogenerhebung statt, um u. a. bereits bestehende partizipative Strukturen in den Einrichtungen zu erfassen. In den Jugendtreffs werden nun „autonome Öffnungen“ durchgeführt, welches das selbstständige Öffnen und Betreiben des Jugendtreffs durch die Jugendlichen bedeutet.
Die Mitwirkung bei der Angebotsentwicklung dient dem übergeordneten Ziel der Befähigung der Jugendlichen. Dies wird durch die gezielte Schaffung von Situationen erlangt, in denen Selbstwirksamkeitserfahrungen stattfinden, die anschließend partizipativ evaluiert werden (s. u.). Im Wirkungsmodell des Forschungsvorhabens sind Indikatoren benannt, die für diese Zielerreichung stehen.
b) Partizipative Evaluation (der partizipativen Angebotsentwicklung): Im Projektteil der Evaluation werden den Jugendlichen und den Mitarbeiter*innen der Jugendtreffs Evaluationsmethoden durch die Wissenschaftler*innen vorgestellt. Dazu gehören z. B. medienbasierte Herangehensweisen oder Gesprächsmethoden. Es findet je eine gemeinsame Entscheidung vor Ort für eine Methode statt.
Datenauswertung: Die gesammelten Daten umfassen die Reflexionsergebnisse der drei Einrichtungen zu jedem einzelnen Messzeitpunkt. Die Evaluation dieser Daten wird begleitend durchgeführt und vor Projektende final erörtert. Weiterhin findet eine Analyse der benannten Indikatoren des Wirkungsmodells statt.
Ergebnisse: Die Ergebnisse der Erhebung der Partizipationsstrukturen in den Jugendtreffs (Fragebogenerhebung) liegen bereits vor. Im August 2019 werden erste Ergebnisse der partizipativen Evaluation mit den Jugendlichen der einzelnen Jugendtreffs erwartet.
Diskussion: Es wird angenommen, dass die Jugendlichen lernen, ihre eigenen Interessen einzubringen und eine erhöhte Selbstwirksamkeitserwartung zu erlangen, wie sich auch in der ersten Förderphase zeigte. Zugleich entwickeln sie ein Verantwortungsgefühl für die Gestaltung der Angebote und diesbezügliche Kompetenzen (Umgang mit Budget, Macht, etc.). Die partizipativen Evaluationsmethoden wirken reflexionsfördernd für die Jugendlichen. Langfristig führt dieser Prozess zu selbstbestimmten Entscheidungsfindungen, die der persönlichen Zukunftsperspektiven zuträglich sind. Die Eignung der partizipativen Methoden für die Befähigung der Jugendlichen zu mehr Verantwortung wird reflektiert und die systemischen Wirkungen des partizipativen Vorgehens wird auf Ebene der Verantwortungsträger diskutiert.
Praktische Implikationen: Interesse an den resultierenden Praxisempfehlungen besteht seitens der städtischen Entscheidungsträger, des Netzwerkes gegen Kinderarmut und der darin vertretenen Organisationen. Herausgestellte Gelingensfaktoren und Herausforderungen werden, z. B. in Form eines Handlungsleitfadens, weitergegeben und in künftigen Entscheidungen berücksichtigt.
„Wissenschaftliches Erkenntnisinteresse besteht seitens des Forschungsverbundes hinsichtlich der Anwendung partizipativer Methoden in der Praxis sowie deren Weiterentwicklung seitens des Forschungsverbundes.“
Hintergrund
Eine Vielzahl von Studien zum Impfstatus bei medizinischem Fachpersonal basiert auf selbstberichteten Angaben. Diese sind zwar im Vergleich zu Serumbestimmungen oder Impfpassanalysen einfacher zu erheben, jedoch sind methodische Limitierungen durch z.B. Recallbias oder Antwortverhalten gemäß sozialer Erwünschtheit anzunehmen.
Fragestellung
Wie zuverlässig sind selbstberichtete Angaben von Medizinstudierenden zum eigenen Impfstatus?
Methoden
Im Rahmen der allgemeinmedizinischen Seminarreihe an einer deutschen medizinischen Fakultät wurde ein zweiseitiger pseudonymisierter Fragebogen zu Impfstatus und soziodemografischen Merkmalen ohne (T1) und 1 Woche später mit Impfpass (T2) von den Seminarteilnehmern freiwillig ausgefüllt. Es erfolgte der statistische Vergleich der beiden Untersuchungszeitpunkte hinsichtlich Übereinstimmungen/Nichtübereinstimmungen der Angaben. Die Nichtübereinstimmungen wurden auf Unter- und Überschätzungen analysiert.
Ergebnisse
Von 299 in das Seminar Allgemeinmedizin eingeschriebenen Medizinstudierenden, konnten 153 (51,2%) in die Analyse einbezogen werden (vollständige Angaben für T1 und T2, Impfpass bei T2, Pseudonymisierungscode eindeutig zuordenbar). Durchimpfungsraten waren für Mumps, Masern, Röteln (MMR: ≥ 95%) am höchsten, für Hepatitis A und B (HA, HB: 78-79%) und Influenza (24%) am niedrigsten. Die höchsten Übereinstimmungen der Angaben ohne und mit Impfpass ergaben sich mit 92-94% für MMR, die niedrigsten mit 73-77% für Poliomyelitis, Pertussis und HB. HA und Influenza ausgenommen, waren die Angaben eher von Unterschätzungen des eigenen Impfstatus‘ geprägt. Das betraf insbesondere Tetanus, Poliomyelitis, Pertussis und Diphtherie (TPDD), wo 6-14% der Studierenden ihren Impfstatus unterschätzten. Trotz Impfpass gab es Medizinstudierende, die ihren Impfstatus nicht angeben konnten: 5% für HA und 4% für Röteln.
Diskussion
Die Zuverlässigkeit des selbstberichteten Impfstatus variierte je nach Impfindikation. Die zuverlässigste Angabe ergab sich für die Impfindikation Masern. Spätestens seit Bekanntgabe des Nichterreichens des WHO-Ziels der Masern-Eradikation wird die Masernimpfung regelmäßig in der allgemeinen und wissenschaftlichen Öffentlichkeit thematisiert. Dies könnte - auch bei Medizinstudierenden - das Bewusstsein für die Masernerkrankung und den eigenen Impfstatus erhöht haben. Bezüglich der Impfangaben zu den sog. Kinderkrankheiten neigen einige Medizinstudierende eher zu einer Unterschätzung, d.h. ein etwas besserer Impfstatus kann bei selbstberichteten Impfangaben für die Gesamtgruppe angenommen werden. Dass trotz Nutzung des Impfpasses einige Studierende ihren Impfstatus mit „weiß nicht“ bewerteten, verweist auf möglicherweise unregelmäßig oder unvollständig geführte Impfpässe oder Probleme in der Interpretierbarkeit.
Praktische Implikationen
Selbstberichtete Angaben sind indikationsbezogen mehr (MMR) oder weniger (HA, HB, Influenza) zuverlässig. Durchimpfungsraten sind auch bei der Gruppe der Medizinstudierenden nicht optimal. Die Zuhilfenahme des Impfpass verbessert die Zuverlässigkeit der Daten, dennoch bleiben auch mit dieser Methode Unsicherheiten.
Hintergrund: Ende 2016 lebten in Deutschland ca. 88.000 Menschen mit HIV oder AIDS (RKI 2017). Eine frühzeitige Diagnose und das Angebot eines entsprechend frühen Therapiebeginns können zu einer Kontrolle der HIV-Infektion mit supprimierter Viruslast, guter Rekonstitution des Immunsystems und damit verbunden geringer Morbidität sowie einem geringen Einfluss auf den Alltag der Betroffenen führen. Trotz eines gestiegenen Wissens um HIV/AIDS und guter therapeutischer Optionen wird ein relevanter Anteil von HIV-Infektionen weiterhin erst sehr spät diagnostiziert (mit einer CD4-Zellzahl von < 350/µl und/oder einer vorliegenden AIDS-definierende Erkrankung). Europäische Schätzungen liegen hier bei knapp unter 50 %. Diese Betroffenen werden als „Late Presenter“ (LP) bezeichnet. Die späte Diagnose bedingt eine erhöhte Morbidität bis hin zu Todesfällen aufgrund von HIV/AIDS sowie ein erhöhtes Risiko der Transmission auf weitere Partner (BmG 2016, Cohen 2012).
Fragestellung: Ziele von FindHIV sind die Entwicklung eines Scores/Fragenkatalogs zur Frühdiagnose der HIV-Infektion und die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen zum Einsatz des Scores/Fragekatalogs im klinischen Alltag zur Verringerung der Anzahl von LP.
Methode: Mittels einer standardisierten, arztgestützten Befragung von 800 Patienten mit HIV-Neudiagnose sollen patientenseitige Charakteristika, die potentiell zu einer Verzögerung der Diagnose einer HIV-Infektion führen, identifiziert werden. Darüber hinaus werden die typischen Symptome/Diagnosen, mit denen Menschen mit HIV-Infektion noch vor Diagnosestellung im Gesundheitssystem vorstellig werden, und die entsprechenden Stellen im Gesundheitssystem, an denen diese Kontakte stattfinden, erhoben. Anhand der gewonnenen Primärdaten werden Indikatoren für Late Presentation evaluiert und unter Einbeziehung von Fokusgruppengesprächen und einer systematischen Literaturrecherche ein Scoring-System/Fragebogen zur Diagnoseunterstützung entwickelt sowie Handlungsempfehlungen zu dessen Einsatz formuliert.
Ergebnisse: Die Patientenbefragung wird Informationen darüber liefern, hinsichtlich welcher Charakteristika sich LP von anderen Patienten mit HIV-Neudiagnose unterscheiden und an welchen Stellen im Gesundheitswesen Chancen bestehen, die HIV-Infektion früher zu diagnostizieren. Fokusgruppengespräche und eine systematische Literaturrecherche werden die gewonnenen Primärdaten ergänzen.
Diskussion: Die hohe Anzahl von LP weißt auf patientenseitige sowie strukturelle Gegebenheiten hin, die zu einer Verzögerung der HIV-Diagnose führen. Die FindHIV-Studie ist geeignet, diese Problematik näher zu beschreiben und in Teilen aufzulösen.
praktische Implikationen: Aufgrund der obengenannten Punkte kann die FindHIV-Studie einen erheblichen Beitrag zu einer besseren Versorgung von HIV-Infizierten leisten. Dabei schützt die frühere Diagnose nicht nur die Gesundheit der betroffenen Patienten. Zudem wird erwartet, dass die Rate an Neuinfektionen gesenkt wird.
Robert-Koch-Institut (RKI) (2017): Epidemiologisches Bulletin 47/2017.
Bundesministerium für Gesundheit (BmG) (2016): Kabinett beschließt Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C sowie anderer sexuell übertragbarer Infektionen. Berlin.
Cohen MA, McCauley M, Gamble TR (2012): HIV treatment as prevention and HPTN 052. Current opinion in HIV and AIDS 7(2), 99–105.
Hintergrund
„Schluckimpfung ist süß – Kinderlähmung ist grausam.“ Dieser aus den 60er Jahren stammende Slogan ist nach erfolgreicher Einführung vieler Impfstoffe und der weitgehenden Eindämmung von Infektionskrankheiten schon fast in Vergessenheit geraten wie auch das Wissen um die unmittelbaren Folgen von durch Impfung vermeidbarer Krankheiten. Die professionelle Impfberatung und das Wissen um den Nutzen und die Risiken von Impfungen sind daher zentrale Determinanten des Impfverhaltens und der Prävention von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten. In dieser Studie untersuchten wir die professionelle Impfberatung und die perzipierte Informiertheit über Risiken und Nutzen von Impfung als Determinanten des Impfverhaltens gegen saisonale Grippe, Keuchhusten und Tetanus.
Methode
Die Analysen basierten auf den Daten der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ aus dem Jahr 2012 (n= 17.604). Die zentralen Erklärungsvariablen der professionellen Impfberatung (nein/ja), der Informiertheit über Risiken (nein/ja) und Nutzen (nein/ja) von Impfungen wurden schrittweise in logistische Regressionsmodelle zum Impfverhalten gegen saisonalen Grippe, Keuchhusten und Tetanus wie folgt eingeführt: M1) Bivariat, M2) unter Kontrolle soziodemografischer Faktoren, M3) unter Kontrolle gesundheitsbezogener Faktoren und M4) unter gegenseitiger Kontrolle der zentralen Erklärungsvariablen.
Ergebnisse
Die professionelle Impfberatung sowie die Informiertheit über Risiken und Nutzen von Impfungen waren signifikant mit dem Impfverhalten gegen saisonale Grippe, Keuchhusten und Tetanus assoziiert (Modelle 1-3). Auch bei gegenseitiger Kontrolle der zentralen Erklärungsvariablen (M4) waren die Faktoren zur Informiertheit signifikant mit dem Impfverhalten gegen Keuchhusten und Tetanus assoziiert, wobei die professionelle Impfberatung die stärkste Assoziation bei allen Impfoutcomes zeigte und einen Großteil der Assoziation zwischen Informiertheit und Impfverhalten empirisch erklären konnte. Alle Assoziationen unterschieden sich nur geringfügig nach Alter und Geschlecht.
Fazit
Die vorliegenden Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der professionellen Impfberatung zum Impfstatus und der Informiertheit über Nutzen und Risiken von Impfungen. Die von der professionellen Impfberatung unabhängige Assoziation zwischen Informiertheit und Impfungen gegen Keuchhusten und Tetanus weist überdies darauf hin, dass die Aufklärung gegenüber Impfungen nicht ausschließlich über professionelle Kanäle erfolgt. Eine Stärkung dieser nicht-professionellen Kanäle (bspw. mediale Verbreitung) scheint auf Basis der vorliegenden Ergebnisse daher zweckmäßig, um die allgemeine Impfquote zu steigern.
Hintergrund: Patienten nach Organtransplantation sind aufgrund ihrer lebenslangen Immunsuppression als infektionsgefährdete Risikopatienten in der zahnärztlichen Praxis anzusehen. Bisher ist allerdings wenig über Mundgesundheitsverhalten sowie dentale und parodontale Situation Organtransplantierter in Deutschland bekannt. Weiterhin ist unklar, inwiefern aktuell eine ausreichende zahnärztliche Versorgung dieser Patienten erfolgt bzw. sichergestellt ist.
Fragestellung: Ziel der vorliegenden Studien war die komplexe Erfassung der Mundgesundheitssituation von Patienten vor als auch nach Organtransplantation. Darüber hinaus sollten Assoziationen zu Zeit nach Transplantation und immunsuppressiver Medikation sowie zusätzliche Zusammenhänge zu potenziell parodontalpathogenen Bakterien evaluiert werden.
Methode: Im Rahmen von verschiedenen klinischen Querschnittsstudien wurden Patienten vor und nach Lebertransplantation (vor: 35, nach:75) sowie Lungentransplantierte (n=75) hinsichtlich ihrer Mundgesundheit und ihrem zahnärztlichen Verhalten untersucht.
Auf Grundlage dieser Ergebnisse sollte nun in einer weiteren Untersuchung die Versorgungssituation von Organtransplantierten tiefgründiger evaluiert werden. Vor dem Hintergrund der Forderung einer frühzeitigen zahnärztlichen Sanierung vor und suffizienter Nachsorge nach Transplantation war hierbei insbesondere die Zeit nach Transplantation im Fokus der Auswertung. Hierfür konnten insgesamt 169 Organtransplantierte eingeschlossen und entsprechend der Zeit nach Transplantation in folgende Subgruppen eingeteilt werden: 0-1 Jahr (n=21), 1-3 Jahre (n=39), 3-6Jahre (n=34), 6-10 Jahre (n=39) und < 10 Jahre (n=36). Auch diese Patienten wurden hinsichtlich ihrer Mundgesundheit untersucht.
Weiterhin wurde der Einfluss von Form und Dauer der Immunsuppression auf die Prävalenz ausgewählter parodontalpathogener Bakterien und die parodontale Situation bei insgesamt 169 Patienten nach Organtransplantation evaluiert.
Ergebnisse: Für die Patienten vor und nach Lebertransplantation sowie Lungentransplantierte zeigte sich die Prävalenz moderater bis schwerer Parodontitis im Vergleich zur allgemeingesunden Bevölkerung erhöht. Zudem war das Mundgesundheitsverhalten insgesamt unzureichend, speziell in Bezug auf Interdentalraumreinigung. Die Patienten nach Lebertransplantation wiesen zudem eine hohe Prävalenz von Candida albicans, gefolgt von Candida glabrata auf. Bei der differenzierten Untersuchung bezüglich der Zeit nach Organtransplantation zeigte sich, dass sowohl der parodontale (67-79%) als auch der gesamte zahnärztliche Behandlungsbedarf (72-97%) unabhängig von der Zeit nach Organtransplantation kontinuierlich sehr hoch war. Weiterhin waren Form und Dauer der Immunsuppression mit klinischen und mikrobiologischen Parodontalbefunden assoziiert, insbesondere bei Cyclosporin-A-Medikation.
Diskussion: Aus den Ergebnissen dieser Arbeit lassen sich insgesamt verschiedene Schlussfolgerungen ziehen: Einerseits muss die Versorgungssituation organtransplantierter Patienten zwingend verbessert werden; dabei scheinen die Erstellung verbindlicher Leitlinien als auch die Bildung interdisziplinärer Kompetenzteams aus Fach- und Zahnärzten wesentliche Ansatzpunkte. Hierfür müssen spezifische Versorgungskonzepte erarbeitet und in prospektiven Interventionsstudien validiert werden. Weiterhin scheinen sich aufgrund der Immunsuppression Unterschiede in der Zusammensetzung des parodontalpathogenen Biofilms zu ergeben, deren klinische Konsequenz aktuell noch nicht abgeschätzt werden kann. Zusätzlich resultiert aus der hohen Prävalenz von Candida-Spezies die mögliche Notwendigkeit eines regelmäßigen Pilz-Screenings für Organtransplantierte. Darüber hinaus bedürfen Patienten unter Cyclosporinmedikation besonderer parodontologischer Aufmerksamkeit und Betreuung.
Praktische Implikationen: Die Erstellung und Umsetzung verbindlicher Leitlinien zur zahnärztlichen Betreuung von Patienten vor und nach Organtransplantation scheint erforderlich um eine Verbesserung der aktuellen Versorgungssituation zu erzielen. Hierbei müssen verschiedene Spezifika dieser heterogenen Patientengruppe, insbesondere der Einfluss der immunsuppressiven Medikation berücksichtigt werden.
Hintergrund: Die ultraviolette (UV-)Strahlung der Sonne gilt als Hauptrisikofaktor für die Entstehung des Keratozytenkarzinoms (KC). Personen in Außenberufen, die bis zu 40 Wochenstunden der solaren UV-Strahlung ausgesetzt sind, haben daher ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko. Zum Schutz der eigenen Gesundheit ist der adäquate Gebrauch von Primärpräventionsmaßnahmen wie Sonnencreme oder Sonnenhut am Arbeitsplatz essential. Trotz der zahlreichen Bemühungen bezüglich Sonnenschutz in den vergangenen Jahren, zeigen Arbeiter in Außenberufen kein adäquates Schutzverhalten. Demnach war es Ziel der vorliegenden Studie, das Sonnenschutzverhalten von Dachdeckern zu verstehen.
Methode: Die bayerischen Dachdecker wurden telefonisch über den Landesinnungsverband Bayrisches Dachdeckerhandwerk rekrutiert. Um mögliche altersspezifische Unterschiede erfassen zu können, wurden männliche Dachdecker aus den Altersgruppen 18-30 Jahre und 50-65 Jahre eingeschlossen. Zwischen Dezember 2017 und Februar 2018 wurden leitfadengestützte Interviews bei den Dachdeckern zu Hause oder am Arbeitsplatz durch einen erfahren Interviewer geführt. Während der Interviews waren keine weiteren Personen anwesend. Die Interviews wurden mit dem schriftlichen Einverständnis der Teilnehmer aufgezeichnet und schließlich wörtlich transkribiert. Angeschlossen an die Interviews wurden vom Interviewer Notizen zum Feldzugang niedergeschrieben. Zur Auswertung des Datenmaterials diente die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Die Datenanalyse wurde mit der Software Atlas.ti Version 8 durchgeführt.
Ergebnisse: In die Studie konnten zehn Dachdecker, je fünf pro Altersgruppe, eingeschlossen werden. Allgemein konnten zwischen den beiden Altersgruppen keine Unterschiede herausgearbeitet werden. Jedoch berichteten Berufsanfänger ( als 3 Jahre Berufserfahrung) ein schlechteres Sonnenschutzverhalten als Kollegen mit einer mehrjährigen Berufserfahrung. Wesentlichen Einfluss auf diesen Unterschied scheint das am Arbeitsplatz erfahrene Bewusstsein für Sonnenschutz zu haben. Die Teilnehmer äußerten sich zu Abläufen oder Vorgehensweisen, die während der Sommermonate geändert werden (z.B. früherer Arbeitsbeginn). Auch wenn diese Anpassungen überwiegend bedingt durch die Hitze und weniger zur Reduktion der UV-Exposition vorgenommen wurden, dienten sie dem Sonnenschutz. Die unmittelbare Verfügbarkeit von Primärpräventionsmaßnahmen wie Sonnencreme am Arbeitsplatz sowie wiederkehrende direkte Kommunikation und der Informationsaustausch über Sonnenschutz unter den Kollegen wurden als Faktoren identifiziert, die die Einstellung der Dachdecker in Bezug auf den Nutzen von Sonnenschutz beeinflussten und sie wachsamer für sicheres Verhalten machte.
Diskussion: Die Ergebnisse der vorliegende Studie deuten darauf hin, dass das Sonnschutzverhalten von Dachdeckern erheblich vom Ausmaß des erfahrenen Bewusstseins für Sonnenschutz am Arbeitsplatz abzuhängen scheint. Trotz möglicher Limitationen durch Selektions- und Response-Bias werden die vorliegenden Erkenntnisse von früheren Studien, die von Unterstützung für Schutzverhalten am Arbeitsplatz berichteten [1], [2], [3], gestützt. Demnach dürfte das, im Vergleich zu den erfahrenen Kollegen, schlechtere Sonnenschutzverhalten der Berufsanfänger in dieser Studie aus einer fehlenden Unterstützung bzw. mangelnden Bewusstseinserfahrung am Arbeitsplatz resultieren. Zudem berichtete Schilling et al. (2018) [3] insgesamt von einem großen Anteil an im Außenberuf tätige Personen in Deutschland, die (nahezu) keine Unterstützung für Sonnenschutz am Arbeitsplatz erfahren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Außenberufsgruppen in Deutschland insgesamt kein adäquates Schutzverhalten aufweisen.
praktische Implikationen: Die vorliegende Studie macht die Notwendigkeit von am Arbeitsplatz erfahrenem Sonnenschutzbewusstsein durch Faktoren wie unmittelbare Verfügbarkeit von Primärpräventionsmaßnahmen oder Informationsaustausch deutlich. Deshalb sollten zukünftige Präventionskampagnen und Schulungsprogramme besonders der Unterstützung für Sonnenschutz am Arbeitsplatz dienen. Dadurch sollten insbesondere Berufsanfänger auf das Thema Sonnenschutz sensibilisiert werden, damit diese schnellstmöglich adäquates Sonnenschutzverhalten ausüben.
[1] Bauer A, Rönsch H, Hault K, Püschel A, Knuschke P, Beissert S. Sun exposure: perceptions and behaviours in outdoor workers. Br J Dermatol. 2014; 171(6):1570-2.
[2] Janda M, Stoneham M, Youl P, Crane P, Sendall MC, Tenkate T, Kimlin M. What encourages sun protection among outdoor workers from four industries? J Occup Health. 2014; 56(1):62-72.
[3] Schilling L, Schneider S, Görig T, Spengler M, Greinert R, Breitbart EW, Diehl K. „Lost in the sun“ – The key role of perceived workplace support for sun-protective behavior in outdoor workers. Am J Ind Med. 2018; 61(11):929-38.
Hintergrund: TRF wurde im Tierversuch schon ausführlich erforscht. Beim Menschen muss nun untersucht werden, ob diese spezielle Ernährungsform praktikabel ist und zu ähnlich positiven metabolischen Änderungen führt. Erste Untersuchungen wurden dazu bereits in den USA durchgeführt, mit positiven Ergebnissen und ohne das Auftreten von - zumindest kurzfristig feststellbaren - unerwünschten Nebeneffekten. TRF hat das Potenzial, als einfach durchzuführende und leicht verständliche Lebensstiländerung, der epidemischen Ausbreitung von nicht-übertragbaren Krankheiten auf dem Boden lebensstilinduzierter metabolischer Störungen entgegenzuwirken.
Fragestellung: Die vorliegende explorative Pilotstudie im Pre-Post Design soll die Durchführbarkeit, Adhärenz der Probanden und weitere methodisch relevante Fragen von TRF testen. Außerdem soll untersucht werden, ob sich Interventionseffekte in Form von Pre-Post Differenzen in den metabolischen Parametern feststellen lassen, diese Daten werden für Fallzahlberechnungen weiterführender Studien benötigt.
Methode: Mit Hilfe des betrieblichen Gesundheitsmanagements der Universität Ulm wurden 63 Mitarbeiter der Universität und des Klinikums rekrutiert. Diese führten nach einer kurzen Einweisung das TRF durch, d.h. sie begrenzten ihre Nahrungsaufnahme über einen Zeitraum von drei Monaten auf 8-9 Stunden täglich. TRF erlaubt eine ad libitum Nahrungsaufnahme innerhalb der festgelegten Zeit.
Zwei Teilnehmer brachen die Studie wegen Krankheit ab, zwei Teilnehmer beendeten während der Laufzeit das TRF, führten aber die Tagebücher weiter und nahmen an der Abschlussuntersuchung teil.
Vor Beginn des TRF wurden anthropometrische Maße und per Fragebogen Daten des individuellen Lebensstils erfasst, sowie eine Blutuntersuchung durchgeführt. Während der Intervention protokollierten die Probanden in einem Tagebuch den Zeitraum der Nahrungsaufnahme und die Schlafqualität. Am Ende der Intervention wurde eine Abschlussuntersuchung durchgeführt, bei der noch einmal dieselben Parameter wie zu Beginn erhoben wurden.
Pre-Post Differenzen wurden mit dem Wilcoxon-Rangsummentest für verbundene Stichproben untersucht.
Ergebnisse: Die Teilnehmer waren 47,8±10,5 Jahre alt. Der Anteil der Frauen war signifikant höher, als der der Männer (54 vs. 9). Der durchschnittliche Zeitraum der Nahrungsaufnahme vor Beginn der Intervention lag bei 12,4±1,9 Stunden pro Tag. Übergewichtig waren 32%, adipös 18% und abdominal adipös 57% der Teilnehmer. Erhöhte Gesamtcholesterinwerte lagen bei 67% der Teilnehmer vor, der LDL/HDL Quotient lag bei 14% der Teilnehmer über dem Grenzwert. Nach drei Monaten TRF hatten die Teilnehmer im Durchschnitt 1,3±2,3 kg Gewicht und 1,7±3,2 cm Bauchumfang verloren (p < 0,001). Der Gesamtcholesterinwert stieg im Mittel um 0,34±0,51 mmol/l an (p < 0,001) an. Für HDL, LDL, Triglyceride sowie den Quotienten aus LDL/HDL ergaben sich keine signifikanten Veränderungen.
Diskussion: Aus medizinischer Sicht sind die statistisch signifikanten Veränderungen der Anthropometrie sowie des Gesamtcholesterins nur marginal. Der leichte Anstieg des Gesamtcholesterins widerspricht den Untersuchungen an Tieren und den wenigen bisher durchgeführten Untersuchungen an Menschen. Ein Grund dafür könnte sein, dass keinerlei Vorgaben bezüglich der Ernährungsweise gemacht wurden. Bei der Abschlussuntersuchung gaben viele Probanden an, während der Essensphase mehr als üblich gegessen zu haben, aus Angst vor Hunger in der Fastenphase. Diese Überkompensation könnte zu den Ergebnissen beigetragen haben.
Der sehr kurze Zeitraum der Rekrutierung lässt sich auf das große Interesse der Bevölkerung an Intervallfasten zurückführen, das sich auch in den Medien zeigt. Allerdings scheint die Einschränkung des Zeitraums der Nahrungsaufnahme mit einer ad libitum Nahrungszufuhr nicht zielführend zu sein. Für eine weiterführende Studie in der Hausarztpraxis werden daher genauere Vorgaben hinsichtlich der Ernährung geplant.
Aus chronobiologischer Sicht ist eine Einschränkung des Zeitraums der Nahrungsaufnahme sehr sinnvoll, da sie dem Körper mehr Zeit für Regeneration und Reparatur bietet. Auch die circadiane Rhythmik des Metabolismus ist auf einen besser angepassten Zeitraum der Nahrungsaufnahme angewiesen, um metabolische Störungen zu verhindern. Forschungen an Schichtarbeitern bestätigen diese Annahmen.
Intervallfasten, besonders der verlängerte Zeitraum der nächtlichen Fastenphase, hat aufgrund der einfachen Durchführbarkeit großes Potenzial als Lebensstiländerung vielen nicht-übertragbaren Krankheiten präventiv entgegenzuwirken oder bereits bestehende metabolische Störungen zu bessern. Daher ist eine intensive Erforschung unbedingt nötig.
Praktische Implikationen: Aufgrund des großen medialen Interesses an Intervallfasten und speziell an TRF soll untersucht werden, wie die Durchführbarkeit am besten gewährleistet werden kann und welche Effekte zu erwarten sind. Eine wissenschaftliche Basis für weiterführende Studien wird bereitet.