Hintergrund: Je nach Gesundheitszustand und Reifegrad eines Neugebornen findet die Geburt entweder unter möglichst „natürlichen“ und vorrangig hebammengeleiteten Bedingungen statt oder es wird der Einsatz hochspezialisierte personeller und technischer Ressourcen der Maximalversorgung notwendig . Die Primärstudienlage bei Hochrisikogeburten (u.a. Geburtsgewicht < 1500g) deutet auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen neonatalem Outcome und Regionalisierungsgrad hin.
Fragestellung: Besteht ein Zusammenhang zwischen der Regionalisierung perinataler Versorgung (primäre Exposition) und Ergebnisqualität, definiert als kindliche und/oder mütterliche Sterblichkeit (primäres Outcome) bei explizit Reifgeborenen Niedrigrisikogeburten sowie unselektierten Geburtskohorten?
Methode: Von März-Mai 2018 (Update für Mai 2019 geplant) führten die Autoren ein systematisches Review durch. Nach der Registrierung bei PROSPERO erfolgte die systematische Suche in den Datenbanken Medline und Embase . Eingeschlossen wurden Studien, die mindestens maternale oder kindliche Sterblichkeit im Zusammenhang mit der Fallmenge untersuchten. Sekundäre Outcomes waren u.a. Kaiserschnittraten, Geburtskomplikationen, Wiederaufnahmen und Entwicklungsverzögerungen. Um eine Vergleichbarkeit des Settings sowie der Zeiträume zu gewährleisten, wurden nur Studien aus Ländern herangezogen, deren Neonatalsterblichkeit < 5/1000 Geburten liegt und mit einem Publikationsdatum zwischen 2000 und April 2018. Die PRISMA-Methodenstandards kamen bei der Durchführung des Reviews zur Anwendung.
Ergebnisse: Von 6.464 Treffern wurden nach einem mehrstufigen Auswahlprozess 6 Studien zu oben genannter Fragestellung eingeschlossen. Die Untersuchungen wurden hauptsächlich in Westeuropa durchgeführt und basierten primär auf Geburtsregistern. Die Ausgestaltung perinataler Regionalisierungsprogramme wurde thematisch getrennt zwischen umfassenden Bestrebungen (u.a. Verlegungsstrategien, strukturelle/personelle Ausstattung) in vier Studien und der Schließung geburtsmedizinischer Abteilungen als singulären Eingriff in zwei Studien. Eine Meta-Analyse konnte aufgrund unterschiedlicher Ausgestaltung perinataler Regionalisierungsprogramme, Mortalitätsdefinitionen und Adjustierungen nicht durchgeführt werden. Ein Vergleich der Studienergebnisse wurde dadurch sehr erschwert. Die Sterblichkeitsoutcomes ganzheitlicher perinataler Regionalisierungsprogramme zeigten gemischte, hauptsächlich nicht signifikante oder deskriptive Ausprägungen zu Gunsten der komplexen Intervention. Die zwei Studien zur Schließung geburtsmedizinsicher Abteilungen zeigten widersprüchliche Ergebnisse in der Neonatalmortalität, Todgeburten und Kaiserschnittraten
Diskussion: Die untersuchten perinatalen Regionalisierungsprogramme waren sehr unterschiedlich, was übergreifende Schlussfolgerungen erschwert. Tendenziell zeigten sich in einzelnen Studien günstige Effekte solcher komplexer regionaler Interventionen. Ein sicherer Effekt perinataler Regionalisierung auf die Sterblichkeit bei Reifgeborenen konnte jedoch aufgrund fehlender signifikanter oder nicht auf Signifikanz getesteter Ergebnisse nicht nachgewiesen kann. Des Weiteren war der übergeordnete Vergleich der Evidenz aufgrund unterschiedlicher Adjustierung sowie differenten Ausgestaltungen perinataler Regionalisierungsprogramme sehr erschwert.
Praktische Implikation: Grundsätzlich gibt es für den Zusammenhang zwischen dem neonatalen Outcome Reifgeborener und perinataler Regionalisierung deutlich weniger Studienevidenz als für die Frühgeborenen. Weitere Untersuchungen – etwa im Kontext des Innovationsfonds – sind notwendig, um die Effekte komplexer perinatale Regionalisierungsprogramme auf das Outcome Reifgeborener abschließend beurteilen zu können.
Hintergrund: In Deutschland ist die flächendeckende medizinische Versorgung zentrales Ziel des Gesetzgebers, das mittels der Bedarfsplanungsrichtlinie in die Praxis implementiert werden soll. Dabei wird zumeist davon ausgegangen, dass Menschen den nächstgelegenen Arzt aufsuchen. Studien konnten allerdings zeigen, dass dies oftmals nicht der Fall ist, sondern Patienten in vielen Fällen weiter entfernte Ärzte aufsuchen. Dieses Verhalten wird auch als „Bypassing“ bezeichnet.
Fragestellung: In diesem Beitrag wird untersucht, wie Patienten ihren Arzt für die regelmäßige ambulante Versorgung auswählen und welche Determinanten die Bereitschaft, den nächstgelegenen Arzt zu umgehen beeinflussen.
Methode: Es wurde ein Scoping Review entsprechend der PRISMA-Erweiterung für Scoping Reviews (PRISMA-ScR) durchgeführt. Dabei wurden drei Datenbanken (PubMed/Medline, ScienceDirect und OvidMedline) durchsucht. Zunächst wurden die Methoden zur Erfassung der zurückgelegten Wegstrecke extrahiert. Zudem wurden Determinanten identifiziert, die die zurückgelegte Wegstrecke direkt beeinflussen. Am Ende wurden alle Determinanten in ein Wirkungsmodell übertragen.
Ergebnisse: Nach Ausschluss von Duplikaten entsprachen 1.308 Artikel den Suchkriterien. Nach der Prüfung des Titels und des Abstracts lagen 48 Artikel für das Volltext-Screening vor. Nach Prüfung der Volltexte auf Zutreffen der Einschlusskriterien wurden 17 Artikel in die Analyse aufgenommen. Die Mehrheit der gefundenen Studien kam dabei aus den USA, zwei Studien waren aus Deutschland. Die meisten Studien verwendeten eine Fragebogenumfrage, teilweise mit einem Instrument zur Präferenzbewertung, z.B. ein Discrete Choice Experiment (DCE) oder eine Conjoint-Analyse. Sieben Artikel befassten sich mit der Wahl eines Hausarztes, wiederum sieben mit der fachärztlichen Versorgung und drei mit Ambulanzzentren. Im Mittelpunkt des entwickelten Modells steht die individuelle "Willingness to go", d.h. die Bereitschaft der Patienten zusätzliche Distanzen zu akzeptieren. Neben Determinanten wie Erreichbarkeit, Arztdichte und Urbanität spielten dabei auch individuelle Faktoren auf Seiten der Patienten, wie zum Beispiel Mobilitätseinschränkungen, zurückliegende Erfahrungen oder der Arbeitsort eine Rolle. Weiterhin war die Qualität der Versorgung, ausgedrückt unter anderem durch die Spezialisierung des Arztes, das Arzt-Patienten Verhältnis, den Zugang zu bestimmten Therapien und den Behandlungserfolg, ausschlaggebend für die zurückgelegten Wege.
Diskussion: Dieser Überblick beschreibt die veröffentlichte Literatur über die Patientenmobilität und die Determinanten der Arztwahl mit Schwerpunkt auf der regelmäßigen ambulanten Versorgung. Die Ergebnisse unterstreichen, dass sich die Literatur zu Mobilität in der ambulanten Versorgung sehr heterogen darstellt. Diese Vielfalt ergibt sich aus den verschiedenen Gesundheitssystemen, in denen die Studien durchgeführt wurden, aus unterschiedlichen Methoden der Datenerhebung und unterschiedlichen Settings und Patientengruppen. Aus diesem Grunde sind die gefundenen Ergebnisse mitunter schwer zu übertragen und sollten an den Rahmen angepasst werden, in dem eine Studie durchgeführt wird.
Praktische Implikationen: Distanz und weitere systembedingte Faktoren, wie z. B. Wartezeiten, sind wesentliche Elemente im Prozess der Arztwahl und sollten daher sorgfältig erfasst werden. Ideal wäre dafür die Erhebung und Verwendung genauer Adressen und die Berücksichtigung relevanter Transportmittel sowie weiterer in unserem Modell angegebener Determinanten. Neben der Entfernung und dem Zugang sollte bei der Bedarfsplanung auch die individuelle Mobilitätsbereitschaft berücksichtigt werden.
Hintergrund: Die Sichtbarkeit chronischer Hauterkrankungen geht mit einer gesellschaftlichen Diskriminierung und Stigmatisierung einher. Zusätzlich zur Krankheitslast ergeben sich durch die wahrgenommene und erlebte Stigmatisierung weitere psychosoziale Beeinträchtigungen. Ansätzen zur Reduktion von Stigmatisierung kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu.
Fragestellung: Welche Interventionsansätze zur Reduktion von Stigmatisierung bei Menschen mit sichtbaren chronischen Hauterkrankungen sind bekannt? Wie sind die Qualität dieser Ansätze und deren Ergebnisse einzuschätzen?
Methoden: Im Mai 2018 wurde eine systematische Literaturrecherche in den elektronischen Datenbanken EMBASE, MEDLINE, Web of Science und PsychINFO durchgeführt. Studien, welche Interventionsformate zur Reduktion von Stigmatisierung bei Menschen mit sichtbaren chronischen Hauterkrankungen beschreiben und evaluieren, wurden eingeschlossen. Die Datenextraktion umfasste die Interventionsbeschreibung, die Zielpopulation und das Setting sowie die verwendeten Ergebnisparameter und das Studienergebnis selbst. Die CASP Checkliste wurde eingesetzt, um die methodische Qualität der eingeschlossenen Studien zu bewerten.
Ergebnisse: 19 Studien mit sehr unterschiedlichen Studiendesigns und Stichprobengrößen erfüllten die Einschlusskriterien. Insgesamt 13 davon verfolgten das Ziel die Stigmatisierung von Menschen mit Lepra zu reduzieren. Zielpopulationen der übrigen Studien waren Personen mit Vitiligo, Haarausfall, Neurodermitis, Nagelpilz, Gesichtsentstellungen und Ulcus cruris. Die Interventionen in 10 Studien adressierten die stigmatisierte Personengruppe selbst: Ansätze zur Verbesserung der Selbstwahrnehmung, zur Förderung der Partizipation sowie zur Steigerung der Lebensqualität konnten die Selbststigmatisierung reduzieren. Die Interventionen in 4 Studien richteten sich an die potentiell stigmatisierende Allgemeinbevölkerung: Durch den Abbau von Berührungsängsten in der allgemeinen Bevölkerung, die Aufklärung von Personengruppen und die Beeinflussung der Risikowahrnehmung konnte das öffentliche Stigma reduziert werden. Die Interventionen der übrigen 5 Studien verfolgten das Ziel sowohl die Selbststigmatisierung als auch das öffentliche Stigma zu beeinflussen. Die Qualität der eingeschlossenen Studien war größtenteils schlecht.
Diskussion: Die systematische Literaturübersicht macht deutlich, dass es an qualitativ hochwertigen Studien zur Reduktion von Stigmatisierung bei Menschen mit sichtbaren chronischen Hauterkrankungen mangelt. Trotzdem liefern die identifizierten Studien wichtige Hinweise für die Entwicklung, Implementierung und Evaluation zukünftiger Interventionen.
Praktische Implikation: Die erhebliche Krankheitslast durch wahrgenommene und erlebte Stigmatisierung und der Mangel an qualitativ hochwertigen Studien zeigen einen klaren Handlungsbedarf auf. Die Ergebnisse des Reviews fließen in die Konzeption eines neuen, komplexen Interventionsformates ein. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die Verstetigung des Interventionsformates gelegt, um so langfristig wahrgenommene und erlebte Stigmatisierung von Menschen mit sichtbaren chronischen Hauterkrankungen nachhaltig positiv zu beeinflussen.
Hintergrund. Im Krankenhaus haben besonders ältere Patient/innen Probleme ein- und/oder durchzuschlafen. Nicht selten werden dann Schlaf- und Beruhigungsmittel verabreicht, die zur Gruppe der Hypnotika/Sedativa (z. B. Benzodiazepine) gehören und z. T. als potentiell inadäquat gelten.
Fragestellung. Kann eine komplexe Intervention den Verbrauch an Schlaf- und Beruhigungsmitteln im Allgemeinen sowie die Menge an potentiell inadäquate Medikamente während eines Krankenhausaufenthaltes reduzieren?
Methode. Die Studie fand in einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung statt, mit ca. 600 Betten und Stationen der Innere Medizin, Allgemein-, Unfall- und Plastische Chirurgie, Urologie sowie einem geriatrischen Schwerpunkt. Wir haben die verabreichten Schlaf- und Beruhigungsmittel in Krankenhausakten von Patient/innen (≥ 65 Jahre) vom 1. Juli bis zum 12. August in 2013 (= vor Intervention) und im Vergleichszeitraum 2017 (= nach Intervention) erhoben. Die Intervention umfasste Fortbildungen, praktische Handlungsstrategien und Verordnungshilfen (z. B. in Form von „Kitteltaschenkarten“) sowie Poster und weitere Informationen für Patienten (siehe www.schlaffreundliches-krankenhaus.de). Primäre Endpunkte waren (1) der Anteil von Patient/innen, die während ihres Aufenthaltes ein oder mehrere Schlaf- oder Beruhigungsmittel erhalten haben, sowie (2) der Anteil von Patienten mit mindestens einem potentiell inadäquaten Schlaf- oder Beruhigungsmittel – jeweils vor und nach Intervention. Unterschiede wurden mittels Chi2-Test auf Signifikanz überprüft.
Ergebnisse. Wir haben konsekutiv 1.033 Akten (2013) bzw. 1.059 Akten (2017) von Patienten (58% Frauen) ausgewertet. In 2013 erhielten 39,7% (410 / 1.033) aller älteren Patient/innen mindestens einmal während ihres Krankenhausaufenthaltes ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel. In 2017 waren dies nur noch 27,3% (289/ 1.059; p < 0,0001). Vergleichbar reduzierte sich der Anteil von älteren Patient/innen, die ein potentiell inadäquates Schlaf- und Beruhigungsmittel erhielten, von 21,2% (219 / 1.033) auf 8,3% (88 / 1.059; p < 0,0001). Diese Trends zeigten sich auf allen Stationen. Soweit bisher ausgewertet, können wir ein Ausweichen auf andere, ebenfalls potentiell inadäquate Medikamente oder Strategien ausschließen.
Diskussion. Aus verschiedenen Studien wissen wir, dass das Thema Schlaf und medikamentöse Therapie im Krankenhaus häufig ist, aber keine hohe Priorität – im Vergleich zum Eiweisungsgrund – hat. Durch eine komplexe Intervention konnte den Verbrauch an Schlaf- und Beruhigungsmitteln im Krankenhaus bei älteren Patient/innen signifikant reduziert werden. Dies bezieht sich insbesondere auch auf potentiell inadäquate Medikamente. Die Intervention leistet somit einen Beitrag zur Steigerung von Patientensicherheit im Krankenhaus, insbesondere durch die potentielle Vermeidung von Stürzen, Verwirrung und Medikamentenabhängigkeit.
Praktische Implikationen. Fortbildungsmaßnahmen allein zur Änderung des Verbrauchs an Schlaf- oder Beruhigungsmitteln erwiesen sich oft als wirkungslos. Daher haben wir zunächst Patienten, Pflegekräfte und Ärzt/innen über adäquate Maßnahmen bei Schlafproblemen im Krankenhaus informiert, dann aber diese Informationen – gemeinsam mit den beteiligten Berufsgruppen, Qualitätsmanagement und Krankenhausleitung – zu einer Standard Operating Procedure (SOP) für Pflegekräfte und Ärzt/innen weiterentwickelt und verbindlich implementiert. Diese SOP umfasste Schlafanamnese, nicht-pharmakologischer Alternativen und Verordnungshilfen im Falle erforderlicher pharmakologischer Interventionen und wurde in Form von laminierten Kitteltaschenkarten an alle Mitarbeiter verteilt. In einem Vorher-Nachher-Vergleich konnten wir zeigen, dass eine solche komplexe Intervention sowohl die Gesamtmenge an Schlaf- und Beruhigungsmitteln als auch die potenziell inadäquaten Verordnungen reduzieren kann.
Hintergrund
Mit einer alternden Gesellschaft und wachsender Lebenserwartung steigt die Zahl der Eltern, die von einer unheilbaren, lebensbedrohlichen Erkrankung ihres erwachsenen Kindes betroffen sind. Zudem sehen sich erwachsene Kinder mit dem Lebensende ihrer schwerstkranken Eltern konfrontiert. Die beiden unterschiedlichen Dyadenkonstellationen bringen Besonderheiten in der Interaktion mit sich. Nach Kenntnis der Autoren wurde bisher keine systematische Literaturrecherche durchgeführt, die sich gleichzeitig auf die Interaktion sowie die psychosoziale Versorgung und Unterstützungsbedürfnisse dieser beiden Dyaden erwachsener Kinder und ihrer Eltern am Lebensende konzentriert.
Fragestellung
Folgende Forschungsfragen sollen beantwortet werden: 1) Was ist aus der bestehenden Literatur über die Interaktion zwischen Eltern und erwachsenen Kindern am Lebensende bekannt? 2) Was erfahren wir aus der verfügbaren Literatur über die psychosoziale Versorgung sowie die Unterstützungsbedürfnisse von Eltern und ihren erwachsenen Kindern am Lebensende?
Methode
Es wurde ein Typ 4 Scoping Review gemäß des methodischen Rahmens von Arksey und O'Malley (2005) durchgeführt. Der Review umfasst Studien aller methodischen Designs. Die Datenbanken PubMed, PsycINFO, CINAHL, Google Scholar und Web of Science wurden von ihrem jeweiligen Erfassungsbeginn bis einschließlich 16. August 2018 durchsucht. Hierzu wurde eine hochsensible Suchstrategie eingesetzt. Eine Handsuche wurde durchgeführt, indem die Literaturverzeichnisse der relevanten Artikel überprüft wurden. Es wurden Studien aufgenommen, die in englischer und deutscher Sprache veröffentlicht wurden. Alle Materialien wurden mit dem Literaturverwaltungsprogramm EndNote X8 gespeichert. Inhaltliche Schwerpunkte und Schlüsselkonzepte der relevanten Studien wurden deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse
Zwei Forscherinnen prüften unabhängig voneinander Titel und Abstract 1.832 wissenschaftlicher Arbeiten, von denen 216 Volltexte beurteilt wurden. In die Analyse wurden schließlich 15 Studien eingeschlossen. Eine weitere Studie wurde durch die Handsuche identifiziert. Im Rahmen der Überprüfung wurden sechs Hauptthemen ermittelt: 1) Beziehung zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern, 2) Kommunikation zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern, 3) Beteiligung an der Versorgung, 4) Nutzen und Belastung durch die geleistete Fürsorge, 5) Bewältigungsstrategien sowie 6) Unterstützung und Information für versorgende Angehörige. Relevante gemischtmethodische Studien sowie Studien, die Ergebnisse aus Deutschland berichten, konnten nicht identifiziert werden. Lediglich zwei Artikel diskutieren in Europa erhobene Daten.
Diskussion
Die Interaktion zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern am Lebensende ist stark geprägt durch innerfamiliäre Kommunikationsmuster sowie die jeweiligen, teils sehr spezifischen, Dyadenkonstellation (z.B. homosexuelle, an AIDS erkrankte Söhne am Lebensende und ihre Mütter). Der Schwerpunkt der relevanten Studien liegt auf den weiblichen Fürsorgenden, d.h. Töchter oder Mütter, die für ihre Eltern oder erwachsenen Kinder sorgen. Die eingeschlossenen Studien fokussieren primär fürsorgende Angehörige, wohingegen sekundär in die Fürsorge eingebundene Angehörige vernachlässigt werden. Entsprechend werden Unterstützungsbedürfnisse eher auf der Grundlage des Status erforscht, den der Angehörige bei der Fürsorge des Patienten einnimmt, als auf Grundlage der Angehörigenbeziehung selbst.
Praktische Implikationen
Die Analyse der eingeschlossenen Studien weist auf Forschungslücken hin. Die Ergebnisse dieses Reviews sind richtungsweisend für die zukünftige Forschung am Lebensende und zeigen, dass Studien notwendig sind, um die Erfahrungen und den psychosozialen Unterstützungsbedarf beider Dyaden zu ermitteln. Aktuell fließen die Erkenntnisse aus dem Review in die gemischtmethodische Studie „Dy@EoL – Interaktion am Lebensende in Dyaden von Eltern und erwachsenen Kindern“ (BMBF-Förderkennzeichen: 01GY1711; Laufzeit: 01.10.2017-30.09.2020) ein, wobei die Besonderheiten der Interaktion in beiden Dyaden untersucht und passgenaue Empfehlungen hinsichtlich psychosozialer Interventionsmaßnahmen abgeleitet werden.
Ziel: Die Fachgruppierungen der Deutschen Gesellschaft für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) richten jährlich wissenschaftliche Jahrestagungen aus, auf denen die neuesten Forschungsergebnisse präsentiert werden. Wieviele der auf der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie e. V. (DGKFO) präsentierten Arbeiten in der Folge aber im Volltext, in peer-reviewten Journalen publiziert werden, ist unklar. Da aktuell die kieferorthopädische Versorgung, aufgrund einer als unzureichend postulierten Evidenz, stark kritisiert wird, ist es umso wichtiger herauszufinden, welche Voraussetzungen notwendig sind, damit wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse publiziert werden. Dies wird in der vorliegenden Studie untersucht.
Methode: Wir erfassten bei den 288 in den Jahren 2014 und 2015 präsentieren Abstracts Präsentationsformat (Poster vs. freier Vortrag), Geschlecht und Zahl der Autoren, Art der Studie (klinisch vs. nicht-klinisch) sowie die universitäre Affiliation und suchten nach Volltextpublikationen der Arbeiten in pubmed sowie auf google scholar bis einschließlich 2018.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 99 Abstracts als freie Vorträge und 189 als Poster vorgestellt, 210 berichteten Ergebnisse von klinischen Studien und 78 von nicht-klinischen Studien, 280 waren Primärstudien und 8 Literaturarbeiten, bei 168 war der Erstautor männlich und bei 118 weiblich, bei 192 war der Letztautor männlich und bei 82 weiblich, bei 247 lag eine universitäre Affiliation vor und bei 40 nicht; die mittlere Autorenzahl lag bei 4 (range 1-14). Bis 31.12.2018 wurden insgesamt 88 Abstracts (30.5%) nach einer mittleren Zeitspanne von 1.6 ± 1.2 Jahren publiziert. In der logistischen Regression waren eine universitäre Affiliation (OR 3.38 [1.07-10.66]; p=0.038) und Literaturarbeiten (OR 5.92 [1.27-27.49]; p = 0.023) unabhängig mit einer höheren Publikationswahrscheinlichkeit assoziiert. Auf die Publikationswahrscheinlichkeit hatte es keinen Einfluss, ob ein Abstract zur Präsentation als Vortrag oder als Poster angenommen wurde (p=0.882).
Schlussfolgerung: Wir schließen, dass nach über 3 Jahren fast ein Drittel der bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie e. V. (DGKFO) angenommen Abstracts zur Publikation im Volltext gelangt sind. Arbeiten mit universitärer Affiliation und Literaturarbeiten haben höhere Publikationschancen.
Hintergrund
Leitlinien (LL) können definiert werden als systematisch entwickelte Aussagen, die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand abbilden, um die Entscheidungsfindung von Ärzten und anderen im Gesundheitswesen tätigen Berufsgruppen sowie Patienten hinsichtlich spezifischer Gesundheitsprobleme zu unterstützen. Physiotherapeutische LL zeichnen sich dadurch aus, dass sie in erster Linie Physiotherapeuten adressieren und Empfehlungen für physiotherapeutische Maßnahmen geben. In Deutschland sind Physiotherapeuten an der Erstellung einer Vielzahl von medizinischen LL beteiligt. Allerdings sind bislang keine deutschen physiotherapeutischen LL bekannt.
Fragestellung
Ziel war es, national und international vorhandene physiotherapeutische LL zu verschiedenen Krankheitsbildern zu identifizieren und ihre methodische Qualität zu bewerten.
Methode
Es wurden systematische Recherchen in Medline und PEDro durchgeführt sowie die Websites der Mitglieder der World Confederation for Physical Therapy (WCPT) gescreent (03/2018). Die Selektion physiotherapeutischer LL erfolgte durch 2 Reviewer entsprechend a priori definierter Einschlusskriterien (u.a. überwiegend Empfehlungen zur Physiotherapie enthalten). Die identifizierten LL wurden mit dem AGREE II Instrument von 4 Reviewern unabhängig bewertet. Es wurden standardisierte Domänenwerte (max. 100%) für Domäne 1 (Geltungsbereich und Zweck), Domäne 2 (Beteiligung von Interessensgruppen), Domäne 3 (Genauigkeit der Leitlinienentwicklung), Domäne 4 (Klarheit der Gestaltung), Domäne 5 (Anwendbarkeit) und Domäne 6 (Redaktionelle Unabhängigkeit) berechnet.
Ergebnisse
Die Recherche in den Datenbanken ergab insgesamt 1136 Treffer. Die Suche auf den Websites der WCPT-Mitglieder resultierte zusätzlich in 29 zu prüfenden LL. Es wurden 33 physiotherapeutische LL eingeschlossen. 42% (14/33) der LL stammten aus den USA, 33% (11/33) aus den Niederlanden. LL aus Deutschland wurden nicht gefunden. 42% (14/33) der LL waren älter als 5 Jahre. 73% (19/33) der LL umfassten Krankheitsbilder aus dem Bereich muskuloskelettale Erkrankungen. Die Bewertung mit AGREE II ergab im Median (%; Interquartilsabstand) folgende Werte: Domäne 1: 75 (64-92), Domäne 2: 63 (54-78), Domäne 3: 66 (48-75), Domäne 4: 74 (65-75), Domäne 5: 45 (26-54), Domäne 6: 46 (31-65).
Diskussion
Es existieren insgesamt nur wenige Organisationen, die physiotherapeutische LL entwickeln. Die identifizierten physiotherapeutischen LL weisen aber zum großen Teil eine moderate bis gute methodische Qualität auf.
Implikationen für die Praxis
Bei der Entwicklung deutscher physiotherapeutischer LL sollten Möglichkeiten der Adaption bestehender internationaler LL geprüft werden.
Hintergrund:
Multizentrische Versorgungstudien, die möglichst große Teile des Bundesgebiets abdecken, sind zur Darstellung regionaler Unterschiede und Besonderheiten von großer Bedeutung. Zur Durchführung einer Studie in Deutschland muss die Studienleitung zunächst ein federführendes Ethikvotum einholen. Ob darüber hinaus weitere berufsrechtliche oder ethische Beratungen erforderlich sind, ist regional uneinheitlich geregelt. Ziel dieser Analyse ist es, einen Überblick über die eingesetzten Ressourcen für die berufsethische und -rechtliche Beratung bei einer multizentrischen Beobachtungsstudie in Deutschland („EDIUM“) zu schaffen. Die Studie wird in 110 Darmkrebszentren aus 15 Bundesländern durchgeführt. Wir wollen damit einen Beitrag für ein zukünftig effizienteres Studienmanagement in der Versorgungsforschung leisten.
Fragestellung:
Wie hoch ist der Ressourcenaufwand für multizentrische Versorgungsforschungsstudien in Deutschland, um eine flächendeckende berufsrechtliche und berufsethische Beratung zu erhalten?
Methode:
Die zur Beratung in den verschiedenen Institutionen erforderlichen Dokumente wurden dokumentiert und die eingesetzten Ressourcen in den Bereichen Beratungsgebühren, Materialien und Personal für den Zeitraum April 2018 bis März 2019 quantitativ deskriptiv analysiert.
Ergebnisse:
Die Studienunterlagen wurden von federführenden Ethikkommission (EK) und zusätzlich von 15 Landesärztekammern (LÄK) und fünf Unikliniken begutachtet.
Bis März 2019 wurden in toto 6.305 Euro Beratungsgebühren von den EK abgerechnet, welche sich aus 970 Euro für die federführende EK, 4.335 Euro für die zweitvotierenden EK der LÄK, 400 Euro für die EK der Unikliniken sowie 600 Euro für die Nachmeldung von StudienärztInnen bei einer der LÄK zusammensetzen. Die abgerechneten Gebühren der einzelnen EK variieren zwischen 50 und 1.400 Euro.
Die Anforderungen für die einzureichenden Unterlagen variierten je nach EK erheblich. Für die größtenteils mehrfach geforderten Ausführung der Antragsunterlagen wurden mindestens 3820 Blatt DIN A 4 Papier gedruckt. Nicht eingerechnet in dieser Aufstellung sind die Antwortschreiben auf die Hinweise der EK und die Druckunterlagen der Studienzentren, die die Beratung eigenständig beantragen mussten (acht Studienzentren).
Das Studienmanagement erstellte das Studienprotokoll, evaluierte zunächst die Anforderungen der EK bei den LÄK, stimmte sich mit den über 100 Studienzentren ab, erstellte und versendete die Unterlagen und bearbeitete die Rückmeldungen der EK. Von April 2018 bis März 2019 wurden für diese Schritte ca. 208 Arbeitsstunden von der Studienleitung aufgewendet. In dieser Zählung nicht eingeschlossen sind die Arbeitsstunden innerhalb der Studienzentren und der einzelnen EK. Die Beratung erfolgte in allen Fällen schriftlich und dauerte durchschnittlich vier Wochen. Acht der 20 lokalen EK gaben Hinweise bezüglich der Studienunterlagen. Zwei Drittel dieser Hinweise der EK überschnitten sich inhaltlich. Konkrete Formulierungsvorschläge waren selten. Zwei Ethikvoten wurden erst nach offiziellem Beginn der Studie erteilt, woraus Verzögerungen für einige Studienzentren resultierten.
Diskussion:
Die Beantragung einer flächendeckenden berufsrechtlichen und berufsethischen Beratung für multizentrische Beobachtungstudien ist in Deutschland komplex, teuer und zeitaufwändig. Neben den insgesamt hohen Kosten für die Gebühren verdeutlicht die Analyse die große Gebührenspannweite zwischen den einzelnen EK. Inwieweit sich diese unterschiedlichen Gebühren legitimieren, ist aus den Gebührenbescheiden nicht zu entnehmen. Darüber hinaus ist der hohe Materialaufwand anzumerken, der eine zusätzliche Belastung für das Studienbudget und nicht zuletzt einen ökologischen Fußabdruck verursacht. Bezüglich des Personalaufwands sollten neben den Arbeitsstunden des Studienmanagements die Arbeitsstunden innerhalb der EK nicht außer Acht gelassen werden. Ein Ethikvotum wurde erst nach Studienbeginn erstellt, da die zuständige EK aufgrund zu hoher Antragszahlen überlastet war.
Praktische Implikationen:
Ein bundeseinheitliches Verfahren für die berufsrechtliche und -ethische Beratung für multizentrische Studien könnte den finanziellen, materiellen und personellen Aufwand deutlich reduzieren, den Studienleitung, beteiligte Zentren und EK haben. Im Sinne ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit sollten Online-Verfahren erwogen werden.
Hintergrund: Die Beurteilung der Erkrankungsschwere ist ein wesentlicher Bestandteil in der Versorgung von Patienten mit Psoriasis (Schuppenflechte). Bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis wird systemische Behandlung empfohlen. Die Beurteilung des Schweregrades basiert im Allgemeinen auf dem Psoriasis Area and Severity Index (PASI; 0-72; höherer Wert bedeutet schwerere Erkrankung) und dem Dermatologischen Lebensqualitätsindex (DLQI; 0-30; 30 = maximale Einschränkung der Lebensqualität). Es liegen jedoch unterschiedliche Schweregrad-Definitionen anhand dieser Scores vor.
Ziel: Bestimmung der Anteile von Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis anhand unterschiedlicher Definitionen aktueller Leitlinien.
Methode: Bundesweite Querschnittsdaten von 3.274 Patienten (≥ 18 Jahre alt) mit Psoriasis aus mehr als 200 dermatologischen Praxen und Kliniken wurden hinsichtlich des Schweregrades ihrer Psoriasis untersucht.
Ergebnisse: Unter den 3.274 Patienten (43,4% weiblich, mittleres Alter 51,7 Jahre) betrug die mittlere Krankheitsdauer 21,4 Jahre, 18,4% hatten eine Psoriasis-Arthritis und 33,4% eine Psoriasis mit Nagelbeteiligung. Der mittlere PASI betrug 9,4 und der DLQI durchschnittlich 6,9. Der Anteil von Patienten, die entsprechend der Europäischen Leitlinie die Kriterien für eine mittelschwere bis schwere Psoriasis (PASI AND DLQI > 10) erfüllten, betrug 14,0 %, obwohl 45,3 % mindestens einen PASI oder DLQI von > 10 erreichten. Die Berücksichtigung aller Patienten als mittelschwer bis schwer, bei denen eine systemische Behandlung vorlag, erhöhte diesen Anteil auf 56,9 % bzw. 75,2 %. Bei Einschätzung der Schwere nur mithilfe eines PASI > 10 lag der Anteil der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis bei 35,3 % bzw. 69,3 %.
Diskussion: Der Anteil von Patienten mit Psoriasis, bei denen von einer mittelschweren bis schweren Erkrankung ausgegangen wird, variiert je nach Schweregrad-Definition erheblich. Die Berücksichtigung aller Patienten als mittelschwer bis schwer, bei denen eine systemische Therapie vorlag, erhöhte diesen Anteil deutlich, obwohl diese Patienten nicht der Definition von PASI > 10 und DLQI > 10 entsprechen. Um der Abbildung der Versorgungsrealität jedoch gerecht zu werden, wurde diese Patientengruppe in die aktuelle Analyse einbezogen und machte 42,9% der Kohorte aus. Die unterschiedlichen Definitionen können zu Unsicherheit und Ungleichheit beim Zugang zu Systemtherapien führen.
Praktische Implikationen: In der Routineversorgung sollte die Verschreibung von Medikamenten für Patienten, die eine systemische Behandlung benötigen, auf einer erweiterten Definition beruhen, die sowohl solche mit objektiv mittelschwerer bis schwerer Psoriasis (PASI > 10) als auch solche mit starker Krankheitslast (DLQI > 10) einbezieht. Besonders bei sichtbaren Hautstellen wie Nägel, Kopfhaut und Gesicht ist dies wichtig. Darüber hinaus sollten klinische Entscheidungen für antipsoriatische Behandlungen vorzugsweise auf der Grundlage des Bedarfs und der Patientenpräferenzen getroffen werden. Ein solches Konzept geht über PASI und DLQI hinaus und muss individuelle Behandlungsziele für eine personalisierte Therapie beinhalten.