Autor:innen:
Robert Renter | Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences | Germany
Haress Ghafari | Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences | Germany
Karoline Lange | Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences | Germany
Sara Ramminger | Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences | Germany
Lisa Laininger | Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences | Germany
Sabine Ohlrich-Hahn | Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences | Germany
Dr. Olaf Strauß | Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences | Germany
Martin Horst | 13° Crossmedia Agentur, Neubrandenburg, Mecklenburg-Vorpommern | Germany
Till Meyer | AOK Nordost - Die Gesundheitskasse, Berlin | Germany
Prof. Dr. Luzia Valentini | Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences | Germany
Hintergrund
Durch die zunehmende Prävalenz von Übergewicht und den daraus resultierenden krankheitsbedingten Ausfallzeiten, wie auch durch das im Median zunehmende Alter ihrer Belegschaften, versuchen viele Unternehmen, betriebliche Angebote zur verbesserten Ernährungs‐ und Lebensweise zu etablieren. Die Anforderungen an solche Programme reichen von Kosteneffizienz über Nachhaltigkeit bis hin zu einer hohen Akzeptanz. Die Erfüllung dieser Anforderungen gelten für Mitarbeitende im Niedriglohnsektor, wie zum Beispiel von Callcentern, als besondere Herausforderung. Das im Jahr 2018 entwickelte, Internet-gestützte Gesundheitsförderungsprogramm „Armonia“, setzt an diesen Punkten an indem es qualifizierte, persönliche Ernährungsberatung durch körperliche Untersuchungen und eine komplexe Onlineplattform (e-Armonia) ergänzt. Ziel dieser ersten Zwischenauswertung nach 6 Monaten war es, die Machbarkeit und Effektivität von Armonia zur Verbesserung des Gesundheitsstatus bei Mitarbeitenden eines Callcenters in Mecklenburg-Vorpommern zu evaluieren.
Fragestellung
Ist es möglich, Mitarbeitende in Niedriglohnsektoren für verhaltensveränderte Ernährungsmaßnahmen im betrieblichen Kontext zu gewinnen und krankheitsrelevante Endpunkte positiv zu beeinflussen?
Methoden
56 Mitarbeitende des Callcenters Arvato Schwerin zeigten Interesse an der Teilnahme am 12-monatigen Ernährungsprogramm Armonia. Davon wurden 30 Personen für die Pilotdurchführung zufällig ausgelost. Nach 6 Programmmonaten waren davon noch 26 Personen (87 %) aktiv, von 24 konnten vollständige Datensätze erhoben werden (19w/5m, Alter 44,1±11,2 Jahre). Die Messung des Körpergewichts (Seca 878 dr, Hamburg), Taillenumfangs, der Körperzusammensetzung (mBCA 525, Seca, Hamburg), des Blutdrucks (Bosomed medicus, Bosch, Gerlingen) fand basal und nach 6 Monaten statt. Die Lebensqualität wurde mittels WHO-5 erhoben. Die individualisierte, ernährungstherapeutische Intervention wurde von 2 akademisierten Diätassistenten (B.Sc. Diätetik) prozessgeleitet nach dem German Nutrition Care Process (G-NCP) durchgeführt [1]. Die programmbegleitende Onlineplattform e-Armonia enthielt unter anderem täglich wechselnde zielgruppenspezifische News und Tipps im Twitterformat, Lerneinheiten zu Ernährungsthemen mit Abschlusstest, Möglichkeiten zur elektronischen Dokumentation der Nahrungsaufnahme (KiloCoachTM), Whats-app Kommunikationsstellen zu Ernährungscoaches, Challenges zur körperlichen und geistigen Fitness sowie persönliche Körper- und Ernährungsdaten. Alle Probanden erhielten über die Programmdauer eine mit e-Armonia verlinkte Smartwatch (Garmin Vivosmart 3, Olathe, Kansas, USA). Zusätzlich wurde Incentives durch Gamificationelemente geschaffen. Nach 6 Monaten wurde eine anonymisierte Online-Teilnehmerumfrage (LimeSurvey, Hamburg, Deutschland) durchgeführt. Dabei betrug die Responserate 88% (n=21). Die vorliegende Zwischenauswertung erfolgte per Protokoll.
Ergebnisse
84% (n=21) der Teilnehmenden waren basal übergewichtig oder adipös (BMI 29,9±5,0 kg/m2, Körpergewicht 88,7±17,8 kg, Fettmasse 36,4±12,9 kg, viszerale Fettmasse 2,7±1,6 kg, Taillenumfang 99,0±13,3 cm). Der mittlere systolische Blutdruck betrug basal 135±18,3 mmHg, der diastolische 88,8± 11,2 mmHg. Nach 6-Monaten verminderten sich BMI (-1,40±2,25 kg/m2, p < 0,001) Körpergewicht (-3,18±4,11 kg, p < 0,001) Taillenumfang (-5,42±6,68 cm, p < 0,001) Fettmasse (-2,56±3,1 kg, p < 0,001) viszerales Fett (0,55± 0,88 kg, p < 0,005), systolischer (-7,46±11,3 mmHg, p < 0,004) und diastolischer Blutdruck (-4,25±10,6 mmHg, p < 0,039) signifikant. Die Lebensqualität erhöhte sich von basal 14,3± 3,9 Punkten auf 16,0±4,5 Punkte (p < 0,038). Die Onlineumfrage nach 6 Monaten ergab mit 3,8±0,71 von max. 5 Punkten eine hohe Programmzufriedenheit, mit 4,3±1,0 von max. 5 Punkten eine sehr hohe Zufriedenheit mit der persönlichen Betreuung sowie mit 4,0±1,0 Punkten eine subjektiv hohe Zuversicht, das Erreichte halten zu können.
Diskussion
Die 6-Monatsergebnisse des 12-monatigen Programmes Armonia zeigten eine gute Programmadhärenz und erste vielversprechende Reduktionen der kardiovaskulären Risikofaktoren.
Praktische Implikationen
Das Programm Armonia scheint machbar und effektiv, ist jedoch in der derzeitigen Form für den Praxiseinsatz zu ressourcenintensiv. An der Optimierung des Personalbedarfs wird gearbeitet.
1. Ohlrich-Hahn S et al. Der German Nutrition Care Process. Ernährungsumschau 2017;10:M568-79