Digital erhobene Daten könnten Chancen zur Verbesserung der (Früh-) Diagnostik psychischer Erkrankungen, in der Therapieauswahl und beim Langzeitmanagement von Patienten bieten. Ihre Einbindung in Forschungsaktivitäten insbesondere zum Thema der frühen Identifizierung von Personen mit einem signifikant erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Störung verspricht u.a. eine bessere Prognoseabschätzung und gezieltere Auswahl von Frühinterventionen. Gleichwohl gilt es, den möglichen Risiken, die sich u.a. durch die breitflächige Erhebung von individuellen Daten im täglichen Leben ergeben, entgegenzuwirken und eine akzeptable Nutzen-/Risiko-Balance bei höherer (Vorhersage-) Unsicherheit zu finden. Drei Clinician Scientists werden ihre umfangreiche Erfahrung im Themenfeld digitaler Forschungsmöglichkeiten im Rahmen der Früherkennung und Frühintervention bei psychischen Störungen nutzen, um deren Chancen und Risiken zu diskutieren.
14:30 Uhr
Digitale Marker zur Vorhersage klinischer Outcomes bei Patienten mit Hochrisikosyndrom für psychotische Störungen
Isabell Pätzold, Mannheim (Germany)
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Autor:in:
Isabell Pätzold, Mannheim (Germany)
Bislang stand der Übergang in eine vollausgeprägte psychotische Störung im Fokus der Forschung im Bereich der Früherkennung und Frühintervention. Meta-Analytische Evidenz zeigt, dass die Mehrheit der Patienten keine Psychose entwickelt, aber auch nicht zeitnah remittiert und unter eingeschränktem Funktionsniveaus leidet.
Ziel unserer Studie ist es, digitale Marker zur Vorhersage klinischer Outcomes bei Personen mit Hochrisikosyndrom untersuchen. Im Rahmen der EU-GEI High Risk Studie wurden affektive und psychotische Stressreaktivität sowie subjektiv erlebte Negativsymptomatik (abgeflachter Affekt, (soziale) Anhedonie, Mangel an sozialem Antrieb und vermindertes Interesse an Sozialkontakten) im Alltag von N=79 Personen mit Hochrisikosyndrom mithilfe der Experience Sampling Methode erfasst. Klinische Outcomes (Funktionsniveau, Symptomschwere) wurden zur Baseline sowie zur Nachuntersuchung ein und zwei Jahre später erhoben.
Im Bereich affektiver und psychotischer Stressreaktivität ergaben sich gemischte Befunde: Stressreaktivität des positiven Affekts sagte das Funktionsniveau ein Jahr später vorher (b=6.29, p=.034), eine Zunahme der Intensität von Wahnsymptomatik in Reaktion auf Stress die Symptomschwere (b=0.52, p=.032). Stressreaktivität des negativen Affekts sowie eine Zunahme der Intensität von Halluzinationen und Denkstörungen in Reaktion auf Stress wiesen keinen Zusammenhang mit klinischen Outcomes auf. In Bezug auf Negativsymptomatik zeigte sich, dass soziale Anhedonie die Symptomschwere (b=-0.35, p=.033) und das Funktionsniveau (b=5.99, p=.006) ein Jahr später vorhersagte.
Die Befunde unterstreichen die potentielle Relevanz digitaler Marker, wie affektive und psychotische Stressreaktivität und im Alltag erlebte Negativsymptomatik, als Ansatzpunkte für personalisierte Ecological Momentary Interventions, die einen wichtigen nächsten Schritt in der Verbesserung klinischer Outcomes im Bereich des Hochrisikosyndroms für psychotische Störungen darstellen könnten.
15:00 Uhr
Nutzung größerer Datenmengen für eine individualisierte Diagnostik, Therapie oder Verlaufsprognose – Chancen und Risiken
Joseph Kambeitz, Köln (Germany)