Psychische Störungen sind weit verbreitet und gehen mit erheblichen individuellen und gesellschaftlichen Beeinträchtigungen einher. Trotz der starken Krankheitslast und des gut ausgebauten Versorgungssystems in Deutschland, werden psychische Störungen nur unzureichend versorgt. Verschiedene E-Mental-Health-Interventionen gelten als vielversprechende Optionen, um Zugangsbarrieren abzubauen, Versorgungslücken zu schließen und durch zusätzliche E-Health Komponenten in traditionellen Behandlungssettings zu bereichern. Wenige wissen, dass die Wirksamkeit der Psychotherapie über Videokonferenz der Psychotherapie im Präsenzformat vergleichbar ist. Obgleich die COVID19-Pandemie wie ein Beschleuniger der Digitalisierung wirkte, ist das Wissen bei Patienten und Behandlern dazu immer noch gering. Eine aktuelle Studie zu Selbstmanagement-Interventionen zeigte, dass nur in kleinerTeil der Betroffenen solche Angebote nutzte, aber die Hälfte Interesse an der Nutzung zeigte (Webelhorst et al. 2020). Es wird deutlich, dass neben den Fragen der Entwicklung und Prüfung von Angeboten die Translation in die Behandlungspraxis eine Herausforderung darstellt und spezifischer Anstrengungen bedarf. Diesem Themenfeld widmet sich dieses Symposium. Prof. Harald Baumeister, Ulm, umreißt das Feld in einem einführenden Beitrag und referiert eigene Ergebnisse. Dr. Margit Löbner, Leipzig, stellt ein Innovationsfondsprojekt vor, bei dem am Beispiel eines kostenfreien und RCT-evaluierten Selbstmanagementprogramms Strategien zur erfolgreichen Implementierung von Online-Coaches in verschiedene Behandlungssettings identifiziert werden. Prof. Knut Schnell, Göttingen, stellt einen Praxisleitfaden zur Implementierung ambulanter und stationärer Onlinetherapie als multiprofessionelle blended Therapy vor. Die gemeinsame Task-Force E-Mental der DGPPN und DGP stellt ein Curriculum vor, das das Wissen zu E-Mental Health Interventionen in die Breite bringt. Erste Erfahrungen aus der DGPPN-Akademie liegen vor.
Was kommt nach dem Trial? Strategien zur erfolgreichen Implementierung von Online-Coaches in verschiedene Behandlungssettings
Margrit Löbner, Leipzig (Germany)
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Autor:innen:
Margrit Löbner, Leipzig (Germany)
Franziska D. Welzel, Leipzig (Germany)
Janine Quittschalle, Leipzig (Germany)
Elena Weitzel, Leipzig (Germany)
Maria Schwenke, Leipzig (Germany)
Steffi G. Riedel-Heller, Leipzig (Germany)
Selbsthilfestärkende Online-Coaches finden trotz nachgewiesener Wirksamkeit bisher selten Eingang in die Behandlung von psychischen Erkrankungen. Herauszufinden wie eine Translation in die Behandlungspraxis gelingen kann, ist das Ziel der vorliegenden Studie. Das vorgestellte Projekt folgt einem sequentiell qualitativ-quantitativen Forschungsdesign. Projektphase I: Umfasst die Erstellung von Profilen der Nutzungsbereitschaft, die Entwicklung und Evaluation von Informationsfilmen sowie die Ermittlung von Vermittlungswegen. Projektphase II: Umfasst die Implementierung bzw. das bundesweite Rollout einer Beispielintervention. Projektphase III: Umfasst die Erfolgsmessung (quantitative Prä-Post-Befragung bei N=208 Versorger*innen und Neuregistrierungsraten im Online-Coach) sowie die Erstellung einer Roadmap zur Implementierung von Online-Coaches in klassische Behandlungskontexte. Vorgestellt wird der derzeitige Projektstand. Dabei wird die Entwicklung und Evaluation von Erklärfilmen für vier verschiedene Behandlergruppen detailliert aufgezeigt (Hausärzt*innen, ambulanten Psychotherapeut*innen, ambulanten Fachärzt*innen der P-Fächer und Klinikärzt*innen). Ebenso werden erste Ergebnisse der quantitativen Prä-Befragung in den vier Behandlergruppen vorgestellt, die voraussichtlich bis Ende September abgeschlossen sein wird. Im Rahmen des Projekts wird eine allgemeingültige Disseminations- und Implementierungsstrategie entwickelt, die für verschiedene Behandlungssettings am Beispiel eines Online-Coaches zur Unterstützung bei depressiven Symptomen erprobt wird. Diese kann für die Implementierung anderer Online-Interventionen in die Behandlungspraxis übertragen werden. Die Nutzung von Online-Coaches als festen Bestandteil der Routineversorgung bei psychischen Erkrankungen kann die Versorgung psychisch kranker Menschen verbessern.
Ein Praxisleitfaden zur Implementierung ambulanter und stationärer Online-Therapie als multiprofessionelle blended therapy
Knut Schnell, Göttingen (Germany)
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Autor:innen:
Knut Schnell, Göttingen (Germany)
Miriam Stein, Göttingen (Germany)
Ziel des Vortrags ist es, einen Leitfaden für die Implementierungen von Online-Therapiesystemen vorzustellen und zu diskutieren.
Die Befunde klinischer Studien belegen inzwischen recht konsistent die Wirksamkeit von Online-Therapiesystemen in Form der Blended-Therapy als Kombination mit Präsenzterminen. Zusätzliche Nutzen sind die Möglichkeit der kontinuierlichen Behandlung in Krisen wie der COVID-19 Pandemie bzw. zur Gesundheitsversorgung über große räumliche Distanzen. Diese Vorteile werden in der Praxis allerdings deutlich langsamer erschlossen, als zu erwarten wäre.
Unsere Vorschläge zur Frage, wie eine solche Einführung als Gewinn für PatientInnen und TherapeutInnen gelingen kann, basieren auf dem Implementierungsprozess eines Online Therapiesystems in voll- und teilstationärer, stationsäquivalenter und ambulanter Behandlung sowie ambulanter Fachpflege einer psychiatrischen Klinik mit einem regionalen Versorgungsauftrag für 530.000 Einwohner.
Als wesentliche Voraussetzungen für die Implementierung des Online--Therapiesystems herausgestellt haben sich aus unserer Sicht die strukturierte Schulung der TherapeutInnen, die kontinuierliche Berücksichtigung der Nutzererfahrungen und Regeldefinitionen um Überforderungen und Enttäuschungen in der therapeutischen Interaktion zu vermeiden, z.B. des Kommunikationswegs im Notfall, der Latenzzeiten für Rückmeldungen und der Beendigungen der Onlineintervention.
Eine große Auswahl störungs- und fertigkeitsspezifischer Onlinemodule stellte für TherapeutInnen häufig eine Hürde zu Beginn der Nutzung dar, obwohl sie prinzipiell wünschenswert wäre. Im Vortrag werden mehrere Ansätze zur Lösung dieses Dilemmas diskutiert u.a. die Definition von Rollen im multiprofessionellen Team und die Ausbildung von Keyusern.
Neben den praktischen Erfahrungen aus dem beschriebenen Implementierungsprozess werden strukturierte Erhebungen zu Implementierungshürden mit etablierten Instrumenten zur Erhebung der Nutzererfahrung präsentiert.