Durch die weltweite COVID-19-Pandemie und die Einführung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGa) in Deutschland sind digitale Diagnostik- und Therapieformen weiter ins Rampenlicht gerückt. Dies birgt für den Bereich der Traumafolgestörungen grosses Potential, denn durch geographische Unabhängigkeit und Niedrigschwelligkeit der Angebote kann die Versorgungssituation traumatisierter Menschen verbessert werden. Dementsprechend wächst das Spektrum digitaler Möglichkeiten in Prävention, Diagnostik und Therapie von Traumafolgestörungen stetig und erfolgreich. Es umfasst traumaspezifische Diagnostik und E-Mental-Health-Ansätze, ebenso wie Tools zur Selbstdiagnostik und ersten Hilfe, einschlägige Online-Traumatherapien, Smartphone-basierten Applikationen, Serious Games und mittels Virtual Reality unterstützte Therapien. Das Symposium präsentiert aktuelle Labor- und klinische Studien, die konkrete Angebote sowie Trends in diesen Bereichen vorstellen. Hier werden spezifisch der Einsatz und die Wirkfaktoren innovativer digitaler Angebote beleuchtet - von digitalen Markern bis hin zur Diagnostik und Therapie bei unterschiedlichen Ziel- und Altersgruppen. Dabei soll auch die PatientInnenperspektive und AnwenderInnensicht Berücksichtigung finden und Zukunftsperspektiven diskutiert werden. Denn obwohl die Pandemie derartige Herangehensweisen beschleunigt hat, bestehen nach wie vor signifikante Barrieren, die im Symposium thematisiert werden.
Validierung visueller und auditorischer digitaler Marker von Suizidalität aus klinischen Interviews mit akut suizidalen Patienten
Birgit Kleim, Zürich (Switzerland)
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Autor:in:
Birgit Kleim, Zürich (Switzerland)
Suizidgedanken und Suizidrisiko ist im Zusammenhang mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung oft erhöht. Erfassung von Suizidalität bei diesen Patienten ist im Klinischen Setting aber oft schwierig. Objektive Quantifizierung solcher Symptome aus innovativen digitalen Datenquellen könnte die Sensitivität, Skalierbarkeit und Aktualität der Suizidrisikobewertung erhöhen.
Ziel der vorliegenden Studie war es, digitale Messungen aus Videointerviews zu extrahieren, um mit Hilfe von Open-Source-Deep-Learning-Algorithmen Gesichts-, Stimm- und Bewegungsverhalten zu quantifizieren. Dazu nutzen wir Videos aus einem strukturierten klinischen Gespräch. Diese Indizes wurden mithilfe von Open-Source Deep-Learning-Algorithmen zur Verarbeitung von Gesichtsausdruck, Kopfbewegungen und Stimmcharakteristiken berechnet. Die abgeleiteten digitalen Messwerte für abgeflachte Affekte, reduzierte Bewegungen und verlangsamtes Sprechen wurden mittels multipler linearer Regression mit dem Suizidrisiko anhand der Beck-Skala für Suizidgedanken unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht verglichen. Erhöhte Suizidalität war mit mehreren visuellen und auditiven Markern assoziiert, z.B. Sprachprävalenz (β=-0,68, P=.02, r2=0,40), Expressivität (β=-0,46, P=.10, r2=0,27) und der Kopfbewegung (β=-1,24, P=.006, r2=0,48). Digitale Messungen des Gesichtsausdrucks, der Bewegung und der Sprachprävalenz zeigten starke Effektgrößen und lineare Assoziationen mit dem Schweregrad der Suizidgedanken.
Digitales Monitoring des Therapieverlaufs bei PatientInnen mit PTSD im stationären Setting: erste Ergebnisse und Erfahrungsberichte
Astrid Lampe, Innsbruck (Austria)
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Astrid Lampe, Innsbruck (Austria)
Digitales Monitoring des Therapieverlaufs bei PatientInnen mit PTSD im stationären Setting: erste Ergebnisse und Erfahrungsberichte,
Bastian Schmiederer, Gerhard Rumpold, Astrid Lampe
Hintergrund: Patient-Reported Outcomes (PRO) können zur Verbesserung der klinischen Behandlung beitragen sowie zur Evaluierung von Rehabilitationsbehandlungen herangezogen werden. Wir beschreiben detailliert das Implementierungsprozedere zur Integration von elektronischen PRO-Erhebungen (ePRO) in die klinische Routine einer stationären psychosomatischen Rehabilitationseinrichtung.
Methoden: Das Replicating Effective Programs-Rahmenmodell diente als Basis für eine pragmatische Implementierungsstrategie, die an die spezifischen Bedürfnisse einer Rehabilitations für psychische Gesundheit angepasst wurde. Die PatientInnen füllen vor Antritt, bei Aufnahme, kurz vor Abschluss der Rehabilitation und idealerweise einem 6-Monats Follow up ein Set von PRO-Instrumenten aus (Anamnesebogen, ITQ, BSI-18, MZQ, Epistemisches Vertrauen, Berner Stundenfragebogen). Die PRO-Daten werden zur Behandlungsplanung herangezogen.
Ergebnisse: Mit Eröffnung des Rehabilitationszentrums starteten im Juni 2021 die PRO-Erhebungen in Papierform, welche nach 3 Monaten auf ePRO umgestellt wurden. Durch die intensive Betreuung und anfangs niedrige Patientenzahl konnte von Anfang an eine hohe Partizipationsrate erreicht werden.
Des Weiteren wurden ausgewählte ePRO-Daten in den Entlassungsbrief integriert und eine webbasierte Follow-up-Untersuchung implementiert.
Zusammenfassung: Die Implementierung von ePRO konnte erfolgreich im stationären Rehabilitationszentrum umgesetzt werden, wobei kontinuierliche Evaluierung und spezifische Schulungen essenziell waren, um den spezifischen Bedürfnissen der klinischen Einrichtung gerecht zu werden.
Internetbasierte Behandlung von Depressionen bei traumatisierten arabischsprachigen Menschen in der MENA-Region
Maria Böttche, Berlin (Germany)
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Maria Böttche, Berlin (Germany)
Hintergrund. Der Einsatz internetbasierter Interventionen bei der Behandlung von Depressionen hat sich in westlichen Stichproben als wirksam erwiesen. Ihre Akzeptanz und Wirksamkeit in der MENA-Region (Middle East and North Africa) ist bisher kaum untersucht. Ziel dieser Studie war es daher, die Wirksamkeit einer internetbasierten kognitiv-behavioralen therapeut*innen-gestützten Schreibintervention für depressive Symptome im arabischen Sprachraum zu untersuchen.
Methoden. Insgesamt 259 Teilnehmende mit depressiven Symptomen wurden randomisiert-kontrolliert einer Behandlungsgruppe (BG; n = 128) oder eine Wartelisten-Kontrollgruppe (WLG; n = 131) zugewiesen. Die BG erhielt über einen Zeitraum von sechs Wochen die internetbasierte geleitete Intervention. Der primäre Endpunkt waren depressive Symptome zum Postmesszeitpunkt. Sekundäre Outcomes waren Angstsymptome und Lebensqualität. Für die Datenanalyse wurden gemischte ANOVA verwendet. Es wurden sowohl Intention-to-treat- (ITT) als auch Completer-Analysen berechnet.
Ergebnisse. Die Ergebnisse der ITT-Analyse zeigten eine signifikante Verringerung der depressiven Symptomatik zum Postmesszeitpunkt in der BG im Vergleich zur WLG (F1;257 = 46,62, p < .001, d = .85). Darüber hinaus wurden eine signifikante Verringerung der Angstsymptome (F1;257 = 5,3, p < .05, d = .29) und eine Zunahme der Lebensqualität (F1;257 = 21,96, p < .001, d = .59) beobachtet. Die Completer-Analysen zeigten die gleichen signifikanten Ergebnisse mit hohen Effektstärken (Depression: d = 1.22; Angst: d = .55; Lebensqualität: d = .97).
Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse weisen auf die Wirksamkeit dieser Intervention für depressive Symptome bei Teilnehmenden aus dem arabischen Sprachraum hin. Die Entwicklung und Umsetzung solcher Interventionen könnte dazu beitragen, dass mehr Menschen in der MENA-Region Zugang zu psychologischer Hilfe haben und eine angemessene Behandlung erhalten.