Sowohl die bevölkerungsweiten Regeln zur Reduzierung der räumlichen Nähe zu anderen Personen als auch die Quarantänemaßnahmen im engeren Sinne sind unweigerlich mit einer sozialen Isolierung verbunden. Wichtige Maßnahmen des Infektionsschutzes zur Verlangsamung der Ausbreitung von COVID-19 und zur Reduktion der COVID-19-Krankheitslast kontrastieren mit unserem Bedürfnis nach sozialer Nähe. Soziale Unterstützung ist gerade bei der Bewältigung schwieriger Zeiten besonders bedeutsam und soziale Isolierung kann Bewältigungsressourcen bedrohen. Deshalb werden die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung intensiv diskutiert. Dieses Symposium gibt eine empirische Antwort zu den Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung. Dabei werden erstmals Ergebnisse auf der Grundlage der NAKO Gesundheitsstudie, Deutschlands größter Kohortenstudie vorgestellt. Im Rahmen der NAKO werden 200.000 Menschen zwischen 20 und 69 Jahren regelmäßig untersucht. Während des ersten Lockdowns 2020 erfolgte eine schriftliche Befragung der Studienteilnehmer. Prof. Dirk Richter, Universität Bern stellt einführend in einem Übersichtsvortrag seine Ergebnisse zu psychischen Problemen in der Allgemeinbevölkerung während der Coronavirus-Pandemie vor. Datengrundlage ist ein Rapid Review von Bevölkerungsstudien mit mindestens 2 Erhebungszeitpunkten, während und nach dem ersten Lockdown. Prof. Klaus Berger, Universität Münster ist Sprecher der Experten-Gruppe Neuro-Psych der NAKO Gesundheitsstudie und stellt Ergebnisse zur Einsamkeit im ersten Lockdown vor. Prof. Marcella Rietschel, ZI Mannheim, berichtet über Veränderung des Alkoholkonsums während des ersten Lockdowns im Vergleich zur Basiserhebung. Prof. Steffi Riedel-Heller, MPH, Universität Leipzig beschäftigt sich mit der psychischen Gesundheit bei Menschen mit psychischen Vorerkrankungen im ersten COVID-19 Lockdown und legt NAKO-Längsschnittergebnisse vor.
Änderung des Alkoholkonsums im ersten COVID-19-Lockdown – Ergebnisse der NAKO-Gesundheitsstudie
Marcella Rietschel, Mannheim (Germany)
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Autor:innen:
Marcella Rietschel, Mannheim (Germany)
Lea Zillich, Mannheim (Germany)
Josef Frank, Mannheim (Germany)
Fabian Streit, Mannheim (Germany)
Stephanie Witt, Mannheim (Germany)
Nico Dragano, Düsseldorf (Germany)
Steffi G. Riedel-Heller, Leipzig (Germany)
Jakob Linseisen, Neuherberg (Germany)
Klaus Berger, Münster (Germany)
Hintergrund: Die SARS-Cov-2 Pandemie und die mit den Gegenmaßnahmen einhergehenden Einschränkungen, beeinflussen weltweit das Befinden und gesundheitsrelevante Verhalten vieler Menschen.
Ziel: Untersuchung der Veränderung des Alkoholkonsums der Bevölkerung in Deutschland und des Zusammenhanges mit psychischen Parametern vor und während der ersten Welle der Pandemie.
Methode: Für 131.151 Personen im Alter von 20 bis 74 Jahren, die ein bis fünf Jahre zuvor an der Basisuntersuchung der NAKO Gesundheitsstudie teilgenommen hatten, liegen Antworten zum Alkoholkonsum (Fragen des AUDIT-C) aus einem COVID-19 bezogenen Fragebogen vor (Zeitraum: 30.4.-29.5.2020). Dieser enthielt zudem Fragen zum Stress (PHQ-Stress) und Depression (PHQ-9), wie auch schon in der Basisuntersuchung. Zusätzlich wurde nach Veränderung des Alkoholkonsums und der Einsamkeit (UCLA-Loneliness-Scale) während der Pandemie gefragt.
Ergebnisse: Es geben 94.344 (72.49%) Personen an genauso viel, 15.402 (11.84%) weniger und 20.405 (15.67%) mehr Alkohol zu trinken als vor der Pandemie. Diese subjektiven Angaben decken sich weitestgehend mit Änderungen des im AUDIT-C erfassten Trinkverhaltens vor und in der Pandemie. Alter und Geschlecht korrelieren signifikant mit Veränderung des Alkoholkonsums. Darüber hinaus zeigt sich über alle Altersklassen hinweg ein Zusammenhang zwischen vermehrtem Alkoholkonsum und Depressions- und Stresssymptomen. Die 30-39-Jährigen zeigen die höchsten Stressscores, während die Depressionsscores bei den jüngsten Altersgruppen am höchsten sind und mit steigendem Alter abnehmen. Der Zusammenhang mit Einsamkeit ist komplex: Während bei 35-60-Jährigen vermehrter Alkoholkonsum mit größerer Einsamkeit verbunden ist, zeigt sich bei jüngeren Menschen sowohl eine Zu- als auch Abnahme des Alkoholkonsums bei größerer Einsamkeit.
Diskussion: Die Pandemie wirkt sich bei unterschiedlichen Personengruppen unterschiedlich auf den Alkoholkonsum aus. Dies erfordert spezifische Präventionsstrategien.
Psychische Gesundheit bei Menschen mit psychischen Vorerkrankungen im ersten COVID-19-Lockdown – Ergebnisse der NAKO-Gesundheitsstudie
Steffi G. Riedel-Heller, Leipzig (Germany)
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Autor:innen:
Steffi G. Riedel-Heller, Leipzig (Germany)
Alexander Pabst, Leipzig (Germany)
Hans J. Grabe, Greifswald (Germany)
Marcella Rietschel, Mannheim (Germany)
Klaus Berger, (Germany)
Die Forschung zu psychischen Folgen der SARS-Cov-2 Pandemie konzentriert sich schwerpunktmäßig auf drei Gruppen: (1) die Allgemeinbevölkerung, (2) besonders vulnerable Gruppen, und (3) erkrankte Personen (Long- oder Post-COVID-Syndrom). Zu den vulnerablen Gruppen zählen unter anderem Menschen mit psychischen Vorerkrankungen, die durch die einschneidenden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie besonders gefährdet sein dürften. Zum einen können kurz- und mittelfristige Folgen als Reaktion auf das Infektionsgeschehen und die Maßnahmen des Gesundheitsschutzes (Lockdown, social distancing) entstehen, zum anderen langfristige Folgen durch die eingeschränkte Versorgungssituation, was zum einen die Inanspruchnahme aber auch das Angebot z. B. von gemeindepsychiatrischen Diensten betrifft, aber auch die anhaltende wirtschaftliche Rezession und damit die verstärkte soziale Ungleichheit. Qualitativ hochwertige datenbasierte Arbeiten sind überschaubar, Befunde sind teilweise inkonsistent. Viele Arbeiten zeigen nachteilige Effekte auf die Psychopathologie, einige wenige eine überraschende Resilienz. Viele Fragen bleiben offen. Die NAKO-Gesundheitsstudie (Baseline Data Freeze 100K) und die darauffolgende Befragung der Studienteilnehmer im ersten Lockdown (NaKo-Covid) bieten die Möglichkeit, hier Antworten auf einer breiten Datenbasis zu finden. Erste Ergebnisse hieraus werden vorgestellt. Fokussiert wird auf die Dimensionen Angst- und Depressivität, gemessen mit dem PHQ-9 und dem GAD-7. Dabei wird auf Menschen mit initialer, also vorbestehender, Belastung fokussiert. Kenntnisse zur Dynamik dieser psychischen Reaktionen sind für ein zielgenaues Krisenmanagement zum Beispiel für besonders betroffene Gruppen unabdingbar. Die psychische Gesundheit und die besonders Situation vulnerabler Gruppen müssen zentrales Element des Pandemiemanagements sein.