Suizidprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Herr Prof. Lindner wird in seinem Vortrag das Nationale Suizidpräventionsprogramm Deutschland vorstellen und die aktuellen Entwicklungen, z.B. anhand der derzeitigen Debatte um den assistierten Suizid darlegen. Frau Prof. Knappe referiert erste Ergebnisse eines BMG geförderten Projektes, welches neben der Etablierung eines Netzwerkes auch das NeSuD Präventionsprogramm in Dresdener Schulen beinhaltete. Herr Prof. Deisenhammer untersucht die Folgen der Covid-19-Pandemie für die Entwicklung von Suizidraten und stellt Daten erster Studien dazu vor.
Förderung suizidpräventiver Kompetenz in Institutionen und Gesellschaft: ein Projekt des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland (NaSPro)
Reinhard Lindner, Kassel (Germany)
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Reinhard Lindner, Kassel (Germany)
Eine zentrale Strategie genereller und selektiver Suizidprävention stellt die Vermittlung von Kenntnissen und Wissen durch Information auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse der Suizidologie dar. In einem auf drei Jahre angelegten Projekt koordinierter suizidpräventiver Aktivitäten und Interventionen werden der deutschen Öffentlichkeit grundlegende Kenntnisse über Suizid, Suizidalität und Suizidprävention vermittelt. Dies geschieht in einem gesellschaftspolitischen Umfeld der erneuten Debatte um eine gesetzliche Regelung des assistierten Suizids. Deshalb werden Fragen der End-of-life- Decisions, aber auch der geschlechts- und altersspezifischen Aspekte der Suizidalität besonders fokussiert. In thematisch definierten kooperativen Projektgruppen werden die Projekte entwickelt und umgesetzt. Die Arbeit des Projekts wird durch eine bevölkerungsbasierte repräsentative Untersuchung zu Wissen und Einstellungen zum Thema, wie auch durch einen internationalen Beirat evaluiert. Besonderes Augenmerk wird auf die Nachhaltigkeit der einzelnen Projekte und der Kooperationen gelegt.
Suizidprävention durch Förderung der Inanspruchnahme regionaler Hilfen? Erste Ergebnisse des NeSuD-Präventionsprogramms
Susanne Knappe, Dresden (Germany)
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Susanne Knappe, Dresden (Germany)
Das Bundesland Sachsen führt seit Jahrzehnten die höchsten Suizidraten im bundesweiten Ländervergleich. Dennoch werden bislang nur wenige Maßnahmen zur Suizidprävention angeboten. Um diese Lücke ansatzweise zu schließen und den Mehrwert präventiver Bemühungen aufzuzeigen, wurde Ende 2018 das Netzwerk für Suizidprävention in Dresden (NeSuD) im Rahmen einer bislang einmaligen Förderlinie des BMG initiiert. Das Projekt will zum einen ein regionales sektorenübergreifenden Netzwerk von nieder-bis höherschwelligen Hilfsstrukturen für unterschiedliche Zielgruppen etablieren. Zum anderen wird eine universelles edukatives Programm für Schüler ab dem 12. Lebensjahr angeboten, um über Hilfsangebote für Jugendliche in seelischen Krisen zu informieren. Suizidpräventionsangebote fokussieren häufig auf die Aufklärung über und Enstigmatisierung von psychischen Störungen und erzielen geringe bis moderate positive Effekte. Die Förderung von hilfesuchendem Verhalten stellt jedoch eine besondere Herausforderung dar aufgrund zahlreicher struktureller und individueller Barrieren. NeSuD will erstere durch die stärkere Vernetzung der vorhandenen Akteure abbauen und individuelle Barrieren im Rahmen des NeSuD Präventionsprogrammes für Schüler vermindern. Schüler erarbeiten in einem 180 minütigen Workshop individuelle Stressoren und Bewältigungsstrategien, identifizieren mittels Fallvignetten oder eigenen Beispielen krisenhafte Situationen und erhalten Informationen über regionale Hilfsangebote. Hauptaugenmerk liegt im Training der Inanspruchnahme dieser Hilfsangebote. Mehr als 700 Schüler haben im Rahmen einer randomisierten Warte-Kontroll-Studie an dem einfach zu schulenden und unaufwendig durchzuführenden Programm teilgenommen. Wir berichten prä-post-Effekte auf das Wissen und Einstellungen zu psychischen Belastungen, Suizidalität und professionelle Hilfen, sowie zum Inanspruchnahmeverhalten.
Angekündigte Katastrophen und komplexe Folgen – COVID-19 und Suizid
Eberhard A. Deisenhammer, Innsbruck (Austria)
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Eberhard A. Deisenhammer, Innsbruck (Austria)
Zu Beginn der COVID-19-Pandemie war die Sorge, welche Auswirkungen die vielen Belastungen und Veränderungen im Alltagsleben auf die Menschen haben würden und ob es allenfalls zu einem Anstieg suizidaler Symptome und der Suizidzahlen kommen könnte, nachvollziehbarerweise groß. In der Literatur fanden sich jedoch auch teilweise hochspekulative und alarmistische Beiträge. Nach Erfassen der tatsächlichen Daten zeigt sich nun, dass es bis jetzt global gesehen zu keinem generellen Anstieg der Suizidzahlen gekommen ist, teilweise sogar ein Rückgang der Suizidzahlen zu beobachten war. Inwieweit diese für die (gesamte) Menschheit wohl folgenschwerste Phase der Geschichte seit dem 2. Weltkrieg in weiterer Folge einen Einfluss auf Suizidalität und Suizidraten haben wird, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Der Vortrag soll einen Überblick über die vorliegenden Studienergebnisse und mögliche Zusammenhänge geben.