Seit mehr als 20 Jahren werden Menschen mit Erfahrungen seelischer Krisen, Erkrankungen und Genesung als Peer und GenesungsbegleiterInnen in internationalen Versorgungssettings und inzwischen auch in Deutschland eingesetzt. Dieser Einsatz fußt in reichlich Evidenz, ist aber auch mit einige Implementierungshürden verbunden. Insbesondere stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen die Berufsgruppe der Peer- und Genesungsbegleitung in der Versorgung implementiert wird, welche institutionellen, kontextuellen und persönlichen Voraussetzungen dabei eine Rolle spielen, und was sich dafür aus den Erfahrungen anderer Länder lernen lässt.
Das Symposium will diesen Fragen nachgehen, in dem es unterschiedliche Beiträge zum Thema Implementierung von Genesungs- und PeerbegleiterInnen nebeneinanderstellt. In zwei Beiträgen wird die internationale Evidenz zum Thema in Form Ergebnissen von zwei systematischen Übersichtsarbeiten vorgestellt. Zwei weitere Arbeiten präsentieren Ergebnisse und Studiendesigns von Implementierungsstudien in Deutschland, einer lokalen und einer bundesweiten Untersuchung. Im Zusammenhang soll ein Eindruck entstehen von der Vielfalt an Möglichkeiten aber auch Problemen, die es bei der Implementierung von Genesungs- und Peerbegleitung zu berücksichtigen gilt.
abgesagt: Trainings zur Peer- und Genesungsbegleitung – ein systematisches Review
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Autor:innen:
Candelaria Mahlke, Hamburg (Germany)
Mike Slade , Nottingham (United Kingdom)
Ashleigh Charles, Nottingham (United Kingdom)
Hintergrund: Die gegenseitige Unterstützung in psychischen Krisen auf Basis der eigenen Erfahrung findet informell seit langer Zeit bspw. im Bereich der Selbsthilfe statt und findet zunehmend auch formell ins Gesundheitswesen Eingang. Was braucht es für eine Ausbildung, um nicht auf Basis von universitären Inhalten, sondern mit der eigenen Erfahrung andere Menschen zu begleiten? Zwei systematische Reviews geben einen Überblick über Inhalte und Modalitäten einer Vielzahl an internationalen Peer Support Trainings. Zudem wurde ein Expert:innen-Konsens generiert, welche Schulungsthemen für die Erstausbildung von Peer Begleiter:innen notwendig sind.
Methode: Im Rahmen eines systematischen Literaturreviews wurden 6 Datenbanken, Google Scholar, sowie graue Literatur nach Trainingsprogrammen für Peer Begleiter:innen durchsucht (Prospero Record 107772). Zusätzlich wurde eine zweite systematische Literatursuche durchgeführt, um Trainingsmanuale und Inhalte zu identifizieren. Anschließend nahmen n = 110 Teilnehmer:innen (Peer Begleiter:innen, Peer Trainer:innen oder Supervisor:innen und Wissenschftler:innen) an einer internationalen online Delphie-Studie teil.
Ergebnisse: Es wurden Trainingsmanuale aus 14 verschiedenen Ländern identifiziert. Die Dauer der Ausbildung variierte von 54 Stunden bis zu einem Jahr, und die Manuale deckten ein breites Spektrum der Peer Ausbildung ab, von der Arbeit mit Erwachsenen, älteren Erwachsenen, Jugendlichen und jungen Menschen. Insgesamt wurden 502 Themen und 348 Lernziele extrahiert.
Diskussion: Der Vortrag fasst die Kernergebnisse der systematischen Reviews zusammen und bietet einen Überblick über die Spezifika von Peer Support Trainings aus unterschiedlichen Kontexten und deren Implementierung in diversen Settings. Durch die Corona-Pandemie rückten auch Möglichkeiten zur Umsetzung von online Trainings zunehmend in den Fokus. Es werden Empfehlungen aus der Delphie-Befragung zu Möglichkeiten für innovative online Trainings gegeben.
abgesagt: Zwischen unterstützter Beschäftigung, Teilhabe an Arbeit und Peer-Support: das „Geesthachter Modell“ – eine partizipativ-kollaborative Fallstudie
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Autor:innen:
Jenny Ziegenhagen, Neuruppin (Germany)
Lena Göppert, (Germany)
Rosa* Glück, (Germany)
Birte Groth, (Germany)
Uwe Groß, (Germany)
Arne Reinholdt, (Germany)
Robin Boerma, (Germany)
Matthias Heißler, (Germany)
Julian Schwarz, (Germany)
Hintergrund:
Für Menschen, die psychische Krisen oder psychosoziale Beeinträchtigungen erleben, ist es häufig schwierig, gleichberechtigt am Arbeitsleben teilzunehmen. In Geesthacht/Niedersachsen wurde ein integratives Versorgungsnetzwerk implementiert, das sowohl eine akutpsychiatrische Behandlung als auch die Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung ermöglicht. In diesem Beitrag sollen die Prinzipien, Vorteile und Herausforderungen dieses innovativen Projekts untersucht werden.
Methodik:
Die Untersuchung fand im Rahmen der partizipativ-kollaborativen Prozessevaluation der vom Innovationsfonds finanzierten, prospektiven, kontrollierten Kohortenstudie zur Evaluation der Modellversorgung nach §64b SGB V (PsychCare) statt. In einem gemischten Team aus Forscher*innen mit und ohne eigene Krisenerfahrungen wurden Experteninterviews und Fokusgruppen durchgeführt.
Ergebnisse:
Durch den Wechsel zu einem Globalen Behandlungsbudget nach §64b SGBV wurden Klinikbetten abgebaut. Freiwerdende Ressourcen wurden zum Aufbau eines komplexen Netzes an Teilhabe- und Betätigungsmöglichkeiten reinvestiert, in dem seither ehemalige Nutzer*innen in unterschiedlicher Intensität tätig wurden. Aus Sicht vieler Mitarbeiter*innen mit eigenen Krisenerfahrungen erwies sich der oft fließende Übergang von einer Nutzung hin zu einer Mitarbeit als förderlich. Gleichzeitig führt dieses Modell zu einigen Rollenkonflikten und Belastungen bei den Beteiligten.
Fazit:
Mit dem Etablieren von Teilhabe- und Beschäftigungsmöglichkeiten zeigt das „Geesthachter Modell“ die Potentiale eines Globalen Budgets in diesem Bereich auf. Um die Kritikpunkte zu berücksichtigen, ist eine Fortentwicklung des Konzeptes von Nöten.
abgesagt: Modelle der Peer- und Genesungsbegleitung in Europa – Empfehlungen zur Implementierung – ein Rapid Review
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Peer Support, die Beratung und Begleitung von Menschen in Krisensituationen durch Menschen mit eigener Krisenerfahrung, ist im 21. Jahrhundert im psychiatrischen Bereich zunehmend bedeutender geworden. Ursprünglich aus der Selbsthilfe und Selbstvertretung in englischsprachigen Ländern hervorgegangen, ist der Ansatz dort inzwischen verbreitet und vielfach wissenschaftlich untersucht. Im europäischen Raum hat ein 2007 gestartetes EU-Projekt wesentlich zur Etablierung von Peer-Begleitung in der ambulanten und stationären Psychiatrie beigetragen. In mehreren beteiligten Ländern wurden Peer-Projekte verstetigt. Noch heute stammt ein Schwerpunkt der europäischen Forschungsliteratur zur Implementierung von Peer Support aus Großbritannien. Doch auch auf dem europäischen Kontinent gibt es ein verstärktes Interesse an der Thematik. Wie die von uns untersuchten Studien sowie die berücksichtigte nichtwissenschaftliche Literatur von Peer-Begleiter:innen und anderen Akteur:innen auf dem Gebiet zeigen, sind die Rahmenbedingungen, unter denen Peer-Begleiter:innen in europäischen Ländern arbeiten, ebenso wie die von ihnen verrichteten Tätigkeiten und die Rollen, die sie einnehmen können, sehr heterogen. Auch die Sicht von Peer-Begleiter:innen selbst auf ihre Arbeitssituation ist vielschichtig. Unsere Rapid Review stellt etablierte Modelle („best practices“), vielversprechende Konzepte („promising practices“) sowie neue, innovative Ansätze („emerging practices“) der Implementierung von Peer-Begleitung im psychiatrischen Bereich in Europa vor. Aus unserer Analyse leiten wir Empfehlungen und Strategien ab, wie Peer-Begleitung und -Beratung für Menschen mit psychiatrischen Diagnosen nachhaltig implementiert werden kann. Wie wir zeigen, kann eine sorgfältige Implementierung von Peer-Arbeit zur Zufriedenheit der Peer-Begleiter:innen und des übrigens Teams und ebenso zu einer guten, effektiven Versorgung von Nutzer:innen im ambulanten und stationären psychiatrischen Bereich beitragen.
abgesagt: Implementierungsbedingungen von Peerbegleitung in der psychiatrischen Versorgung – Design und erste Ergebnisse der bundesweiten, partizipativ-kollaborativen Studie ‘‘ImpPeerPsy5‘‘
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Hintergrund und Forschungsstand
Als neue Berufsgruppe arbeiten von psychischen Krisen genesene Peers in der Versorgung, zuerst in angelsächsischen Ländern, seit 2005 auch in Deutschland. 2019 nennt die Personalrichtlinie (GB-A) die Genesungsbegleitung. Die internationale Evidenz weist variable Arbeitsbedingungen mit teils benachteiligenden Faktoren aus. Bundesweit fehlen bisher Daten zu den Arbeitskontexten von Peers.
Der Beitrag präsentiert Teile der vom Innovationsfonds finanzierten Studie, die über qualitative und quantitative Erhebungen bundesweit die Arbeitsbedingungen von Genesungsbegleitenden im SGBV untersucht. Sie wird von der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB), dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und EX-IN Deutschland e.V. durchgeführt.
Zielsetzung
Erläuterung des partizipativ-kollaborativen Forschungsansatzes und des Studiendesigns. Präsentation des bisherigen methodischen Vorgehens und vorläufiger Ergebnisse der ersten qualitativen Erhebungsphase.
Methodik
Rund die Hälfte der Forschenden hat eigene Erfahrungen psychiatrischer Versorgung. Alle WissenschaftlerInnen nutzen persönliche, berufspraktische oder wissenschaftliche Zugänge zur Genesungsbegleitung in allen Studienprozessen. Zusätzliche partizipative Workshops mit unterschiedlichen Stakeholdern vertieften z.B. die Praxisrelevanz der Leitfäden für bisher 54 problemzentrierte Interviews. Deren partizipativ-kollaborative Durchführung und Auswertung wird vorgestellt.
Erste Ergebnisse
Genesungsbegleitung wird in den untersuchten Versorgungssettings divers umgesetzt. Die Multiperspektive der Forschenden ermöglicht, Faktoren für unterschiedliche Arbeitspraxen von und mit Peers zu identifizieren und Zusammenhänge umfassend zu erläutern. Es zeigt sich u.a. Implementierungsbedarf für den Erhalt des Spezifischen der Peerbegleitung in der SGBV-Versorgung.