Der Beziehung zwischen Therapeut und Patient kommt in der Psychotherapie eine wichtige Rolle zu. Sie ist nicht nur eine wichtige Voraussetzung für eine gelingende Kooperation sondern wird selbst als wichtiges therapeutisches Agens angesehen Es gibt in den verschiedenen Psychotherapieverfahren unterschiedliche Akzentsetzungen wie das Abstinenzgebot in der psychodynamisch/psychoanalytischen Psychotherapie, die Parameter der Wärme und emotionalen Empathie in der klientenzentrierten Psychotherapie, oder das Arbeitsbündnis in der Verhaltenstherapie. Daneben gibt es auch störungsspezifisch unterschiedliche Anforderungen an die therapeutische Beziehung.
Trotz dieser Varianten in der Beziehungsgestaltung gibt es auch transdiagnostische Beziehungsmerkmale. In dem Symposium zu Transdiagnostischen Variationen der therapeutischen Beziehung wird M. Linden anhand empirischer Daten die Unterschiede bezüglich der „Beziehung“ in Abhängigkeit davon darstellen, aus welcher Perspektive ist sie betrachtet wird. C. Lammers wird das Prinzip der komplementären Beziehungsgestaltung darstellen. J. Lindenmeyer wird am Beispiel des alkoholabhängigen Patienten beschreiben, welche Rolle Reaktanz in der therapeutischen Beziehung spielt. B. Strauß fasst aus psychodynamischer Sicht die grundsätzliche Bedeutung der Beziehungsgestaltung zusammen.
Das Symposium fügt sich ein in einem aktuellen Arbeitsschwerpunkt im Referat Psychotherapie unter dem Obertitel der transdiagnostischen Psychotherapie.
Mehrdimensionalität der therapeutischen Beziehung und die Unterscheidung zwischen der Patient-Therapeut-Beziehung, Therapeut-Patient-Beziehung, gegenseitigen therapeutischen Beziehung und objektiven therapeutischen Beziehung
Michael Linden, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Michael Linden, Berlin (Germany)
Es gibt viel Befunde, die eine Korrelation zwischen der therapeutischen Beziehung und dem Therapieergebnis berichten. Daraus wird geschlossen, dass die therapeutische Beziehung ein wichtiger therapeutischer Wirkfaktor ist und sogar wichtiger als differentielle psychotherapeutische Interventionen.
Dem steht entgegen, dass es zwischen den unterschiedlichen Therapieverfahren deutliche Unterschiede in der therapeutischen Beziehung gibt. In der klientenzentrierten Gesprächspsychotheraptherapie wird eine empathisch warmherzige Zuwendung des Therapeuten zum Patienten gefordert. In der psychodynamischen Psychotherapie gilt die Abstinenzregel und Forderung nach therapeutischer Distanz. In der Verhaltenstherapie gilt die störungsspezifische komplementäre Beziehungsgestaltung. Des Weiteren ist empririsch offen, inwieweit die Korrelation zwischen Beziehung und Therapieergebnis Ausdruck einer kausalen oder einer Partialkorrelation ist, da “gute Patienten” eine “gute Prognose” und zugleich ”gute Beziehung” zum Therapeuten haben. Ein weiteres Problem ist, welche Subdimensionen in die therapeutische Beziehung einfließen und wie sie zu gewichten sind, wie beispielswesie emotionale Zuwendung, gegenseitiges Verstehen, Klarheit, uvm. Ungeklärt ist auch, aus welcher Sicht die “gültige” therapeutischer Beziehung zu beurteilen ist, aus Sicht des Patienten, die wesentlich Ausdruck eines subjektiven Wohlbefindens ist, aus Sicht des Therapeuten, die wesentlich den Grad der Kooperation reflektiert, aus dem Grad der Übereinstimmung zwischen Patient und Therapeut, als Maß für die Kongruenz, oder aus Sicht eines neutralen Beurteilers, die sich an technischen Leitlinien und Erfordernissen orientiert.
Zusammenfassend gilt, dass die therapeutische Beziehung ein komplexes psychotherapeutisches Konstrukt ist, nicht als Ersatz für eine verfahrensspezifische Therapie angesehen werden kann und stattdessen einer differenzierten Diskussion bedarf.
zugeschaltet: Komplementäre Beziehungsgestaltung und Kontrollattributionen von Patienten
Claas-Hinrich Lammers, Hamburg (Germany)
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Claas-Hinrich Lammers, Hamburg (Germany)
Die Beziehungsgestaltung insbesondere bei Patienten mit einer Persönlichkeitsakzentuierung bzw. -störung sollte von dem Versuch der Therapeutin geprägt sein, dysfunktionale interaktionelle Strategien zu verändern, ohne sie durch ein ausgeprägtes konfrontatives Vorgehen zu frustrieren. Hierzu ist das Konzept der komplementären Beziehungsgestaltung (auch motivorientierte Beziehungsgestaltung genannt) von Bedeutung, das auf die Befriedigung zentraler Bedürfnisse bzw. Motive abzielt. Bei diesen handelt es sich häufig um interaktionelle Bedürfnisse wie z.B. nach Anerkennung, Kontrolle, Wichtigkeit oder Mitgefühl. Die Kunst der komplementären Beziehungsgestaltung besteht zum einen darin, die oftmals verdeckten adaptiven Bedürfnisse des Patienten zu erkennen, die von dysfunktionalen Ersatzbedürfnissen verdeckt sind. Zum anderen sollte das komplementäre Verhalten der Therapeutin soweit auf die Persönlichkeit des Patienten abgestimmt sein, dass er es als befriedigend erleben kann. Neben anderen Variablen spielt hierbei die Kontrollattribution des Patienten eine entscheidende Rolle. So haben narzisstische Patienten eher eine internale Kontrollüberzeugung bzw. ein internales Kontrollbedürfnis für positive Ereignisse, welche sie als Konsequenz des eigenen Verhaltens wahrnehmen bzw. wahrnehmen wollen (negative Ereignisse hingegen werden von ihnen eher external attribuiert). Bekanntermaßen haben narzisstische Patienten oftmals Schwierigkeiten von einer Therapie zu profitieren, weil sie dann mit der Einsicht konfrontiert sind, dass die Therapeutin etwas hat bzw. kann, was sie nicht haben bzw. nicht können. So kann eine komplementäre Beziehungsgestaltung zur Befriedigung des Bedürfnisses nach Verständnis für narzisstische Patienten aversiv sein, wenn die empathische Haltung der Therapeutin ihnen den Eindruck von eigener Schwäche und Abhängigkeit vermittelt. Selbstunsichere Patienten hingegen würden von der gleichen komplementären Beziehungsgestaltung profitieren.