Auf europäischer Ebene werden aktuell Standards für genetische Beratung und Diagnostik bei psychischen Erkrankungen entwickelt. Die wissenschaftlichen Befunde, die diesem Prozess zugrunde liegen, und erste Erfahrungen aus der Praxis sollen in diesem Symposium vorgestellt werden. In einem ersten Referat wird Franziska Degenhardt als Sprecherin der europäischen Initiative den aktuellen Stand der Diskussion zu Genetischer Diagnostik und Beratung bei PatientInnen mit Schizophrenen Psychosen unter besonderer Berücksichtigung von copy number variations in Spezialambulanzen vorstellen. Helge Frieling wird im Anschluss daran von Erfahrungen aus einer an einer deutschen Universitätsklinik etablierten Spezialambulanz zur Psychischen Gesundheit bei Seltenen Erkrankungen am Beispiel des Prader-Willi-Syndroms berichten. Neben der Beratung bei definierten genetischen Befunden im Rahmen von Seltenen Erkrankungen sind pharmakogenetische Untersuchungen ein zweites wesentliches Thema der aktuellen europäischen Diskussion. Daniel Müller wird daher die aktuellen Empfehlungen internationaler Fachgesellschaften zum Einsatz pharmakogenetischer Untersuchungen beim Einsatz von Antidepressiva und Antipsychotika zur Erhöhung der Medikamentensicherheit referieren. Abschliessend wird Maike Scherf-Clavel Befunde aus einer deutschen Universitätsklinik zur Relevanz von Cyp2D6 und Cyp2C19 Genotypen für die Therapie mit Amitriptylin und Venlafaxin vorstellen. Ergebnisse aus wissenschaftlichen genetischen Untersuchungen werden zunehmend auf ihre Relevanz für die klinische Praxis überprüft und können zu einer personalisierten Medizin beitragen. Dieses Potential kann aber nur bei realistischer Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen genetischer Untersuchungen richtig genutzt werden. Das Symposium will durch Vermittlung des Standes der Wissenschaft hier einen Beitrag leisten.
zugeschaltet: Personalisierte antidepressive Therapie: die Relevanz von Cyp2D6 und Cyp2C19 am Beispiel von Amitriptylin und Venlafaxin
Maike Scherf-Clavel, Würzburg (Germany)
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Maike Scherf-Clavel, Würzburg (Germany)
Einleitung: Pharmakogenetische Untersuchungen sollen das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen senken, wenn sie in Kombination mit den pharmakologischen Eigenschaften des Arzneistoffs betrachtet werden. Als wahrscheinlicher Mechanismus zur Risikosenkung wird der prädiktive Wert der pharmakokinetischen Genetik auf die therapeutischen Wirkstoffspiegel angenommen.
Methoden: In zwei Depressionskohorten haben wir die Beziehung zwischen pharmakokinetischer Genetik und Wirkstoffspiegeln von Amitriptylin und Venlafaxin, sowie zwischen pharmakokinetischer Genetik, Wirkstoffspiegeln und Therapieansprechen untersucht.
Ergebnisse: Der Wirkstoffspiegel von Amitriptylin war mit CYP2D6 (rs1135840; rs1065852; rs3892097; *4-Haplotyp), der von Venlafaxin mit CYP2C19 (rs12248560; rs4244285; rs3758580; *17-Haplotyp) und CYP2D6 (rs1065852; rs3892097; *4-Haplotyp) assoziiert. Wir konnten keinen Zusammenhang zwischen pharmakokinetischer Genetik und dem Therapieansprechen finden.
Zusammenfassung: Die vorliegenden Daten aus einer klinischen Stichprobe stützen frühere Empfehlungen, bei CYP2D6 langsam-Metabolisierern (poor metabolizer) die Anfangsdosis von Amitriptylin zu reduzieren und die Dosisanpassung durch Therapeutisches Drug Monitoring zu steuern. Darüber hinaus schlagen wir vor, bei Venlafaxin-behandelten Patienten, den CYP2C19 Metabolisierer-Status zu bestimmen, um die Therapie zu verbessern, indem das Risiko niedriger Serumkonzentrationen bei CYP2C19 schnell-Metabolisierern (rapid/ultrarapid metabolizer) und hoher Serumkonzentrationen bei langsam-Metabolisierern gesenkt wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass pharmakokinetische Genvariationen Wirkstoffspiegel vorhersagen können und somit die Kombination von pharmakogenetischen Tests und Therapeutischem Drug Monitoring ein nützliches Instrument für einen personalisierten Therapieansatz bei Depressionen darstellt.