Raum:
Saal New York 1
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 24: Forensische Psychiatrie und Begutachtung
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Psychische Erkrankungen sind eine der Hauptursachen für Berufsunfähigkeit (BU) in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung. Am häufigsten werden dabei Leistungen wegen einer depressiven Erkrankung geltend gemacht; komorbide Depressionen sind ebenfalls häufig. Aber auch andere psychische Erkrankungen (z.B. Angststörungen, somatoforme Störungen) werden von Versicherten als Ursache für Berufsunfähigkeit angeführt.
Entscheidend für die Beurteilung einer möglichen Berufsunfähigkeit ist jedoch nicht die Diagnose selbst, sondern sind die konkreten Funktions- und Leistungseinschränkungen, die für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bestehen.
Bei unzureichender oder widersprüchlicher Informationslage in der Leistungsprüfung wird ein Sachverständigengutachten zur Leistungsentscheidung nötig. Ziel einer solchen Begutachtung ist es, die von Versicherten selbstberichteten Funktions- und Leistungseinschränkungen zu objektivieren und zu beurteilen, inwiefern die geltend gemachten Defizite die Berufsfähigkeit tatsächlich beeinflussen. Dabei muss stets auf die zuletzt tatsächlich ausgeübte berufliche Tätigkeit Bezug genommen werden.
In diesem Symposium soll dargestellt werden, wie tätigkeitsbezogene Funktionsstörungen und Leistungseinschränkungen bei psychischen Erkrankungen, unabhängig von der diagnostischen Einordnung, objektiviert und quantifiziert werden können.
Im ersten Teil des Symposiums werden Studienergebnisse, die den Einsatz der Mini-ICF-APP zur Fähigkeitsbeurteilung bei psychosomatischen Patient/innen prüfen, vorgestellt. Im zweiten Teil des Symposiums wird der Nutzen einer neuropsychologischen Leistungsdiagnostik für die Beurteilung von Berufsunfähigkeit präsentiert. Im dritten Teil wird die Bedeutung der Funktions- und Leistungsdiagnostik in der psychiatrischen Begutachtung beleuchtet.
Konkrete Beispielfälle aus der Begutachtungspraxis werden zur Veranschaulichung vorgestellt und diskutiert.
abgesagt: Beurteilung von Fähigkeitseinschränkungen bei Patienten mit psychischen Erkrankungen in der klinischen Standardbeurteilung und mittels strukturierter Beurteilung anhand der Mini-ICF-App
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Hintergrund: Ärzte und Therapeuten müssen häufig zur Frage der Arbeitsfähigkeit Stellung nehmen. Die Arbeitsfähigkeit lässt sich nicht einfach aus dem Symptomstatus des Patienten ableiten, sondern aus den krankheitsbedingten Fähigkeitsbeeinträchtigungen in Relation zu den Arbeitsanforderungen. Ein strukturier-tes Assessment der Fähigkeitsbeeinträchtigungen ist international evaluiert und vielfach verwendet: Das Mini-ICF-APP-Rating für den Fähigkeitsbefund. Es ist derzeit unklar, inwieweit ein freier klinischer Bericht (d.h. übliche klinische Praxis: Exploration nach klinischen Standards, aber ohne standardisierten Dokumen-tationsbogen, stattdessen mit Freitext-Befund) und eine strukturierte Fähigkeitsbeurteilung dem Gesamturteil über die Arbeitsfähigkeit entsprechen, d.h. der Entscheidung, ob ein Patient "arbeitsfähig" oder "ar-beitsunfähig" ist.
Zielsetzung: Diese Studie untersucht erstmalig, ob das übliche klinische Urteil und das zusätzliche strukturierte Fähigkeitsrating die Entscheidung über die Arbeitsfähigkeit unterstützen.
Methode: 100 Arztberichte von Patienten einer psychotherapeutischen Klinik wurden anhand einer Checkliste auf die Darlegung psychopathologischer Befunde und Fähigkeitsbefunde untersucht. Zusätzlich wurde für alle Patienten eine strukturierte Einschätzung der Fähigkeitsstörungen mit dem Mini-ICF-APP-Rating do-kumentiert.
Ergebnisse: Im klinischen Freitextbericht wurden vor allem Durchhaltefähigkeit, Flexibilität und Kontaktfähigkeit als beeinträchtigt angegeben. Dies stimmte mit dem strukturierten Mini-ICF-APP-Rating überein. Allerdings werden im Mini-ICF-APP auch andere Fähigkeitsbeeinträchtigungen berichtet.
Schlussfolgerungen: Der Freitextbericht im Arztbericht zeigt die Unterschiede zwischen arbeitsfähigen und nicht arbeitsfähigen Patienten auf und spricht damit für die Validität von Arbeitsfähigkeitsentscheidungen. Eine Optimierung ist in Bezug auf Tiefe und Differenzierung der Fähigkeitsbefunde möglich.
abgesagt: (Neuro-)Psychologische Begutachtung von Berufsunfähigkeit
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In der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung liegt Berufsunfähigkeit (BU) vor, wenn sich aufgrund von Krankheit oder Kräfteverfall für die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit Einschränkungen ergeben, die die Ausübung dieser Tätigkeit zu einem bestimmten Grad behindern. Der häufigste Grund für BU in der privaten BU-Versicherung sind psychische Erkrankungen. Leistungseinschränkungen bei psychischen Erkrankungen betreffen Kognition, Motivation, Emotion und Verhalten. Innerpsychische Zustände lassen sich naturgemäß nur eingeschränkt objektivieren. Eine sorgfältige Plausibilitäts- und Konsistenzanalyse ist daher bei der Beurteilung von BU bei psychischen Erkrankungen unverzichtbar. Wenn eine Objektivierung vorgetragener Defizite aufgrund uneindeutiger oder widersprüchlicher Befunde nicht nach Aktenlage möglich ist, wird eine Begutachtung nötig. Dann muss der/die Gutachter/in entscheiden, inwiefern die beklagten Dysfunktionen authentisch sind und ob und in welcher Weise sie die Berufsfähigkeit beeinflussen. Eine neuropsychologische Zusatzbegutachtung kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Mit Hilfe entsprechender (Leistungs-)testdiagnostik können kognitive, motivationale und emotionale Dysfunktionen beurteilt werden. Weiterhin ermöglichen Kongruenzen und Diskrepanzen von Beschwerdeschilderung, Verhaltensbeobachtung und Testergebnissen eine Abschätzung der Authentizität der geltend gemachten Einschränkungen. Neben klassischen Beschwerdevalidierungstests, die negative Antwortverzerrungen direkt untersuchen, sind dazu insbesondere die Ergebnismuster leistungsdiagnostischer Verfahren (eingebettete Validitätsindikatoren) für die Plausibilitätsanalyse hilfreich. Anhand von Praxisbeispielen wird dargestellt werden, inwiefern eine neuropsychologische Leistungsdiagnostik im Rahmen einer psychiatrischen oder psychosomatischen Begutachtung eine differenzierte, authentische Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen ergänzen kann.
abgesagt: Psychiatrische Begutachtung der Funktionseinschränkungen
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Medizinische Begutachtungen werden nur selten zur Beurteilung der Berufsunfähigkeit (BU) durch den Versicherer benötigt. Bei widersprüchlicher Informationslage wird die Heranziehung eines Experten indes unabdingbar. Grundlage eines Gutachtens sind das Aktenstudium und die Untersuchung. Entscheidend für die Beurteilung einer möglichen BU ist dabei nicht die Diagnose selbst, sondern die konkreten Funktions- und Leistungseinschränkungen für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit.
Als Determinanten der Leistungsfähigkeit beschreibt die AWMF-Leitlinie, dass Art und Ausmaß psychischer Funktionen und Funktionsstörungen beschrieben werden müssen. Dann sind Faktoren der Krankheitsverarbeitung zu bewerten, wobei u.a. der Leidensdruck, das Krankheitskonzept, Veränderungsmotivation und -ressourcen zu untersuchen sind. Schließlich ist für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit zentral, welche Aktivitäten eine Person noch ausübt oder ausüben könnte und wie sie sich in ihrer Umwelt verhält. Das Ergebnis dieser Bewertung muss dann in den Kontext des konkreten beruflichen Anforderungsprofils gesetzt werden, um den Grad der BU zu bestimmen.
Häufig wird vom Sachverständigen verlangt, sich zur Frage der „zumutbaren Willensanstrengung“ zu äußern, welche jedoch zunächst einen juristischen Terminus darstellt. Überdies wird gefordert, darzulegen, inwieweit er/sie davon überzeugt ist, dass die geklagten Leistungseinschränkungen tatsächlich bestehen und wie er/sie zu dieser Einschätzung gelangt. Die Beurteilung soll transparent und nachvollziehbar dargestellt werden und es ist kriterienorientiert vorzugehen. Bisher als Fachausdruck nicht etabliert, aber implizit gefordert, ist die „Differenzialbeurteilung“. Das heißt analog zur „Differenzialdiagnostik“ soll expliziert werden, anhand welcher Gesichtspunkte und Abgrenzungen, das Urteil schließlich „berufsunfähig“ oder „berufsfähig“ lautet.
Anhand von Praxisbeispielen werden Schwierigkeiten und Lösungsmöglichkeiten veranschaulicht und diskutiert.