In Familien treten psychische Störungen sehr häufig in mehreren Generationen auf. Bis zu 77% der Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen entwickeln im Laufe ihres Lebens ebenfalls psychische Störungen. Umgekehrt haben knapp 50% der Kinder und Jugendlichen, die sich in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung befinden, (mindestens) ein Elternteil mit psychischer Erkrankung. Die transgenerationale Transmission erfolgt neben genetischen und epigenetischen Faktoren wesentlich durch den „Übertragungsweg“ von Interaktion und Kommunikation zwischen Eltern und Kind. Frau Prof. Herpertz stellt Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt zu den Auswirkungen mütterlicher Erkrankungen sowie frühkindlicher Traumatisierung auf das Elternverhalten und die Entwicklung des Kindes dar und skizziert, wie diese Ergebnisse zur Entwicklung eines Interventionsprogramms geführt haben. Die weiteren Vorträge widmen sich der Implementierung und Evaluation von Interventionsmöglichkeiten im Gruppenformat: Frau Dr. Strittmatter stellt mit den Kidstime-Workshops ein präventives, niedrigschwelliges Angebot für Kinder psychisch kranker Eltern und ihre Familien vor, das durch die Einbindung in eine interdisziplinäre, systemübergreifende und kommunale Netzwerkstruktur die Empfehlungen der Arbeitsgruppe KPKE (2019) aufgreift. Herr Gunia stellt anhand einer explorativen Stichprobe dar, dass Online-Mehrfamiliengruppen mit Familien mit einem schizophrenen Familienmitglied eine hohe Akzeptanz bei den Familien haben und gegenüber einer Gruppe in Präsenz Vorteile aufweisen. Frau Prof. Möhler stellt eine RCT-prä-post-Evaluation zu den Formaten START (Stress-Traumasymptoms-Arousal-Regulation-Treatment) und START-Kids vor, die in Gruppen auf eine Verbesserung von Emotionsregulation und Stressresilienz zielen. Die verschiedenen Interventionsansätze für „psychiatrisch betroffene“ Familien werden bzgl. ihres Nutzens und ihrer Implikationen diskutiert.
Implementierung und Evaluation von Kidstime-Workshops in Deutschland
Klaus Henner Spierling, Wilstedt (Germany)
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Autor:innen:
Klaus Henner Spierling, Wilstedt (Germany)
Kerstin Martina Spierling Stötzel, (Germany)
Niklas Helsper, (Germany)
Monika Feist-Ortmanns, (Germany)
Josef Weglage, (Germany)
Dympna Cunnane, (Germany)
Esther Strittmatter, Drensteinfurt (Germany)
Kidstime-Workshops sind ein präventives, niedrigschwelliges, multifamilientherapeutisch ausgerichtetes Angebot für Kinder psychisch-kranker Eltern (KPKE) und ihre Familien, welches in den letzten Jahren an 17 Standorten in Deutschland implementiert wurden. Durch die Einbindung in eine interdisziplinäre, systemübergreifende und kommunale Netzwerkstruktur, greift es die Empfehlungen der Arbeitsgruppe KPKE (2019) in besonderer Weise auf. Das innovative, sozialkompensatorische Modell wurde in den späten 1990er Jahren in London entwickelt. Neben einer Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens der betroffenen jungen Menschen und ihrer Familien, steht die Stärkung bzw. der Aufbau von kommunale Netzwerkstrukturen für KPKE für eine bedarfsgerechte Versorgung im Vordergrund. Vorgestellt werden die bisherige Implementierung, eine erste Evaluation und die Planung für eine weitere überregionale Verbreitung des Kidstime Ansatzes in Deutschland.
Erfahrungen mit Online-Mehrfamiliengruppen mit Familien mit einem schizophrenen Familienmitglied
Hans Gunia, Darmstadt (Germany)
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Autor:innen:
Hans Gunia, Darmstadt (Germany)
Hartmut Berger, Darmstadt (Germany)
Darya Yatsevich, Darmstadt (Germany)
Talisa Höning, Bad Kreuznach (Germany)
Die bisherige Forschung zeigt, dass psychoedukative Familieninterventionen einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Schizophrenie haben. Aufgrund der Covid-19-Pandemie war es nicht möglich, Gruppen-Interventionen persönlich durchzuführen. Wir haben deshalb aus der Not eine Tugend gemacht und haben im Rahmen einer Evaluation von Familienansätzen in einer Pilotstudie die Akzeptanz der Durchführung einer solchen Gruppe im Onlineformat untersucht.
Betroffene mit einer diagnostizierten Schizophrenie und ihre Familienangehörigen wurden aus psychiatrischen Einrichtungen rekrutiert. Die randomisierte Zuordnung zu Interventions- und Kontrollgruppe war aufgrund der geringen Teilnehmerzahl allerdings nicht möglich. Die Online-Gruppe wurde über den Videokonferenzdienst Zoom von zwei erfahrenen Psychotherapeuten durchgeführt. Die Teilnehmer wurden gebeten, nach jeder von 11 Sitzungen ein Feedback auf mehreren Skalen abzugeben.
Es wurden insgesamt 4 Patienten und 8 Angehörige rekrutiert. Die Teilnehmer kamen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Sitzungen waren gut besucht. Die Ergebnisse zeigten eine hohe Akzeptanz der online-synchron durchgeführten Familienintervention bei allen Teilnehmern. Der mittlere Grad der Zustimmung zur Fragebogenaussage "Ich finde es gut, dass die Familienintervention online durchgeführt wird" auf einer 10-Punkte-Skala (stimme überhaupt nicht zu (1) - stimme voll zu (10)) betrug M = 8,46 (SD = 0,32).
Die Ergebnisse dieser Pilotstudie legen nahe, dass Familieninterventionen, die synchron online über Videokommunikationsdienste durchgeführt werden, machbar und akzeptabel sind. Außerdem bieten sie eine gute Möglichkeit gerade auch für Teilnehmer, die nicht zusammenwohnen und deren Wohnorte über das Bundesgebiet verstreut liegen.