Autor:in:
U. Nennstiel (München-Oberschleißheim, DE)
Um die Elternkompetenz frühzeitig zu stärken, ist, zusätzlich zu den bereits etablierten Beratungen, eine pädiatrische Beratung zu Themen der Kindergesundheit noch vor der Geburt empfehlenswert. In der Literatur gibt es zahlreiche Hinweise auf die Notwendigkeit von sowohl inhaltlich als auch organisatorisch standardisierten ärztlichen Beratungen über präventive Aspekte der Kindergesundheit. Als Beispiele können das Neugeborenen-Screening oder Impfungen genannt werden (BZGA, Brockow).
In Anlehnung an die in der Kinder-Richtlinie geregelten U - Früherkennungsuntersuchungen wird derzeit vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege im Rahmen der Gesundheitsinitiative „Gesund.Leben.Bayern.“ ein „Elternberatung - U0 vor der Geburt in der Kinder- und Jugendärztlichen Praxis“ als standardisierte ärztliche Beratung finanziert. Das Projekt wird zusammen mit dem BVKJ und Paednetz Bayern durchgeführt. Ziel der Beratung ist es, Fehlverhalten der Eltern durch Informationsdefizite zu reduzieren, informierte Entscheidungen der Eltern zu ermöglichen und eine höhere Teilnahme an präventiven Maßnahmen zu erreichen. Die Beratung umfasst folgende Themen: Aufklärung über das Neugeborenen-Screening, Vorteile des Stillens, Impfen (STIKO-Empfehlungen), Vitamin K und D Prophylaxe, Prävention von Schütteltrauma und plötzlichem Kindstod (SIDS), Unfallprävention, Kinderschutz. Zudem soll durch die Elternberatung „U0“ die U3 entlastet werden, da viele Themen, die sonst Teil der U3 sind, durch die U0 bereits vor der Geburt besprochen werden können.
In vier Regionen Bayerns (München, Augsburg, Regensburg, Lauf und Roth) werden Schwangere in gynäkologischen Praxen über das Angebot der Elternberatung U0 informiert. Diese erfolgt dann im letzten Trimenon der Schwangerschaft standardisiert nach einem vorgegebenen Curriculum in den teilnehmen Kinder- und Jugendärztlichen Praxen. Im Anschluss an die Beratung U0 erhalten die Familien einen ersten Elternfragebogen, ein zweites Mal werden sie beim U3-Termin befragt. Eine qualitative Befragung der teilnehmen Praxen erfolgt am Ende des Projektes. Angestrebt ist die Teilnahme von 400 Familien an der U0, die Projektlaufzeit beträgt 3 Jahre (2021-2023).
Bislang (Stand Juni 2022) wurden in den gynäkologischen Praxen über 480 Familien über das Angebot der U0-Beratung informiert und über 280 Beratungen in den Kinder- und Jugendärztlichen Praxen durchgeführt. Die Mehrheit der beratenen Eltern hatten noch keine eigenen Kinder. Bei über 97% der teilnehmenden Familien konnten die Fragen zur ersten Zeit nach der Geburt beantwortet werden und über 92% fühlen sich jetzt besser vorbereitet für die Zeit nach der Geburt. Besonders hilfreich waren dabei die Informationen zum Neugeborenen-Screening und zu Impfungen. Bei 12,5% der Familien war deutsch nicht die Familiensprache.
Die teilnehmenden Kinder- und Jugendärztlichen Praxen berichteten über eine Entlastung der U3, da vermehrt auf Fragen und Unsicherheiten der Eltern eigegangen werden konnte, da ein Teil der sonst bei der U3 anstehenden Präventionsthemen bereits besprochen war.
Erste Zwischenauswertungen zeigen eine durchweg positive Resonanz der U0. Die Elternberatung U0 wird von den Familien gut angenommen und ist eine Entlastung für die Kinder - und Jugendärztliche Praxis. Für die Zeit nach der Geburt sind die Eltern besser informiert, auch Familien mit Migrationshintergrund werden mit der U0-Beratung erreicht.
Literatur
Brockow et al. (2019): Parents' experience with positive newborn screening results for cystic fibrosis., Eur J Pediatr, Jun;178(6):803-809)
Infektionsschutzstudie der BZGA 2016: https://www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/infektionsschutzstudie_2016--f4f414f596989cf814a77a03d45df8a1.pdf, S.14