In einer Werkstatt ist es selbstverständlich, eine Reihe von Werkzeugen vorzuhalten, die für die unterschiedlichen Aufgaben eingesetzt werden können. Während ein Lieblingswerkzeug ständig benutzt wird, kommen andere Werkzeuge nur gelegentlich oder sogar nur selten zum Einsatz.
In der Therapie chronischer Schmerzen werden ebenso Werkzeuge benötigt. Wir verstehen darunter Arbeitshilfen, Aufgabenblätter, Anleitungen oder Informationsblätter. Aus einer umfangreichen Materialsammlung stellen wir in diesem Workshop unsere beliebtesten Tools und unsere Erfahrungen damit in der ambulanten und stationären Therapie vor. Das
Spektrum reicht dabei von Hilfestellungen für die Anamnese über Anregungen zur Aufmerksamkeitslenkung und den Umgang mit schmerzbezogener Angst bis zu Informationen zu Grundbedürfnissen, deren Nichterfüllung schmerzhaft sein kann. Sie sind eingeladen, die Materialen auszuprobieren, darüber zu diskutieren und sie für Ihre spezielle therapeutische Situation nutzbar zu machen.
Die vorgestellten Tools sind nicht nur für Psychotherapeuten nutzbar: Alle Berufsgruppen, die mit chronischen Schmerzpatienten zu tun haben, können davon profitieren.
Achtsamkeitsbasierte Verfahren haben sich in der Prophylaxe und Therapie chronischer Schmerzen inzwischen gut etabliert und als zum Teil sehr wirksam erwiesen. Insbesondere in den letzten Jahren sind zahlreiche Angebote zur Intervention unter weiterentwickelt und in Studien evaluiert worden. Hierzu zählen u.a.: ACT (Acceptance and Commitment Therapy nach Hayes) als Teil der DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie), die achtsamkeitsbasierte Psychotherapie (Heidenreich/Michalak) und vor allem Methoden unter der Überschrift „Mind-fulness-Based…“
Zur Anwendung kommen in diesem Rahmen neben der MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction nach Kabat-Zinn) aus den Jahren 1978 ff die MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapy nach Segal/Williams/Teasdale) sowie seit einiger Zeit das MBPM (Mindfulness-Based Pain Management nach Burch). Dabei erfüllen MBSR und MBPM eher prophylakti-sche Ansprüche an Schmerzbewältigung und Akzeptanz (§ 20 SGB V), während MBCT aus-drücklich als Ergänzung im therapeutischen Setting eingesetzt wird, vor allem zur Behandlung komorbider affektiver Störungen im Rahmen einer Psychotherapie.
Der Workshop bietet den TN nach einer kurzen Vorstellung der drei Verfahren die Möglich-keit, anhand einiger praktischer Übungen einen ersten Eindruck von der Wirksamkeit der vorgestellten Interventionen zu erhalten.
Nach den aktuellen Leitlinien der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft gelten psychologische Verfahren, die der Verhaltenstherapie entstammen, als evidenzbasiert und als hoch effektiv in der Behandlung primärer Kopfschmerzen. Darunter fallen sowohl die Migräne als auch der Kopfschmerz vom Spannungstyp. Psychologische Verfahren sind wirksam und können unter bestimmten Voraussetzungen sogar als Alternative zur medikamentösen Therapie eingesetzt werden. Neben Beratung, Entspannungsverfahren, operanten und kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungsansätzen im eigentlichen Sinne hat sich in den letzten Jahren zunehmend die Biofeedback-Therapie als verhaltenstherapeutische Maßnahme zur Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne etabliert. Aus umfangreichen Cochrane-Studien und aktuellen Metaanalysen geht hervor, dass diese Therapieverfahren beispielsweise bei der Migräne ähnlich effektiv sind wie eine medikamentöse Prophylaxe. Das Prinzip dieser Behandlung ist einfach: Grundsätzlich können alle autonom oder zentral ablaufenden Körperfunktionen über Biofeedback beeinflusst werden. Sie müssen nur bewusst wahrgenommen werden. Dadurch lassen sich diese Funktionen willentlich in die gewünschte Richtung beeinflussen. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne. So kann mit unspezifischer Wirkung zumindest eine autonome Ruhigstellung erreicht werden, die ihrerseits die Wahrscheinlichkeit beispielsweise für einen Migräneanfall reduziert. Aber auch spezifischer wirkende Verfahren können bei der Behandlung von Kopfschmerzen eingesetzt werden, so beispielsweise ein Ansatz zum Aufbau von Habituationseffekten, der direkt in den Pathomechanismus eingreift.
Im Workshop werden in einem kurzen Vortrag zunächst die Grundlagen der Biofeedbacktherapie vorgestellt. Es folgen Fallbeispiele bei der Anwendung im Bereich chronischer Schmerzzustände, hier speziell bei der Migräne und beim Kopfschmerz vom Spannungstyp. Abgerundet wird das Seminar mit praktischen Übungen der Teilnehmer an verschiedenen, zur Verfügung gestellten Biofeedbackgeräten. Diese „Gerätekunde“ bezieht auch aktuelle Applikationen von Smartphones mit ein. Dabei werden Fallstricke bei der Anwendung der Geräte und bei der Behandlung ausführlich erläutert. Außerdem wird auf abrechnungstechnische Besonderheiten dieser Behandlungsmethode und auf mögliche Kontraindikationen eingegangen.
Wegen des gerätetechnischen Aufwands und der angebotenen Möglichkeit, dass alle Teilnehmer an Geräten üben sollen, sind zwei Kursleiter notwendig. Dies hat sich in früheren Veranstaltungen sehr bewährt.
Der Workshop ist gedacht für ärztliche und psychologische Schmerztherapeuten und Physiotherapeuten speziell im Bereich der Kopfschmerztherapie.
Kopf- und Rückenschmerzen betreffen eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten. Zur Verstärkung der Ressourcen und zur Verbesserung der Versorgung von dieser großen Patientengruppe bieten sich neue digitale Versorgungsformen an. Das Symposium zeigt anhand von den Innovationsfondsprojekten Rise-uP und SMARTGEM sowie dem DMKG-Register auf wie solche digitalen Methoden wissenschaftlich evaluiert und zur Generierung von Real-World Evidenzen genutzt werden können.
Die Behandlung unspezifischer Kreuzschmerzen in Deutschland ist oft nicht leitlinien-orientiert, was eine häufige Chronifizierung zur Folge hat. Das Innovationsfondsprojekt Rise-uP integriert eine Rücken-App (Kaia), eine gemeinsame elektronische Fallakte mit klinischer Entscheidungsunterstützung, sowie Telekonsile für Risikopatienten, in einen leitliniengerechten Behandlungspfad. Der cluster-randomisierte Rise-uP Trial mit über 1200 Rückenschmerzpatienten und 80 Hausärzten in ganz Bayern hat gezeigt, dass diese innovative Therapie der Regelversorgung nach 12 Monaten sowohl klinisch als auch gesundheitsökonomisch stark überlegen ist.
Das Innovationsfondsprojekt SMARTGEM (Smartphone gestützte Migränetherapie) verfolgt einen ähnlichen Ansatz bei Migränepatientinnen und Patienten. SMARTGEM besteht aus einer Migräne-App M-sense ( (Intelligentes Tagebuch, Triggeranalyse, Edukation, Unterstützung bei nicht-medikamentösen Therapien) in Verbindung mit digitalen Angeboten, um die Kommunikation zwischen Patienten, universitärer Kopfschmerzambulanz und niedergelassenen Ärzten zu verkürzen. Bei über 600 Patienten haben wir in einer randomisiert kontrollierten Studie untersucht, ob die Verbindung von einer herkömmlichen Behandlung in einem universitären Kopfschmerzzentrum (Rostock, Halle und Berlin) zusammen mit dieser neuen digitalen Versorgungsform zur einer Reduktion der Kopfschmerzfrequenz und des Schmerzmittelverbrauchs führt und die Lebensqualität der Patienten verbessert.
Real-world-Daten über die Versorgung von Kopfschmerzpatienten/-innen in Deutschland sind rar. Deswegen hat die DMKG ein deutschlandweites Kopfschmerzregister initiiert, das seit 6/2020 Patienten/-innen einschließt und diese bei der strukturierten Dokumentation ihrer Kopfschmerzen unterstützt. Das Register erfasst die Behandlung sowohl im Querschnitt als auch im Verlauf, und sowohl aus Sicht der Patienten/-innen (vor jeder Visite und über den täglichen Kopfschmerzkalender) als auch aus Sicht der Ärzte und Ärztinnen (bei der Visite). Ein Fokus liegt auf patient reported outcome measures (PROMs). Die Daten können von den teilnehmenden Ärzten als Grundlage für das Anamnesegespräch genutzt werden und gehen gleichzeitig in eine wissenschaftliche Datenbank ein.
Bewegungsmangel gilt als einer der wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren für die Entstehung und Fortschreitung chronischer Erkrankungen mit der höchsten Krankheitslast, wie Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, Tumoren und Erkrankungen des Bewegungsapparates [2]. Die WHO empfiehlt, dass Erwachsene 150 Minuten mit moderater bis intensiver Intensität körperlich aktiv sein sollten. Zusätzlich sollten auch 2-3 mal in der Woche muskelkräftigende Aktivitäten durchgeführt werden [7]. Diese Empfehlung gilt auch für Menschen mit chronischen Vorerkrankungen, da ein Umsetzen der Empfehlung nachweislich zu einem bedeutsamen Zugewinn an somatischer und mentaler Gesundheit und Wohlbefinden führt [7]. Gesundheitsorientierte Bewegung ist risiko- und nebenwirkungsarm und die Effekte sind häufig vergleichbar mit denen medikamentöser Therapien [2]. Im Rahmen der Schmerztherapie kann die Förderung von körperlicher Aktivität und Bewegung dazu beitragen, dass körpereigene Regulationsmechanismen und Resilienz auf verschiedenen biologischen und psychologischen Ebenen aktiviert und gefördert werden [5]. Allerdings sind diese Empfehlungen [7] hoch ambitioniert. In der deutschen Bevölkerung erreichen nur ca. 25% das empfohlene Ausmaß an körperlicher Aktivität [4] und Menschen mit chronischen Schmerzen bewegen sich noch weniger [3].
In der Versorgung zeigen sich verschiedene Barrieren für die Umsetzung von Bewegungsförderung, die vor allem die Rahmenbedingungen der Versorgung, aber auch die Qualifikation hinsichtlich einer patientenzentrierten Beratung betreffen [1]. Hinzu kommen passive Erwartungen der Patientinnen und Patienten an die Therapie, ein biomechanisch orientiertes Krankheitsverständnis seitens der Physiotherapie sowie fehlende interdisziplinäre Zusammenarbeit, welche die Umsetzung aktiver Maßnahmen zusätzlich erschweren [6]. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Frage, wie körperliche Aktivität im Versorgungsalltag überhaupt zuverlässig gemessen werden kann. Hier muss geprüft werden, welche patient reported outcome measures (PROMs) zur Erfassung der körperlichen Aktivität valide sind und einer patientenzentrierten Versorgung entsprechen.
Eine robuste Evidenzlage zeigt das große Potenzial von körperlicher Aktivität für die Prävention und Therapie chronischer Schmerzen [8] - die Kernfrage ist jedoch, wie dieses Potenzial in der Schmerzversorgung besser ausgeschöpft werden kann. Damit stellen sich folgende Fragen, die im Rahmen der Vorträge dieses Symposiums diskutiert werden sollen:
1. Welche Ansätze einer patientenzentrierten Bewegungsförderung in der Schmerztherapie sind wirksam und implementierbar?
2. Welche Barrieren und Förderfaktoren zeigen sich für die Bewegungsförderung im Rahmen der physiotherapeutischen Schmerzversorgung?
3. Welche Messinstrumente zur Erfassung der körperlichen Aktivität sind valide und entsprechen einer patientenzentrierten Versorgung?
Schmerz ist ein komplexes Phänomen, das durch das Zusammenspiel von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren entsteht. Schmerzen nach einer Operation sind ein normales körperliches Phänomen bedingt durch die Operation selbst, die ein Gewebetrauma darstellt, und zusätzlich durch den Anlass, z.B. ein Trauma, der zu der Operation führte und mit Schmer-zen und Entzündungen einhergeht. Die meisten Patienten können durch postoperative Schmerzbehandlung innerhalb der ersten Woche nach der Operation eine Schmerzlinderung erreichen. Ein Teil der Patienten berichtet jedoch über fortbestehende oder auch wieder auftretende starke Schmerzen, oft verbunden mit einer verzögerten postoperativen Erholung, ei-ner hohen physischen und psychischen Belastung und dem Risiko einer Chronifizierung. Peri-operatives Schmerzmanagement sollte daher starke Schmerzen nach der Operation so weit wie möglich vermeiden.
In den letzten Jahren gab es zunehmend Evidenz dafür, dass eine effektive und nebenwirkungs-arme perioperative Schmerztherapie in der perioperativen Medizin relevant ist. Im Mittelpunkt stehen dabei jedoch weniger neue Medikamente oder Applikationsformen mit dem Ziel mög-lichst niedriger „NRS-Werte“, sondern deren fach- und sachgerechte Anwendung im Rahmen eines interdisziplinären und interprofessionellen Ansatzes. Die postoperative Schmerztherapie wird zunehmend als ein Bestandteil eines Gesamtkonzeptes zur Förderung der perioperativen Erholung und der Prophylaxe von Komplikationen und Schmerzchronifizierung gesehen. Erfreuli-cherweise hat das Wissen um die Zusammenhänge von Schmerz, perioperativen Komplikationen und risikoarmer Therapie inzwischen das Bewusstsein (fast) aller Beteiligten erreicht.
Diese Perspektive für die perioperative Medizin spiegelt sich auch in dem neuen Update der S3 -Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ wider. Die Aktualisierung dieser Leitlinie unter Leitung von Winfried Meissner und Esther Pogatzki-Zahn hat zu einer Vielzahl von neuen Empfehlungen geführt. Hinzu kommt, dass einige der alten Empfehlungen durch Hinzunahme der neuen Evidenz so weitreichend modifiziert worden sind, dass dies eine Bedeutung für die klinische Praxis hat. Ein Teil dieser Neuerungen sollen im Symposium vorgestellt werden und es sollen die zukünftigen Entwicklungen für die klinische Arbeit diskutiert werden.
Meissner, Winfried
Einführung: Neuauflage der Akutschmerz-Leitlinie: Was lange währt…?
Klinger, Regine
Psychologische Interventionen in der perioperativen Schmerztherapie – Wandel und Zukunft im Licht der Individiualisierung
Tafelski, Sascha
Perioperatives Phantomschmerzmanagement: Update Akutschmerzleitlinie 2022
Pogatzki-Zahn, Esther
Empfehlungen bei Operationen an der Wirbelsäule: evidenz-basiert und differenziert
Obwohl über den chronischen Schmerz definiert, sind viele Syndrome, die zu chronischen Schmerzen führen, geprägt durch eine hohe Diversität an psychosozialen Beeinträchtigungen. Dabei stehen Schmerzen und psychosoziale Faktoren in einem engen wechselseitigen Einflussverhältnis, in dem sie sich gegenseitig aufrechterhalten und verstärken können. Neben dem Zusammenspiel von viszeralen und somatischen Schmerzen bedeutet diese häufige psychosoziale Belastung eine besondere Herausforderung im Kontext der Diagnostik und Therapie aber auch der Forschung und Symptomerfassung in klinischen Studien.
In diesem Symposium soll die Bedeutung psychosozialer Faktoren im Kontext chronischer viszeraler und urogenitaler Schmerzen durch Endometriose für Pathophysiologie und multimodale Therapiekonzeptentwicklung in Klinik und Forschung sowie die Problematik bei deren Bewertung in klinischen Studien vorgestellt und diskutiert werden.
Endometriose betrifft etwa jede zehnte Frau und ist ein besonders interessantes und wichtiges Beispiel für das Zusammenspiel somatischer und viszeraler Schmerzen, sowie psychosozialer Faktoren: das Symptomspektrum ist divers, die Diagnosestellung oft langwierig und das Schmerzmanagement ist komplex. Dieses Krankheitsbild zeigt sehr nachdrücklich, wie es über die eigentliche, bereits sehr diverse Schmerzsymptomatik hinaus zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität und Funktionalität und psychischen Belastung kommt.
Trotz großer Belastung durch die diverse Symptomatik erleben Betroffene häufig eine Normalisierung und Trivialisierung ihrer Beschwerden. Und obwohl neben verminderter Lebensqualität und sexueller Funktionsfähigkeit auch häufig psychopathologische Symptome (v.a. depressive und Angstsymptome) auftreten, sind multimodale Therapiekonzepte noch selten und auch der Großteil an klinischen Studien erfasst hauptsächlich die (Spontan-)Schmerzintensität.
Die Diversität der Symptomatik im Kontext des biopsychosozialen Schmerzmodells verdeutlicht dabei die Notwendigkeit multimodaler und interdisziplinärer Behandlungsstrategien. Darüber hinaus ist im Sinne einer ganzheitlichen Erfassung der Patientensituation und auch im Kontext der Risikostratifizierung die Anwendung standardisierter und validierter Fragebögen hilfreich, die neben der reinen Schmerzerfassung auch psychosoziale und funktionelle Faktoren durch sogenannte Patient Reported Outcome Measures (PROMs) messbar machen.
Dieses Symposium soll einen Einblick in aktuelle Erkenntnisse aus Klinik und Forschung rund um das Thema Endometriose-bedingter chronischer Unterbauchschmerz mit Fokus auf ein multimodales Therapiekonzept geben. Es soll Möglichkeiten für interdisziplinäre und multimodale Konzepte in Therapie und Forschung vorstellen und erste Erfahrungen damit diskutieren. Ziel ist es, den interdisziplinären Diskurs zu fördern und den Blick dafür zu schärfen, dass Endometriosepatientinnen mit weit mehr als nur Schmerz belastet sind.
Patienten mit chronischen Rückenschmerzen werden durch verschiedene ärztliche und therapeutische Berufsgruppen behandelt. Die Diagnostik und Therapie erfolgt hierbei nicht unbedingt dem aktuellen Wissenstand und der Befundlage, sondern der Fachrichtung und der persönlichen Präferenz des jeweiligen Therapeuten. Es resultieren schlechte Behandlungsergebnisse sowie hohe medizinische und soziale Kosten.
Die zentrale Problematik scheint in der Komplexität der Befundlage und der Interaktion der Befunde im individuellen Patienten zu liegen. Insofern erscheint eine systematische Befunderhebung, Auswertung und Bewertung anhand von Therapieverläufen auch schon in der Primärversorgung essenziell für eine Verbesserung der Therapieergebnisse.
In einem durch die Deutsche Stiftung Manuelle Medizin unterstützten Forschungsprojekt wurden auf der Grundlage des Modells des „Funktionellen Systems des Verhaltens“ sowie der Erkenntnisse moderner Diagnostik und Therapieansätze ein Anamnese- und Untersuchungsgang entwickelt. Die Komplexität und Menge der zu erhebenden Daten ist hoch, die Interaktionen unübersichtlich und eine systematische Evaluation daher unabdingbar.
Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung und auf künstliche Intelligenz (KI)-gestützte (Weiter)entwicklung von Diagnostik- und Therapiealgorithmen für Patienten mit Rückenschmerzen hoch relevant. Auf Grundlage eines frühzeitigen standardisierten klinischen und paraklinischen Assessments entwickelte Therapiealgorithmen, schaffen eine Vergleichbarkeit von individuellen Patienten sowie Patientengruppen (Subgruppen), die Entwicklung und Evaluation von Therapieansätzen. Es ist hoch wahrscheinlich, dass die Diagnostik und Therapie von Patienten mit Rückenschmerzen auf Basis von Datenbasierten Algorithmen der aktuellen Versorgung überlegen ist. Die Weiterentwicklung der Algorithmen auf der erhobenen Datenbasis mit Hilfen von KI ermöglicht die Anpassung von Diagnostik und Therapie Daten/Evidenzbasiert.
Um dies zu ermöglichen, wird auf Grundlage der obigen Studie und von Experteninterviews eine Software (App) zur Datenerhebung, Auswertung und Entwicklung von Diagnostik- und Therapiealgorithmen entwickelt. Die Interviews wurden mit Experten aus den verschiedenen Versorgungsbereichen von Patienten mit Rückenschmerzen geführt.
Ziel ist es, die Evaluation und Weiterentwicklung unserer Diagnostik- und Therapiestrategien mit Hilfe von KI (deep learning, machine learning) zu ermöglichen.
An diesem Thementisch wollen wir Kolleginnen und Kollegen Mut machen, über eine selbstständige oder angestellte Tätigkeit in der ambulanten Schmerztherapie nachzudenken, denn in der Zukunft wird diese Versorgung ohne spezialisierte ambulante Versorgungsstrukturen bei der Masse der zu versorgenden Patienten und der überalternden Altersstruktur der dort derzeitig Tätigen für die Schmerzversorgung drängender denn je.
Beide Kollegen freuen sich auf Neugierige, die sich niederlassen wollen, die aus erster Hand mehr dazu wissen wollen, und auch auf bereits Niedergelassene, die den Neugierigen ebenfalls zusätzlich den notwendigen Mut machen wollen.
Inhalt:
Welche Möglichkeiten eröffnen nicht für Anästhesisten oder anderer Fachärzte durch die Zusatzbezeichnung spezielle Schmerztherapie im niedergelassen Bereich?
War das von Anfang an das Ziel der individuellen klinischen Karrieren?
Welche Veränderungen und Fähigkeiten sind nun in der ambulanten KV-Versorgung der Schmerzpatienten relevant, fordernd und wichtig?
Muss man nach der spannenden klinischen Karriere und multifokalen Facharztausbildung in der Niederlassung Kompromisse machen?
Wann oder wie sollte man das Thema Niederlassung angehen? Lauern Gefahren, Risiken, Einkommensverluste?
Viele primäre Kopfschmerzerkrankungen weisen eine geschlechtsspezifische Prävalenz auf. Dies wird am Beispiel der Migräne besonders deutlich. Aufgrund einer Geschlechtsverteilung von 3:1 wird sie in der Bevölkerung oft als „Frauenkrankheit“ angesehen. Historisch wurden Patient*innen mit Migräne als gebrechliche Frauen mit schwachen Nerven dargestellt. Trotz Fortschritte im pathophysiologischen Verständnis der Erkrankung halten sich diese Klischees hartnäckig.
In diesem Symposium werden geschlechterspezifische Rollenbilder im Kontext primärer Kopfschmerzerkrankungen aufgezeigt. Die wissenschaftliche Evidenz zum Einfluss von Sexualhormonen auf die Entstehung von Kopfschmerzen wird am Beispiel der Migräne erläutert.
Im ersten Beitrag erfolgt zunächst eine historische Einordnung der aktuellen Vorurteile über Migräne bis zum heutigen Tag. Die Darstellung von Patient*innen mit Migräne in den Medien kann einen Überblick bieten, wie die heutige Gesellschaft diese Erkrankung wahrnimmt. Bisherige Studien legen nahe, dass mediale Migränebilder oft stereotyp sind (weiblich, jung, einseitiger Kopfschmerz) und von Patient*innen als nicht realistisch wahrgenommen werden. Die Einschätzung von solchen typischen Bildern variiert allerdings anhand des Geschlechts und des Alters der dargestellten und der bewertenden Person. Eine aktuelle Studie untersucht mögliche wohnortsabhängige Unterschiede zwischen Rostock und Berlin. Die ersten Ergebnisse der Studie werden in diesem Beitrag dargestellt.
Der zweite Beitrag stellt Arbeiten vor, die Geschlechtsunterschiede und relevante Einflussfaktoren bei Kopfschmerzerkrankungen untersucht haben. Eingegangen wird unter anderem auf Unterschiede hinsichtlich Triggerfaktoren bei Migräne, Unterschiede im Aufsuchen von Behandlung, in der Prävalenz von komorbiden Störungen wie Depression, Angst, Bipolarer Störung und Posttraumatischer Belastungsstörung und hinsichtlich der Beeinträchtigung im Alltag durch Migräne. Dabei wird insbesondere die Bedeutung psychosozialer Faktoren (Geschlecht, Rollenbilder, Stereotypen und Stigmatisierung von Migränepatient*innen) für psychische Belastung, Krankheitsverlauf und -bewältigung aufgegriffen.
Im dritten Beitrag wird der Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und Sexualhormonen am Beispiel der Migräne aufgezeigt. In der perimenstruellen Periode, leiden Frauen, getriggert durch einen starken Östrogenabfall, doppelt so häufig an einer Migräneattacke, als zu anderen Zeitpunkten des Menstruationszyklus. Modulation der zyklischen Hormonfluktuationen, wie durch die Einnahme einer hormonellen Kontrazeption, kann für manche Migränepatient*innen von Vorteil sein. In einer aktuellen Online-Umfrage wurde untersucht, inwieweit das Vorliegen einer Migräne die Entscheidung über die Verschreibung einer hormonellen Kontrazeption beeinflusst. Die Ergebnisse sollen in diesem Beitrag nach einer kurzen Einführung zu der Rolle der Geschlechtshormone bei Kopfschmerzen, insbesondere bei Migräne, vorgestellt werden.
Ziel des Symposiums ist es, exemplarisch am Thema „Prävention chronischer Schmerzen“ aufzuzeigen, wie -ausgehend vom klar beschreibbaren gesundheitspolitischen Versorgungsproblem- nach Testung im Rahmen einer multizentrischen wissenschaftlichen Innovationsfondsstudie (PAIN2020) erste neue gesundheitliche Leistungsangebote („A-IMA“ Ambulantes Interdisziplinäres – Multimodales Assessment) der Patientenversorgung in der Fläche des Deutschen Gesundheitswesens über die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. und ihrer Partner eingeführt werden, quasi in Form eines „Produkts“ einer vertraglich abgesicherten, neuen Kassenleistung.
Diskutiert wird zudem, warum diese durch begleitende Instrumente der Qualitätssicherung (DSF, KEDOQ-Schmerz) und Qualitätsentwicklung flankiert werden können und müssen. Ein besonderer Fokus wird des Weiteren darauf gelegt, Erkenntnisse nötiger Struktur/Prozess-Anforderungen an Umsetzungspartner aufzuzeigen.
Schnittstellen zu Folgeprojekten (PAIN2.0 sowie POET-PAIN) und deren Inhalte werden dargelegt, auch in Hinblick auf die Zielsetzung, einer sich ergebenden Erweiterung der „Produktpallette“ neuer Versorgungsleistungen für Schmerzpatientinnen und -patienten in der Zukunft. Die Bedeutung der Versorgungsforschung für die Schmerzgesellschaft im Allgemeinen und für die Schmerzmedizin im Speziellen wird erörtert, die Einbettung entsprechender Projekte vor mittel- bis langfristigen Zielen der Akteure des Gesundheitswesens aufgezeigt. Diskutiert wird der Nutzen für Patienten sowie Kliniker und Wissenschaftler, aber auch in Hinblick eines Erkenntnisgewinn.
Die 5 Referenten/Referentinnen werden thematisch aus ihrer jeweiligen (Projekt)-Perspektive in Hinblick auf die Sessionszielstellung (vgl. Symposiums-Abstract) einen wissenschaftlichen 8-10-Minuten-Impulsvortrag halten und an der Panel/Publikum-Diskussion mitwirken.
Vortragende sind:
• Prof. Dr. Frank Petzke (Göttingen) zu "PAIN2020"
• Dr. Gabi Lindena (Kleinmachnow), zu "A-IMA" und "KEDOQ-Schmerz"
• Dr. Anne Gärtner (Dresden) zu "PAIN2.0"
• Prof. Dr. Esther Pogatzki-Zahn (Münster) zu "POET-PAIN"
• Dr. Ursula Marschall (Wuppertal) zur Versorgungsstrategie der BARMER
Bei der Systembiologie, auch integrative Biologie genannt, handelt es sich um einen Teilbereich der biowissenschaftlichen Forschung, in dem biologische Organismen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Anstatt die vielfältigen im Organismus ablaufenden Teilprozesse isoliert voneinander zu betrachten, wird versucht ein integratives Bild aller regulatorischen Prozesse zu erhalten. Dazu ist eine Integration multimodaler Daten hinsichtlich klinischer, umweltbedingter, physiologischer und psychologischer Parameter nötig, dessen Spektrum in der aktuellen Forschung durch „Omics“- Methoden und bildgebende Verfahren erweitert wird. Zur Integration kommen vor allem mathematisch-analytische Methoden, wie maschinelles Lernen, zum Einsatz, um das Zusammenspiel aller Elemente eines bestimmten biologischen Systems in seinen möglichen Zuständen zu evaluieren, um Rückschlüsse auf den Phänotyp/Verhalten des Gesamtorganismus zu erhalten.
Dabei gilt für systembiologische Methoden in der Schmerzforschung, Prozesse, welche durch eine Verletzung oder eine Krankheit initiiert wurden, qualitativ vorherzusagen bzw. einen Therapieerfolg so genau wie möglich vorauszusehen (Prädiktion von Therapierespondern). Das qualitative Verfahren begründet sich auf der Einbeziehung aller am Prozess beteiligten Komponenten, ihrer möglichen Interaktionen, sowie ihrer Zustände. Dafür ist die Erstellung und Analyse von (Interaktions-) Netzwerken essentiell. Im Vordergrund solcher Analysen stehen die Verbindungen zwischen einzelnen Einheiten, seien es Proteine oder Hirnregionen, und nicht deren individuellen Attribute oder Charakteristika. Damit sind die Verbindungen und die Interaktion an sich eine Analyseeinheit und stehen somit im Gegensatz zur singulären Analyse von Teilaspekten biologischer Systeme in der Vergangenheit. In jüngster Zeit werden solche systembiologischen Ansätze auch vermehrt in der präklinischen, experimentellen als auch der klinischen Schmerzforschung eingesetzt, um die Multidimensionalität von Schmerz zu erfassen und zu verstehen. Die Integration von „Omics“-Methoden, welche die Dynamik zellulärer Prozesse in verschiedenen Geweben erfassen, modernen Bildgebungsverfahren, welche die Schmerzprozessierung im Gehirn untersuchen, und evolutionsbiologischen Ansätzen, kann zu einem „neuerem“ integrativen Bild des Schmerzes in translationalen Forschungsprojekten beitragen.
In diesem Symposium soll anhand aktueller Ergebnisse das Potential von systembiologischen Ansätzen aus Proteom-Analysen, Bildgebungsverfahren und Theorien aus der evolutionären Medizin für die heutige und zukünftige Schmerzmedizin aufgezeigt werden. Aufgrund der breitgefächerten Thematik ist dieses Symposium sowohl an GrundlagenforscherInnen als auch an KlinikerInnen gleichermaßen gerichtet.
Posttraumatische Kopfschmerzen (PTH) machen ca. 4% aller symptomatischen Kopfschmerzformen aus und stellen eine diagnostische und therapeutische Herausforderung in der Versorgung von Patienten mit Schädel-Hirn-Traumata (SHT) [1, 2]. Die PTH stellen die häufigste Komplikation als Folge eines SHT [3] dar, mit Prävalenzraten zwischen 10 – 95% je nach Studie, abhängig von der Schwere des Traumas, der Unfallart, der Dauer der Symptomatik und der diagnostischen Kriterien. PTH sind aktuell definiert als Kopfschmerzen, die innerhalb von 7 Tagen nach einem SHT oder innerhalb von 7 Tagen nach Wiedererlangen des Bewusstseins nach einem SHT auftreten [1]. Akute PTH sind sehr häufig, sie klingen innerhalb von 3 Monaten nach dem Trauma. Darüber hinaus andauernde Kopfschmerzen werden als persistierende PTH bezeichnet, bis zu einem Jahr nach dem Trauma nimmt die Häufigkeit noch deutlich ab, lang bestehende PTH sind häufig therapierefraktär [1]. Die Pathophysiologie der Entstehung von PTH ist derzeit noch nicht ausreichend verstanden, aber wahrscheinlich multifaktoriell. Es wird angenommen, dass eine gestörte körpereigene deszendierende Schmerzhemmung, neurometabolische Veränderungen, Neuroinflammation, sowie die zentrale Sensibilisierung des trigeminalen Systems eine Rolle spielen [4]. Phänotypisch kann sich PTH ähnlich zu primären Kopfschmerzen äußern, am häufigsten sind der Migräne-ähnliche und der Spannungskopfschmerz-ähnliche PTH. Bislang existieren keine eindeutigen Biomarker, mit deren Hilfe Risikopatienten für einen erschwerten Heilverlauf mit Übergang von akuten zu chronischen PTH erkannt werden können. Des Weiteren liegen kaum evidenzbasierte Daten zur optimalen Therapie von PTH vor. Das Spektrum der medikamentösen Therapie reicht von Amitriptylin bis zu Behandlungsversuchen mit monoklonalen Antikörpern bei insgesamt unzureichender Evidenzlage. Frühzeitig wird ein multimodaler Therapieansatz aus medikamentöser Behandlung, verhaltenspsychologischen Verfahren und Physiotherapie empfohlen [5]. Die Klärung offener Haftungs- und Entschädigungsfragen sollte rasch erfolgen.
Im Rahmen des aktuellen Symposiums werden epidemiologische Daten, Algorithmen zur Diagnostik und die klinische Relevanz in der schmerzmedizinischen und neurologischen Praxis vorgestellt. Im zweiten Vortrag wird das aktuelle Verständnis der zugrundeliegenden Pathomechanismen vorgestellt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf die gestörte somatosensorische Funktion und insbesondere die gestörte körpereigene deszendierende Schmerzhemmung. Hierzu werden eigene Daten sowie auch eine Metaanalyse der bislang publizierten Daten vorgestellt. Im dritten Vortrag sollen die zur Verfügung stehenden Therapieoptionen vorgestellt und deren Evidenz kritisch diskutiert.
Die Schmerzmedizin ist ein interdisziplinäres Fach und lebt von diesem interdisziplinären Austausch und der Zusammenarbeit der Professionen. Effektives und stetiges interdisziplinäres Arbeiten und Forschen ist jedoch nicht von Vornherein gegeben, sondern muss erlernt und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Grundvoraussetzungen für die Weiterentwicklung der schmerzmedizinischen Versorgung und Forschung sind dabei der engmaschige und direkte Austausch der Professionen, um so Kompetenzen zu bündeln und andere Perspektiven kennenzulernen. Besonders bedeutsam ist es, dass gerade “der Nachwuchs” eine effektive, gelungene und beispielhafte interdisziplinäre Arbeit kennen und umsetzen lernt. Die unterschiedlichen Professionen sollten sich dabei v.a. auch in verschiedenen Stadien des beruflichen Werdegangs auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam eigene Ideen entwickeln. Dabei soll ein Verständnis für die verschiedenen Perspektiven geschaffen und gleichzeitig eine Basis für die zukünftige interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Schmerzmedizin entwickelt werden. Ferner werden aktuelle Herausforderungen für den schmerzmedizinischen Nachwuchs thematisiert und Lösungsvorschläge erarbeitet. Darüber hinaus wollen wir diskutieren, welches Entwicklungspotential in der Schmerzmedizin besteht, welche Themen für Nachwuchskräfte in Zukunft relevant sind und wie diese umgesetzt werden könnten.
Ziel des Workshops „Junge Schmerzmedizin heute und morgen“ ist es, die Teilnehmenden aus verschiedenen Professionen in offener Runde ins Gespräch zu bringen. Die Teilnehmenden mögen sich nach einem ersten Einführungs- und Impulsvortrag mit Hinführung zur Thematik an Thementischen mit verschiedenen Einzelfragen zum Leitthema zusammenfinden. In den jeweiligen Teams sollen durch die unterschiedlichen Perspektiven Ideen entwickelt werden, welche Voraussetzungen für eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit notwendig sind. Die Ergebnisse der Gruppenarbeit werden anschließend im Plenum zusammengeführt. Mit Hilfe der Kleingruppenarbeit sollten die verschiedenen Fragestellungen adressiert, diskutiert und reflektiert werden. Der Austausch an den Thementischen lebt von den Perspektiven und Interessen der Teilnehmenden. Durch mehrfaches Wechseln der Thementische wird der Blickwinkel geweitet, die Perspektive zu betreffender Fragestellung geändert und eine Vertiefung der Thematik ermöglicht.
Der Workshop wird von der Jungen Schmerzgesellschaft der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. veranstaltet und richtet sich an Nachwuchskräfte aus Wissenschaft und Praxis aller Berufsgruppen. Die TeilnehmerInnen erwartet ein interdisziplinärer Austausch, der davon geprägt ist, gemeinsam Gedankenexperimente und Ideen zu entwickeln und bestehende Strukturen weiterzuentwickeln oder auch kritisch zu hinterfragen. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich; Lediglich das Interesse am interdisziplinären Austausch und die Bereitschaft, sich aktiv in die Arbeit an den Thementischen einzubringen.
Der demographische Wandel macht auch vor der Schmerzmedizin nicht halt. Bereits seit vielen Jahren bestehen über alle beteiligten Berufsgruppen hinweg kritische Prognosen bezüglich eines drohenden Nachwuchsmangels. Dies kann zum einen zu einem relevanten Problem in der Sicherstellung der Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen führen, zum anderen beeinflusst es die weitere Entwicklungsfähigkeit des Fachgebietes. Die Betrachtung der Arbeitssituation, Arbeitszufriedenheit und der Einschätzung der Attraktivität von beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten in der Schmerzmedizin wird somit zur existentiellen Frage.
Dieser Thementisch befasst sich mit Karrierewegen, Zukunftsaussichten in der Schmerzmedizin. Mit dem besonderen Fokus auf Akademisierung und deren Chancen auf persönliche Entwicklungsmöglichkeiten wird dabei der Blick auf Perspektiven der Sicherstellung der Versorgung chronischer Schmerzpatienten geworfen.
Der Thementisch ist sowohl an Kolleginnen und Kollegen gerichtet, die sich noch auf Ihren „Karriereweg“ machen, sich dort entwickeln wollen, aber auch für diejenigen, die bereits Ihren beruflichen Hafen in der Schmerzmedizin gefunden haben.
Hintergrund
Voraussetzung für eine aktive Mitarbeit von Patient*innen mit chronischen Schmerzen in der Schmerztherapie ist das Verständnis für ihre Erkrankung. Um das Interesse an theoretischen Inhalten zu wecken, ist es nötig, ansprechendes Material, attraktive Methoden und aktivierende Elemente in die Edukation einzubinden.
Vorgestellt wird ein bewährtes Edukationsmodell in der Therapie von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen, welches vorbehaltlos auf Erwachsene übertragen werden kann. Ziel ist dabei, Wissen über Entstehung und Aufrechterhaltung von akuten und chronischen Schmerzen zu vermitteln. Es werden sowohl medizinische Faktoren als auch psychologische Einflüsse wie Aufmerksamkeit, Gedanken, Gefühle und Verhalten im Rahmen des bio-psycho-sozialen Garmischer Schmerzverarbeitungsmodells anschaulich und einprägsam interaktiv gemeinsam erarbeitet.
Inhalte
Die Teilnehmer*innen lernen sowohl das Edukationsmodell als auch eine kreative Darstellungsmethodik kennen. Bei der Methodik der Sketchnotes handelt es sich um Skizzen und Notizen, die aus Text, Bild und Strukturen bestehen. In der zeichnerischen Umsetzung werden nur Kreise, Dreiecke, Vierecke und Punkte genutzt, weshalb sie schnell zu erlernen sind. Sketchnotes regen auf humorvolle Art zur Mitarbeit an. Die Wort-Bild Kombinationen sind aufgrund mnemotechnischer Mentalfaktoren wie Fantasie, Visualisierung und Emotionen nachhaltig einprägsam.
Es zeigt sich, dass Sketchnotes von Patient*innen als hilfreich angesehen werden, um Inhalte schnell zusammenzufassen. Durch die Überlegungen, wie man Inhalte auf diese einfache Weise bildlich darstellen könnte, werden die Themen reflektiert und memoriert. Die Patient*innen tauschen sich über edukative Inhalte häufiger aus, wenn sie diese mithilfe von Sketchnotes erlernt haben.
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die einfache Wort-Bild Kombination bei Sketchnotes dazu anregt, sich mit theoretischen Inhalten auf einprägsame und unterhaltsame Art auseinanderzusetzen.
Ziel
Die Teilnehmer*innen nehmen einerseits eine bewährtes Edukationsmodell mit, welches sie in der Arbeit mit ihren Patient*innen anwenden können. Über die üblichen theoretischen Inhalte hinaus lernen sie eine Methodik kennen, die allen Beteiligten Freude macht, schnell zu erlernen ist und welche die Nachhaltigkeit der Edukation steigert. Erfahrungen und Anwendungsbeispiele werden vorgestellt, zudem erhalten und erarbeiten die Teilnehmer*innen Unterlagen mit den häufigsten Wort-Bild Kombinationen.
Der Workshop bietet somit inhaltliche als auch methodische Kompetenz für die Schulung von Patient*innen mit chronischen Schmerzen und richtet sich an alle Berufsgruppen, die mit dieser Zielgruppe arbeiten.
Die IASP unterstrich die Bedeutung von Informationen für Schmerzkranke auf ihrem Welt-Schmerzkongress 2010 mit der „Declaration of Montreal“. Leitlinien bestätigen: „Patient education programs are integral components of the management of persistent pain syndromes“. (JAGS, 50, 2002). Studien (Engers et al. 2011) zeigten, dass z.B. bei Patienten mit (sub)akutem Rückenschmerz bereits eine 2,5-stündige Edukation die Chance auf eine Rückkehr an den Arbeitsplatz verbesserten. Aber „Vorurteile“ des Patienten, Schmerz sei ein lokales Geschehen, Schmerz weise immer auf einen körperlichen Defekt und Skepsis gegenüber psycho-sozialen Mitwirkungsfaktoren können, wenn diese angesprochen werden, schnell zu Kommunikationsproblemen, wenn nicht gar zum Abbruch der Behandlung führen. Der dann oft vom Schmerzpatienten geäußerte Vorwurf lautet: „Ich bilde mir den Schmerz doch nicht ein“.
Deshalb ist es wichtig (Pfingsten 2003) „…, dass Erklärungen für die Patienten verständlich sind und möglichst viele ihrer alltäglichen Erfahrungen aufgreifen“. Die dafür notwendigen Arbeitsweisen haben wir in unserer Ausbildung nicht vermittelt bekommen.
Das Begreifbarmachen eines „bio-psycho-sozialen“ Schmerzverständnisses kann auch an einer „pädagogisch“ unzureichenden Vermittlung scheitern. Die Veränderung des individuellen Schmerzkonzepts schafft aber erst die Compliance für ein multimodales Therapiekonzept. Standardisierte Behandlungsmanuale helfen, je nach therapeutischer Fachrichtung, unterschiedliche Aspekte einer Informationsvermittlung hervorzuheben.
Lernziele:
Besonders den chronische Schmerz in seiner bio-psycho-sozialen Dimension für den Patienten „begreifbar“ machen, Zusammenhänge „auf Höhe des Patienten“ erklären zu können heißt, Schmerzedukation auch als eine „pädagogische“ Herausforderung anzuerkennen und mit Prinzipien der Pädagogik zu gestalten.
Inhaltlicher Ablauf:
Die Bedeutung und Evidenz der (Schmerz)-Edukation wird zunächst anhand klinischer Erfahrungen und wissenschaftlichen Daten untermauert. Auszüge aus der sich in der Praxis bewährten Erklärungsmodelle zum Thema „Der bio-psycho-soziale Schmerz“ und „Wie wird aus Schmerz – chronischer Schmerz?“ des Bad Salzufler Curriculums werden vorgestellt und deren Umsetzung in ein Einzel- oder Gruppensetting diskutiert.
Teilnehmerkreis: Pflegekräfte, Ärzte, Psychologen und Physiotherapeuten
Literatur:
Nobis HG, Pielsticker A (2016) Information und Edukation des Patienten. In: Casser HR, Hasenbring M, Becker A, Baron R (Hrsg.): Rückenschmerzen und Nackenschmerzen aus interdisziplinärer Sicht. SpringerMedizin
Nobis HG (2017) Edukation beim Schmerzpatienten – eine besondere Herausforderung. In: Schmerzmedizin 2017;33(5)16-20
Nobis HG (2018) Tipps für den Erstkontakt mit Schmerzpatienten. Der Allgemeinarzt 2/2018: 56-60
Nobis HG et al. (2020) Schmerz – eine Herausforderung. Informationen für Betroffene und Angehörige, SpringerMedizin, 3. Aufl.
Die medikamentöse Behandlung von Schmerzen kann bedeuten, "den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben", da mit erfolgreicher Schmerzbehandlung neue Probleme auftreten können: Sowohl Schmerzen wie auch die zur Behandlung eingesetzten Analgetika können jeweils eine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit bewirken.
Dieser Workshop soll einen Überblick über den aktuellen Stand der rechtlichen und wissenschaftlichen Literatur zur schmerz(mittel)bezogenen Fahreignung geben, es werden Möglichkeiten zur Fahreignungsdiagnostik und Beurteilung ebenso vorgestellt und diskutiert wie Behandlungsalternativen und Literaturtipps und Hilfestellungen.
Eigene Fälle können gerne diskutiert werden!
Inhalt: Personen mit Migräne haben oft großes Interesse an nichtmedikamentösen Behandlungsmaßnahmen, um eigenständig, zeitlich unabhängig und nebenwirkungsarm eine effektive Prophylaxe gegen ihre Erkrankung in der Hand zu haben. In dem Workshop werden wirkungsvolle und in der Praxis bewährte übende Verfahren zur Migränebewältigung aus den Bereichen Psychotherapie und Physiotherapie vorgestellt.
Der erste Teil des Workshops fokussiert psychotherapeutische Interventionen. Es wird ein zur Psychoedukation geeignetes Entstehungsmodell der Migräne vorgestellt. Anschließend werden Life-Style Interventionen (z.B. Integration von Ruhephasen in den Tagesablauf) vermittelt. Des Weiteren werden Möglichkeiten im Umgang mit Kopfschmerzauslösern („Trigger-Management“) besprochen. Im zweiten Teil erfolgt eine kurze theoretische Einführung in physiotherapeutische Aspekte der Migräne. Danach werden leichte und effektive Übungen für die Halswirbelsäule und die Kiefergelenke demonstriert, die gut in den Alltag zu integrieren sind. Dabei sollen die Beweglichkeit und der Muskeltonus verbessert und somit auch myofasziale sowie artikulär bedingte Schmerzen reduziert werden.
Die dargestellten Übungen bzw. Verhaltensmaßnahmen sind in der Regel gut umsetzbar und können meist sofort zum Einsatz kommen. Es soll besprochen werden, wie die vorgestellten Maßnahmen in optimaler Weise an die Patienten vermittelt werden können, hierbei liegt ein Schwerpunkt auf dem Transfer in den Alltag.
Ziele:
- Wissen über grundlegende nichtmedikamentöse Verfahren zur Migräneprophylaxe aus den Bereichen Psychotherapie und Physiotherapie
- Praktische Kenntnis und Vermittlungskompetenz grundlegender psychotherapeutischer Interventionen: psychoedukatives Entstehungsmodell der Migräne, verhaltenstherapeutische Basismaßnahmen zur Migräneprophylaxe, Methoden des „Trigger-Management“
- Praktische Kenntnis und Vermittlungskompetenz grundlegender physiotherapeutischer Interventionen: Einfluss der oberen Halswirbelsäule auf die Pathophysiologie der Migräne, Eigenübungen für die Schulter-Nacken-Region und das Kausystem
Zielgruppe: Ärzte, Psychologen und Physiotherapeuten, die in der Versorgung von Migränepatienten tätig sind und ihr Behandlungsrepertoire erweitern wollen, in dem sie Alternativen bzw. Ergänzungen zu pharmakologischen Therapieoptionen kennenlernen.
"Adhärenz" oder "Compliance" sind nicht auf das Befolgen einer Medikation limitiert, sondern auf alle Bereiche zu beziehen, in denen eine Eigenaktivität von Patienten erforderlich ist. In der deutschen Leitlinie zur “Diagnostik und Therapie komplexer regionaler Schmerzsyndrome (CRPS)” ist z.B. eine intensive Eigenübung explizit gefordert: “Spiegeltherapie und das Graded Motor Imagery werden (...) selbst (...) je 10 Minuten, wenn möglich jede wache Stunde des Tages, absolviert.” (AWMF 2018).
Die Motivation, diese hohe Übungsfrequenz aufzubringen, ist schwierig durchzuhalten, wie jeder weiß, der sich vorgenommen hat, mehr Sport zu treiben. Übliche Theorien zur Motivation und daraus folgende Ansätze der Motivationssteigerung entspringen der Annahme, dass das Verhalten von Menschen primär rational und als “homo oeconomicus” im Sinne der eigenen Nutzenmaximierung erfolgt. Entsprechend wird bislang versucht, die Motivation ebenso rational zu verändern.
Abweichend dazu setzt sich aber die Erkenntnis durch, dass neben dem rationalen System auch ein intuitives System das menschliche Verhalten bestimmt und dabei oft sogar dominiert (Thaler/Sunstein 2008; Kahneman 2012). Auch Gewohnheiten bilden einen erstaunlich großen Teil menschlichen Verhaltens ab (Wood, 2005). Die Therapiemotivation aufrecht zu erhalten und empfohlene Therapien regelhaft, also adhärent, durchzuführen, erfordert viel Disziplin. Bisherige Ansätze, die alleinig auf die rationale Ebene des Verhaltens appellieren, haben sich als unzureichend erwiesen.
Die Adhärenz kann aber mit Methoden, die auf das impulsive System der Verhaltenssteuerung abzielen, gesteigert werden. Solche Interventionen, die sich nicht an rationale Entscheidungsfindung richten, sind spätestens seit dem bekannten Buch “Nudge” von Richard Thaler, der für seine Forschungen den Wirtschaftsnobelpreis erhalten hat, als Methode des “Nudging” mit Ansätzen aus der Verhaltensökonomie bekannt.
Dieser Workshop gibt einen Überblick über Verhaltenstheorien und neue, verhaltensökonomische Möglichkeiten zur Motivationsteigerung und Adhärenzoptimierung.
Lassen Sie sich also einfach "nudgen" ;-)
Beschreibung/Inhalte:
Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen stellen ein häufiges Phänomen dar, das bevorzugt nichtmedikamentös behandelt werden sollte. Da meist komplexe Zusammenhänge zwischen Somatik, psychischen Belastungsfaktoren und Verhaltensweisen zur Entstehung und Aufrechterhaltung kindlicher Kopfschmerzen beitragen, empfiehlt sich basierend auf dem bio-psycho-sozialen Modell ein multimodaler Behandlungsansatz, um subjektive Beschwerden, die familiäre Situation, Behandlungsmotivation sowie den individuellen Krankheitsverlauf mit einzubeziehen. Mit zunehmenden Kopfschmerzattacken mehren sich oft Ängste und damit verbundenes Vermeidungsverhalten (vermutete Auslöser, sogenannte „Triggerfaktoren“ werden vermieden). Ziehen sich betroffene Kinder und Jugendliche aber von sozialen Kontakten (Freundeskreis, Schule, Freizeitaktivitäten) immer weiter zurück, kann das zu einer massiven Einschränkung der Lebensqualität und bis hin zu depressiver Symptomatik führen. Daraus können u.a. schulischer Leistungsabfall, häufige Schulfehltage bis hin zur Schulangst (oder Prüfungsängsten) sowie Konflikte in der Familie folgen. Dadurch wird das Schmerzerleben aufrechterhalten bzw. weiter verstärkt und ein Teufelskreis ist entstanden. Der Kopfschmerz bei diesen Kindern und Jugendlichen ist dann eine komplexe, meist multifaktoriell entstandene (oder aufrechterhaltene), oft über viele Jahre fortdauernde (und damit chronische) Erkrankung. Die psychologische Herangehensweise bei kindlichen Kopfschmerzen hat daher nicht nur die Besserung der Schmerzen zum Ziel, sondern setzt auch an der Reduktion des Vermeidungsverhaltens sowie der Rückzugstendenzen an, um das soziale Funktionieren und die allgemeine Lebensqualität zu verbessern.
Ziele:
Der Workshop stellt psychoedukative, psychologische und verhaltenstherapeutische Maßnahmen für betroffene Kinder und Jugendliche sowie deren Bezugspersonen auch anhand von Fallbeispielen vor.
Es besteht ein nahezu flächendeckendes Versorgungsangebot von neurologischen und schmerztherapeutischen Praxen, sowie Spezialambulanzen für Kopfschmerzerkrankungen. Dennoch ist eine Unterversorgung der Kopfschmerzpatient*innen wiederholt national und international bestätigt worden. Dieses wird beispielhaft in der niedrigen Quote der Triptan- und Prophylaxe-Verordnungen bei Migränepatient*innen offensichtlich. Mit zunehmender Chronifizierung steigt zudem der Anteil komorbider psychosozialer Beeinträchtigungen, die eines multimodalen Therapieansatzes bedürfen und nicht erhalten.
Dieses Symposium gibt einen Überblick über die Versorgungssituation in Deutschland und die verfügbaren sektoralen und sektorübergreifenden Versorgungsmodelle. So werden Daten aus der Versorgungsforschung präsentiert welche sowohl den allgemeinen Bedarf der multimodalen Behandlung, als auch die individuellen therapeutischen Bedürfnis wiederspiegeln. Zudem werden die für diese Patient*innen verfügbaren Versorgungsstrukturen und ein individualisiertes Stufenmodell der aktuellen Versorgungsmöglichkeiten dargestellt. Zusätzlich zum Ablauf, der Organisation und den (gesetzlichen) Voraussetzungen der verschiedenen Angebote wird (wo verfügbar) über deren Reichweite und Wirksamkeit berichtet.
Der erste Vortrag gibt den Überblick über die Kopfschmerz-Behandlung in der Breite und stellt die Möglichkeiten der ambulanten Versorgung unter den Bedingungen der kassenärztlichen Versorgung dar. Im weiteren werden die Möglichkeiten der Therapie in Hochschulambulanzen und die erweiterten Optionen und Reglementierungen i.R. von Selektiv-verträgen (z.B. integrierte Versorgung Kopfschmerz) mit verschiedenen Modulen erläutert und deren Wirksamkeit anhand der verfügbaren Daten abgebildet. Im dritten Vortrag sollen die Besonderheiten und Vorzüge und Fallstricke der Tagesklinischen Behandlung aufgezeigt werden. Während der letzte Vortrag die Konzepte, Vorteile und Einschränkungen der multimodalen stationären Kopfschmerztherapie erläutert.
Das Symposium richtet sich an Kolleg*innen, die in der Versorgung von Kopfschmerzpatient*innen auf unterschiedlichen Versorgungsebenen involviert sind, Zuweiser*innen an spezialisierte Versorgungsmodelle und jene die interessiert sind solche zu etablieren.
Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) ist pathophysiologisch divers mit neuropathischen, entzündlichen-autoimmunen, autonomen und psychischen Ursachen der Symptomatik. So sammeln sich hinter der Diagnose „CRPS“ verschieden Patient:innen, die die klinischen Kriterien erfüllen, aber dennoch sehr unterschiedlich sind. Dies erklärt das sehr individuelle Ansprechen auf einzelne Therapien.
Bislang wurde kein klassisches „CRPS – Gen“ gefunden. Die Epigenetik beschreibt vererbbare Veränderungen ohne Veränderung der Genomsequenz entweder durch RNA-Interferenz oder durch DNA-/Histon-Modifikation. Epigenetische Mechanismen können mehrere Signalwege in verschiedenen Zelltypen gleichzeitig beeinflussen, z. B. in Immunzellen, Mikroglia, Neuronen oder Endothelzellen, wie dies bei komplexen Krankheiten zu vermuten ist. Frau Dr. Reinhold wird über microRNAs als Biomarker bei CRPS berichten und erste epigentische Analysen vorstellen. In einer Vorstudie wurde bereits eine erhöhte Expression von microRNA-223 als Heilungsmarker nach Trauma beschrieben. Im Verlauf der Erkrankung trennt diese microRNA zwischen Patient:innen bei denen sich der Schmerz zurückbildet und denen, bei denen es keine Veränderung gibt.
Prof. Dr. Andreas Goebel wird über funktionelle Autoantikörper beim persistierendem CRPS und die damit zusammenhängende Variabilität der Behandlung mit immune-modulierenden Interventionen schildern. Behandlung mit Mycophenolat and Plasmaaustausch haben bei manchen Patienten anscheinend eine sehr gute Schmerzerreduktion erwirkt, während andere Patienten nur minimale Verbesserungen oder gar keinen Erfolg berichteten, manchmal sogar mit anhaltenden Nebenwirkungen. Dr. Goebel wird auch Schlussfolgerungen für zukünftige Versuche mit bestehenden und neu zu entwickenden Untersuchungstechniken diskutieren.
Dr. Violeta Dimova referiert über psychologische Mechanismen der Chronifizierung von CRPS aus eigenen Arbeiten. Mittels einer Clusteranalyse an unterschiedlichen Schmerzsyndromen (N=727) zeigt sich, dass sich CRPS-Patienten und Brustkrebspatientinnen mit den höchsten Ausprägungen im Schmerzkatastrophisieren im Vergleich zu Fibromyalgie und HIV gruppieren. Das Ungerechtigkeitsempfinden der Patienten, mediiert durch Schmerzkatastrophisieren, beeinflusst die Schmerzintensität und -beeinträchtigung. Im Verlauf der CRPS-Erkrankung (untersucht im Längsschnitt) bilden sich sekundären Risikofaktoren wie Sensitivität zur Schmerztraumatisierung aus und führen zur Persistenz der CRPS-Erkrankung.
Die beiden Vorsitzenden werden zusammen mit dem Auditorium die Ergebnisse dieser Präsentationen zusammenfassen und in der Diskussion Implikationen für eine bereits heute schon mögliche und zukünftig wünschenswerte individualisierte CRPS Therapie erarbeiten.
Aufgrund des breit angelegten Themenbereiches richtet sich das Symposium sowohl an klinisch tätige Kolleg:innen als auch Wissenschaftler:innen, die sich näher mit der Pathophysiologie chronischer Schmerzen beschäftigen.
Migräne ist eine hochprävalente und multifaktorielle Kopfschmerzerkrankung.
Als Folge der Krankheit selbst oder ihrer genetischen Grundlagen ist das Migräne-Gehirn strukturell und funktionell verändert. Diese molekularen, anatomischen und funktionellen Veränderungen bieten ein neuronales Substrat für eine extreme Sensibilität gegenüber Schwankungen in der Homöostase, eine verminderte Anpassungsfähigkeit und das Wiederauftreten von Kopfschmerzen.
Das Konzept der sensorischen Netzwerkverstärkung und -plastizität als Grundlage der sensorischen Hypersensitivität bei Patienten mit Migräne wird durch Befunde der strukturellen und funktionellen Bildgebung unterstützt. Strukturelle Besonderheiten des Nervensystems bei Patienten mit Migräne werden vorgestellt und Befunde zur Neuroplastizität auch im Hinblick auf die Chronifizierung der Migräne diskutiert.
Verhaltensfaktoren können eine wesentliche Rolle hinsichtlich Schwere und Verlauf der Migräne spielen und zur weiteren Sensitivierung beitragen. Hierzu zählen Aspekte der Lebensführung sowie der individuelle Bewältigungsstil und vorhandene Ressourcen im Umgang mit Stressoren und der Kopfschmerzerkrankung selbst. Nach einer kurzen Übersicht werden hieraus abgeleitete bewährte und neue verhaltenstherapeutische Ansätze in der Behandlung der Migräne vorgestellt.
Die höchste Prävalenz von Migräne wird bei Menschen im erwerbsfähigen Alter festgestellt. Patienten mit Migräne zeigen ein höheres Ausmaß an Komorbiditäten. Wiederum bedingt eine erhöhte Zahl an Komorbiditäten eine größere Alltagsbelastung durch Migräne. Relevante Komorbiditäten der Migräne von Angststörungen, Rückenschmerzen bis Schlafstörungen, Adipositas, Autoimmun- und vaskulären Erkrankungen und ihr möglicher Einfluss auf den klinischen Verlauf der Migräne werden gezeigt. Zusammenfassend werden Managementstrategien für häufige Komorbiditäten der Migräne vorgestellt.
Mindestens 30-60% aller Tumorpatienten geben im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung und der onkologischen Therapie starke Schmerzen an (1). Durch verbesserte Diagnostik und Therapie weisen > 50 % der Tumorpatienten eine Überlebenszeit von > 10 Jahren auf (2). Auch bei dieser Patientengruppe besteht eine Prävalenz von 20 – 40 % für chronische Schmerzen (3).
Trotz erfolgreicher onkologischer Behandlungsstrategien ist die Vorgehensweise bei tumorbedingten Schmerzen bis heute nahezu unverändert geblieben. Das dreistufige WHO - Stufenschema dient seit 1986 als Leitstruktur für die Behandlung tumorassoziierter Schmerzen. Die Wirksamkeit dieses Schemas ist umstritten (4,5) – unzureichende Therapien tumorbedingter Schmerzen sind weiterhin häufig (6,7). Diese Problematik sollte vor dem Hintergrund besserer Prognosen und erhöhter Überlebenszahlen zu einer Optimierung und Erweiterung von Behandlungsstrategien für tumorbedingte Schmerzen führen.
In der aktuellen Überarbeitung des WHO - Stufenschemas wurden bei Versagen aller pharmakologischen Optionen invasive und minimalinvasive Behandlungen als 4. Stufe eingeführt (8). Regionalanästhesiologische Verfahren zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken werden bei tumorbedingten Schmerzen im Bereich von Rumpf und Extremitäten erfolgreich angewendet. Ein anschließendes thermisch - oder chemisch - ablatives Verfahren kann den Behandlungserfolg konsolidieren (9-11). Welche Anwendungsbereiche und Vorteile interventionelle Verfahren bieten und welche Risiken und Grenzen sie aufweisen, soll in diesem Symposium ausführlich beleuchtet werden.
Bei ca. 10 – 30 % der Tumorpatienten verbleiben trotz Einsatz zahlreicher Behandlungsoptionen therapierefraktäre tumorbedingte Schmerzen (12). Die suffiziente Behandlung dieser Patientengruppe stellt eine große Herausforderung dar. In diesen Fällen kann die Möglichkeit der intrathekalen Medikamentenapplikation mit vollimplantierbaren Pumpensystemen, aber auch ablativer Verfahren zur Therapieeskalation bei behandlungsresistenten tumorassoziierten Schmerzen in Erwägung gezogen werden (13-16). Die Wirksamkeit der genannten Maßnahmen wird bis heute vielfach unterschätzt. Oft bestehen auch Vorbehalte aufgrund möglicher eingriffsbedingter Belastungen oder potentieller Nebenwirkungen. Beide Vorgehensweisen werden vor dem Hintergrund der aktuellen Implantattechnologie und einer modernen Neurochirurgie ausführlich dargestellt.