Essstörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen des Jugend- und jungen Erwachsenenalters. Die Anorexia nervosa weist die höchste Mortalitätsrate unter den psychischen Erkrankungen auf. Chronische Verläufe und komorbide psychische Erkrankungen sind sehr häufig. Trotz Fortschritten der Therapieforschung gibt es eine Reihe von Herausforderungen für die Psychotherapie- und Versorgungsforschung, wie z.B. eine Früherkennung und Verkürzung der Dauer der unbehandelten Erkrankungen, eine Verbesserung der Response- und Remissionsraten durch optimierte Therapiekonzepte und die Senkung der hohen Rückfallraten.
In dem Symposium werden in allen 4 Beiträgen aus vier verschiedenen Studienzentren neue Studienergebnisse berichtet.
Frau Prof. Antje Gumz vom UKE Hamburg hat im Rahmen eines DFG geförderten Projektes Studien zu förderlichen und hinderlichen Faktoren für eine Verkürzung der unbehandelten Erkrankung bei Anorexia nervosa durchgeführt, deren Endergebnisse berichtet und im Hinblick auf deren Relevanz für die Praxis diskutiert werden.
Dr. Verena Haas von der Charité Berlin berichtet die Ergebnisse einer Studie mit familienbasierter Therapie (FBT) bei Jugendlichen mit Anorexia nervosa. Bislang gab es keine Studien mit FBT im deutsch-sprachigen Raum.
Dr. Silke Naab von der Schön Klinik Roseneck in Prien berichtet die Ergebnisse einer neuen Auswertung von Response- und Remissionsraten von knapp 1000 Jugendlichen (einschließlich einer Stichprobe männlicher Jugendlicher), sowie Prädiktoren und Moderatoren auf den Behandlungserfolg.
Frau Prof. Katrin Giel vom Universitätsklinikum Tübingen leitet eine multizentrische Studie zur Rückfall-Prophylaxe bei Anorexia nervosa. Im Sinne eines modernen Ansatzes der Psychotherapieforschung sind in die Studien-Konzeption auch Betroffene mit einbezogen. Über die Erfahrungen mit diesem partizipativen PatientInneneinbezug wird Frau Giel im Rahmen des Symposiums berichten.
Die Wirksamkeit von Psychotherapieverfahren zur Behandlung depressiver Erkrankungen stagniert seit vielen Jahren. Trotz zahlreicher Neuentwicklungen wie den Methoden der 3. Welle der KVT bleiben die Effektstärken auf moderatem Wirksamkeitsniveau. Wege aus diesem Plateau werden u.a. wie folgt gesucht:
a) Etablierte Standardverfahren werden mit mechanismen-basierten modularen Interventionen integriert. Dabei wird in personalisierter Weise und transdiagnostisch auf individuell dysfunktionale Mechanismen fokussiert. Dieses Vorgehen bietet angesichts der überwiegenden Anzahl komorbid erkrankter Patienten eine höhere Behandlungsflexibilität, individuell auf damit verbundene spezifische Merkmale einzugehen.
b) In sequentielle Therapien, etwa bei akut depressiv Erkrankten mit einer frühen Traumatisierung werden entsprechend dem “stepped-care-Modell“ nach der akuten Depressionsbehandlung weitere, insbesondere die Rückfallgefahr intensivierende Problemfelder in den Fokus genommen. Hier sind beispielsweise Folgen einer Typ II Traumatisierung, interfamiliäre Konfliktkonstellationen oder eine ADHS zu nennen.
c) Durch die Pandemie-bedingten Kontaktbeschränkungen haben Kombinationen von “face-to-face“ Behandlungen mit Online-Komponenten die Erwartung auf verbesserte Therapieeffekte geweckt. Dabei können die inhaltlichen und methodischen Therapiemodule auf verschiedenen Konzepten basieren und miteinander kombiniert werden. So kann die Depressionsbehandlung mit digitalen Behandlungsansätzen für transdiagnostische Targets oder mit dem Einbezug von Angehörigen zur Unterstützung des Behandlungserfolgs kombiniert werden.
Die Dritte Welle der Kognitiven Verhaltenstherapie bietet aufgrund ihrer transdiagnostischen Ausrichtung und ihrer Orientierung auf das Erreichen wichtiger motivierender Lebensziele trotz störender Symptome eine interessante Ergänzung der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie für Menschen mit Psychosen. Im Symposium werden Studien vorgestellt, die verschiedene Dritte-Welle Therapien bei Patient:innen mit Akutsymptomen in ihrer Wirksamkeit überprüft haben: das Metakognitive Training für Akutpatient:innen, die Achtsamkeitsbasierte Gruppentherapie, die Feel-Good-Gruppe für junge Erwachsene mit Psychosen und die emotionsfokussierte kognitive Verhaltenstherapie für Personen mit Psychosen und akuten Wahnüberzeugungen. Anschließend wird die Machbarkeit, Akzeptanz und Wirksamkeit und Implementierung in verschiedene Settings diskutiert.
Die Forschung zur Alzheimer Krankheit schreitet rasant voran. Liquor- und Bildgebungsbiomarker wurden bereits in der Versorgung etabliert. Neue Marker, die über Amyloid und Tau hinausgehen, sowie blutbasierte Ansätze sind in der Entwicklung und werden die Versorgung in absehbarer Zeit erreichen. Digitale Applikationen können die kognitive Testung mittelfristig in Teilen ergänzen. Im Bereich der Behandlung sind trotz zahlreicher Rückschläge krankheitsmodifizierende Therapien am Horizont, ein erster monoklonaler Antikörper wurde in den USA kürzlich zugelassen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wurde im Jahr 2021 das Deutsche Netzwerk Gedächtnisambulanzen (DNG e.V.) mit den Zielen gegründet, die Kommunikation zwischen den seit den 1980iger Jahren bestehenden universitären und nicht-universitären Gedächtnisambulanzen zu verbessern, Qualitätsstandards zu entwickeln und den Nachwuchs zu fördern. In dem Symposium wird Frank Jessen zunächst die Forschungslandschaft zur Alzheimer Krankheit mit den sich daraus ableitenden Aufgaben und Herausforderungen für Gedächtnisambulanzen in der Versorgung diskutieren sowie das DNG vorstellen. Oliver Peters wird die zentrale Rolle der Biomarker für die Alzheimer Krankheit heute und in der Zukunft in der Tiefe beleuchten. Lutz Frölich wird unter der Annahme der Zulassung und Einführung erster krankheitsmodifizierender Therapien diskutieren, inwieweit unser Versorgungssystem hierauf eingestellt ist und wo es zu Engpässen kommen kann. Stefan Teipel wird die besondere Herausforderung der Translation von Fortschritten der Forschung in die Versorgung und die besondere Rolle der Gedächtnisambulanzen hierbei diskutieren.
Despite the enormous impact of major depression, currently available antidepressants are far from being satisfactory. This symposium will point out highly innovative strategies for the development of novel treatment targets.
Claus Normann (Freiburg) will give an overview of the neuroplasticity hypothesis of depression, showing data ranging from hippocampal brain slices to behavioural experiments in rodents and its translation to humans. He will describe the molecular mechanisms of synaptic long-term plasticity that regulate the strength of synaptic transmission in response to environmental stimuli.
Stefan Vestring (Freiburg) will go further into the modulation of plasticity in the mechanism of action of ketamine. He will present data on the role of excitation-inhibition balance and focuses on the specific inhibition of inhibitory GABAergic interneurons via antagonism of the NMDAR subunit GluN2D on interneurons by small molecules and siRNA-based strategies.
Tsvetan Serchov (Strasbourg) investigates the synaptic protein Homer1a-mediated modulation of metabotropic glutamate receptor 5 (mGluR5) signalling and AMPA receptor function as mechanism mediating the rapid antidepressant effects of ketamine and sleep deprivation. His data demonstrate a pronounced therapeutic potential of in-vivo application of different cell-membrane permeable TAT-fused peptides, which might provide a novel strategy for rapid and effective antidepressant treatment.
Gerhard Schratt (Zürich) identified a microRNA cluster (miR379-410) whose deletion results in hypersociability and stress resilience in mice. Rescue experiments identified individual miRNAs, which are causally involved in the behavioural and molecular phenotypes, including the plasticity-regulating miR-134. In the future, local or systemic delivery of anti-miRs in mice will be explored as a novel strategy to promote stress resilience as a first step towards the development of miRNA-based antidepressant treatments.
Suizidpräventionsangebote fokussieren häufig auf die Aufklärung über und Entstigmatisierung von psychischen Störungen und erzielen geringe bis moderate positive Effekte. Die Förderung von hilfesuchendem Verhalten stellt jedoch eine besondere Herausforderung dar aufgrund zahlreicher struktureller und individueller Barrieren. Suizidprävention sollte bereits in der Schulzeit erfolgen. Im Vortrag von Susanne Knappe werden Ergebnisse des Dresdener Schulpräventionsprogrammes berichtet und ein neues Konzept für die Weiterbildung von Lehrkräften und Schulsozialarbeitern vorgestellt. Im zweiten Vortrag stellt Barbara Schneider die etablierten Netzwerke für Suizidprävention sowie das nationale Suizidpräventionsprogramm in Deutschland vor und erläutert deren Angebote und Ziele. Carolin Haas widmet sich in ihrer Präsentation der Suizidprävention in der Hausarztpraxis. Hierzu wird ein Projekt zur Entwicklung und Validierung eines neuen (Kurz)Fragebogens vorgestellt. Tom Gehre berichtet über Möglichkeiten der psychosozialen Notfallversorgung für die Prävention suizidaler Entwicklungen.
Affektive und schizophrene Störungen (MDD, BD, SZ) sind komplexe und heterogene Phänotypen, bisher hauptsächlich phänomenologisch charakterisiert. Das Symposium soll einen nosologisch übergreifenden Weg für eine neurobiologisch fundierte Konzeption zu Ätiologie und Verlauf affektiver und schizophrener Störungen aufzeigen.
Es werden dabei der Stand der Literatur und eigene Ergebnisse vorgestellt. Die Besonderheit des Symposiums wird die allgemeinverständliche Darstellung und Einordung der Befunde in einen größeren Kontext sein, so dass ein breites Publikum an den Ergebnissen und deren mögliche klinische Bedeutung teilhaben kann.
Die Referenten werden zur Validierung von Hypothesen zu Gen, Umwelt und Gen x Umwelt Interaktionen auf Gehirnstruktur- und Funktion im longitudinalen Verlauf der endogenen Psychosen fokussieren. Ein Ziel ist die Charakterisierung von „Biotypen“, jenseits der phänomenologischen Störungskategorisierung (Tim Hahn, Münster). Ein besonderer Fokus des Symposiums liegt, neben der strukturellen und funktionellen Bildgebung (Igor Nenadic, Marburg), auf dimensionaler Psychopathologie über MDD, BD, SZ hinweg, Umweltrisikofaktoren. Das Forschungsprogramm der neurobiologischen Untersuchung zur Ätiologie der endogenen Psychosen kann den Weg für eine transdiagnostische Konzeption der Ätiologie und dem Verlauf der endogenen Psychosen ebnen.
In psychiatrischen Vorausverfügungen können Betroffene Behandlungspräferenzen für zukünftige Krisensituationen festlegen, in denen sie selbst nicht mehr einwilligungsfähig sind. Primäres Ziel solcher Verfügungen ist die Wahrung und Stärkung der Patientenautonomie. Zudem können sie weitere Vorteile, wie beispielsweise die Verbesserung der therapeutischen Beziehung, mit sich bringen.
Trotz des hohen Interesses von Betroffenen an psychiatrischen Vorausverfügungen sind die Erstellungsraten gering. Ursächlich hierfür kann die oft unzureichende Unterstützung der Betroffenen bei der Verfassung der Dokumente sein. Ein weiterer Grund für die geringen Erstellungsraten kann die Befürchtung von Klinikern sein, dass psychiatrische Patientenverfügungen Wünsche enthalten, die nicht kompatibel mit gängigen Behandlungsempfehlungen sind. Darüber hinaus zeigen sich in der Anwendung, beispielsweise an der Schnittstelle von somatischer und psychiatrischer Erkrankung, besondere Herausforderungen.
Dieses Symposium verfolgt das Ziel, Ansätze für eine erfolgreiche Implementierung von Vorausverfügungen bei Menschen mit psychischen Erkrankungen zu diskutieren und Lösungen zu finden, um Barrieren abzubauen.
With the increasing use of artificial intelligence (AI) in medical research and practice, its ethical implications have recently come under scrutiny. The potential benefits of AI systems are juxtaposed to ethical hazards they might cause. The ethical concerns in the implementation of AI in medicine include fairness, explainability, interpretability and accountability with little consensus on how to tackle these challenges to minimise the potential harm through AI-systems in medicine. In the present symposium, we will focus on the ethical challenges of artificial intelligence in clinical neuroscience and give an update of the current discussion.
Derya Sahin will elaborate algorithmic fairness on examples of predictive models for Alzheimer’s disease and psychosis in high-risk individuals, highlighting the challenges in the implementation of fair artificial intelligence in medicine.
Sarah Genon will present research findings on racial bias in AI-assisted neuroimaging studies, providing an empirical example for fairness-accuracy-trade-offs.
Didem Stark will present findings to demonstrate bias in Deep Learning algorithms trained on structural MRI data for the detection of Alzheimer’s disease. Even when training data are balanced with respect to gender and age, these models achieve significantly higher classification accuracy for women which might have important implications for development and translation to clinical practice.
Philipp Kellmeyer will give an overview on the explainability and interpretability of AI in the context of neurosciences and present an ethics-by-design approach in the implementation of an AI-assisted EEG analysis tool via convolutional neural networks.
In summary, the present symposium will provide a comprehensive overview of the potential ethical implications of AI and demonstrate hazards for a wider range of disorders and use-cases.
Zum aktuellen Zeitpunkt im Jahr 2022 können Patient:innen in Deutschland an fast 50 psychiatrischen Kliniken verteilt auf 11 Bundesländer stationsäquivalent behandelt werden. StäB wird somit nahezu flächendeckend für Patient:innen mit akuten psychischen Erkrankungen zu einer Alternative bei vollstationärer Behandlungsindikation. Vielerorts ist StäB sowohl organisatorisch als auch konzeptionell nicht mehr wegzudenken, in wenigen Ländern auch bereits in der Krankenhausplanung dezidiert berücksichtigt.
In der intensiven Diskussion der gesetzlich vorgeschriebenen Bewertung der neuen Behandlungsform durch die Selbstverwaltungspartner DKG und GKV zum Jahresende 2021 wurde deutlich, dass die dort untersuchten Daten nach §21 KH Entgeltgesetz keinen ausreichenden Einblick in die Behandlungsrealität ermöglichen und die Bewertung entsprechend oberflächlich ausfallen muss. In vielen StäB-durchführenden Kliniken liegt mittlerweile eine weitaus größere Fülle an Behandlungsdaten vor, welche über diese Datenbasis weit hinausgehen. So besteht die Möglichkeit, die Abrechnungsdaten mit strukturellen Gegebenheiten, organisatorischen Merkmalen und vielerorts auch mit relevanten soziodemographischen Variablen aus der ergänzenden Basisdokumentation zu verknüpfen. Weitere Potentiale stecken insbesondere auch in der Betrachtung des individuellen Behandlungsverlaufs an der jeweiligen Klinik sowie in unmittelbaren Vergleichen mit der vollstationären Regelbehandlung vor Ort.
Im Symposium wird der Fokus auf Ergebnisse unterschiedlicher Routinedatenauswertungen aus vier Kliniken bzw. Klinikverbünden in vier verschiedenen Bundesländern gelegt. Hierbei werden jeweils individuelle Fragestellungen zum Thema fokussiert.
Zehn Jahre nach der Gründung des Vereins EX-IN Deutschland ist die Bedeutung von Genesungsbegleitung als ergänzende Perspektive im psychiatrischen Versorgungssystem weitgehend anerkannt. Auf der Basis von eigenem Erfahrungswissen mit Krisen und deren Bewältigungsstrategien werden die Nutzenden auf ihrem je individuellen Recovery-Weg im Sinne des Peergedankens begleitet.
Wie konnte es ohne staatliche Berufsanerkennung dieser neuen Gruppe von Mitarbeitenden und ohne institutionelle Förderung des bundesweit aktiven Vereins oder eine breitenwirksame Öffentlichkeitskampagne gelingen, dass Peer-Begleitung in ethischer Hinsicht das weitgehend ökonomisierte Versorgungssystem um den Faktor „Mensch“ in einer Weise so bereichert, dass das Angebot in seiner Daseinsberechtigung außer Frage steht?
Dieses Symposium lädt dazu ein, die Frage zu stellen, welche Ethik im Jahr 2022 gebraucht würde, um das Phänomen einer ehrenamtlichen Bottom-Up-Bewegung durch Krisenerfahrene angemessen so zu beschreiben, dass seine gesellschaftliche Relevanz sichtbar würde?
Überlegungen zur Bewältigung dieser Aufgabe aus den Perspektiven einer Peer-Mitarbeiterin, die Mitglied des Ethik-Rates einer Klinik ist, und einer Ärztin, die ebenfalls Mitglied des Ethik-Rates derselben Klinik ist, sowie der Relevanz von Recht und Ethik aus der Praxis, der praxisorientierten Einbindung in den Stationsalltag und darüber hinaus, die Vergleichbarkeit zu bestehenden Berufsgruppen im Sinne einer finanziellen Vergütung und der gesellschaftlichen Bedeutung des Ganzen sowie die eigentliche Tätigkeit als Genesungsbegleiterin geben Impulse, damit alle Interessierten an der offenen Diskussion im großen Kreis teilnehmen können.
Ziel ist es, möglichst konkrete Lösungsideen gemeinsam zu erarbeiten, damit sie als Anregungen für die eigene Tätigkeit und für weitere Auseinandersetzungen des Vereins EX-IN Deutschland mit diesem Thema dienlich werden können.
Autistische Störungen im Erwachsenenalter sind gar nicht selten – Experten schätzen, dass bis zu 1 % der Erwachsenen unter Symptomen leiden, die man dem Spektrum der autistischen Störungen zuweisen kann. Dabei sind dies nicht alles „inselbegabte“ Menschen, die in bestimmten Bereichen des Lebens extreme Begabungen haben, sondern es sind oft genug Menschen mit ganz normalen, durchschnittlichen Begabungen. Auffälligkeiten im Verhalten, die auf ASS zurück zu führen sind, sind mal mehr und oft eher weniger im Verhalten offensichtlich. Bei Menschen mit Autismus bestehen in der Regel Einschränkungen in fünf verschiedenen Bereichen des Daseins, Fühlens und Wahrnehmens. Diese Probleme entstehen wahrscheinlich, weil die Nervenzellen in den Gehirnen von Menschen mit autistischen Störungen teilweise abweichende Funktionen haben. So ist die „Theory of Mind“, also das Verständnis von sich und anderen als unabhängig fühlenden Wesen, gestört. Die Fähigkeit, eine zentrale Kohärenz zu schaffen, ist beeinträchtigt und es finden sich Hinweise, dass im präfrontalen Kortex Funktionen gestört sind, die für flexible Planung und Handlung wichtig sind. Emotionswahrnehmung und -ausdruck sind beeinträchtigt. Aufgrund der Besonderheiten können massive Beeinträchtigungen des Soziallebens und der allgemeinen Funktionsfähigkeit bestehen. Autismus-Spektrum-Störungen werden nicht immer in der Kindheit erkannt. Gerade im Bereich vom hochfunktionalen Autismus ist die Fallzahl von Erwachsenen, die keine Diagnose in der Kindheit erhalten haben, sehr hoch. Diese Patienten stellen sich zunehmend bei Psychiatern und Psychotherapeuten mit dem Wunsch nach einer ausführlichen Diagnostik vor.
Dieser Workshop bietet einen Einstieg in die Diagnostik von Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter, von einem unspezifischen ersten Verdacht, über die gezielte Anamneseerhebung und den Einsatz spezifischer diagnostischer Verfahren bis zur Verhärtung der Diagnose. Der Fokus liegt auf dem Erkennen von Anzeichen einer ASS und der praktischen Anwendung verschiedener diagnostischer Verfahren.
Die Bewertung der Risikofaktoren der Therapie mit Psychopharmaka ist von unverändert großer Bedeutung bei der Behandlung psychiatrischer Patienten. Aus einem Jahrzehnte langen Erfahrungshintergrund (AMSP Projekt, AMSP = Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie) mit jeweils neuester wissenschaftlicher Begleitung werden hier die wichtigsten unerwünschten Wirkungen der einzelnen Psychopharmakagruppen aus der Sicht der täglichen klinisch praktischen Anwendung vorgestellt. Die besonderen Risiken unerwünschter Wirkungen bei Kombinationen sowohl von Psychopharmaka untereinander als auch mit anderen Arzneimitteln werden anhand von Übersichten und an Fallbeispielen dargestellt und gemeinsam bearbeitet. Dies gilt sowohl im Hinblick auf pharmakokinetische als auch pharmakodynamische Effekte. Als ein Beispiel seien die besonderen Probleme bei der Kombination von Antidepressiva mit gerade bei älteren Patient:innen häufig gebräuchlichen internistischen Medikamenten im Hinblick auf das Risiko einer Hyponatriämie genannt. Sowohl Antidepressiva als auch Antipsychotika, mood stabilizer und andere in der Psychiatrie angewandte Pharmaka werden einbezogen. Besonderer Wert wird auf Aspekte der individuellen Risikoanalyse gelegt. Erwünscht sind Fallbeispiele aus dem Auditorium.
Methode: Information im Vortrag, Fallbeispiele, Interaktion und Diskussion
Zielgruppe: Nervenärzt:innen, Psychiater:innen, Psychotherapeut:innen, Internist:innen, Allgemeinärzt:innen, Psycholog:innen
Interessenkonflikte: keine
Schlafstörungen weisen hohe Prävalenzen von bis zu 30 % auf [1] und treten komorbid mit einer Reihe von somatischen (z. B. Schmerz) und psychiatrischen Beschwerden auf (z. B. Depression). [2] Grundkenntnisse in der schlafmedizinischen Differenzialdiagnostik sind deswegen von großer klinischer Bedeutung.
Methode: Teil 1 – Diagnostik: Orientiert an den Leitsymptomen Ein- und Durchschlafstörung, gestörte nächtliche Motorik und gestörte nächtliche Atmung wird ein Überblick über die gezielte Anamneseerhebung und Differenzialdiagnostik gegeben. Hierbei werden die wesentlichen neurologischen, psychiatrischen und internistischen Erkrankungen berücksichtigt. Abklärungsempfehlungen werden anhand von Fallvignetten erarbeitet. Verfahren zur Differenzierung von Tagesmüdigkeit und Tagesschläfrigkeit werden ebenso vorgestellt.
Teil 2 – Therapie: Kognitiv-behaviorale Therapieverfahren haben in den letzten 15 Jahren bei den häufig vorkommenden Insomnie-Formen eine gute Wirksamkeit gezeigt. Ambulant durchführbare Therapieoptionen werden aus Sicht des niedergelassenen Behandlers vorgestellt [3], das Vorgehen bei stationärer kognitiv-behavioraler Insomnie-Therapie aus der Sicht des Klinikers. [4]
Darüber hinaus werden die Therapieoptionen bei Restless-Legs-Syndrom [5], Störung der zirkadianen Rhythmik [6] und Hypersomnien [7] anhand von klinischen Fällen diskutiert.
Ergebnisse: Der 1-Tages-Workshop soll einen Überblick über die wesentlichen zur Verfügung stehenden Abklärungsschritte bei Schlafstörungen geben. Der Workshop weist eine hohe Praxisorientierung auf (ca. 40 % praxisnahe Fälle, eigene Patientenfälle können gerne diskutiert werden) und soll die Teilnehmer:innen zu einer an aktuellen Erkenntnissen orientierten Basisversorgung befähigen.
References
1 Ohayon MM. Epidemiological Overview of sleep Disorders in the General Population. Sleep Med Res 2011; 2: 1–9. https://doi.org/10.17241/smr.2011.2.1.1.
2 Ohayon MM. Epidemiology of insomnia: what we know and what we still need to learn. Sleep Med Rev 2002; 6: 97–111.
3 Perlis ML, Aloia M, Kuhn BR. Behavioral treatments for sleep disorders. A comprehensive primer of behavioral sleep medicine interventions. Amsterdam, Boston: Academic, 2011.
4 Crönlein T. Primäre Insomnie: ein Gruppentherapieprogramm für den stationären Bereich. Hogrefe Verlag, 2013.
5 Trenkwalder C, Benes H, Hornyak M. Restless Legs Syndrom (RLS) and Periodic Limb Movement Disorder (PLMD), Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2012.
6 Cajochen C. Chronobiologie: Licht-und Wachtherapie bei psychiatrischen Erkrankungen. Lege artis-Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2013; 3.
7 Morgenthaler TI, Kapur VK, Brown T, et al. Practice parameters for the treatment of narcolepsy and other hypersomnias of central origin. Sleep 2007; 30: 1705–11.
Die Erstellung psychiatrischer Gutachten ist nicht nur obligater Bestandteil der Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sondern sie gehört auch zum Alltag der allermeisten klinisch tätigen Psychiater:innen. Auch Psycholog:innen haben im alltäglichen Arbeitsleben vielfach mit Gutachten zu tun.
In diesem Workshop sollen zunächst Aufbau und Struktur psychiatrischer Gutachten im Allgemeinen sowie die Herangehensweise an diese erläutert werden. Der Workshop ist als Einführung in die psychiatrische Begutachtung gedacht, so speziell im Bereich des Strafrechts. Dementsprechend werden vor allem Grundlagen der Begutachtung und der Abfassung des Gutachtens vermittelt. Hierbei wird die Gutachtenserstellung mit Aufbau und den entsprechenden Formalien thematisiert. Auch sollen Wesen und Inhalt der strafrechtlichen Gutachten Darstellung finden. Zudem sollen häufige Fehler bei Gutachten aufgezeigt werden. Neben der Vermittlung rein theoretischer Inhalte geht es wesentlich um die praxisbezogene Anwendung dieser, weshalb Beispielgutachten und Fallbeispiele zum Einsatz kommen werden.
Ziel des Workshops ist es somit, Kenntnisse über die Erstellung psychiatrischer Gutachten im Allgemeinen und im Speziellen im Strafrecht zu erwerben, hierbei Sicherheit zu erlangen, häufig vorkommende Fehler bei Gutachten zu kennen und diese zu vermeiden sowie ein Gutachten korrekt bei Gericht vertreten zu können.
Didaktische Methoden: Die jeweiligen Themen werden anhand von theoretischen Grundlagen wie auch von praktischen Beispielen besprochen. Hierbei kommen Power-Point-Präsentationen ebenso zum Einsatz wie die Ausgabe von Fallbeispielgutachten.
Zielgruppe: Ärzt:innen in Weiterbildung oder ggf. auch Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psycholog:innen, die für die alltägliche Praxis Gutachten im Rahmen der klinischen Tätigkeit erstellen und Grundlagen sowie „Handwerkszeug“ für die Erstellung psychiatrischer Gutachten sowie Wesen und Inhalt der Begutachtung im Strafrecht erlernen wollen.
Allgemeiner Teil:
- Was ist KL-Psychiatrie und -Psychosomatik?
- Zur Epidemiologie psychiatrischer Störungen in der somatischen Versorgung, Modelle der konsiliarpsychiatrischen Versorgung.
- Welche psychotherapeutischen Grundkenntnisse braucht der KL-Psychiater?
Spezieller Teil:
- Differentielle Diagnostik und Therapie häufiger Krankheitsbilder im psychiatrischen Konsiliardienst: Delir – ein biopsychosozialer Notfall.
- Was muss der KL-Psychiater wissen? Was kann der KL-Psychiater vom Internisten oder Chirurgen erwarten?
- Besonderheiten der KL-Versorgung auf Intensivstationen
- Depressionsbehandlung bei körperlich Kranken
- Umgang mit Suizidalität im KL-Dienst
- Probleme bei der konsiliarischen Behandlung von Patient:innen mit alkoholbedingten Störungen
- Umgang mit opiat-bezogenen Problemen im KL-Dienst
- Psychosomatische Störungen im KL-Dienst
Methode: Mischung aus mediengestützten Schwerpunktreferaten, Falldarstellungen mit Videovorführung, Gruppendiskussionen unter Einbeziehung der Teilnehmer:innen, Kleingruppenarbeit, Handouts
Zielgruppe: Assistenzärzt:innen in Weiterbildung und Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie (anrechenbar für das DGPPN-Zertifikat Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Konsiliar- und Liaisondienst, vgl. http://www.dgppn.de/karriere/zertifizierungen/zertifikat-konsiliardienst.html)
Interessenkonflikte: keine
Die Aufnahme der „Computerspielstörung“, dem abhängigen oder problematischen Videospiel- bzw. Internetkonsum, als Diagnose in die ICD-11 steht unmittelbar bevor. Die Diagnose wurde im Kontext anderer Verhaltenssüchte durchaus kontrovers diskutiert. Gleichzeitig ist der abhängige Gebrauch der sogenannten neuen Medien in aller Munde, aber bislang selbst in Fachkreisen ein wenig beachtetes Randthema.
Daniel Illy, Leitender Oberarzt, Doppelfacharzt für Erwachsenen- und Kinder- und Jugendpsychiatrie, selbst Videospieler und Gründer dreier Ambulanzsprechstunden, Autor eines Ratgebers, Praxishandbuchs und Therapiemanuals zu diesem Thema, bemüht sich seit Jahren die Videospiel- und Internetabhängigkeit ins Rampenlicht zu rücken. Denn es gibt nicht erst seit der Corona-Pandemie einen enormen Therapie- und Aufklärungsbedarf. Videospiel- und Internetabhängigkeit führt bei Kindern, Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen oft zu Schulabstinenz und Brüchen im Lebensweg. Zumeist geht sie auch mit anderen psychischen Erkrankungen einher. Vielfach wird dem Störungsbild dabei mit falschen Vorstellungen begegnet. Das möchte Illy ändern. Sein Konzept dabei: Therapie auf Augenhöhe, in Kenntnis der Faszination der Medien. In diesem Workshop stellt er sein Therapiemanual „Behandlungsmanual Videospiel- und Internetabhängigkeit: Verhaltenstherapeutisch-orientierte Gruppenbehandlung zur Teilabstinenz bei Adoleszenten – das Git Gud in Real-Life-Programm“ praxisnah und umfassend vor. Workshop und Manual ermöglichen es, Behandelnden teilabstinenzorientert auf Betroffene zuzugehen. Es ist eigentlich als Gruppentherapie konzipiert, lässt sich jedoch auch hervorragend in der Einzeltherapie anwenden und eignet sich sowohl für Jugendliche als auch Erwachsene.
Interessenkonflikte: Vorträge und Bücher zum Thema, zurückliegende Beratung einer Videospielfirma
Ein Therapiekonzept aus einem Guss. Ziel: Sie lernen Ihr bisheriges Wissen und Können neu zu formatieren und sich im Rahmen eines metakognitiven Konzepts noch mehr zu eigen zu machen. Und Sie holen sich neue Sichtweisen und Impulse in Ihr ganz persönliches Therapie-Repertoire, indem Sie alle sieben mentalisierungsfördernden Module (Bindungssicherheit in der Therapie, neue Erlaubnis gebende Lebensregel, Achtsamkeit und Akzeptanz, Emotion Tracking, Entwicklung zu gelingender Affektregulierung und Selbstwirksamkeit sowie Entwicklung zu Empathie und Mitgefühl) anwenden können (nebenbei eine wertvolle Selbsterfahrung). Die praktischen Übungen dienen dazu, dass dem Patienten/der Patientin vom emotionalen Erleben ausgehend eine reflektierende Bewältigung psychischer Probleme möglich wird und er sicherer wird in der Handhabung zwischenmenschlicher Beziehungen.
Literatur: Sulz (2021) Mentalisierungsfördernde Verhaltenstherapie. Gießen: Psychosozial-Verlag Sulz (2022) Praxisleitfaden Mentalisierungsfördernde Verhaltenstherapie MVT. Gießen: Psychosozialverlag
Bei Frauen mit AD(H)S wird die ADHS oft lange nicht erkannt und häufig erst spät diagnostiziert. Die Symptome der AD(H)S fallen bei Frauen oft nicht weiter auf, da die Betroffenen weniger hyperaktiv sind, dafür verträumt, unaufmerksam, chaotisch und vergesslich. Die nicht gestellte Diagnose kann ausgeprägtes Leiden und Komorbiditäten zur Folge haben und führt zu belasteten Lerngeschichten und vielen negativen Denkmustern und Überzeugungen, Selbstkonzepten, die bei der Bewältigung von Lebensaufgaben hinderlich sein können.
Nach einer Einleitung und einem Überblick über die Besonderheiten bei der Diagnosestellung ADHS im Erwachsenenalter bei Frauen sollen die typischen Symptomkonstellationen und Kompensationsstrategien sowie Denkmuster und Schemata, die das klinische Bild prägen und bei der Diagnostik hilfreich sein können, erläutert werden. Die Teilnehmer:innen können dann die Diagnostik einüben und in Kleingruppenarbeit die frauen-spezifischen Fragen und differentialdiagnostischen Überlegungen erarbeiten. Im zweiten Teil werden typische Problemfelder im Leben von Frauen mit ADHS und die Behandlungsmöglichkeiten vorgestellt. Dabei sollen erste wissenschaftliche Erkenntnisse zur Pharmakotherapie bei Frauen mit ADHS Berücksichtigung finden und klinische Erfahrungen in der psychotherapeutischen Behandlung von Frauen mit ADHS in der Diskussion ausgetauscht werden. Es können eigene Fälle der Teilnehmer:innen eingebracht und diskutiert werden.
Psychoedukation ist ein Behandlungsmodul, das in der Psychiatrie hochgeschätzt und in den Therapieleitlinien eingefordert wird. Wie eine Umfrage von Rummel-Kluge (2013) an den psychiatrischen Kliniken in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigte, werden allerdings noch viel zu wenige psychoedukative Gruppen für Patienten bzw. Angehörige angeboten. Im Workshop sollen die Standards der Psychoedukation gemäß der Deutschen Gesellschaft für Psychoedukation (DGPE) vermittelt und gängige Manuale zu den verschiedenen psychiatrischen Krankheitsbildern vorgestellt werden. Die konkrete Umsetzung soll am Beispiel der an der Technischen Universität München entwickelten psychoedukativen Programme („Arbeitsbuch PsychoEdukation Schizophrenie“ von Bäuml et al. 2010; „Psychoedukation Depression“ von Pitschel-Walz et al. 2018) demonstriert werden. Es wird sowohl auf die einzelnen Informationsinhalte, auf deren didaktische Vermittlung als auch auf die relevanten emotionalen Themen der jeweils acht psychoedukativen Gruppensitzungen – getrennt für Patienten und Angehörige – eingegangen. Die interaktive Arbeitsweise wird in live-inszenierten Gruppensequenzen veranschaulicht. Durch Rollenspielübungen und gezielten Erfahrungsaustausch der Workshopteilnehmer können Lösungsansätze für mögliche problematische Gruppensituationen entwickelt werden. Die Teilnehmer erhalten so das notwendige Know-how, um möglichst rasch mit eigenen Gruppen starten zu können.
Im Workshop wird ein Überblick über die Grundlagen der buddhistischen Lehre vermittelt und einfache Meditationstechniken praktisch erprobt.
Buddhistisches Denken und buddhistische Meditation finden derzeit regen Zuspruch sowohl bei Patient:innen wie auch bei Psychotherapeut:innen. Die Praxis der Achtsamkeit und der bewussten Entwicklung von Mitgefühl sowie viele imaginative Techniken stammen maßgeblich aus dem buddhistischen Kulturraum. Es ist deshalb sinnvoll, wenn Psychotherapeut:innen die Grundzüge der buddhistischen Lehre kennen. Darüber hinaus versteht sich der Buddhismus als „Wissenschaft vom Geist“ und hat eine Fülle von Methoden entwickelt, um geistige Prozesse zu beobachten, zu beeinflussen und positive Geisteszustände besonders zu kultivieren.
Die repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS) etabliert sich gegenwärtig weltweit als wirksames psychiatrisches Therapieverfahren. Über elektromagnetische Induktion wird bei der rTMS die Aktivität kortikaler Hirnareale (des Präfrontalkortex bei Depression, des Temporoparietalkortex bei auditorischen Halluzinationen) gezielt und über die Zeit der Stimulation hinaus anhaltend moduliert. Durch wiederholte Anwendung über mehrere Wochen werden neuroplastische Prozesse induziert die zu einer nachhaltigen Besserung der für die entsprechende Symptomatik charakteristischen Veränderungen neuronaler Netzwerkaktivität führen können. Aktuelle Metaanalysen zeigen die Wirksamkeit dieses Verfahrens in der Behandlung depressiver Störungen auf höchstem Evidenzniveau und eine mögliche Wirksamkeit bei auditorischen Halluzinationen.
Nach einer Begrüßung und kurzen Vorstellung der Teilnehmer (ca. 10 Min) werden in diesem Workshop die methodischen und neurophysiologischen Grundlagen der rTMS dargestellt, die relevanten klinischen Studien präsentiert und das konkrete evidenzbasierte Vorgehen bei der klinischen Anwendung vermittelt (ca. 60 Min). Nach einer Pause (ca. 15 Min) haben die Teilnehmer die Möglichkeit sich in praktischen Übungen selbst mit den etablierten Stimulationsparadigmen (hoch- und niederfrequente rTMS, kontinuierliche und intermittierende Theta-Burst-Stimulation) vertraut zu machen (ca. 80 Min.). Nach einer weiteren Pause (ca. 15 Min.) werden individuelle Fragen zu Indikationsstellung, speziellen Anwendungsfällen sowie Herausforderungen und Grenzen der klinischen Anwendung diskutiert. Möglichkeiten zur Verbesserung von klinisch-praktischen Abläufen und unterschiedlichen Abrechnungsmöglichkeiten der rTMS-Behandlung werden erarbeitet (60 Min.).
Die Neuropsychiatrie verbindet Neurologie und Psychiatrie und beschäftigt sich vor allem mit organisch bedingten kognitiven und psychischen Störungen. Die Krankheitsbilder sind oftmals schwer diagnostizier- und behandelbar. In unserem Workshop wollen wir mit Hilfe von Kasuistiken neue Erkenntnisse bei der Diagnose und Therapie neuropsychiatrischer Störungen im Rahmen von Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, entzündlichen/autoimmunvermittelten ZNS-Erkrankungen und neurodegenerativen Erkrankungen vorstellen. Die Teilnehmer:innen des Workshops haben Gelegenheit, eigene Fälle vorzustellen und gemeinsam zu diskutieren. Der Workshop richtet sich an alle Berufsgruppen, die mit neuropsychiatrisch Erkrankten zu tun haben, insbesondere an Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie.
Die forensische Psychiatrie ist ein spannender Teil unseres Fachgebiets. Die Eingangskriterien bei psychischen Erkrankungen und bei Suchterkrankungen sind unterschiedlich, ebenso die Vorgaben für die Behandlungsdauer und den Verlauf.
Die Behandlung ist gekennzeichnet durch eine strukturierte Risikoanalyse und umfangreiche muliprofessionelle Maßnahmen. Die unterschiedlichen Krankheitsbilder haben unterschiedliche Behandlungsschwerpunkte. Zum Beispiel bei der schizophrenen Erkrankung gibt es auch unterschiedliche Tätertypologien, die entsprechende Strategien erforderlich machen. Die Prognose bezüglich der weiter bestehenden Gefährlichkeit erfolgt in verschiedenen Dimensionen mit Prognoseinstrumenten.
Die Ausübung von Zwang ist ein Stigma der Psychiatrie, das Betroffene wie Professionelle belastet und auch das Bild des Fachgebiets in der Öffentlichkeit prägt. Unter Berufung auf die UN-Behindertenrechtskonvention wurden in den letzten Jahren seitens des UN-Komitees zur Umsetzung der Konvention und der WHO sehr dezidierte Forderungen vorgetragen, die Anwendung von Zwang grundsätzlich zu verbieten und entsprechende Gesetze abzuschaffen. Die Vorstellung einer Psychiatrie ohne Zwang, die sich dieses Stigmas entledigen könnte, ist für Professionelle auf den ersten Blick mindestens so verheißungsvoll wie für potentiell Betroffene. Eine derartige Psychiatrie würde dann mündigen Bürgern lediglich Behandlungen anbieten, über die sie frei entscheiden könnten. Bei näherer Betrachtung würden sich allerdings zahlreiche Probleme gerade im reklamierten Bereich der Menschenrechte ergeben. Auch handelt es sich bei der Ausübung von Zwang in bestimmten Situationen gerade nicht um eine historisch entstandene Besonderheit der Psychiatrie, sondern um eine zuweilen auftretende Notwendigkeit in vielen Bereichen der Medizin. Das Bundesverfassungsgericht hat das in vielen tiefgehend begründeten Entscheidungen ausgeführt und zugleich klargestellt, dass ihm die Interpretation der UN-Behindertenkonvention, die im Rang eines Bundesgesetzes steht, für Deutschland obliegt. Die Medizinethik stimmt mit diesen Auffassungen überein, z.B. in den Ausführungen des Deutschen Ethikrats. Demnach ist das wesentliche Kriterium zur Legitimierung von Zwang eine aufgehobene Selbstbestimmungsfähigkeit auf Grund einer psychischen Störung oder Erkrankung. Bei hinzutretender Selbst- oder Fremdgefährdung ergibt sich daraus ethisch und juristisch nicht nur das Recht, sondern schnell auch die Pflicht, mit Maßnahmen zur Gefahrenabwendung einzugreifen. Diese grundsätzliche Legitimierung der Anwendung von Zwang entbindet allerdings nicht von der Pflicht, stets die Verhältnismäßigkeit strikt zu beachten und Zwang nur als letztes Mittel anzuwenden, in kürzestmöglicher Dauer und unter Berücksichtigung von Menschenwürde und geteilter Entscheidungsfindung. Das bedarf hoher professioneller Expertise unter persönlich oft erheblich belastenden Rahmenbedingungen. Die dafür notwendigen gut ausgebildeten Fachkräfte verdienen hohen Respekt und werden in der psychiatrischen Versorgung dringend benötigt.
Das gemeinsame Wirken unterschiedlicher Akteure ist in der psychiatrischen Behandlung der zentrale Faktor für eine gelingende Behandlung (Bhugra et al., 2017, Frenk et al., 2010). Das ist in der Theorie ebenso banal und allgemein anerkannt wie in der Umsetzung kompliziert und schwierig. Die Komplexität in dieser Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen mit je eigener Kultur und fachlicher Expertise und Herangehensweise, strukturell anspruchsvolle Zusammensetzungen und psychodynamische Teamprozesse stellen eine besondere Herausforderung an die interprofessionelle Planung und Durchführung von Behandlungsprozessen. In dem Workshop sollen Erfahrungen ausgetauscht und die verschiedenen Einflussfaktoren systematisch beleuchtet werden:
- Klinikhierarchien vs. Arbeiten auf Augenhöhe
- Rollen und Aufgaben in einer patientenorientierten multiprofessionellen Behandlung i. S. v. „gelingender Kooperation“ (Schweitzer, 1998)
- Juristische Aspekte und Rahmenbedingungen der Arbeit
- Erstellen eines Gesamtbehandlungsplan und interdisziplinäre Therapiezielplanung
- Kommunikation und Information
- Klinikstrukturen: Stationsgebunden und -stationsübergreifend
- Terminmanagement und Überschneidungen
- Trialogischer Prozess und Partizipation: Der Workshop wird durchgeführt von zwei erfahrenen Leitungspersonen in der klinischen psychiatrischen Versorgung.
Bhugra, D., Tasman, A., Pathare, S., Priebe, S., Smith, S., Torous, J., ... & Ventriglio, A. (2017). The WPA-lancet psychiatry commission on the future of psychiatry. The Lancet Psychiatry, 4(10), 775-818. Frenk, J., Chen, L., Bhutta, Z. A., Cohen, J., Crisp, N., Evans, T., ... & Zurayk, H. (2010). Health professionals for a new century: transforming education to strengthen health systems in an interdependent world. The lancet, 376(9756), 1923-1958. Schweitzer, J. (1998). Gelingende Kooperation. Weinheim: Juventa-Verlag
Tiergestützte Behandlungskonzepte kommen bei psychischen Erkrankungen zunehmend zur Anwendung. Achtsamkeitstherapie, Ergotherapie, Pflege, Psychotherapie u. a. werden durch die Hinzunahme von Hunden auf eine für Patient:innen motivierende Weise bereichert.
Im Workshop werden hundegestützte Interventionen aus den Perspektiven verschiedener Disziplinen vorgestellt und erlebbar gemacht. Zwei unterschiedliche Therapiehunde, ein 11-jähriger Labrador und ein 2-jähriger Zwergschnauzer, werden zur Demonstration von spezifischen Einsatzbereichen und für die Selbsterfahrung in den Workshop integriert. Es werden ausgewählte Behandlungssituationen vorgestellt und in Hinblick auf Nutzen und Durchführbarkeit diskutiert:
- Blutabnahme (insbesondere in der KJP)
- Krisenmanagement
- Umgang mit Stimmungseinbrüchen
- hundegestütztes Wecken (von Patient:innen mit Morgentief)
- hundegestützte Steigerung der körperlichen Aktivierung
- u. a. rechtliche Fragen zur Gestaltung der Rahmenbedingungen zum Einsatz von Hunden in der ambulanten und stationären Behandlung von psychischen Erkrankungen werden erläutert.
Der Workshop richtet sich an Therapeut:innen aller Fachrichtungen einschließlich medizinischer und psychologischer Psychotherapeut:innen. Anbieter hundegestützter Interventionen sind explizit willkommen, da ein Expertenaustausch als Bereicherung gesehen wird.
In einem einleitenden interaktiven Vortrag werden die Grundlagen des Arbeitsvertragsrechts vermittelt und die Besonderheiten des ärztlichen Arbeitsverhältnisses beleuchtet. Zentrale Begrifflichkeiten des Arbeitszeitrechts wie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Überstunden werden anhand von Beispielen aus der Erfahrung der Teilnehmenden erläutert, ebenso wie typische Problemlagen und Fallstricke beim Berufseinstieg. Darüber hinaus werden die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien erörtert. Die Agenda ist dabei bewusst flexibel gestaltet, um auf besondere Fragen und Problemstellungen der Teilnehmer eingehen zu können. Im Anschluss besteht zudem Gelegenheit, Einzelfragen vertraulich mit den Workshopleitern zu erörtern.
Ausgangslage: Bereits Mitte der 1990er Jahre begannen Phil Barker, P. Buchanan-Barker und Ihre Kolleg:innen das Tidal-Modell als „Kompass für eine recovery-orientierte, psychiatrische Pflege“ zu entwickeln. Das Modell fokussiert den Prozess der stetigen Veränderungen in und um das menschliche Leben. Lebenserfahrungen und die persönliche Weisheit der Menschen werden mittels der Gezeitenmetapher gewürdigt. Die Autor:innen wollen ausdrücklich ein verstehbares Modell für alle Beteiligten entwerfen. Kommunikation sei das wesentlichste Anliegen (Barker, 2020). In diesem Zusammenhang stellen sich die Pflegenden einer Allgemeinpsychiatrischen Station im Department für Psychiatrie der Universitätsklinik Freiburg die Frage, wie der Spirit, die Sprache, Inhalte und Strukturen des Tidal-Modells nachhaltig, selbstverständlich und tiefgreifend ihren Weg in die tägliche Pflegepraxis finden können. Die Pflegenden führen, unter Leitung eines ANP-Teams, das Gezeitenmodell seit einem Jahr ein. In Ergänzung zu den theoretischen Ausgangspunkten, Assessmentinstrumenten und Gruppen wurde ein „Segelkurs“ eingeführt. Die Werte, Inhalte und Strukturen des Tidal-Modells stellen die Grundlagen des „Segelkurses“ dar. Ähnlich der „Gemeinsamen Unterstützungskonferenz“ des „Safewards-Modells“ (https://www.safewards.net/de/ 17.03.2022) wurde hierzu eine Struktur in drei Schritten gewählt, die sich wöchentlich wiederholt. Als weiteres Element zur Vertiefung des Tidal-Modells wurde eine Dokumentationshilfe in Gezeitensprache entwickelt. Diese unterstützt, auch digital, die Verschriftlichung der Pflegeberichte und Pflegeplanungen.
Ablauf und Gestaltung: Wir teilen mit Ihnen unsere Erfahrungen und Wissen zur Implementation des Tidal-Modells, insbesondere werden wir anhand eines durchgeführten „Segelkurses“ die Möglichkeiten und Grenzen des Theorie-Praxistransfers erörtern. Wir stellen Ihnen eine, mittels Fragebogen durchgeführte Evaluation des Implementationsprozesses vor. Offene Fragen wurden qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet. Weiterhin stellen wir Ihnen Pflegeplanungen und Pflegeberichte, die Gezeitensprache und die Phasen nach H. Peplau nutzend, verankert im digitalen Dokumentationssystem vor und laden Sie ein, diese gemeinsam mit uns zu reflektieren.
Malfunctioning social interactions constitute core symptoms of a range of psychiatric disorders, including personality disorders and autism spectrum disorders. Within the last years, the conceptualization of these disorders has undergone a fundamental transition toward dimensional classification. A better understanding of the neurobiological mechanisms underlying interpersonal malfunctioning holds the promise to support the transition toward dimensional and trans-diagnostic criteria as well as the development of new therapeutic options.
This symposium will present new insights on these neurobiological mechanisms based on behavioral and neuroimaging studies that assess social interactions across a variety of tasks, which balance experimental control and ecological validity by harnessing multiple techniques for experimental setups and analytic approaches (including computational models, hyper-scanning, facial electromyography, and social robotics).
The employed experimental designs and the obtained results have begun to inspire new therapeutic options. We will showcase some current options and discuss avenues for new developments.
Christoph Korn will present behavioral and fMRI studies on how persons with borderline personality disorder cooperate with others in the face of threats. Computational models allow fine-grained comparisons of participants’ choices with optimal levels of cooperation.
Edda Bilek will show results from an fMRI study that uses hyper-scanning to assess how levels of mutual trust are reflected in the neural responses of persons with borderline personality disorder.
Corinne Neukel will present studies that detail how persons with borderline personality disorder react to emotional facial expressions. The assessed reactions encompass facial mirroring and emotional contagion.
Isabel Dziobek will give on overview of studies establishing how a range of social interactions—with other persons or “social robots”—can be implemented in therapeutic settings for individuals with autism.
Die Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen bedarf einer eng vernetzten Versorgungsstruktur. Primäre Zugangswege sind die hausärztliche Versorgung und ambulante fachpsychiatrische, teils aufsuchende Angebote, aber auch der Weg über eine stationäre Akutaufnahme. Auf Grund der hohen Prävalenzen und des breiten Spektrums psychischer Erkrankungen und ihrer Verläufe werden viele PatientInnen ausschließlich oder überwiegend im hausärztlichen System versorgt. Andererseits überwiegt insbesondere bei schwereren psychischen Störungen und daraus resultierenden Teilhabeeinschränkungen die fachpsychiatrische Versorgung. Um PatientInnen zeitnah konsiliarisch fachärztlich oder hausärztlich vorstellen und im Sinne einer interdisziplinären Zusammenarbeit optimal versorgen zu können, sind bei allen beteiligten Versorgern hohe Kompetenzen im jeweils anderen Fachgebiet und zuverlässige Kommunikationswege erforderlich. Es existieren weltweit und in Deutschland verschiedene Modelle, wie dies realisiert werden kann.
In dem Symposium sollen Daten zum Versorgungsgeschehen präsentiert, Modelle vorgestellt,
und zukunftsfähige, patientenzentrierte Lösungen diskutiert werden.
Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Störungen. Expositionsbasierte Psychotherapie zeigt als Methode der ersten Wahl durchschnittlich eine hohe Wirksamkeit, der individuelle Erfolg variiert allerdings beträchtlich. Basierend auf dem Modell des inhibitorischen Extinktionslernens werden zentrale Wirkmechanismen und Anwendungsfaktoren für eine personalisierte Optimierung diskutiert. Vortrag 1 (Schneider) berichtet Ergebnisse eines multizentrischen RCTs zur Wirksamkeit von optimierter Expositionstherapie bei Kindern und Jugendlichen (N=391) unter besonderer Berücksichtigung des expliziten Einbezugs der Eltern. Aufbauend auf dem Modell des Extinktionslernens werden Prädiktoren des Therapieerfolgs vorgestellt. Vortrag 2 (Pittig) stellt Daten zur Optimierung von Expositionstherapie im Erwachsenenalter (N=726) vor. Eine zeitliche Verdichtung erzielte äquivalente Symptomreduktion in kürzerer Zeit und mit langfristig höherer Lebensqualität. Analysen von detaillierten Expositionsprotokollen (N=8.484) weisen auf die Veränderung der zentralen Befürchtung als Wirkprozess hin. Vortrag 3 (Straube) fokussiert auf neuronale Veränderungen durch Furchtextinktion bei gesunden Personen und zeigt abnehmende Aktivität in der Insula und im cingulären Cortex sowie abnehmende negative Bewertungen des Furchtreizes. Diese Anpassung war bei Personen mit hoher Unsicherheitsintoleranz und Ängstlichkeit beeinträchtigt. Ähnliche Effekte werden bei Patient:innen mit Angststörungen vor und nach einer intensivierten Exposition untersucht. Vortrag 4 (Schiele) berichtet Ergebnisse der bislang größten longitudinalen Epigenom-weiten Assoziationsstudie (EWAS) bei Angststörungen im Erwachsenenalter (N=547). Die identifizierten DNA Methylierungsmuster als Marker des Krankheitsstatus, als Prädiktoren des Therapieansprechens und als womöglich mechanistische Vermittler des Therapieerfolgs könnten in Zukunft als Biomarker für targetierte präventive oder therapeutische Interventionen dienen.
Im Rahmen des Psychiatric Genomic Consortium wurden in den letzten Jahren genomweite Assoziationsuntersuchungen zu psychischen Erkrankungen wie Schizophrene Psychosen, Bipolare Affektive Erkrankung und Depressionen durchgeführt und eine Reihe genomweiter genetischer Befunde erhoben und bestätigt. Diese Untersuchungen werden kontinuierlich fortgesetzt und erweitert. In diesem Symposium soll von deutschen Mitgliedern des Psychiatric Genomic Consortium der aktuelle Stand der genomweiten Assoziationsuntersuchungen vorgestellt werden. Stephan Ripke/Berlin wird die Ergebnisse zu Schizophrenen Psychosen, Marcella Rietschel/Mannheim zu Affektiven Erkrankungen, Manuel Mattheisen/Halifax zu Angst- und Zwangserkrankungen und Thomas Schulze/München zur Therapieresponse bei Pharmako- und Psychotherapie vortragen. Forschungsstrategien zur Einordnung der erhobenen Befunde für das Verständnis der Pathophysiologie und zur Entwicklungen neuer Therapien für die untersuchten psychischer Erkrankungen werden aufgezeigt und diskutiert.
Die bipolare Depression ist eine sowohl quer- als auch längsschnittliche Diagnose. In den gängigen Diagnosemanualen unterscheiden sich die Diagnosekriterien der bipolaren nicht von der unipolaren Depression, so dass gemäß ICD-10 allein das frühere Vorliegen einer (hypo)manen Episode die Diagnosestellung erlaubt; allein aus dem Querschnitt ist dies nicht möglich. Dennoch hat die korrekte Diagnosestellung natürlich erhebliche therapeutische Implikationen. Klinische Symptomkonstellationen sind hinweisend für das Vorliegen einer bipolaren Depression, werden jedoch häufig nicht beachtet: dies wird Prof. Hegerl in einem Vortrag beleuchten. Die sehr häufige Komorbidität einer Depression mit einem adulten ADHS ist in diesem Kontext eine sehr relevante Differentialdiagose, da dies klinisch der bipolaren Depression sehr ähnlich ist, wie Prof. Reif darlegen wird. Inwiefern biologische Maße wie Bildgebung oder Genetik sich zur Differentialdiagnose eigenen, wird Prof. Repple beleuchten. Zuletzt wird Prof. Schäfer auf die differentielle Therapie der bipolaren Therapie eingehen.
Psychologische und psychosoziale Aspekte haben in der Versorgung von Patientinnen und Patienten bei schweren körperlichen Erkrankungen und intensivmedizinischen Eingriffen eine große Bedeutung. Angststörungen, affektive Störungen und Posttraumatische Belastungsstörungen sind häufige komorbide Störungen vieler akuter und chronischer körperlicher Krankheiten. Komorbide psychische Störungen sind in diesen Patientengruppen oft häufiger als in der Allgemeinbevölkerung und machen einen erheblichen Teil der psychosozialen Belastung durch diese Erkrankungen aus und haben oft auch Einfluss auf den Verlauf der körperlichen Erkrankung. Die sorgfältige Diagnostik und psychosoziale Versorgung bei hoher körperlicher Symptomlast stellen nach wie vor eine Herausforderung dar. In diesem Symposium fokussieren wir insbesondere auf die Intensiv- und Notfallmedizin als auch die Onkologie. Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie gibt das Symposium einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Aspekten der Traumatisierung bei schweren körperlichen Erkrankungen und Intensiv- und notfallmedizinische Behandlungen, zu psychischen Folgen intensivmedizinischer Behandlung von Covid-19, zu Post-COVID Fatigue und neuropsychiatrischen Aspekten sowie zur Epidemiologie psychischer Störungen und subjektiven Unterstützungsbedürfnissen bei Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung. Wir leiten aus den Ergebnissen Konsequenzen für die Verbesserung von psychosozialen Behandlungs- und Versorgungsplänen ab.
Der Islam ist in Deutschland zur zweitgrößten Religion geworden, ca. 5 Mio Muslime sind ein Teil unserer Gesellschaft und prägen diese mit. Der Islam vermittelt für praktizierende Muslime nicht nur einen existentiellen Sinnhorizont, sondern prägt als Religion von Glaube und Handlung Selbstverständnis und Alltagsleben in vielen Bereichen unterschiedlich stark. So nimmt die Religion sowohl einen Einfluss auf die seelischen Entwicklungsaufgaben ihrer Anhänger als auch auf das Selbstverständnis als Frau oder Mann im privaten und gesellschaftlichen Leben. Daher unterscheiden sich religiöse muslimische Patienten in der Psychiatrie und Psychotherapie in den meisten Fällen von Nichtmuslimen, sodass TherapeutInnen fast unvermeidlich mit den religiösen Auffassungen von Patienten in Kontakt kommen und professionell mit ihnen umgehen müssen.
In ihren Beiträgen zeigen die Referenten den Einfluss der islamischen Religiosität in der besonders wichtigen Lebensphase der Kindheit und Jugend und ihren Störungen vor allem im Hinblick auf die religiös konnotierten Familienbeziehungen auf. Die mittlere Lebensphase wird mit Blick auf den Einfluss sich verändernder Geschlechterrollen von Frauen und Männern mit ihrem religiös geprägten Selbstverständnis und vielfach typische Konfliktkonstellationen in Psychiatrie und Psychotherapie betrachtet. In einem weiteren Beitrag werden die speziellen Dynamiken bei muslimischen Alterspatienten angesichts des nahenden Lebensendes dargestellt.
Zusammengefasst besteht das Anliegen der Beiträge in einer fundierten und gleichzeitig praxisrelevanten Darstellung, wie weit und in welchen Aspekten sich religiöse muslimische Patienten von nichtmuslimischen unterscheiden und wie sich ihre Religion auf Symptomatik, Pathoplastik und Familiendynamik von Patienten bzw. Krankheitsbildern auswirken kann. Dieses Wissen und Verständnis leisten einen wichtigen und oft entscheidenden Beitrag zu konfliktfreieren und erfolgreichen Therapieverläufen.
Obwohl ein „Kinderschutzauftrag“ seit über 10 Jahren auch für das Gesundheitswesen gesetzlich festgeschrieben ist (Bundeskinderschutzgesetz mit Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)), spielt das Thema in der Medizin bisher noch eine untergeordnete Rolle. Am 7.2.2019 wurde die Neufassung der Kinderschutzleitlinie (KisLL) veröffentlicht, die die Wichtigkeit kooperativen und interdisziplinären Arbeitens betont. Doch das Gesundheitswesen fokussiert auf das Individuum und hat damit einen systemisch eingeschränkteren Fokus als z.B. die Jugendhilfe. Besonders der Einfluss psychisch erkrankter Eltern wird oft unterschätzt, dabei ist eine psychische Erkrankung eines Elternteils einer der wichtigsten Risikofaktoren für körperliche Gewalt gegenüber den eigenen Kindern. Wir möchten mit diesem Symposium das Thema „Kinderschutz“ stärker in den Blickpunkt rücken.
Frau Dr. Born wird die gesetzlichen Grundlagen für den Kinderschutz in der Erwachsenenmedizin in Deutschland sowie den in Holland bei Notfall-Behandlungen von Eltern mit Intoxikation/Suizidalität/Folgen häuslicher Gewalt/psychischer Dekompensation landesweit praktizierten Childcheck vorstellen.
Frau Dr. Grimmer und Frau Koopmann stellen mit „Stark im Sturm“ ein Modellprojekt aus der Region Mannheim/Heidelberg zur Etablierung von Kinderbeauftragten in psychiatrischen Kliniken vor und berichten erste Ergebnisse zu Erfolgsfaktoren und Hindernissen.
Schließlich wird Frau Prof. Caby „Systemischer Kinderschutz aus sozialpädiatrischer Perspektive“ beleuchten, mit Anregungen, wie psychisch belastete/kranke Eltern durch interdisziplinäre Kooperation im Blick behalten werden können.
Im Symposium werden Möglichkeiten diskutiert, wie Kinderschutz in medizinischen Kontexten, besonders der Psychiatrie, stärker mitgedacht werden kann, wie realistische Bedarfszahlen erfasst werden könnten, welche Ablaufpläne, Strukturen und Netzwerke es braucht und welche Haltungen, Blickwinkel und Interventionen hilfreich sein können.
Elektive Operationen weisen bei älteren Patienten ein Delirrisiko je nach Operationsart von 5 % bis über 50 % auf und können auch zu einer anhaltenden postoperativen kognitiven Dysfunktion (POCD) führen. Die multizentrische PAWEL Studie wurde vom Innovationsfonds gefördert und diente der Entwicklung eines Risiko-screenings und Implementierung einer transsektoral-multimodalen Intervention bei 1470 Patienten über 70 Jahren vor elektiven orthopädischen, allgemeinchirurgischen und kardiovaskulären Operationen. Die POD-Risikoabschätzung wurde durch ein kognitives Screening signifikant verbessert (Vortrag Eschweiler) und sollte Teil eines prächirurgischen Risiko Scores für Ältere sein. Die komplexe nicht-medikamentöse Mehrkomponenten-Intervention AKTIVER wurde weltweit erstmalig in einer solch großen Stichprobe untersucht und senkte klinisch bedeutsam signifikant die Delirrate orthopädischen und allgemeinchirurgischen Operationen (F. Deeken). Die Komponenten der AKTIVER-Intervention werden mit anderen wirksamen DelirIntervention verglichen (C. Thomas). Durch die Intervention konnte in einer Subgruppe das Risiko einer anhaltenden POCD signifikant vermindert werden (A. Sanchez (english))
Diskriminierung ist ein unabhängiger Risikofaktor für eine schlechtere psychische Gesundheit. Mit der Ratifizierung der UN-BRK verpflichtet sich Deutschland zur Bereitstellung einer diskriminierungsfreien Gesundheitsversorgung. Doch Diskriminierung stellt ein drängendes Problem in der psychischen Gesundheitsversorgung dar. Der im Dezember veröffentlichte Afrozensus, die erste systematische Untersuchung von Anti-Schwarzen Rassismus in Deutschland, zeigt, dass Strategien zur Vermeidung von Diskriminierung im Gesundheitssystem dringend benötigt werden. Zur Analyse von Diskriminierung wird zunehmend das Konzept der Intersektionalität eingesetzt. Intersektionalität berücksichtigt die Komplexität und Verschränktheit verschiedener Diskriminierungssysteme. Da Personen mit psychischer Erkrankung von unterschiedlichen Diskriminierungen betroffen sein können (Rassismus, Heterosexismus, Diskriminierung aufgrund von psychischer Erkrankung), eignet sich das Konzept der Intersektionalität besonders für diesen Bereich.
Das Symposium adressiert unterschiedliche Formen und Ebenen der Diskriminierung in der psychischen Gesundheitsversorgung aus einer ethischen und intersektionalen Perspektive auf Praxis, Forschung und Lehre. Zunächst werden Ergebnisse eines systematischen Reviews zu intersektionaler Diskriminierung in der psychischen Gesundheitsversorgung vorgestellt und ethische Implikationen für die Praxis diskutiert. Ein weiterer Beitrag untersucht mit Hilfe intersektionaler Perspektiven die Wahrnehmung und Bewertung von Rassismus in der Medizin und Psychiatrie durch Studierende. Dabei werden tugendethischen Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Rassismus für Mediziner*innen formuliert. Schließlich werden forschungsethische Fragen in Bezug auf Rassismus und Forschung zur Prävalenz von Psychosen diskutiert. Dabei wird besonders das Paradigma des “extrem hohen Psychoserisikos” von Migrant*innen aus einer intersektionalen und rassismuskritischen Perspektive in den Blick genommen.
Wie die Medizin insgesamt unterliegt die Psychiatrie als anwendungsorientierte Wissenschaft einem komplexen Wandel. Neben naturwissenschaftlichen wurde und wird sie auch von sozialen, politischen, kulturellen, ökonomischen und anderen Gegebenheiten und Zwängen beeinflusst. Und genau an diesem Punkt kann das Wissen um die Historie des eigenen Faches essentiell sein. Dann nämlich erschließt sich deren Praxisrelevanz, die sich heute vor allem auch in der Medizinethik – natürlich einer historisch fundierten – widerspiegelt. Deshalb ist es ein wichtiges Anliegen des DGPPN-Referates ‚Geschichte der Psychiatrie’, die in der Aus- und Weiterbildung befindlichen Ärzte und Ärztinnen mit der Geschichte ihres Fachgebietes bekannt zu machen, um ihnen im Streit um deren Deutung eine eigene Meinungsbildung ermöglichen zu können.
Gemeinsam sollen die Fragen diskutiert werden: Wozu Geschichte in einer immer stärker naturwissenschaftlich-neurobiologisch ausgerichteten Medizin und auch Psychiatrie? Kann Sie überhaupt noch eine Wirkung entfalten? Wer hat die Deutungshoheit über die Historie? Wie werde ich Psychiatriehistoriker? Welche Ansprechpartner gibt es?
Mit diesen grundsätzlichen und auch weiteren Fragen möchten wir uns zusammen mit Vertretern der DGPPN-Nachwuchsinitiative Generation PSY in einer gemeinsamen Diskussion auseinandersetzen.
Die Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker (AA) wurde im Jahr 1935 gegründet und stellt seit langem eine weltweite Bewegung dar. Der Alkoholismus wird bei den AA als chronische Erkrankung verstanden, von der die Betroffenen mithilfe des 12-Schritte Programms genesen können. Spiritualität bzw. der Glaube an eine höhere Macht darf hier als das zentrale Element gelten. Des Weiteren kommt dem Leben in der Gemeinschaft bzw. dem Zusammenhalt in der Gruppe eine besondere Bedeutung zu. Die Effektivität der Arbeit der AA konnte mittlerweile durch zahlreiche Studien demonstriert werden – auch finden sich kritische Stimmen, die zu einem lebendigen Dialog beitragen. Corona traf die Anonymen Alkoholiker genauso unvorbereitet, wie zahlreiche andere. Die Gemeinschaft nahm die Herausforderung schnell an und entdeckte, dass diese neben dem Fluch auch Segen beinhaltete. Zwar gibt es bereits seit langem neben den Präsenzmeetings auch digitale Meeting, jedoch hat die Corona-Pandemie den Schwerpunkt sehr stark in Richtung digitaler Meetings ausgebaut. Dabei sind Fragestellungen wie Wertebetrachtung der AA vor dem Hintergrund der Veränderungen, oder Auswirkungen der Online-Meetings auf die Selbsthilfe kritisch zu hinterleuchten. Diese und ähnliche Schwerpunkte möchten wir in unserem Symposium auf der Basis von Erfahrungsberichten von Mitgliedern der AA bzw. gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse gemeinsam thematisieren.
Eine Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen in der Versorgung von Menschen mit (schweren) psychischen Erkrankungen ist unumgänglich will man den komplexen Bedarfen der Betroffenen gerecht werden. Im Symposium werden die Potenziale interprofessioneller Zusammenarbeit diskutiert. Ausgehend von der wissenschaftlichen Evidenz werden Formen interprofessioneller Zusammenarbeit aufgezeigt, wie sie in der S3-Leitlinie «Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen» empfohlen werden. Zudem wird Uta Gühne (Leipzig) aktuelle Daten zu deren Umsetzung skizzieren. Welche Bedeutung die wissenschaftliche Evidenz für die Standardisierung der Behandlungsprozesse der Fachtherapien haben kann, zeigt Niki Hug (Basel) für die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel auf. Dabei wurde das vorhandene Leistungsangebot mit der aktuellen Evidenzlage abgeglichen und um neue, interprofessionelle Gruppenangebote erweitert. Eines dieser Angebote stellen gesundheitsfördernde Therapien dar, welche eine Zusammenarbeit der Ernährungs- sowie der Physio- und Bewegungstherapie erfordern. In einem weiteren Beitrag wird Lieselotte Mahler (Berlin) das Recovery-orientierte Psychiatriekonzept Weddinger Modell vorstellen, in welchem die multiprofessionellen Bezugstherapeutenteams (MBTs) das tragende Element sind. Ausgehend von den individuellen Genesungszielen und Bedarfen der PatientInnen werden die unterschiedlichen Expertisen der Mitarbeitenden in das Gesamtbehandlungskonzept integriert. Im Vortrag werden die Chancen und Herausforderungen multiprofessioneller Zusammenarbeit in der Recovery-orientierten Behandlung diskutiert. Annetta Neyenhaus (Basel) präsentiert Ergebnisse zur Haltung der FachtherapeutInnen gegenüber der interprofessionellen Zusammenarbeit und zeigt Förderfaktoren und Barrieren für eine gelingende interprofessionelle Zusammenarbeit aus Sicht der Fachtherapien auf.
Die DGPPN hat einige ihrer Referate mit der Erarbeitung einer S2e-Leitlinie zur somatischen, apparativen und Labordiagnostik bei psychischen Erkrankungen beauftragt. In diesem Symposium werden Vertreter insbesondere aus dem Referat Bildgebung und Systemische Neurowissenschaften die Rolle speziell der apparativen hirnbildgebenden Diagnostik in der gegenwärtigen und in der zukünftigen klinisch-psychiatrischen Praxis vor dem Hintergrund neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse diskutieren. Unter anderem soll diskutiert werden, inwieweit das zunehmend bessere Verständnis pathomechanistischer Zusammenhänge von Gehirndysfunktionen und psychischer Symptomatik in der aktuellen klinisch-psychiatrischen, insbesondere differentialdiagnostischen Versorgungspraxis ausreichend abgebildet wird. Welchen klinischen Nutzen hat beispielsweise die Gehirnbildgebung im Rahmen der möglichen Identifizierung von sekundär psychischen Störungen? Was bedeutet dies für die Indikationsstellung zu einer CT- bzw. MRT-Untersuchung? In welchen Konstellationen sollte gegebenenfalls eine nuklearmedizinische Untersuchung durchgeführt werden? Welchen klinischen Nutzen können modernste funktionell-hirnbildgebende Verfahren in Gegenwart und Zukunft durch die Identifizierung therapeutisch relevanter pathophysiologischer Subtypen psychiatrischer Erkrankungen entwickeln? Selbstverständlich ist auch die ökonomische Sichtweise ausreichend zu berücksichtigen. Diese und viele weitere Fragen möchten wir mit Ihnen vor dem Kernziel der zu erarbeitenden Leitlinie diskutieren, d. h. der Etablierung einer personalisierten Therapie in der Psychiatrie durch zuverlässige Identifizierung sekundärer psychischer Erkrankungen, relevanter somatischer Komorbiditäten sowie neurobiologischer Subtypen mittels rationaler Stufendiagnostik.
Ziel des BMBF-geförderten Verbundprojektes »@myTabu« ist es, eine therapeutengestützte Online-Intervention für Personen, die ein Kind sexuell missbraucht oder Missbrauchsabbildungen konsumiert haben, zu entwickeln und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen. Die Wirksamkeitsprüfung folgt einem randomisierten, placebo-kontrollierten Versuchsdesign. Juristische und ethische Richtlinien werden für die Routine-Anwendung entwickelt, ebenso wie ein online-basiertes Risikoerfassungssystem.
Während die Relevanz traumatischer Erfahrungen und einer daraus resultierenden posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) für die psychische Gesundheit mittlerweile als gesichert gilt, ist ihre Bedeutung im Kontext körperlicher Krankheiten deutlich weniger beforscht. Dabei legen präklinische und grundlagenwissenschaftliche Studien nahe, dass traumatischer Stress deletäre Auswirkungen auf eine Vielzahl von Organen wie z.B. das Immun- oder kardiovaskuläre System hat.
Hans Grabe (Greifswald) stellt Daten aus den longitudinalen, epidemiologischen SHIP-Studien aus der Allgemeinbevölkerung vor, die den Zusammenhang von traumatischen Stress auf die kardiovaskuläre Gesundheit beschreiben. Neben echokardiographischen Daten stehen auch spiroergometrische Funktionsdaten zur Verfügung, die eine differenzierte Analyse der Beziehung Trauma – Herzgesundheit erlauben.
Andreas Maercker (Zürich) stellt eine Parallelstudie von Samples älterer Menschen mit institutionellen Kindesmissbrauchserfahrungen in der Schweiz und Irland vor, in der der mediierende Effekt des Sense-of-Coherence-revised (SOC-R) für den Zusammenhang von Missbrauchserfahrungen und Traumafolgesymptomen untersucht wurde.
Carsten Spitzer (Rostock) beschäftigt sich anhand von Daten aus zwei groß angelegten Allgemeinbevölkerungsstudie mit dem Zusammenhang von traumatischen Erfahrungen, PTBS und respiratorischen Erkrankungen bzw. der spirometrisch erfassten Lungenfunktion. Diese objektiven Indikatoren tragen zu einer genaueren Differenzierung bisheriger Befunde bei, die ausschließlich auf Selbstbericht beruhten.
Heide Glaesmer (Leipzig) stellt eine multizentrische psychoonkologische Studie vor, in der 2141 krebskranke Patienten auf traumatischen Ereignisse und eine mögliche PTBS untersucht wurden. Die Lebenszeitprävalenz für traumatische Erfahrungen lag bei 77%, von denen wiederum 16% im Zusammenhang mit der Krebserkrankung standen. Die Diskussion greift die Implikationen für die psychoonkologische Versorgung auf.
Cannabis ist die am weitesten verbreitete illegale Droge in Deutschland. 4 von 10 jungen Erwachsenen (15-24 Jahre) haben bereits Cannabis konsumiert – Tendenz steigend. In den meisten europäischen Ländern hat der Cannabiskonsum in den letzten Jahren zugenommen. Diese Entwicklung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dabei ist die Bedeutung einer regulierten Freigabe von Cannabis nicht abschließend geklärt. Dennoch liefern aktuelle Forschungsergebnisse Hinweise darauf, dass eine Cannabislegalisierung die Zahl der regelmäßigen Konsumenten und in der Folge die Zahl der Menschen erhöht, die cannabisbezogene Störungen und Folgeerkrankungen entwickeln.
Vor diesem Hintergrund muss sichergestellt werden, dass die kontrollierte Abgabe von Cannabis nicht zu mehr konsumierenden, abhängigen und psychisch erkrankten Menschen führt und Kinder und Jugendliche effizient über die Risiken des Cannabiskonsums aufgeklärt und vor den negativen Folgen geschützt werden.
Aus suchtmedizinisch-psychiatrischer Sicht sollen die notwendigen Vorgaben für eine regulierte Cannabisfreigabe diskutiert werden.
Psychotherapie wird heute bei den meisten psychischen Erkrankungen in den S3-Leitlinien empfohlen und ist in zahlreichen RCTs und Meta-Analysen belegt. Dennoch gibt es vielfältige Herausforderungen und Forschungsfragestellungen für die Zukunft wie beispielsweise notwendige Veränderungen der Aus- und Weiterbildung, ein Mangel an rascher Verfügbarkeit, die Qualität der Anwendung und viele andere Fragen.
In dem Symposium sollen einige relevante und aktuelle Themen der Weiterentwicklung von Psychotherapie und ihrer Bedeutung in der Therapie und Versorgung psychiatrischer Erkrankungen aufgegriffen werden.
Prof. Rief wird über die Veränderungen von einer verfahrensorientierten hin zu einer mehr modularen bzw. kompetenzorientierten Weiterbildung berichten. Mit dem neuen Psychotherapeutengesetz, dem Studium der Psychotherapiewissenschaften und der künftigen Psychotherapie-Weiterbildung ergibt sich auch die Chance, längst überfällige Veränderungen hin zu einer mehr modularen und kompetenzorientierten Psychotherapie umzusetzen.
Prof. Strauß wird über einen neuen Ansatz zur Erfassung der therapeutischen Beziehung berichten.
Ein weiterer Aspekt der Psychotherapieforschung sind Wirkfaktoren, deren besseres Verständnis zu einer Optimierung von Psychotherapie beitragen kann. Einer der ganz zentralen Wirkfaktoren ist dabei die therapeutische Beziehung.
Prof. Voderholzer berichtet über kurz- und langfristige Effekte von Psychotherapie in Relation zu anderen Therapieverfahren anhand einer eigenen Meta-Analyse zu Studien bei Depression sowie eines kritischen Updates der bisherigen Studienlage. Insbesondere soll darauf eingegangen werden, was Psychotherapeuten aus den Erkenntnissen zu langfristigen Effekten von Psychotherapie für die Praxis lernen können.
Die klinische Anwendung medizinethischen Wissens hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen. Allerdings war die entsprechende Dynamik in der somatischen Medizin größer als in der Psychiatrie, was angesichts der vielen ethisch herausfordernden Fragestellungen in unserem Fach durchaus verwundert. Ob es um Zwangsvermeidung geht, den Umgang mit schwer kognitiv eingeschränkten Patienten oder um Patientenverfügungen und die Einbeziehung von Angehörigen: immer wieder stellen sich ethisch sehr anspruchsvolle Fragen.
Die DGPPN und die Akademie für Ethik in der Medizin (AEM) haben deshalb in den letzten Jahren gemeinsame Anstrengungen unternommen, klinische Ethikberatung zunächst vor allem in stationären Bereich, vor allem also in den psychiatrischen Krankenhäusern, zu etablieren. Dabei gibt es viele Gemeinsamkeiten mit der somatischen Medizin, aber auch Besonderheiten unseres Faches. Alfred Simon von der AEM wird in diesem Symposium über die Grundlagen klinischer Ethikberatung berichten, Jakov Gather aus Bochum über das Netzwerk klinische Ethikberatung, an dem sich bereits eine Vielzahl an Kliniken beteiligt, und Lisa Wollenburg aus Ingolstadt wird über Daten zum Stand der Implementierung klinischer Ethikberatung in Deutschland und zu den Einstellungen der Mitarbeitenden zur Ethikberatung berichten.
Das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) wurde aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung als Netzwerk der deutschen Universitätsklinika ins Leben gerufen. Es verfolgt zwei Ziele: Zum einen sollen einen Grundlagen für ein besseres Verständnis die COVID-19 Erkrankung als Ausgangspunkt für neue Therapieansätze geschaffen werden, und zum anderen sollen die Strategien der Pandemiebekämpfung effizienter gestaltet werden zur Vorbereitung auf neue Pandemien. Nach einer initialen Fokussierung auf somatische Symptome, zeigt die wissenschaftliche Literatur zunehmend, dass auch die psychische Gesundheit durch die COVID-19 Erkrankung und die COVID-19 Pandemie nachhaltig und langfristig gefährdet sind. Jürgen Deckert/Würzburg als Sprecher der FOSA Psychische Gesundheit im NUM beschreibt wie in der ersten Förderperiode im zentralen NUM-Kohortenprojekt "Napkon" mit den Kohorten HAP, SÜP und POP psychische Symptome erfasst werden. Klaus Lieb/Mainz berichtet über aktuelle Daten zu den Auswirkungen der Corona Pandemie auf die psychische Gesundheit in der Bevölkerung mit einer Fokussierung auf Monitoring und präventive Ansätze für Risikogruppen wie das Gesundheitspersonal als Ziel von "egePan Unimed". In der zweiten Förderperiode soll das von Malek Bajbouj mitkoordinierte Projekt "CollPan" die Auswirkungen der Pandemie auf besonders vulnerable Gruppen wie Menschen mit psychischen Erkrankungen untersuchen und Strategien zu deren Schutz mitentwickeln. Der besonderen Rolle der Digitalisierung trägt das Projekt UTN -Telemedizin der zweiten Förderperiode Rechnung, das von Anja Schneider mitkoordiniert und vorgestellt wird. Beide Projekte der zweiten Förderperiode tragen der Erkenntnis Rechnung, dass die COVID-19 Pandemie nicht nur gesundheitliche Auswirkungen auf somatischer Ebene, sondern auch erhebliche psychosoziale Auswirkungen hat.
Im Wintersemester 2021/22 ist an vielen Universitäten das Direktstudium „Psychotherapie“ angelaufen. Während die ersten Studierenden gerade den Bachelor absolvieren beginnen die Planungen, wie das Masterstudium ausgestaltet werden kann. Je nach Standort kommen den medizinischen Fakultäten ganz unterschiedliche Rollen zu. In Aachen beispielsweise ist der Studiengang an der medizinischen Fakultät angesiedelt. An anderen Fakultäten, wie in Erlangen oder Greifswald wird der Studiengang von psychologischen Lehrstühlen ausgerichtet und psychiatrische Kliniken sind in unterschiedlichem Umfang an Lehrveranstaltungen und Praktika beteiligt.
Nach einer kurzen Darstellung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und des Ist-Zustandes an drei unterschiedlichen Standorten mit unterschiedlichen organisatorischen Strukturen sollen verschiedene Konzepte zu den Praktika im Masterstudium diskutiert werden. Didaktische Konzepte, wie die Arbeit mit Simulationspersonen im Rahmen eines vollständig strukturierten Praktikums, eine Strukturierung mittels „entrustable professional activities“ (EPA) oder die unstrukturierte Begleitung erfahrener Therapeut:innen sollen hierbei hinsichtlich Aufwand, Nutzen und Machbarkeit gegeneinander abgewogen werden. Ziel der Veranstaltung ist es, den Teilnehmern die Möglichkeiten und Schwierigkeiten der unterschiedlichen Konzepte zu verdeutlichen und damit die Entwicklung der Lehrveranstaltungen an den eigenen Standorten zu unterstützen.
Noch wenige Schritte, noch ein Tag, dann ist Caroline perfekt, dann ist sie an ihrem Ziel. Die Mittfünfzigerin liegt auf ihrem Klinikbett. Voller Hoffnung auf eine unbeschwerte Zukunft verabschiedet sich Caroline von ihrem alten Ich und fühlt sich seit Jahrzehnten das erste Mal glücklich. Doch jenes Glück zerbricht, ehe Caroline es auskosten kann. Unmittelbar nach ihrer geschlechtsangleichenden Operation erhält Caroline die Nachricht, dass ihr Vater im Sterben liegt. Das über Jahre weggeschlossene Kindheitstrauma bricht wieder auf.
Ein Dokumentarfilm von Volker Klotzsch und Oliver Matthes, Rootfilms.
Dokumentarfilm Deutschland 2020/2021
Durch die große Resonanz auf die Forschungen der Pharmazeutin Sylvia Wagner zu Medikamentenprüfungen an institutionalisierten Minderjährigen als „verdrängtem Kapitel“ bundesdeutscher Heimgeschichte hat die Erforschung dieses Themas ab 2016 deutlichen Aufschwung gewonnen. Seitdem haben einige Einrichtungsträger und Einzelinstitutionen die Untersuchungen von Medikamentenanwendungen in Einrichtungen der Psychiatrie und Behindertenhilfe in Auftrag gegeben, die inzwischen abgeschlossen sind.
Das Symposium nimmt dies zum Anlass, wesentliche Aspekte und Ergebnisse zum Thema Anwendungsbeobachtungen und Medikamentenerprobungen anhand zweier exemplarischer Forschungsaufträge darzustellen und zu interpretieren: Zum einen handelt es sich um die Untersuchung von „Arzneimittelprüfungen an Minderjährigen im Langzeitbereich der Stiftung Bethel in den Jahren 1949 bis 1975“ (Niklas Lenhard-Schramm/Maike Rotzoll/Dietz Rating), die sich vor allem der Einrichtung als Testzentrum für neue Epilepsie-Medikamente widmete. Zum anderen werden Ergebnisse aus dem Forschungsauftrag zur „Praxis der Medikamentenversuche in schleswig-holsteinischen Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie in den Erwachsenen-, Kinder- und Jugendpsychiatrien in den Jahren 1949 bis 1975“ (Christof Beyer/Cornelius Borck/Jonathan Holst) vorgestellt.
Auf der Basis der Analyse von zeitgenössischen Fachpublikationen, Verwaltungsüberlieferung und Einzelfallakten werden dabei die Prüf- und Anwendungspraxis von Medikamenten in einer Betheler „Forschungsklinik“ für Epilepsie bei Minderjährigen dargestellt. Für Schleswig-Holstein stehen die Medikamentenprüfungen an Erwachsenen u.a. im Landeskrankenhaus Schleswig im Mittelpunkt, wo zur Entwicklung aussagekräftiger Testkriterien ein Forschungsverbund etabliert wurde. Beide Themenbereiche werden durch die zeit- und wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung von gesellschaftlichen, fachspezifischen und rechtlich-ethischen Voraussetzungen von Medikamentenverabreichungen gerahmt.
Das Symposium umfasst vier Beiträge, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Psychiatrie und Psychotherapie für Einsatzkräfte der Bundeswehr beschäftigen.
Im ersten Beitrag geht Peter Zimmermann auf die Folgen des Kriegs in der Ukraine für die Psychiatrie und Psychotherapie in der Bundeswehr ein. Veränderte Versorgungsgrundlagen sowie neue Konzepte der Prävention und Behandlung kriegsbedingter psychischer Störungen werden diskutiert, wie beispielsweise der Umgang mit moralischen Verletzungen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die neueren Trends und präsentiert erste Evaluationen.
Helge Höllmer beschäftigt sich mit Victim Blaming bei einsatztraumatisierten Soldaten. Im Rahmen einer quantitativen Erhebung wurde untersucht, ob bei potentiell traumatischen Erlebnissen Soldaten aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit häufiger von Victim Blaming betroffen sind als Angehörige anderer risikobehafteter Berufe. Dabei wurde der Einfluss der Gruppenzugehörigkeit des Traumatisierten und der Befragten sowie weiterer Variablen hinsichtlich der Ausprägung des Victim Blamings untersucht.
Thomas Emser berichtet über Einflussfaktoren zur Stärkung der Rehabilitations- bzw. Krankheitskompetenz einsatzgeschädigter Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. In einer qualitativen Studie basierend auf Interviews von Betroffenen und Vorgesetzten wurden Kenntnisse und Einstellungen zum Krankheitserleben und Versorgungssystem sowie krankheitsaufrechterhaltende bzw. rehabilitationsprozessbeeinflussende Faktoren aus unterschiedlichen Perspektiven identifiziert.
Im letzten Beitrag beschäftigt sich Antje Bühler mit kognitiven Verarbeitungsstrategien wehrdisziplinarer Vernehmungen durch soldatische Patienten der Bundeswehr. Auf der Grundlage problemzentrierter Interviews wurde die Rolle der Vernehmungsqualität im Rahmen subjektiver Krankheitstheorien aus Patientensicht analysiert. Zudem konnten dysfunktionale Kognitionen und Strategien zur Dissonanzreduzierung identifiziert werden.
Mit diesem Symposium möchten uns verschiedenen Aspekten der Suizidalität von der Epidemiologie, Medien und Prävention bis hin zur Therapie widmen und dies über die gesamte Lebensspanne. Suizide sind im Jugendalter die zweithäufigste Todesursache und 14% der Schülerinnen im Alter von 15 Jahren kennen Suizidgedanken. Neben einer Übersicht über das Thema Suizidalität im Jugendalter stellt Paul Plener in seinem Vortrag "Pandemie und Suizidalität im Jugendalter" die Herausforderungen in und Folgen der Pandemie für Jugendliche dar. Katja Becker berichtet in dem Vortrag "Medien und Suizidalität im Jugendalter" von dem Einfluss medialer Darstellungen von Suizidalität. Neben Kenntnis des Werther-Effekts könnte in den Presserichtlinien noch stärker der positive Einfluss des Papageno-Effekts kommuniziert werden. In den letzten Jahren sind verschiedene Komplexinterventionen bei Suizidalität im Erwachsenenalter entwickelt und evaluiert worden. Miriam Santel stellt in Ihrem Vortrag „CAMS – Überblick über Intervention und erste Evaluationsergebnisse“ das Collaborative Assessment and Management of Suicidality vor, das von David Jobes in den USA entwickelt wurde. Mit frühen Interventionen, der Prävention, dafür aber den dem höheren Lebensalter schließt Tillmann Supprian mit dem Vortrag zur „Suizidprävention im Alter“ den thematischen Bogen.
Zahlreiche randomisiert-kontrollierte Studien bei Patienten mit psychischen Störungen zeigen ähnliche Ansprechraten auf Placebo- wie auf Verum-Behandlungen. Darüber hinaus tragen Placebo-induzierte Nebenwirkungen im Sinne eines Nocebo-Effektes erheblich zu den Abbruchraten in klinischen Studien bei. Antidepressiva sind zwar die am häufigsten verordnete Psychopharmakagruppe in Deutschland, jedoch zeigen sich in RCTs über die Jahre abnehmende Wirksamkeitsraten bei gleichzeitig zunehmenden Placebo-Response-Raten. Diese Abnahme des Wirksamkeits-Signals hat zum Scheitern klinischer Studien und zu Verzögerungen bei der Wirkstoffentwicklung beigetragen, und überdies Zweifel an der Effektivität von Antidepressiva aufkommen lassen. Es ist daher von höchster klinischer Relevanz, die Mechanismen der Placebo-bzw. Nocebo-Response zu verstehen, um die Methodik klinischer Studien zu optimieren und darüber hinaus Placebo-Effekte klinisch nutzbar zu machen. Aus der experimentellen Schmerzforschung und der Placebo-Analgesie stammen wesentliche Erkenntnisse zu kognitiven (Erwartung, Lernen, Konditionierung) und neurobiologischen Mechanismen der Placebo-bzw. Nocebo-Response. Bildgebungsstudien konnten die Bedeutung des dlPFC, rostralen ACC, der Insula und des dopaminergen Belohnungssystems für die Placebo-Analgesie etablieren. Da diese Hirnregionen auch eine bedeutende Rolle in der Pathophysiologie affektiver Störungen spielen, ist zu erwarten, dass sie auch in die Vermittlung der Placebo-Response im Rahmen der antidepressiven Therapie wesentlich involviert sind. Im Symposium sollen die aktuelle Studienlage zu Wirkmechanismen der Placebo-und Nocebo-Response aus dem Bereich der Schmerzforschung und bei der Depression dargestellt und Perspektiven für die klinische Forschung und die alltägliche klinische Praxis aufgezeigt werden.
Insomnien sind mit einer Inzidenz von 6-10 Prozent der Bevölkerung eine häufige Erkrankung. Als komorbide Erkrankung treten diese im Rahmen von psychischen Störungen und organischen Erkrankungen auf. Psychische Störungen und Insomnien sind häufig vergesellschaftet und die Differentialdiagnose, ob die Insomnie ein eigenständiges Krankheitsbild oder nur Symptom der psychischen Erkrankung darstellt, ist bei vielen Fragestellungen eine diagnostische Herausforderung. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass chronische Insomnien ein höheres Risiko für die Entwicklung von Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen und auch psychotische Erkrankungen mit sich führen. Wissenschaftlich werden u.a. Zusammenhänge auf neurophysiologischer Ebene zwischen alteriertem REM-Schlaf und psychischen Störungen diskutiert. Der Leidensdruck der Patienten infolge Schlafmangel mit einhergehenden psychosozialen Einschränkungen ist teilweise erheblich und kann bis zur Suizidalität führen.
A fundamental problem in the prevention and treatment of Alzheimer's disease and other dementias is that neuropathological changes precede clinical symptoms by years or decades. To allow for early intervention, the development of sensitive, non-invasive, biomarkers is thus warranted. Both animal research and large-scale studies and clinical populations, along with advances in omics approaches and machine learning have paved the way four biomarker research from single molecule to systems level. In this symposium, four young researchers in clinical neuroscience will present recent results from their research on future potential biomarkers, covering early immunological alterations (Frederic Brosseron), PET imaging in animal models (Yvonne Bouter) and patients (Anne Maass), and structural and functional MRI (Joram Soch).
Mit der Verlängerung von Modellprojekten nach § 64b SGB V im vergangenen Jahr ist in einigen
Regionen der Zeitraum einer Versorgungsentwicklung von deutlich über 10 Jahren erreicht.
Inzwischen gab es in einigen Projekten Chefarztwechsel und einige Protagonisten der
Kostenträger denken laut über eine Überleitung der Modellfinanzierung in die Regelversorgung
nach. Weiterhin fehlen Modellprojekte, die die Kinder- und Jugendpsychiatrie einbeziehen wie
auch solche, die nicht vom Krankenhaus aus initiiert werden. Gleichermaßen ist die Frage zu
stellen, ob wesentliche Ziele des §64b SGB V für die Krankenhausversorgung erreicht wurden und
es nun an der Zeit wäre, nennenswerte Veränderungen in den gesetzlichen
Rahmenbedingungen voranzutreiben, um die gesammelten Erkenntnisse in die psychiatrisch-
psychotherapeutische Versorgungslandschaft einfließen zu lassen. Im Symposium soll diese
Diskussion anhand zweier sehr unterschiedlicher Beispiele, einer kondensierten Darstellung der
vorliegenden wissenschaftlichen Evidenz sowie der Sichtweise eines Kostenträgers geführt
werden.
Nach welchen Maßstäben sind Personen mit einer psychischen Störung und einer komorbiden Abhängigkeitserkrankung im Freiheitsentzug zu behandeln? Die Prävalenz von psychischen Störungen und Abhängigkeitserkrankungen ist bei inhaftierten Personen um ein Vielfaches höher als in der Freiheit. Während der Phase des Freiheitsentzugs übernimmt das Justizvollzugssystem die umfassende Verantwortung für das Wohlergehen von inhaftierten Personen und hat eine adäquate Gesundheitsfürsorge zu gewährleisten. Dabei gilt das verfassungs- und völkerrechtlich fundierte Äquivalenzprinzip. Gemäß diesem fundamentalen Grundsatz muss die Gesundheitsversorgung innerhalb des Freiheitsentzuges gleichwertig mit derjenigen in Freiheit sein. Im vorliegenden Beitrag werden Behandlungsstrategien für suchtkranke Gefängnisinsassen und solche, die unter komorbiden psychischen Störungen leiden, vorgestellt. Dies bedeutet, dass die inhaftierten Personen Zugang zu gleichwertigen präventiven, diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen und Einrichtungen wie bei einer Behandlung in der Freiheit haben müssen. Doch wie ist das Ziel einer gleichwertigen Gesundheitsfürsorge bei Personen mit einer Abhängigkeitserkrankung und komorbiden psychischen Störungen im Freiheitsentzug zu realisieren? Gelten identische Regeln wie in der Freiheit oder erfordern die Besonderheiten des Haftkontexts unterschiedliche Herangehensweisen? Interventionen sind in ein multimodales Behandlungskonzept aus internistischen, psychotherapeutischen und sozialarbeiterischen Angeboten einzubetten. Ziel des Symposiums ist es, entsprechende Grundlagen zu diskutieren und Behandlungsstrategien vorzustellen.
Seit mehr als 20 Jahren werden Menschen mit psychischen Krisen und Beeinträchtigungen als Peer und GenesungsbegleiterInnen in der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung, international und inzwischen auch in Deutschland eingesetzt. Dieser Einsatz ist mit einigen Implementierungshürden verbunden. Insbesondere stellt sich die Frage, welche Arbeitsbedingungen für die Implementierung von Peer- und Genesungsbegleitung förderlich sind, welche institutionellen, kontextuellen und persönlichen Voraussetzungen dabei eine Rolle spielen, und was sich dafür aus internationalen Erfahrungen lernen lässt.
Das Symposium versammelt unterschiedliche Beiträge zum Thema Implementierung von Genesungs- und PeerbegleiterInnen. Im ersten Vortrag werden die Evaluationsergebnisse eines wegweisenden Praxismodells vorgestellt. Der zweite Beitrag befasst sich mit Erkentnissen eines systematischen Reviews und Durchführung eines standardisierten Trainings in sechs Ländern und leitet Lernerfahrungen zur inhaltlichen Konzeption und Durchführung ab. Im dritten Vortrag wird es um eine standardisierte Befragung zum Thema Arbeitsbedingungen für Peer- und Genesungsbegleiter*innen gehen. Und im vierten Beitrag wird das Design und erste Ergebnisse einer durch den Innovationsfonds geförderten Studie vorgestellt und kritisch diskutiert, die die Implementierung von Peer- und Genesungsbegleitung bundesweit untersucht.
With several new medications targeting the glutamatergic system and related neurocircuits being developed and new succesful Phase II studies and currently ongoing Phase II and Phase-III studies for the treatment of schizophrenia, there is now again a lot of interest in the investigation of glutmatergic mechanisms in schizophrenia. In addition, glutamatergic mechanisms are also highly relevant in other psychiatric conditions, such as major depression or alcohol misuse.
In this symposium, leading experts in the field will present new data focussing on the genetics of the glutamatergic system, personalized therapy and new insghts into glutamatergic mechanisms in the brain with high field (7T) MR Spectroscopy in patients with schizophrenia and major depression, the role of EEG Biomarkers and MR Spectroscopy findings in alcohol misuse.
Dan Rujescu will present new genetic findings in schizophrenia showing altered neuronal function, including synaptic organization, differentiation and glutamatergic transmission. This data points towards the glutamatergic (post)synapses of pyramidal cells, interneurons and medium spiny neurons. Thus, biological processes relevant to schizophrenia pathophysiology display a strong glutamatergic component. He will also give an example on how these findings can already lead to personalized therapy. Christoph Mulert will summarize current developments of medication targeting glutamatergic neurotransmission in schizophrenia and outline new data concerning a potential role of EEG biomarkers for symptom-specific and personalized treatment approaches. Jürgen Gallinat will demonstrate recent findings using high field (7T) MR Spectroscopy in patients with major depression and patients with schizophrenia. Gabriele Ende will summarise own 1H-MRS findings over the last two decades in alcohol misuse and provide an overview of the field.
Die Arzneimitteltherapie in der Psychiatrie wird zunehmend komplexer. Unbeachtete oder nicht bekannte Wechselwirkungen können zu einer Vielzahl von Komplikationen führen, die nicht nur die Gesundheit der Patient:innen gefährden, sondern auch volkswirtschaftlich von Relevanz sein können. Hier ist im Sinne der Arzneimitteltherapiesicherheit nicht nur die detaillierte Kenntnis über Indikationen und Zulassungen, sondern auch eine besonders sorgfältige Auswahl eines geeigneten Medikamentes mit geringem Wechselwirkungspotential (ggf. unter Einbeziehung genetischer Faktoren) erforderlich. Wo liegen die Unterschiede der Wirkstoffe, wie kann man durch geeignetes Monitoring die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen? Wie wähle ich interaktionsfreie Kombinationen? Sowohl pharmakodynamische als auch pharmakokinetische Eigenschaften der Wirkstoffe sollen dabei am Beispiel der Antidepressiva und Antipsychotika vergleichend dargestellt werden. Es werden die Indikationsgebiete der durch randomisierte placebokontrollierte Studien nachgewiesenen positiven Effekte von off-label-use in begründeten Fällen besprochen.
An Fallbeispielen soll dieses Wissen vertieft werden. Aber auch hinsichtlich Wirksamkeit sollen die Arzneimittel bei verschiedenen Indikationen vergleichend dargestellt werden: evidenzbasierte Pharmakotherapie und pharmakogenetische Befunde, um das Outcome der Patient:innen zu verbessern. Auch dies soll an Fallbeispielen der Teilnehmer:innen geübt werden. Der Workshop soll einen Überblick über Psychopharmaka, deren Indikationsgebiete, Wirk- und Nebenwirkungsspektren, Interaktionen und Pharmakogenetik sowie Möglichkeiten interdisziplinärer Zusammenarbeit von Ärzt:innen und Apotheker:innen bieten und den Teilnehmer:innen mehr Sicherheit bei der Auswahl und dem Einsatz der Medikamente für den individuellen Patienten vermitteln.
Methode: Interaktiver Workshop mit Vortrag und Bearbeitung von Fallbeispielen in der Gruppe, Besprechung eigener Fälle der Teilnehmer:innen.
Interessenkonflikte:
S. C. Roll: Advisory Board: Otsuka, Recordati
M. Hahn: Advisory Board: Lilly, ROVI Vortrags-Honorar: Otsuka
Die Schematherapie nach Jeffrey Young stellt eine moderne psychotherapeutische Methode zur Behandlung von Patient:innen mit chronischen, komplexen psychischen Erkrankungen dar. Die Verbreitung hat in den letzten Jahren nicht zuletzt wegen der guten Studienergebnisse in der Behandlung von Patient:innen mit schweren Persönlichkeitsstörungen stark zugenommen. Die Schematherapie geht davon aus, dass Menschen bereits in der Kindheit überdauernde, dysfunktionale Konzepte (Schemata) von sich selbst, von anderen und der Welt entwickeln, wenn die Grundbedürfnisse von Kindern (z. B. Sicherheit, Liebe oder Akzeptanz) nicht erfüllt werden. Während Schemata eher überdauernd und rigide sind („traits“), können die daraus resultierenden Modi sehr schnell wechseln und beschreiben so den aktuellen emotionalen Zustand („states“) einer Person. Das Modusmodell stellt die zentralen Probleme einer Person im Hier und Jetzt klar dar, wird schnell verstanden und ist das zentrale Element in der aktuellen schematherapeutischen Arbeit. Neben der Vermittlung einiger theoretischer Grundkenntnisse (Schema- und Modusmodell) sollen exemplarisch schematherapeutische Techniken demonstriert und trainiert werden.
Zielgruppe: Ärzt:innen, Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen oder Pflegepersonal mit Interesse für Schematherapie. Vorkenntnisse in Bezug auf Schematherapie sind nicht erforderlich.
Literatur: Zens, C. & Jacob., G. (2015). Poster Schematherapie. Das Modusmodell auf einen Blick. Weinheim: Beltz. Zens, C. & Jacob, G. (2014, 2015). Buch und DVD. Schwierige Situationen in der Schematherapie. Weinheim: Beltz. Fassbinder, E., Schweiger U., Jacob, G. (2011). Therapietools Schematherapie. Weinheim: Beltz. Jacob, G. & Arntz, A. (2015). Schematherapie in der Praxis. Weinheim: Beltz. Young, J. E., Klosko, J. S. & Weishaar, M. E. (2006). Schematherapie – ein praxisorientiertes Handbuch. Paderborn: Junfermann.
Interessenkonflikte: Zens lehrt Schematherapie an meinem eigenen Institut (Institut für Schematherapie Hamburg) sowie an weiteren Aus- und Fortbildungsinstituten.
Die evidenzbasierte Psychopharmakotherapie gilt als eine elementare Voraussetzung zur Verwirklichung der personalisierten Medizin, wodurch individuelle Faktoren der Patient:innen in den Vordergrund gerückt werden, um effektivere und nebenwirkungsärmere Behandlungserfolge zu erzielen. Neben bekannten Faktoren wie Alter, Geschlecht, und klinischer Symptomatik werden hierbei auch Faktoren wie Arzneimittelinteraktionen, ethnische Herkunft und pharmakogenetische Untersuchungen in den Vordergrund gerückt. Weiterhin spielt das Therapeutische Drug Monitoring (TDM) sowohl für den Umgang mit Arzneimittelinteraktionen als auch für das Erkennen von pharmakogenetischen Besonderheiten (Polymorphismen) eine zentrale Rolle. Bei der Anwendung von TDM muss auch das Problem des richtigen Abnahmezeitpunkts berücksichtigt werden, wozu eine Berechnungsformel vorgestellt wird, wie der Talspiegel (Cmin) korrekt erfasst werden kann, was wesentlich für eine valide Interpretation der Messwerte ist.
Im Workshop werden alle relevanten Grundlagen zu Arzneimittelinteraktionen, TDM sowie derzeit gängige genetische Testverfahren präsentiert. Zu den ersten zwei Themengebieten wird Herr Dr. Eckermann zahlreiche und äußerst lehrreiche Fallbeispiele vorstellen, die detailliert erörtert und mit den Teilnehmer:innen diskutiert werden. Dabei wird nicht nur die Bedeutsamkeit von CYP-Enzymaktivitäten und Arzneimittelinteraktionen intensiv verdeutlicht, sondern auch haftungsrechtliche Implikationen aufgezeigt, um ärztliche Behandlungsfehler zu vermeiden. Zur Pharmakogenetik werden von Herrn Prof. Müller und Frau Prof. Bengesser Grundlagen vermittelt, die auch auf derzeitige Empfehlungen von Expertengremien und Arzneimittel-Aufsichtsbehörden basiert sind. Zusätzlich werden Kasuistiken aus der Praxis aufgezeigt, wie in schwierigen Behandlungsfällen genetische Untersuchungen zielführend eingesetzt werden können. Schließlich wird auch auf regionale Besonderheiten der genetischen Variabilität eingegangen (insbesondere CYP2D6 und CYP2C19), die in der Behandlung von Patient:innen mit nicht-europäischem Hintergrund bedeutsam sind.
Zusammenfassend werden in diesem Workshop die folgenden Lernziele angestrebt: 1.) Vermittlung von Grundlagenverständnis zu relevanten Arzneimittel-Interaktionen, TDM und genetischer Variabilität; 2.) Präsentation von Fallbeispielen mit problematischen Arzneimittel-Nebenwirkungen/Wechselwirkungen und wie diese zu vermeiden sind; und 3.) Vorteile in der Anwendung von pharmakogenetischen Untersuchungen mit Fallbeispielen.
Zielgruppe: klinisch tätige Ärzt:innen im ambulanten und stationären Bereich, zum Thema Behandlungsoptimierung durch vertiefende Einblicke im Bereich Genetik, Arzneimittelinteraktionen und Therapeutisches Drug Monitoring (TDM), verbunden mit der Einladung, über eigene Fallbeispiele zu berichten und zu diskutieren.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist bei erwachsenen Patient:innen mit Abhängigkeitserkrankung sehr häufig. Diagnostik und Behandlung der ADHS sind dabei nicht immer einfach. Einerseits müssen die Symptome von Substanzkonsum und Entzug von denen der ADHS abgegrenzt werden. Andererseits können zwar laut Leitlinien und internationalen Experten-Empfehlungen langwirksame Stimulanzien auch bei Patient:innen mit Abhängigkeitserkrankungen eingesetzt werden, dabei muss aber das Risiko für Missbrauch und Weitergabe beachtet werden. Dieser Workshop soll den Teilnehmenden das Wissen vermitteln, um den vielfältigen Herausforderungen dieser Komorbidität sicher zu begegnen.
Interessenkonflikte: Medice, Takeda: Advisory boards, Vorträge Lundbeck: Beteiligung an Studie Elsevier, Thieme: Autor
Die Therapie von Patient:innen mit schwer zu behandelnder Depression stellt in der klinischen Praxis häufig eine große Herausforderung dar. Zeitgleich sind ca. 30 % aller Patient:innen mit Depression von einer „Therapieresistenz“ betroffen, welche neben der deutlichen Einschränkung der Lebensqualität auch mit einer erhöhten Suizidrate und Mortalität assoziiert ist.
Dieser Workshop vermittelt den aktuellen Wissensstand zur schwer zu behandelnden Depression und gibt einen Überblick über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Trends in diesem Bereich. Erarbeitet werden neben der Prävention von „Therapieresistenz“ die ausführliche Differentialdiagnostik inklusive pharmakogenomischer und organischer Aspekte sowie ein strukturiertes Vorgehen für die Auswahl pharmakotherapeutischer Therapieansätze und Stimulationsverfahren. Zudem werden die Effekte und die Bedeutung psychotherapeutischer Techniken wie CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy) bei schwer zu behandelnden Depressionen thematisiert. In interaktiven Falldiskussionen von komplexen Kasuistiken einer Spezialstation für schwer behandelbare Depressionen, sowie von eigenen Fällen der Teilnehmer:innen, werden gemeinsam mit den Referent:innen Therapiestrategien erarbeitet und Erfahrungen ausgetauscht.
Didaktische Methoden: Die strukturierte Theorievermittlung beinhaltet klinisch hilfreiche Tabellen und Algorithmen, welche auch im Handout zur Verfügung gestellt werden. Praxisorientiert werden die wichtigsten Lernziele durch Fallbeispiele dargestellt und Fragen sowie Erfahrungen aus der Praxis diskutiert.
Zielgruppe: Der Workshop wendet sich an Ärzt:innen in der Weiterbildung sowie an erfahrene Kolleg:innen aus Klinik und Praxis, welche ihre Kenntnisse zur Therapie schwer behandelbarer Depressionen gezielt vertiefen und aktualisieren möchten.
Interessenkonflikte: Hannah Maier nahm an einer von Livanova gesponserten Bildungsveranstaltung teil. Helge Frieling erhielt Rednerhonorare und war als Berater für Recordati Pharma GmbH und Janssen-Cilag Gmbh tätig.
Die Angewandte Improvisation stellt eine Integration von psychologischen Modellen mit Prinzipien und Übungen aus dem Improvisationstheater dar mit dem Ziel, interpersonale Kompetenzen zu trainieren. Bislang wird die Angewandte Improvisation vorrangig in Team- und Führungskräftetrainings eingesetzt. Wir demonstrieren, wie die Angewandte Improvisation auch im Bereich der Psychotherapie genutzt werden kann. Die Angewandte Improvisation bietet zum einen neue Möglichkeiten für Therapeut:innen: Sie ermöglicht im Sinne einer kompetenzorientierten Perspektive die Förderung interpersonaler therapeutischer Fähigkeiten, die Reflexion der eigenen therapeutischen Haltung sowie u.a. die Einübung des Arbeitens mit Brüchen in der therapeutischen Allianz als rupture-repair Prozess. Die Angewandte Improvisation bietet zudem ein großes Potential für die Arbeit mit Patient:innen: Neben einer differenzierten verhaltensbasierten Diagnostik ermöglicht sie eine spielerische und erfahrungsorientierte Psychoedukation sowie die Förderung der interpersonellen Wahrnehmungsgenauigkeit, die Verbesserung der Mentalisierungsfähigkeit bzw. Empathie und die Förderung von annäherungsorientiertem (statt vermeidungsorientiertem) Verhalten. Darüber hinaus kann die Angewandte Improvisation spielerisch zur Flexibilisierung des Interaktionsverhaltens (i. S. von Cirkumplexmodellen wie dem Kiesler-Kreis) beitragen. Nicht zuletzt werden Spontaneität und Assoziationsfähigkeit trainiert. Sowohl für Patient:innen als auch für Behandler:innen kann die Angewandte Improvisation neue positive Erfahrungen der Interaktion und Zusammenarbeit in Gruppen und Teams ermöglichen. In dem Workshop werden erste Befunde und aktuelle Projekte zum Einsatz angewandter Improvisation im klinischen Kontext vorgestellt. Der Fokus des Workshops liegt auf praktischen Übungen, bei denen die Teilnehmer:innen spielerisch die eigene Haltung erleben, reflektieren und mit großer Motivation und Spaß Neues ausprobieren können.
Der Workshop richtet sich an all jene Kolleg:innen, die kurz vor der Facharztprüfung stehen oder bereits Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie oder Doppelfachärzt:innen für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie sind. Wenn Sie nach einer Alternative zur Tätigkeit in der Klinik suchen, wenn Sie eine sehr frei gestaltbare und erfüllende Tätigkeit in unserem Fachgebiet anstreben, dann bietet dieser Workshop eine vertiefte Orientierungsmöglichkeit. In den alljährlichen Symposien „Frischer Facharzt, was nun?“ kamen und kommen von den Zuhörer:innen die meisten Fragen zu dem Symposiumsvortrag zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Diese oft sehr detailreichen Fragen zur Niederlassung und zum Tätigkeitsspektrum in der vertragsärztlichen Praxis werden in diesem Workshop intensiv bearbeitet werden.
Ziel des Workshops ist es, zu vermitteln, wie ein psychodynamischer Ansatz bei schweren Persönlichkeitsstörungen im ambulanten und stationären Setting und in Krisensituationen eingesetzt werden kann. Wir informieren über die Prinzipien der Diagnostik und Therapie, über die Rahmenbedingungen mit Therapievertrag sowie über das therapeutische Vorgehen in der ambulanten und stationären Therapie. Wir orientieren uns an der von Otto Kernberg entwickelten, auf der Objektbeziehungstheorie basierenden Methode der „Transference-Focused Psychotherapy (TFP)", einer störungsspezifischen, evidenzbasierten psychodynamischen Psychotherapie. Primäre Therapieziele sind Reduzierung von gestörter Emotionsregulation, von Angst, Depression und Suizidalität, von aggressivem und selbstdestruktivem Verhalten und von Therapieabbrüchen unter Berücksichtigung von komorbiden Störungen. Langfristige strategische Therapieziele sind Förderung der Fähigkeit zur Reflektion, Integration, Bindung und Empathie sowie die langfristige Stabilisierung der sozialen Funktionsfähigkeiten in interpersonellen Beziehungen, in Ausbildung und Arbeit. Ein spezifischer therapeutischer Fokus liegt auf den in der Interaktion reaktivierten heftigen Emotionen, auf den dysfunktionellen und verzerrten Selbst- und Objektbeziehungen, den Identitätsstörungen der Patienten und insbesondere auf den Übertragungs- und Gegenübertragungsreaktionen in der Kommunikation zwischen Patient und Therapeuten. Wir vermitteln die Grundzüge der Behandlungstechnik mit der Darstellung von Fallbeispielen, Videoaufzeichnungen von ambulanten und stationären Therapiesitzungen und Kriseninterventionen und üben die typischen Interaktionsprobleme im Rollenspiel anhand von Fallbeispielen.
Methode: Theorie, Diagnostik, Behandlungstechnik, Videoaufzeichnungen, Praktische Übungen, Besprechung eigener Fälle der Teilnehmer, Rollenspiel, Kleingruppenarbeit
Zielgruppe: Ärzte und Psychologen mit Erfahrungen in der ambulanten und stationären Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen. Literatur: J.F. Clarkin, F. E. Yeomans, O. F. Kemberg (2001, 2008, 2017) Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeit. Manual zur Psychodynamischen Psychotherapie, Schattauer, Stuttgart. Doering S, Hörz S, Rentrop M, Fischer-Kern M, Schuster P, Benecke C, Buchheim A, Martius P, Buchheim P. Transference-focused psychotherapy v. treatment by community psychotherapists for borderline personality disorder: randomised controlled trial. Br J Psychiatry 2010; 196: 389–95.
Weltweite Krisen wie Kriege, Naturkatastrophen oder Pandemien sind für die psychiatrische-psychotherapeutische Versorgung eine Herausforderung in bisher ungekanntem Ausmaß. Chronische Stresserfahrung hat Effekte auf das Dopaminsystem, die Endorphine und das Oxytocin, diese führen beim Sozialwesen Mensch nach geraumer Zeit zu Verlust der Vitalität und Motivation, Herabstimmung und Ängste, erhöhte Schmerzempfindlichkeit, Schlafstörungen und dem Erlahmen der immunologischen Abwehrkräfte. Stressassoziierte psychische Störungen sind die Folge.
Im Rahmen des Workshops sollen Brücken zwischen Erleben, Verhalten, Genen, Immunologie und Gehirn gebaut werden. Aktuelle Daten aus der neurowissenschaftlichen Forschung werden referiert und diskutiert. Neue Möglichkeiten für die zukünftige Versorgung im klinischen Alltag und der Praxis sollen abgleitet werden.
Interessenkonflikte: Produktneutrale neurowissenschaftliche Vorträge für Medupdate, streamedup, Takeda, Sanofi, Medice, Lundbeck, Janssen, Rovi, Biogen, Servier, Berlin-Chemie, Lilly, Otsuka.
EMDR hat sich in zahlreichen Studien als wirkungsvolle Intervention erwiesen und erhielt 2006 die wissenschaftliche Anerkennung für einzelne Anwendungsbereiche vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) in Deutschland. 2015 erfolgte die Zulassung als Richtlinienverfahren zur Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) bei Erwachsenen in Deutschland. In den USA ist EMDR bereits seit 1998 anerkannt (APA) und in Großbritannien seit 2001 (UK Dept. of Health). EMDR gilt als effektiver Weg in der Therapie der PTBS auch in schweren und chronifizierten Fällen sowohl im ambulanten als auch im stationären Rahmen. Der Einführungskurs verfolgt das Ziel, anhand praktischer Fallbeispiele erste Kompetenzen zur Durchführung von EMDR in der Therapie der PTBS aufzubauen und einzuüben. Neben Indikationen und Kontraindikationen, werden vor allem die acht Phasen der EMDR-Behandlung (EMDR-Standard-Protokoll) ausführlich vorgestellt. Die praktische Anwendung steht im Mittelpunkt. Im Workshop werden hierzu Therapievideos gezeigt, Rollenspiele durchgeführt und die Theorie anschaulich vermittelt. Zudem wird auf typische Probleme in der Therapieplanung einer posttraumatischen Behandlungsstörung eingegangen.
Interessenkonflikte: keine Interessenskonflikte mit der Industrie, 1. Vorsitzender von EMDRIA Deutschland e.V.
Die traditionelle, in erster Linie biologisch begründete, Zweigeschlechtlichkeit ist im kulturellen Wandel der letzten Jahre ins Wanken geraten. Im Zuge dieser Entwicklungen sind Psychologie und Medizin aufgefordert, sich mit dem Thema Geschlecht, seinen Variationen und damit verbundenen Fragen zur Behandlung versus begleitender Entwicklungsförderung in einem Spannungsfeld gesellschaftlicher Kontroversen auseinanderzusetzen. Gendervariante, transgeschlechtlich oder nichtbinär empfindende Menschen fordern eine menschenrechtsbasierte und bedürfnisorientierte Gesundheitsversorgung, die die Vielfalt (trans)geschlechtlicher Identitäten mit individuellen Lösungsfindungen unterstützt und fördert – unter Verzicht psychopathologischer Festlegungen.
Der Workshop möchte einen Einblick in die speziellen Herausforderungen und Bedarfe geschlechtlich non-konformer Entwicklungen des erwachsenen Menschen geben, verbunden mit einer kritischen Reflexion des mit geschlechtlichem Anderssein verbundenen „Krankheitswertes“. Insbesondere wird in diesem Workshop auf die aktuellen Entwicklungen in der Transgendergesundheitsversorgung (S3-Leitlinien nach AWMF und Begutachtungsanleitung des GKV-Spitzenverbandes „Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus“ – 31.8.2020) eingegangen mit folgenden Themenschwerpunkten:
- Die zentralen Probleme transgeschlechtlicher und nichtbinärer Menschen im Konflikt mit zweigeschlechtlichen Ordnungssystemen
- Entwicklungen transgeschlechtlicher Menschen in den unterschiedlichen Lebensphasen
- Inhalte und Stellenwert der psychiatrisch-psychotherapeutischen Begleitung versus Entwicklungsförderung
- Somatische Behandlungstechniken
- Indikationsstellung für somatomedizinische Maßnahmen
- Die Kooperation der therapeutischen und beraterischen Disziplinen im interdisziplinären Setting
Zielgruppe: Psychiater:innen, ärztliche und psychologische Psychotherapeut:innen, Allgemeinärzt:innen, psychosoziale Berater:innen
Für psychisch kranke Frauen und für behandelnde Ärzt:innen ist ein konkreter Kinderwunsch ebenso wie eine Schwangerschaft während der Behandlung mit Psychopharmaka eine besondere Herausforderung. Sorgen und Befürchtungen kreisen häufig um potentiell teratogene und fetotoxische Einflüsse auf das Kind sowie um mögliche Krankheitsrezidive während der Schwangerschaft oder vor allen Dingen postpartal. Insbesondere wenn Absetzversuche anamnestisch zu Rezidiven geführt haben und eine Schwangerschaft ohne Medikamente nicht möglich erscheint, suchen Patientinnen Rat, erhalten aber oftmals unklare oder sich widersprechende Informationen. Ein abruptes Absetzen oder Umstellen der Medikation im Falle einer ungeplanten Schwangerschaft verunsichert die Patientinnen und kann zu einer psychischen Destabilisierung mit gravierenden Folgen führen. Insgesamt ist eine engmaschige psychiatrische Betreuung der Patientinnen während der Schwangerschaft und im Postpartum (bis zu 12 Monate nach Entbindung) notwendig, um sie bei anstehenden Entscheidungen beraten und Krisen frühzeitig entgegenwirken zu können. Während die Schwangerschaft an sich das Exazerbationsrisiko zwar nicht erhöht, aber durch sinkende Medikamentenspiegel in dieser Zeit vermehrt Symptome auftreten könnten, sind auch hier schon engmaschige Kontrollen und insbesondere ein häufigeres therapeutisches Drug Monitoring vonnöten. In der Postpartalzeit ist dann das Rückfallrisiko deutlich erhöht, insbesondere bei Patientinnen mit affektiven Erkrankungen sowie Angst- und Zwangserkrankungen. Daher muss der postpartalen Rezidivprophylaxe beim peripartalen Management besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet werden. Im Workshop werden die Prinzipien der Nutzen-Risiko-Abwägung für die Gabe von Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit und Behandlungsstrategien für die Praxis vorgestellt. Auch werden Möglichkeiten der Rezidivprophylaxe im Rahmen des peripartalen Managements besprochen. Die Risiken von Teratogenität und Fetotoxizität für einzelne Substanzen werden diskutiert. Exemplarische Kasuistiken ergänzen die Darstellung der peripartalen Betreuung und individuelle Fälle und Fragen der Teilnehmer:innen können diskutiert werden. Erfahrungshintergrund: Marlies Onken ist Mitarbeiterin des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité und beschäftigt sich wissenschaftlich vor allem mit der Arzneimittelsicherheit von Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit. Sarah Kittel-Schneider ist u.a. Leitung der Mutter-(Vater-)Kind-Einheit in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Universitätsklinikums Würzburg und forscht auch auf dem Gebiet psychische Erkrankungen bei Eltern in der Peripartalzeit sowie therapeutisches Drug Monitoring in Schwangerschaft und Stillzeit.
Interessenkonflikte: Marlies Onken hat keine Interessenkonflikte. Sarah Kittel-Schneider war in den letzten 3 Jahren als Beraterin für Takeda und Medice Arzneimittelpütter GmbH tätig und bekam Autoren- und Referentenhonorar dieser beider Firmen.
In dem Workshop werden zunächst die Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung von anliegenorientierten verhaltenstherapeutischen Therapiegruppen im ambulanten und stationären Setting vorgestellt.
Der Schwerpunkt des Workshops liegt in der Vermittlung von Heuristiken, wie die von den Gruppenteilnehmern eingebrachte Anliegen (bzw. Themen) soweit aktualisiert und fokussiert werden können, dass die Auswahl einer für deren Bearbeitung geeigneten Methode im Sinne einer adaptiven Indikationsstellung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck werden auch typische Interventionen wie die Durchführung von Rollenspielen, köperbezogene Übungen und Skulpturtechniken in praxisnaher Weise demonstriert und eingeübt.
Das Ziel des Workshops besteht darin, den Teilnehmer:innen sowohl theoretische als auch praktische Fertigkeiten zu vermitteln, wie zieloffene Gruppen effektiv angeleitet und (auch) komplexe Anliegen von Patient:innen durch den Einsatz bewährter (und Therapieschulen übergreifender) Methoden sinnvoll bearbeitet werden können.
Das Frühinterventions- und Therapie Zentrum –„FRITZ“ am Urban“ (http://fritz-am-urban.de) bietet niedrigschwellige und multiprofessionelle Behandlung für Jugendliche und junge Erwachsene mit psychotischen Symptomen an. Im Rahmen einer Kooperation mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie wurden neben dem leitlinienbasierten Behandlungskonzept für junge Erwachsene zusätzlich spezifische Therapieangebote für adoleszente Patienten entwickelt (Adoleszenten-/Transitionsstation). Nach einer Einführung in die Rationale und die Datenlage der Früherkennung und Frühintervention wird die Arbeit in folgenden Bereichen mit praktischen Beispielen, Implementationstipps und Diskussionsmöglichkeit vorgestellt:
- Öffentlichkeits- und Awareness-Arbeit
- Diagnostik
- Therapeutische Grundhaltung, Beziehungsgestaltung, psychotherapeutische Interventionen und therapeutischer Umgang mit komorbiden Substanzkonsum
- Intervention von Peermitarbeitern
- Supported employment and education nach dem Individual Placement and Support Modell (IPS)
- Angehörigenarbeit
- Pharmakotherapie
- Hilfreiche Strategien zur Implementation
Didaktische Methoden: Power-Point-Präsentation, Praxisbeispiele, Übungen und Diskussion Literatur: Bechdolf, A, Leopold, K, Lehmann, A, Burkhardt, E (2021). Junge Menschen mit Psychosen begleiten: Das Praxisbuch zum FRITZ. Köln: Psychiatrie-Verlag.
Zielgruppe: Alle in der Psychiatrie tätigen Berufsgruppen (Psycholog:innen, Ärzt:innen, Pflege, Ergotherapeut:innen, Sozialarbeiter:innen)
Durch den leichten Zugang zu Pornographie, Cybersex und sexuellen Kontaktforen im Internet suchen in den letzten Jahren Patient:innen (vorwiegend Männer) mit sexuell süchtigen, exzessiven Verhaltensweisen verstärkt Hilfe bei Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen. In der ICD-10 ist die Einordnung als „gesteigertes sexuelles Verlangen“ oder „sonstige Störung der Sexualpräferenz“ möglich, für die ICD-11 ist die Diagnose „Compulsive Sexual Behaviour Disorder“ (Zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung) operationalisiert worden, während die „Hypersexuelle Störung“ letztlich nicht in das DSM-5 aufgenommen wurde. Ätiologisch sind wahrscheinlich biologische Vulnerabilität, Bindungsstörungen, Störungen der Affektregulation (Bewältigung von Depression, aber auch Aggression) und der Kontrolle sexueller Erregbarkeit bedeutsam. Therapeutische Strategien umfassen neben Psychotherapie und Selbsthilfegruppen auch medikamentöse Behandlung (insbes. Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer).
Im Workshop sollen nach einem Überblick über den derzeitigen Wissensstand eine Sexualanamnese (als wichtigster Teil der Diagnostik) und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten (psychotherapeutisch und medikamentös) auch mithilfe von Fallbeispielen (Videoaufnahmen) erörtert und in Rollenspielen geübt werden. Die Teilnehmer:innen werden gebeten, eigene Fallvignetten mitzubringen.
Die Trancesprache archaischer und traditioneller Kulturen bietet die Möglichkeit, emotionale Ressourcen in besonderem Maße zu aktivieren und körperlich zu vertiefen, ohne dass die Patient:innen „mitarbeiten“ müssen. Dies ist insbesondere von Vorteil für Patient:innen, die dies auch nur schwer können, wie es gerade bei depressiven Patient:innen der Fall ist.
Nach einer kurzen praktischen Einführung in diese Form von Trancesprache stellt der Workshop einen dreiphasigen Behandlungsrahmen zur Hypnotherapie von Depressionen vor und beschreibt für jede Phase entsprechende hypnotherapeutische Maßnahmen, die sich gut in VT- bzw. TP-orientierte Therapien integrieren lassen:
1. „Aufschließungsphase“: Zugang zu einem stereotypen autobiographischen Gedächtnis, Aufbau emotionaler Zugänge zu Selbstwert und Selbstwirksamkeit, Behandlung der körperlichen Basis von chronischen Erschöpfungszuständen.
2. Arbeit an der Depressionsursache: biographische Ursachen („pathogenes Selbstbild“), Anpassungsstörung, komplexe Trauer etc.
3. Mobilisierung des Patienten: Motivations- und Zieltrancen, Aufbau von angemessenem Verhalten, „Identitätsaufbau“.
Die wesentlichen Interventionen werden über Gruppentrancen und Einzeldemonstrationen verdeutlicht.
Psychische Resilienz bezeichnet die Aufrechterhaltung bzw. rasche Wiederherstellung der psychischen Gesundheit während oder nach stressvollen Lebensumständen, oder erfolgreiche Bewältigung eines Stressors. Auch im Kontext psychischer Erkrankungen erfährt die Resilienz, die entgegen früheren Annahmen dynamisch und veränderbar ist, in den letzten Jahren vermehrte Aufmerksamkeit. Dieses Symposium möchte eine Einführung in moderne Resilienzkonzepte geben und sie im Kontext psychischer Erkrankungen diskutieren.
Zunächst wird Prof. Lieb das Symposium mit einer Einführung in aktuelle Konzepte aus dem Bereich der Resilienzforschung eröffnen. Hier werden auch wesentliche empirische Ergebnisse, die im Zuge der Covid-19-Pandemie weltweit gewonnen wurden, beleuchtet, und deren Implikationen für das Forschungsfeld und die Praxis diskutiert.
Im Anschluss stellt Frau Stoffers-Winterling am Beispiel der Borderline-Persönlichkeitsstörung exemplarisch dar, wie sich Resilienz auch bei Personen mit einer längerfristigen psychischen Störung wiederfindet, und welchen Einfluss sie auf den Verlauf hat.
Prof. Voderholzer wird schließlich Ergebnisse aus einer großen Querschnittstudie berichten, in welcher der Zusammenhang von Resilienz, diagnostischen und soziodemographischen Faktoren bei einer gemischten Patientenstichprobe untersucht wurde. Implikationen für die klinische Praxis im Hinblick auf die Identifizierung besonders vulnerable Patientengruppen wie auch Ansätze zur Förderung der Resilienz werden diskutiert.
Der Zusammenhang zwischen emotionalen Prozessen und psychischer Gesundheit ist in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus gerückt. Dabei haben sich Grundlagenforschung und klinische Forschung weitestgehend getrennt voneinander entwickelt. Aus der Grundlagenforschung entstandene Erkenntnisse können genutzt werden, um Psychotherapie weiter zu optimieren. Schwierigkeiten im Umgang mit Emotionen stehen im Zentrum vieler psychischer Erkrankungen, sodass die Vermittlung von Techniken zur Emotionsregulation aus der moderner Psychotherapie nicht wegzudenken ist. Jedoch ist der Umgang mit Emotionen abhängig von der therapeutischen Methode recht unterschiedlich. In diesem Symposium werden daher die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang mit Emotionen aus dem Blickwinkel von verschiedenen modernen Psychotherapiemethoden beleuchtet und in Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung zu emotionalen Prozessen gebracht. Zu Beginn des Symposiums gibt Philipp Klein, Lübeck, einen Überblick über die von Lisa Feldman Barrett entwickelte „Theory of Constructed Emotions“ und leitet daraus mögliche Implikationen für die moderne Psychotherapie ab. In den drei folgenden Vorträgen wird die Haltung gegenüber Emotionen und die therapeutische Vorgehensweise zum Aufbau verbesserter Fertigkeiten im Umgang mit Emotionen aus Sicht der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) von Christian Stiglmayr, Berlin, der Acceptance-and-Commitment-Therapy (ACT) von Ronald Burian, Berlin, und der Mentalisierungsbasierten Therapie (MBT) von Jana Volkert, Berlin, vorgestellt und gemeinsam diskutiert.
Die schnelle Wirksamkeit von (Es)Ketamin zur Depressionsbehandlung ruft ein enormes Interesse von Patienten, Klinikern und Grundlagenwissenschaftlern hervor. In kaum einem anderen Feld der Psychiatrie gibt es eine so dynamische Entwicklung, aber auch so viele unrealistische Erwartungen und kommerziellen Wildwuchs. Es ist unbedingt notwendig, Kliniker besser über diese Behandlungsstrategie zu informieren und verlässliche Standards zu entwickeln. Auch in Deutschland wurden in den letzten Jahren umfangreiche Studien zu (Es-)Ketamin durchgeführt; in diesem Symposium wird der Stand der Forschung zusammengefasst und die aktuellen Befunde der beteiligten Gruppen präsentiert.
Zunächst geht Dr. Maria Gilles (Mannheim) auf die praktische, klinische Anwendung von (Es-)Ketamin bei therapieresistenten Depressionen ein. Sie wird die Indikationen und die mögliche klinische Standardisierung hinsichtlich Protokollen, Aufklärung, Durchführung und Überwachung vorstellen. Prof. Malek Bajbouj (Berlin) fasst in seinem Beitrag die sich schnell entwickelnde klinische Studienlage zum Einsatz von (Es-)Ketamin beim Menschen zusammen und fokussiert darauf, welche Patienten davon profitieren könnten. Im Folgenden spricht Prof. Martin Walter (Jena) zu den ersten klinischen Erfahrungen nach der Zulassung von Esketamin und geht der Frage nach, in wie weit periphere und zentrale Nebenwirkungen von (Es)Ketamin prädiktive Marker für die Wirksamkeit der Substanz sein können. Er zeigt dazu Befunde aus Klinik und Bildgebung. Abschließend fasst Prof. Claus Normann (Freiburg) das aktuelle Wissen zu den Wirkmechanismen von (Es)Ketamin in Abgrenzung zu den klassischen Antidepressiva zusammen. In wichtigen Studien konnten im letzten Jahr neue Anhaltspunkte dafür gefunden werden, an welche Strukturen (Es)Ketamin im Gehirn bindet (BDNF-Rezeptor, Untereinheiten des NMDA-Rezeptors auf Interneuronen) und wie seine antidepressive Wirksamkeit zustande kommt.
„Musik ist die größte Malerin von Seelenzuständen“ postulierte der Musikhistoriker und Komponist August Wilhelm Ambros vor zwei Jahrhunderten.
Musik kann Angst auslösen und reduzieren, sie kann die Stimmung verbessern oder den „blues“ verstärken. Ihre „psychotropen“ Effekte lassen sich in biologischen und kognitiven Korrelaten abbilden, die uns helfen, die psychologische Dimension von Musik besser zu verstehen und zu nutzen. So stellen diese Befunde eben auch eine Rationale für den Einsatz von Musik als therapeutisches Element dar. Die Musiktherapie ist bereits langfristig ein integraler Baustein der multimodalen Behandlung psychischer Erkrankungen und wird heute nahezu flächendeckend im (teil-)stationären Setting angeboten. Die aktuelle Forschung auf diesem Gebiet konzentriert sich neben der Identifikation von Wirkfaktoren auch auf die „bezogenen Individuationsprozesse“, die durch Musik bzw. Musizieren bei Menschen mit psychischen Erkrankungen induziert werden können. Jedoch muss auch der Mensch, der sich im „Berufsfeld Musik“ bewegt, im Kontext von „Musik und Psyche“ betrachtet werden. Berufsmusiker:innen und Studierende der Musik haben nicht nur ein Hobby zu Profession gemacht, sondern bewegen sich über Jahrzehnte in einem stark kompetitiven Umfeld innerhalb eines Hochleistungssektors. Dies kann stimulieren und motivieren, jedoch auch eine Risikokonstellation für die Entwicklung von („stress¬reaktiven“) psychischen Erkrankungen darstellen. Die Auftrittsangst ist dann nur eine der möglichen Entitäten, die die Berufsausübung bedrohen können und einer individualisierten Therapieplanung bedürfen. Bestimmte Persönlichkeitseigenschaften sowie belastungsassoziierte Variablen können in diesem Kontext je nach Ausprägung entweder als Risikofaktoren fungieren oder einer gewissen protektiven Funktion zugeordnet werden.
Viele psychiatrische Erkrankungen zeigen chronische, manchmal lebenslange, Verlaeufe mit starken interindividuellen Unterschieden hinsichtlich Symptomenauspraegung, kognitiven Einschraenkungen, etc. Studien zu den neurobiologischen Grundlagen dieser longitudinalen Phaenotypen sind allerdings sehr aufwendig und mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
Unser Symposium stellt verschiedene Ansaetze vor, die eine neurobiologische Charakterisierung grosser longitudinaler Kohorten verfolgen. Der Vortrag von Simon Eickhoff gibt einen Überblick über das Potential von Methoden des maschinellen Lernen zur Definition datengetriebener Phänotypen, die Erforschung ihrer neurobiologischen Korrelate und die individuelle Vorhersage klinischer Verläufe. Tilo Kircher widmet sich in seinem Vortrag dem Vulnerabilität-Stress-Modell und seiner Bedeutung fuer longitudinale Phaenotypen. Der Einfluss von Lebensereignissen im Erwachsenenalter auf Hirnstruktur und Funktion wurde bisher ausschließlich im Rahmen schwerwiegender Ereignisse, aber nicht ueblicher Lebensereignisse, untersucht. Hierzu werden neue Ergebnisse aus einer großen, longitudinalen Stichprobe (DFG FOR2107) vorgestellt. Thomas Nickl-Jockschat stellt in seinem Vortrag die Iowa Longitudinal Study (ILS) Kohorte vor, in deren Rahmen ca. 400 Schizophrenie-Patienten ueber einen mittleren Beobachtungszeitraum von ueber 10 Jahren klinisch und neurobiologisch charakterisiert wurden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf neuroanatomischen longitudinalen Endophaenotypen und deren Verhaeltnis zum klinischen Langzeitverlauf. Zuletzt wird Hans Grabe die Study of Health in Pomerania (n=700) vorstellen, fuer die schlafpolysomnographische Messungen und MRT-Scans des Gehirns durchgeführt wurden. In diesem Vortrag werden erstmals die Ergebnisse der intraindividuellen longitudinalen Veränderungsmessung über einen 7-Jahreszeitraum dargestellt und mögliche Effekte auf Kognition und Psychopathologie analysiert.
Etwa 10% der an Covid-19 erkrankten Menschen entwickeln nach der akuten Krankheitsphase überdauernde Beschwerden. Das häufigste Symptom ist Fatigue, ein Zustand vermehrter körperlicher und geistiger Ermüdung. Schlafstörungen treten bei etwa 30% der Patienten mit Post Covid Syndrom auf und können zusätzlich zu Müdigkeit beitragen. Es besteht eine bidirektionale Interaktion zwischen Schlaf und immunologischen Funktionen: Einerseits spielt Schlaf eine wichtige Rolle für die Regulation des Immunsystems und das immunologische Gedächtnis, andererseits wirken sich Entzündungskonstellationen auf die Schlafarchitektur aus. Diese Zusammenhänge unterstreichen die Bedeutung von Schlafstörungen und deren Behandlung beim Post Covid Syndrom. Das Symposium widmet sich den Wechselwirkungen zwischen Schlaf und Immunsystem in Bezug auf das Post Covid Syndrom und gibt Einblick in aktuelle Entwicklungen zur Erkrankung.
Tanja Lange aus Lübeck wird grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse zur Rolle des Schlafs für die Immunregulation und zu Mechanismen, mit denen chronische Entzündungsprozesse zu Schlafveränderungen, Fatigue und autonomer Dysregulation führen können, vorstellen.
Mit Schlafstörungen im Rahmen von Covid-19 und präventiv-medizinischen Ansätzen beschäftigt sich der Vortrag von Kneginja Richter aus der psychiatrischen Klinik der Universität Nürnberg.
Claudia Schilling aus dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim wird Daten zu vorbestehender Schlafstörung als Risikofaktor für die Entwicklung des Post Covid Syndroms vorstellen und anhand einer eigenen polysomnographischen Studie auf unterschiedliche schlafbezogene Phänotypen von Post Covid eingehen.
Aufgrund ihrer langjährigen wegweisenden Forschung im Bereich Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) und nun auch Post Covid berichtet Carmen Scheibenbogen aus der Charité in Berlin über das Post Covid Syndrom und aktuelle Konzepte zu Mechanismen und Therapieansätzen.
Im Kooperationssymposium der Referate Psychotherapie und Gesundheitsfachberufe werden sowohl die Potentiale psychodynamisch orientierter Therapien (insbesondere Kunst-und Musiktherapie und die Konzentrative Bewegungstherapie) als auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgeführt und diskutiert. Darüber hinaus werden neueste Erkenntnisse und Projekte vorgestellt.
Bernhard Strauß (Jena) gibt in seinem State of the Art- Vortrag einen Überblick zu den Wirkfaktoren der Psychotherapie.
Kunsttherapie wird als komplementäre Methode zur Erhaltung, Förderung und Wiedererlangung von mentaler Gesundheit in sehr vielen Kliniken der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik eingesetzt. Die positive Wirksamkeit der Interventionen wird vorausgesetzt. Dabei sind empirische Studien, die diese Wirksamkeit belegen, selten. Im Vortrag werden neueste Erkenntnisse der Wirksamkeitsforschung von Kathrin Seifert (Bonn / Ottersberg) präsentiert.
Die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) ist eine körperpsychotherapeutische Methode, die auf psychodynamischen und entwicklungspsychologischen Theorien basiert. Sie entfaltet ihre Wirkung über das konzentrative Erleben des eigenen Körpers in der Interaktion mit Materialien, dem eigenen Selbst und anderen Personen. Karin Schreiber-Willnow (Bad Honnef) stellt die aktuelle Studienlage vor.
Anne Schnell (Basel) stellt ein innovatives musiktherapeutisches Konzept zur Behandlung von Rauschzuständen und Sucht vor. Basis des Behandlungsplans stellt die Auswertung einer einjährigen Datenerhebung dar. Dabei hat sich die freie Improvisation als sehr geeignete fachspezifische Behandlungsmethode erwiesen, um Patient*Innen in ihrem Kampf gegen die Sucht zu unterstützen, weil sie den Drang nach Rauschzuständen sowie weiteren typischen Themen einer Suchterkrankung (unterdrückte Emotionen, gestörte Interaktionsmuster, Schuld und Schamgefühle, Komorbiditäten, usw.) hörbar macht, aber auch eine breite Palette an Interventionsmöglichkeiten bietet.
Die Behandlung von Suchtverhalten ist ein zentraler Bestandteil psychiatrisch-psychotherapeutischer Interventionen. In den vergangenen Jahren wurde über die Leitlinienarbeit nicht allein die Evidenzbasierung spezifischer Interventionen belegt; durch die systematischen Literaturrecherchen konnten auch die Daten zur Behandlung im sozialen und familiären Kontext strukturiert und in Behandlungsempfehlungen übersetzt werden. Das aktuelle Symposium der DG-Sucht fokussiert auf praxisrelevante Interventionen, die den familiären Kontext einbeziehen, von der Schwangerschaft, über die Unterstützung für Kinder suchterkrankter Eltern, über Adoleszenten- und Elterntraining bis hin zur Angehörigenarbeit. Dabei wird deutlich, in welchem Umfang die Suchttherapie innovative und spezifische Behandlungsempfehlungen hierzu vorhält.
Spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und der Flucht von ca. 600.000 Menschen nach Deutschland ist klar: Viele Menschen haben aufgrund traumatischer Fluchterfahrungen Bedarf an psychiatrisch-psychotherapeutischer Beratung, Diagnostik und Behandlung. Allerdings erschweren mangelnde Sprachkenntnisse den therapeutischen Prozess – für Geflüchtete und auch für Personen, die schon länger in Deutschland leben. Helfen könnten so genannte „Sprachmittler“, die neben der Sprache der Betroffenen auch Wissen über das Gesundheitssystem und über psychische Erkrankungen mitbringen. Diese Leistungen werden derzeit nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag angekündigt, dies zu ändern. In einem Positionspapier fordert die DGPPN gemeinsam mit weiteren psychiatrisch-psychotherapeutisch-psychosozialen Fachverbänden die Regierung auf, die Pläne umgehend umzusetzen.
In diesem Symposium wird aus Sicht der psychiatrisch-psychotherapeutisch-psychosozialen Fachverbände zunächst dargestellt, dass Sprachmittlung eine zentrale Voraussetzung dafür ist, dass Behandlungsangebote tatsächlich in Anspruch genommen werden, denn sprachliche und kulturelle Verständigungsprobleme erschweren den Zugang zum Gesundheitssystem. Im Behandlungsverlauf führt mangelndes Verstehen unweigerlich zu unpräzisen oder gar fehlerhaften Anamnesen und Diagnosen, die dann wiederum Probleme in der Therapie nach sich ziehen. Kulturelle und psychosoziale Faktoren beeinflussen zudem die Erwartungen der Patienten an die Behandlung, ihre Therapiemotivation und auch die Bereitschaft, die Behandlung wie vom Arzt empfohlen durchzuführen. Sprachmittlung ist also ein unentbehrliches Mittel, Personen mit geringen Deutschkenntnissen den Zugang zu fachgerechter Diagnostik und Therapie zu ermöglichen. Sie muss über den gesamten Behandlungsverlauf, sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich, gewährleistet werden.
Anschließend wird dargelegt, was gute Sprachmittlung im psychiatrisch-psychotherapeutischen Kontext ausmacht. Es wird u. a. der Stand der Evidenz im internationalen Vergleich diskutiert. Generell geht Sprachmittlung weit über das bloße Übersetzen des gesprochenen Worts hinaus. „Sprach- und Kulturmittler“ sollten nicht nur die Sprache der Patienten sprechen, sondern sich auch mit psychischen Erkrankungen und deren Behandlung auskennen. Aus Sicht der Fachgesellschaft muss die Entscheidung darüber, ob ein Sprachmittler in den therapeutischen Prozess einbezogen wird, auch unbedingt von der behandelnden Person selbst getroffen werden.
In einem dritten Beitrag wird referiert, wie Psychotherapie unter Einbezug eines Sprachmittlers gelingen kann. Hierfür gibt es eine Reihe von best practice Modellen in Deutschland, wie ein längerer psychotherapeutischer Prozess zu dritt funktioniert. Sprachmittlung muss insbesondere auch jenen Personen zur Verfügung gestellt werden, die als Geflüchtete in Deutschland leben. Schließlich ist für sie die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Erkrankung durch die traumatischen Erfahrungen um ein Vielfaches erhöht.
Es wird deutlich, dass Sprachmittlung im psychiatrisch-psychotherapeutischen Kontext eine herausfordernde Tätigkeit ist, die hohe Anforderungen an die Qualifikationen stellt. Sie muss daher entsprechend angemessen vergütet werden. Zudem darf Sprachmittlung nicht nur als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen angeboten werden, um auch geflüchteten Patienten zur Verfügung zu stehen. Abschließend sollen daher gesundheitspolitische Perspektiven und Gedanken zur Implementierung der Sprachmittlung in der Regelversorgung diskutiert werden.
Das Erleben eines traumatischen Ereignisses kann zu einer Erschütterung der eigenen Annahmen über die Welt und sich selbst führen. Vor allem interpersonelle Traumatisierungen führen hier zu einem Verlust von Vertrauen in andere Menschen und zur Entwicklung einer Traumafolgestörung, allen voran einer (komplexen) Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Bei Menschen, die bereits in ihrer Kindheit Traumatisierungen erfahren mussten, wurden diese Annahmen und das interpersonelle Vertrauen in einer besonders vulnerablen Phase des Lebens erschüttert. Diese Erschütterung hat zur Konsequenz, dass nachfolgende Entwicklungsaufgaben in der Jugend und im Erwachsenenalter nur schwer oder auch gar nicht erfüllt werden können und die psychische Gesundheit sowie die individuelle Verortung in der Gesellschaft beeinträchtigt sind. Umso dringlicher ist es, Traumafolgestörungen wirksam zu behandeln. Hier zeigen sich trauma-fokussierte Therapien als Methode der Wahl, die die Verarbeitung von Traumaerinnerungen sowie kognitive Umstrukturierung beinhalten.
Das Symposium präsentiert aktuelle Labor- und klinische Studien, die die Auswirkungen von Kindheitstraumatisierungen im Erwachsenenalter vorstellen. Hier werden spezifisch die Auswirkungen auf die soziale Teilhabe im Erwachsenenalter sowie die Auswirkungen auf das epistemische Vertrauen beleuchtet und somit die Auswirkungen auf die gesellschaftliche Verortung in Zusammenhang mit psychischer Gesundheit beleuchtet. Im abschließenden Teil des Symposiums wird dann aufgezeigt und diskutiert, welchen Einfluss neu erarbeitete Gedächtnisspuren und die Verbesserung von Umbewertungsprozessen auf personalisierte Traumatherapien haben können.