Psychologische und psychosoziale Aspekte haben in der Versorgung von Patientinnen und Patienten bei schweren körperlichen Erkrankungen und intensivmedizinischen Eingriffen eine große Bedeutung. Angststörungen, affektive Störungen und Posttraumatische Belastungsstörungen sind häufige komorbide Störungen vieler akuter und chronischer körperlicher Krankheiten. Komorbide psychische Störungen sind in diesen Patientengruppen oft häufiger als in der Allgemeinbevölkerung und machen einen erheblichen Teil der psychosozialen Belastung durch diese Erkrankungen aus und haben oft auch Einfluss auf den Verlauf der körperlichen Erkrankung. Die sorgfältige Diagnostik und psychosoziale Versorgung bei hoher körperlicher Symptomlast stellen nach wie vor eine Herausforderung dar. In diesem Symposium fokussieren wir insbesondere auf die Intensiv- und Notfallmedizin als auch die Onkologie. Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie gibt das Symposium einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Aspekten der Traumatisierung bei schweren körperlichen Erkrankungen und Intensiv- und notfallmedizinische Behandlungen, zu psychischen Folgen intensivmedizinischer Behandlung von Covid-19, zu Post-COVID Fatigue und neuropsychiatrischen Aspekten sowie zur Epidemiologie psychischer Störungen und subjektiven Unterstützungsbedürfnissen bei Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung. Wir leiten aus den Ergebnissen Konsequenzen für die Verbesserung von psychosozialen Behandlungs- und Versorgungsplänen ab.
13:30 Uhr
Schwere Erkrankungen und intensiv- und notfallmedizinische Behandlungen als Traumatisierungen
H. Glaesmer (Leipzig, DE)
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Autor:in:
H. Glaesmer (Leipzig, DE)
Traumatisierungen im medizinischen Kontext stellen ein Gebiet der Psychotraumatologie dar, welches eher weniger Beachtung findet. Hinter dem Begriff verbergen sich einerseits schwere Erkrankungen und Notfälle als traumatische Ereignisse und andererseits können medizinische Behandlungen selbst traumatisierend wirken und zum Beispiel zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung führen. Häufig werden diese jedoch nicht erkannt. Die Metaanalysen von Edmondson und Kollegen (2012, 2013) belegen dies für kardiovaskuläre Erkrankungen sehr eindrucksvoll: 12% aller Patienten nach kardialen Ereignissen (z.B. akutes Koronarsyndrom) entwickeln eine Posttraumatische Belastungsstörung, nach zerebrovaskulären Ereignissen sind es sogar 23% aller Patienten. Zunächst einmal entstehen Belastungen für die Patienten durch die Symptomatik der Posttraumatischen Belastungsstörung selbst. Darüber hinaus ist inzwischen deutlich geworden, dass die Konsequenzen durch eine komorbide PTBS darüber aber weit hinausgehen. Die Prognose der medizinischen Grunderkrankung wird ungünstig beeinflusst und die Mortalität ist zum Beispiel bei Patienten mit PTBS nach kardialen Ereignissen deutlich erhöht. Die Ursachen für diese negativen Folgen sind sowohl auf psychologischer Ebene (ungünstige Bewältigungsversuche, verschlechterte Behandlungscompliance, Vermeidungsverhalten) als auch auf neurobiologischer Ebene (z.B. veränderte HPA-Dysregulation und inflammatorische Prozesse) zu suchen. Aus Versorgungsperspektive steht die Verbesserung der Identifikation betroffener Patienten und die Entwicklung und Implementierung von Behandlungsangeboten im Vordergrund. Wirksame und implementierbare Interventionskonzepte bei zum Teil schwer körperlich Erkrankten sind bislang noch nicht hinreichend gut untersucht, auch wenn es erste Modellprojekte gibt, die sich der Thematik annehmen. der Vortrag gibt einen Überblick über die Thematik und führt Beispiel auf
13:52 Uhr
Psychische Folgen intensivmedizinischer Behandlung von COVID-19 bei Patienten und Angehörigen
J. Rosendahl (Jena, DE)
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Autor:innen:
J. Rosendahl (Jena, DE)
M. Schuster (DE)
T. Deffner (DE)
Ziel der vorliegenden Studie war es, Covid-19-Patient*innen und deren Angehörige nach intensivmedizinischer Behandlung zu ihrer psychischen Belastung, Fatigue und Lebensqualität zu befragen und mit Daten der Allgemeinbevölkerung sowie Sepsis-Patient*innen zu vergleichen. Zudem sollte untersucht werden, inwiefern dyadische Assoziationen in der psychischen Belastung von Patient*innen und Angehörigen bestehen.
In eine monozentrische, nicht-kontrollierte Beobachtungsstudie wurden Patient*innen eingeschlossen, die von November 2020 bis März 2021 am Universitätsklinikum Jena aufgrund einer schweren Covid-19-Erkrankung intensivmedizinisch behandelt wurden, sowie Angehörige dieser Patient*innen. Die Studienteilnehmenden wurden drei bis sechs Monaten nach Entlassung kontaktiert und mittels standardisierter Fragebögen zu ihrer aktuellen psychischen Belastung, Fatigue und Lebensqualität befragt. Dyadische Assoziationen wurden mittels Pearson Korrelationen ermittelt.
Es nahmen 72 Patient*innen (67% Männer, Alter Mdn 64 Jahre, Dauer ITS-Behandlung Mdn 10 Tage) und 56 Angehörige (80% Lebenspartner*innen, 80% Frauen, Alter Mdn 60 Jahre) an der Studie teil (Rücklauf 44%). 17% der Patient*innen zeigten klinisch auffällige Symptome einer Angststörung, 25 % die einer Depression und 45 % wiesen eine PTBS-Verdachtsdiagnose auf. Covid-Patient*innen zeigten im Vergleich zu Sepsis-Patient*innen eine signifikant höhere PTBS-Symptomlast und eine geringere Lebensqualität. Jeder dritte Angehörige wies eine PTBS-Verdachtsdiagnose auf. Es konnten signifikant positive dyadische Assoziationen in Angst, Depression, Fatigue und Lebensqualität von Patient*innen und Angehörigen nachgewiesen werden.
In der Nachsorge sind ein rechtzeitiges Screening auf psychische Belastung und gezielte Rehabilitationsprogramme nötig, um die Genesung von Covid-Patient*innen bestmöglich zu unterstützen. Angehörige der Patient*innen sollten in psychologische Nachsorgeangebote einbezogen werden.
14:14 Uhr
Post-COVID-Fatigue und neuropsychiatrische Aspekte: Ergebnisse des Nationalen Pandemie Kohorten Netzes (NAPKON)
T. Hartung (Berlin, DE)
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Autor:in:
T. Hartung (Berlin, DE)
Zuverlässige Schätzungen der Häufigkeit, des Schweregrads und der Risikofaktoren von Fatigue und kognitiver Beeinträchtigung nach COVID-19 werden dringend benötigt. Außerdem ist unklar, ob es sich dabei um unterschiedliche Folgeerscheinungen von COVID-19 oder um ein und dasselbe Syndrom handelt.
Präsentiert werden Ergebnisse der prospektiven multizentrischen NAPKON-POP Studie, in der die Häufigkeit von Fatigue und kognitiven Beeinträchtigungen nach COVID bei n=969 Patient:innen (535 [55%] weiblich) ≥6 Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion mit validierten Instrumenten erhoben wurden. Häufigkeit und Schwere von Fatigue wurden mit 969 gematchten non-COVID-Kontrollen aus einer vor der Pandemie durchgeführten, randomisierten, deutschlandweiten Bevölkerungserhebung verglichen.
Fatigue wurde in der COVID-19 Gruppe signifikant häufiger berichtet als in der Kontrollgruppe. Ebenfalls war die Rate an kognitiven Defiziten hoch. Es bestand kein signifikanter Zusammenhang zwischen Fatigue und kognitiver Beeinträchtigung und nur ein kleiner Anteil der Patient:innen litt unter beiden Syndromen. Assoziierte soziodemografische, komorbide, klinische und psychosoziale Faktoren sowie Labormarker werden präsentiert und kritisch diskutiert. Die Ergebnisse werden im Kontext kürzlich erschienener Studien betrachtet.
Insgesamt sind Fatigue und kognitive Beeinträchtigung als zwei häufige, aber separate Folgeerscheinungen von COVID-19 mit potenziell verschiedenen pathophysiologischen Mechanismen zu werten.
14:36 Uhr
Auftretenshäufigkeit psychischer Störungen und subjektive Unterstützungsbedürfnisse bei Patient:innen mit einer Krebserkrankung im Krankheitsverlauf
A. Mehnert-Theuerkauf (Leipzig, DE)
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Autor:innen:
A. Mehnert-Theuerkauf (Leipzig, DE)
J. Marie Hufeld (Leipzig, DE)
P. Esser (Leipzig, DE)
T. Zimmermann (DE)
U. Goerling (DE)
M. Hermann (DE)
H. Reuter (DE)
P. Hövel (DE)
B. Hornemann (DE)
J. Ernst (DE)
Hintergrund
In Deutschland und den anderen Industrieländern weltweit nimmt mit einer älter werdenden Bevölkerung und einer verbesserten Früherkennung, Diagnostik und Behandlung die Zahl der Patienten, die geheilt werden oder lange Zeit mit der Erkrankung leben, deutlich zu. Die weltweite Krebsinzidenz lag 2020 bei 19,3 Millionen. Bis 2040 wird ein Anstieg der Inzidenz von 47% gegenüber 2020 erwartet, womit mit etwa 28,4 Millionen Krebspatienten zu rechnen ist. Die bedarfsgerechte Planung der psychosozialen Versorgung für Patienten aber auch für die Angehörigen mit Blick auf Versorgungsbedarfe und Versorgungsbedürfnisse nimmt einen hohen Stellenwert ein.
Ziele
Im Rahmen der longitudinal und multizentrisch angelegten Studie zur Untersuchung des psychoonkologischen Unterstützungsbedarfs von Patienten und deren Angehörigen stratifiziert nach biopsychosozialen Einflussfaktoren (LUPE) werden drei primäre Fragestellungen untersucht: 1. Welches sind die subjektiv wahrgenommenen Belastungen und Unterstützungsbedürfnisse der Patienten und Angehörigen; 2. Wie hoch ist die Prävalenz psychischer Störungen? 3. Welche psychosozialen Unterstützungsangebote nutzen Patienten und Angehörige und in welchen Bereichen gibt es Versorgungslücken? Moderierende Faktoren wie u.a. der sozioökonomische Status werden bei den Analysen berücksichtigt.
Methode und Studienteilnehmer
Die Studie (1/2020-12/2022) schließt knapp 1.000 Patienten und 360 Angehörige ein. Beide Gruppen werden (beginnend mit der Krebsdiagnose) im halbjährlichen Abstand zu vier Messzeitpunkten mit validierten Fragebögen befragt (T1-T4). Die Patienten werden zusätzlich zu jedem der vier Messzeitpunkte mit dem SCID-5 befragt. In die Studie eingeschlossen werden neu diagnostizierte Patienten mit soliden Tumoren, Angehörige benennt der Patient.
Ergebnisse
Aktuell ist der Messzeitpunkt T1 abgeschlossen. Es werden erste Ergebnisse zu psychosozialen Belastungen und der Prävalenz psychischer Störungen präsentiert.