Das Symposium umfasst vier Beiträge, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Psychiatrie und Psychotherapie für Einsatzkräfte der Bundeswehr beschäftigen.
Im ersten Beitrag geht Peter Zimmermann auf die Folgen des Kriegs in der Ukraine für die Psychiatrie und Psychotherapie in der Bundeswehr ein. Veränderte Versorgungsgrundlagen sowie neue Konzepte der Prävention und Behandlung kriegsbedingter psychischer Störungen werden diskutiert, wie beispielsweise der Umgang mit moralischen Verletzungen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die neueren Trends und präsentiert erste Evaluationen.
Helge Höllmer beschäftigt sich mit Victim Blaming bei einsatztraumatisierten Soldaten. Im Rahmen einer quantitativen Erhebung wurde untersucht, ob bei potentiell traumatischen Erlebnissen Soldaten aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit häufiger von Victim Blaming betroffen sind als Angehörige anderer risikobehafteter Berufe. Dabei wurde der Einfluss der Gruppenzugehörigkeit des Traumatisierten und der Befragten sowie weiterer Variablen hinsichtlich der Ausprägung des Victim Blamings untersucht.
Thomas Emser berichtet über Einflussfaktoren zur Stärkung der Rehabilitations- bzw. Krankheitskompetenz einsatzgeschädigter Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. In einer qualitativen Studie basierend auf Interviews von Betroffenen und Vorgesetzten wurden Kenntnisse und Einstellungen zum Krankheitserleben und Versorgungssystem sowie krankheitsaufrechterhaltende bzw. rehabilitationsprozessbeeinflussende Faktoren aus unterschiedlichen Perspektiven identifiziert.
Im letzten Beitrag beschäftigt sich Antje Bühler mit kognitiven Verarbeitungsstrategien wehrdisziplinarer Vernehmungen durch soldatische Patienten der Bundeswehr. Auf der Grundlage problemzentrierter Interviews wurde die Rolle der Vernehmungsqualität im Rahmen subjektiver Krankheitstheorien aus Patientensicht analysiert. Zudem konnten dysfunktionale Kognitionen und Strategien zur Dissonanzreduzierung identifiziert werden.
15:30 Uhr
Krieg in Europa – neue Themen für eine Militärpsychiatrie im Wandel
P. Zimmermann (Berlin, DE)
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Autor:in:
P. Zimmermann (Berlin, DE)
Psychiatrie im militärischen Kontext stellt eine Herausforderung für therapeutische Konzeptionen dar, die an die jeweiligen gesellschaftlichen Hintergründe und die geopolitische Lage angepasst werden müssen. Die therapeutischen Settings in den Bundeswehrkrankenhäusern sehen sich aktuell mit einem vermehrten Aufkommen von aktiven und ehemaligen SoldatInnen konfrontiert, die nach Traumatisierungen in der Balkanregion nun durch den Krieg in der Ukraine psychisch getriggert und behandlungsbedürftig werden.
Dabei spielen Thematiken eine Rolle, die für Einsatzkräfte und insbesondere das Militär eine gewisse Spezifität aufweisen, z.B der Umgang mit moralischen Verletzungen und Veränderungen von Wertorientierungen. Für derartige spezielle Anforderungen wurden in den letzten Jahren manualisierte Programme entwickelt und auch evaluiert, die im Rahmen dieses Beitrags vorgestellt und diskutiert werden
15:52 Uhr
Victim Blaming bei einsatztraumatisierten Soldaten der Bundeswehr
H. Höllmer (Hamburg, DE)
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Autor:in:
H. Höllmer (Hamburg, DE)
Victim Blaming bei einsatztraumatisierten Soldaten - Eine zweifaktorielle Mixed Method Varianzanalyse und Regressionsanalyse"
Aufbauend auf einer qualitativen Untersuchung an Studenten der Bundeswehruniversität Hamburg aus dem Jahr 2020, in welcher das Vorhandensein von Victimblaming gegenüber einsatztraumatisierten Soldaten aufgezeigt werden konnte, wird im Rahmen einer quantitativen Erhebung unter Studenten einer zivilen Universität (Universität Hamburg) sowie der Universität der Bundeswehr Hamburg untersucht, ob bei potentiell traumatischen Erlebnissen Soldaten aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit signifikant häufiger von Victim Blaming betroffen sind als Angehörige anderer risikobehafteter Berufe? Zudem wird untersucht, ob es einen Interaktionseffekt zwischen der Gruppenzugehörigkeit des Traumatisierten (Traumatisierung eines Arztes und Traumatisierung eines Soldaten) und der Gruppenzugehörigkeit der Befragten (zivilen und militärischen Befragte) hinsichtlich der Ausprägung des Victim Blamings gibt und ob ggf. vorhandene Zusammenhänge durch das Alter, das Geschlecht, Gruppenzugehörigkeit der Befragten sowie den Glauben an einen freien Willen mediiert werden?
16:14 Uhr
Einflussfaktoren zur Stärkung der Rehabilitations- und Krankheitskompetenz einsatzgeschädigter Soldat:innen der Bundeswehr
T. Emser (Cochem, DE)
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Autor:in:
T. Emser (Cochem, DE)
In diesem Beitrag wird zunächst die Betreuung und Versorgung von einsatzgeschädigten Soldatinnen und Soldaten aus Sicht der für die Primärversorgung an den Standorten zuständigen Truppenärzte als „Gatekeeper“ innerhalb der Bundeswehr aufgezeigt. Dabei werden Möglichkeiten, Herausforderungen und Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den Betroffenen selbst und den verschiedenen Akteuren im umfassenden Versorgungsangebot dargestellt. Es wird darauf eingegangen, dass das intensive Befassen dieser Aspekte mit dem Ziel der positiven Einflussnahme den entscheidenden Anstoß für die Durchführung einer Studie gab. In einem zweiten Teil wird zunächst die Einordnung einer qualitativen Studie mittels teilstrukturierten leitfadengestützten Interviews zu diesem Thema in den Gesamtkontext vorgenommen und deren Umsetzung unter den Voraussetzungen des Settings einer regionalen Sanitätseinrichtung vorgestellt. Dabei werden die entscheidenden Faktoren der systemübergreifenden Vernetzung und Synergiebildung zu fachlichen und organisatorischen Aspekten hervorgehoben. In einem abschließenden Teil erfolgt die Darstellung erster Erkenntnisse aus dieser Studie. Dabei werden die beiden für das Gelingen des Rehabilitationsprozesses wesentlichen Aspekte des Selbsterlebens der Erkrankung durch die Betroffenen und der durch diese bedingten Einschränkungen in der Lebensgestaltung sowie die Möglichkeiten und Grenzen des Fürsorge- und Unterstützungsangebotes im Versorgungssystems der Bundeswehr aus der Sicht von Betroffenen sowie aus der Sicht von Vorgesetzten von Einsatzgeschädigten beleuchtet. Abschließend werden diese ersten Erkenntnisse in Bezug auf ihre Wertigkeit für Denkanstöße zu weiteren Studien sowie zur Verbesserung der Rehabilitations-/Patientenkompetenz und der Versorgung von einsatzgeschädigten Soldatinnen und Soldaten eingeordnet.
16:36 Uhr
Kognitive Verarbeitungsstrategien wehrdisziplinarer Vernehmungen durch soldatische Patient:innen
A. Bühler (Berlin, DE)
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Autor:in:
A. Bühler (Berlin, DE)
Hintergrund und Fragestellung: Bei Verdacht auf ein Dienstvergehen oder gar einer Straftat von Soldat*innen muss ermittelt werden, unabhängig von der Schwere des Vergehens oder der Pflichtverletzung. Im Gegensatz zu zivilen Kriminalbeamten müssen die verantwortlichen militärischen Ermittler als Disziplinarvorgesetzte eine Reihe weiterer zentraler Aufgaben erfüllen, wie das Führen im bewaffneten Kampf unter Lebensgefahr sowie die Sicherstellung der Einsatzfähigkeit der unterstellten Soldat*innen, einschließlich deren Gesundheit. In der vorliegenden Untersuchung wird der Fragestellung nachgegangen, inwiefern eben diese psychische Gesundheit durch die Art der Ermittlungen möglicherweise beeinflusst wird. Hierbei wird auf die subjektive Sicht von soldatischen Patienten fokussiert.
Methode: Zehn problemzentrierte Interviews mit vernommenen Soldat*innen in psychiatrischer/psychotherapeutischer Behandlung wurden mit unterschiedlichen qualitativen Methoden (induktiv und deduktiv) sowie quantitativ (MDS) ausgewertet und in einer Triangulierung der Methoden in Bezug gesetzt.
Ergebnisse: Die Rolle der Vernehmungsqualität im Rahmen subjektiver Krankheitstheorien wird aus Patientensicht dargestellt. Komplementär werden aus psychotherapeutischer Expertensicht dysfunktionale Kognitionen und Strategien zur Dissonanzreduzierung identifiziert.
Diskussion: Schlussfolgerungen für die Praxis sowie die weitere Forschung werden abgeleitet.