Medizinstudierende und Ärzt:innen sind überproportional häufig psychisch krank. Der Grundstein für psychische Gesundheit/Krankheit wird im Studium gelegt.
Um den Status psychischer Gesundheit im Studium zu quantifizieren, führte die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) 2021 die “MustBeHuman”-Studie als bundesweite Erhebung mit >8.000 Teilnehmenden an 41 Universitäten durch. Diese Daten sollen Grundlagen für bedarfsorientierte und effiziente Maßnahmen schaffen und diese bestmöglich in bestehende Strukturen und Rahmenbedingungen integrieren.
1. Soziodemografische und -ökonomische Daten der “MustBeHuman”-Studie werden im Zusammenhang mit psychischen Parametern betrachtet. Depressivität / Suizidgedanken zeigten eine enorm hohe Prävalenz, allerdings unterschieden sich die Auftretenshäufigkeit und -schwere nach demografischen bzw. wirtschaftlichen Parametern, sowie der Studiendauer.
2. Neben der hohen Prävalenz psychischer Belastung zeigte sich in der o.g. Studie eine starke Zurückhaltung bei der Inanspruchnahme psychologischer Hilfe. Es wurde erfasst, nach welchen Angeboten Bedarf besteht und wie existierende Angebote genutzt werden. Es wird reflektiert, welche (Denk-)Strukturen dieser Zurückhaltung zugrundeliegen.
3. An diversen Fakultäten bestehen bereits curriculare Angebote und studentische Initiativen zur Förderung der psychischen Gesundheit: Wahlfächer, Arbeitsgruppen der Fachschaften oder Workshop-Reihen offerieren Hilfe. Es erfolgt ein kursorischer Überblick und Bericht über die teils bereits von der bvmd vermittelte, standortübergreifende Vernetzung.
4. Spezifische ethische Aspekte des Arztberufs haben für die psychische Gesundheit besondere Bedeutung. ‘Moralischer Stress’ wird zwar vermehrt aufgegriffen, jedoch bisher nicht bei Medizinstudierenden adressiert. Angepasste Interventionen (z.B. ‘Ethik First’ am UKSH Kiel) können den Umgang mit berufs-ethisch herausfordernden Situationen schulen.
10:15 Uhr
Ergebnisse der „MustBeHuman“-Studie zu Soziodemographie und psychischer Gesundheit der Medizinstudierenden in Deutschland
G. Groß (Mannheim, DE)
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Autor:in:
G. Groß (Mannheim, DE)
Die MustBeHuman-Studie der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland erfasst mentale Gesundheit im Kontext soziodemographischer und -ökonomischer Parameter bei Medizinstudierenden in Deutschland.
Es zeigt sich eine, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhte Prävalenz von Depressivität und Suizidalität. In unserer aktuellen repräsentativen Untersuchung zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen den einzelnen Studiensemestern, mit einem Maximum der Depressivität im vierten Semester. Es wurden soziodemographische Faktoren wie Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, akademischer Hintergrund der Eltern, Migration sowie die Pflege von Angehörigen erhoben. Weiterhin wurden verschiedene protektive und Risikofaktoren für die psychische Gesundheit erfasst, z.B. das Vorliegen einer körperlichen Erkrankung.
In unserem Kollektiv zeigte sich ein inverser Zusammenhang zwischen monatlichem Budget und Depressivität, welcher zusätzlich abhängig von der primären Finanzierung des Studiums war. Dabei erwiesen sich Finanzierung durch die Eltern oder ein Stipendium als protektive Faktoren, während BaFöG oder Studienkredite mit einer erhöhten Belastung assoziiert waren.
Die in der Studie erfasste Bestandsaufnahme psychischer Gesundheit im Medizinstudium sowie assoziierte Risiko- und protektive Faktoren sollen die Grundlage bilden, um Studierende gezielt und nachhaltig zu unterstützen.
1. Rotenstein LS, Ramos MA, Torre M, Segal JB, Peluso MJ, Guille C, et al. Prevalence of Depression, Depressive Symptoms, and Suicidal Ideation Among Medical Students: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA. 2016;316(21):2214-36.
2. Mauz E, Eicher S, Peitz D, Junker S, Hölling H, Thom J. Mental health of the adult population in Germany during the COVID-19 pandemic. Rapid Review. Robert Koch-Institut; 2022. p. 1--63.
10:37 Uhr
Was braucht es, damit Medizinstudierende Hilfe annehmen? „MustBeHuman“-Ergebnisse zu individueller Zurückhaltung, strukturellen Hürden und Stigmatisierung
H. Ramming (Regensburg, DE)
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Autor:in:
H. Ramming (Regensburg, DE)
Unsere deutschlandweit repräsentative Umfrage bestätigte die in Voruntersuchungen beschriebene hohe Prävalenz psychischer Erkrankungen unter Medizinstudierenden [1]. Mehr als 60 Prozent der Teilnehmenden die angaben, an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung zu leiden, befanden sich zu diesem Zeitpunkt weder in einer medikamentösen, noch psychotherapeutischen Behandlung. Außerdem zeigte sich eine große Diskrepanz zu Studierenden, die von somatischen Gesundheitsproblemen betroffen waren: in dieser Subgruppe gab weniger als ein Fünftel an, aktuell ohne Behandlung der Beschwerden zu sein. Diese Tendenz der Zurückhaltung bei der Inanspruchnahme professioneller Hilfe für psychische Gesundheitsprobleme, wurde sowohl bei Medizinstudierenden, als auch bei ausgebildetem ärztlichem Personal mehrfach beschrieben [2, 3].
Die Ergebnisse der “MustBeHuman”-Studie sollen in die aktuelle Studienlage eingebettet werden. Es wird ein Überblick gegeben über mögliche Ursachen der Zurückhaltung und die Nutzung der bereits existierenden Angebote. In unserer Befragung zeigte sich beispielsweise, dass einem Drittel der Befragten bereits existente, niederschwellige Unterstützungsangebote der Universtäten gänzlich unbekannt sind. Zusätzlich gab etwa die Hälfte der Nutzer:innen universitärer Angebote an, dass diese nicht an die Bedürfnisse der Studierenden angepasst, oder qualitativ schlecht seien. Der Bedarf an Angeboten wurde in einer zeitlichen, aber auch individuellen Dimension -im Sinne von Risikofaktoren- untersucht und wird im Kontext bereits veröffentlichter Untersuchungen diskutiert.
1. Rosenthal, J.M., White coat, mood indigo--depression in medical school. N Engl J Med, 2005.
2. Schwenk, T.L., Depression, stigma, and suicidal ideation in medical students. Jama, 2010.
3. Oláh, B., Barriers to Seeking Mental Help and Interventions to Remove Them in Medical School
during the COVID-19 Pandemic: Perspectives of Students. Int J Environ Res Public Health, 2022.
10:59 Uhr
Eigeninitiativ: Projekte an Fakultäten und von Studierendenverbänden zur Förderung der psychischen Gesundheit von Medizinstudierenden in Deutschland
M. Lüdtke (Göttingen, DE)
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Autor:in:
M. Lüdtke (Göttingen, DE)
Viele Medizinstudierende in Deutschland erhalten trotz einzelner universitärer Angebote keine ausreichende Möglichkeit sich mit der Förderung ihrer eigenen mentalen Gesundheit auseinanderzusetzen. Die hohe psychische Belastung von sowohl Studierenden als auch Ärzt*innen wird offensichtlich noch immer zu wenig präventiv im Curriculum adressiert.
Andererseits widmen sich insbesondere extracurriculare Angebote und Wahlfächer dieser Thematik. Dabei gründen sich studentische und andere Initiativen an immer mehr Standorten und zeigen damit sowohl den hohen Bedarf, der bei den Studierenden besteht, wie auch deren Motivation und Engagement.
Die Projekte arbeiten häufig in Peer-Teaching Formaten und agieren dabei edukativ, präventiv, und teils auch mit Hilfen für die Akutsituation.
Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden (Bvmd) nimmt hierbei die zentrale Rolle zur Vernetzung als nationale Plattform ein. Die Taskforce für mentale Gesundheit der Bvmd setzt sich für die Wahrnehmung und den aktiven Umgang mit der Problematik ein. In diesem Rahmen bietet sie Koordinations- und Kooperationsmöglichkeiten für die lokalen Einrichtungen.
In diesem Beitrag soll ein Einblick in verschiedene Angebote aus dem Bundesgebiet gegeben werden. Dafür werden einige Standorte wie Regensburg, Erlangen oder Mannheim herausgegriffen und vorgestellt.
Wir gehen darauf ein, welche Personen und Gruppen die Hilfe anbieten, welchen Stellenwert das lokale Angebot hat und wie die einzelnen Gruppen miteinander vernetzt sind.
Als Beispiel dafür, wie erfolgreich weiterführende nationale Ansätze sein können, wird zudem das Projekt StudySmart präsentiert.
11:21 Uhr
Moralischer Stress als unterschätzter Belastungsfaktor im Medizinstudium – zur Notwendigkeit adaptierter Interventionen
E. Kuhn (Kiel, DE)
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Autor:innen:
E. Kuhn (Kiel, DE)
A. Rogge (DE)
K. Kühlmeyer (DE)
Protektive Ansätze, die auf eine ganz grundsätzliche Förderung und Erhaltung psychischer Gesundheit in Gesundheitsberufen abzielen, lassen bislang häufig die Adressierung spezifischer ethischer Aspekte vermissen. Zwar hat sich der Begriff moralischer Stress in den vergangenen Jahren besonders in der Pflegeethik und mit Verzögerung auch in der Medizinethik etabliert, Medizinstudierende sind von dieser Diskussion jedoch bislang weitgehend ausgenommen. Jene weisen jedoch, gemeinsam mit ärztlichen Berufseinsteiger*innen, häufig eine hohe moralische Sensibilität auf, welche neben Wissenslücken und einem stark ausgeprägten Gefühl der Verantwortlichkeit einen Haupt-Risikofaktor für moralischen Stress darstellt.
Folglich sollten auf diese Zielgruppe angepasste Interventionen spezifisch Kenntnisse über moralischen Stress vermitteln und einen konstruktiven Umgang mit (berufs-)ethisch herausfordernden Situationen schulen.
Der Beitrag stellt vorhandene Interventionen vor und widmet sich vor allem der Anwendbarkeit auf Medizinstudierende. Hierbei werden drei Ansätze unterschieden: Hilfe zur Selbsthilfe, Fallbesprechungen und Mentoring. Exemplarisch für die letzten beiden Ansätze wird das am UKSH, Campus Kiel etablierte Projekt ‚Ethik First‘ vorgestellt. Als Angebot der Klinischen Ethik richtet sich ‚Ethik First‘ speziell an Medizinstudierende klinischer Semester, Studierende im Praktischen Jahr und ärztliche Berufsanfänger*innen. Unter kritischer Würdigung der Interventionen und vor dem Hintergrund der Ergebnisse der bvmd Befragung MuStbEHuman werden Handlungsdesiderate formuliert. Diese stellen konkrete Vorschläge für Medizinische Fakultäten, Berufsverbände und Politik dar.