Das Symposium beschäftigt sich mit 3 klinischen u. pharmakologischen Aspekten der aktuellen u. künftigen Therapie von Kopfschmerzen
1. Potentielle Medikamenteninteraktionen gehören zu den Herausforderungen jeder medikamentösen Behandlung. Sie müssen im Patienten individuellen Kontext bewertet werden. Neben der Dauermedikation sind die Akut- und oft bedachte Selbstmedikation, sowie Lebensgewohnheiten zu berücksichtigen. Schlecht aktualisierte Arzneimittelinteraktionen-Datenbanken können eine falsche Sicherheit vermitteln. Gerade bei modernen, neu zugelassenen Substanzen werden dann relevante Interaktionen übersehen.
2. Der Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MÜKS) ist eine klinische Besonderheit. Voraussetzung für seine Entwicklung sind eine primäre Kopfschmerzerkrankung und ein Medikamentenübergebrauch an > 10-15 Tagen pro Monat über mind. 3 Monate. Klinische Daten zeigen, dass Triptane (5HT 1B/D Agonisten) schneller zur MÜKS führen als Analgetika. Allerdings verläuft die Entzugsbehandlung bei einem Triptan-MÜKS schneller u. günstiger als bei einem Analgetika-MÜKS. Auch die Langzeitprognose eines Triptan-MÜKS ist insofern günstiger, als viel seltener ein Rückfall auftritt. Erklärungen aus der Grundlagenforschung gibt es hierzu bislang nur wenige. Medikamentenübergebrauch führt möglicherweise zu Veränderungen an 5HT- Rezeptoren, insbesondere zur Überexpression von pronozizeptiven 5HT-2A Rezeptoren. Man findet eine erniedrigte Konzentration von 5HT, was womöglich zur Ausschüttung von Calzitonin-Gen-gebundenem-Peptid (CGRP) und somit zur pathologischen Aktivierung des trigeminalen nozizeptiven Systems. Porecca und seine Mitarbeiter zeigten, dass regelmäßige Einnahme von Sumatriptan zu komplexen pronozizeptiven Veränderungen des trigeminalen Schmerzmatrix führt.
3. Ein Schlüssel-Neuropeptid der Migräne-Pathophysiologie ist CGRP. Die Effekte bei der Hemmung der CGRP Freisetzung bzw. Blockade von CGRP Rezeptoren im Tiermodell haben das therapeutische Potential von Substanzen mit CGRP antagonistischen Effekten erkennen lassen. Inzwischen sind spezifische Antikörper verfügbar, die sich gegen CGRP bzw. den CGRP Rezeptor richten. Ihre Migräne-prophylaktischen Effekte wurden bereits am Menschen nachgewiesen. Die Substanzen stehen kurz vor der Zulassung.
CGRP spielt jedoch nicht nur bei der Aktivierung des trigeminalen nozizeptiven Systems eine Schlüsselrolle: Fast alle Arterien weisen CGRP sezernierende Neurone auf. Auch Immunzellen und Endothelzellen können CGRP produzieren. CGRP-immunreaktive Afferenzen werden im Knochenmark, Thymus, Milz und Lymphknoten gefunden. Inwieweit eine lang anhaltende Blockade des CGRP-Systems andere als Migräne-prophylaktische Effekte entfaltet, lässt sich aus den Studienergebnissen noch nicht abschätzen. Kenntnisse zu der physiologischen Bedeutung von CGRP sind daher für die Bewertung von Effekten einer lang anhaltenden CGRP Blockade für den Kopfschmerztherapeuten von Interesse.