Zielgruppe: Studierende und Wissenschaftliche Mitarbeiter/innen
Teilnahmegebühren: 80 €
Max. Teilnehmerzahl: 15
Während wissenschaftliche Fachkongresse vorwiegend Raum für die Präsentation von gereiften Forschungsprojekten und -ergebnissen bieten, können Nachwuchswissenschaftler ebenso viel vom Austausch mit anderen Nachwuchswissenschaftler/innen zu alltäglichen Herausforderungen in der Wissenschaft profitieren. Peer-to-Peer Support kann dabei helfen, in einem geschützten Rahmen methodologische und organisatorische Schwierigkeiten in der Projektarbeit zu lösen und gleichzeitig Kontakte für zukünftige Kooperationen zu knüpfen. Das Ziel des 4-stündigen Workshops ist es, eine offene und interaktive Plattform zu schaffen, über die Nachwuchswissenschaftler/innen ihre Probleme, Zweifel und Herausforderungen in Bezug auf alle Phasen des Forschungsprozesses teilen, voneinander lernen und ein unterstützendes Netzwerk aus Peers aufbauen können.
Das Angebot richtet sich an Wissenschaftler/innen, die ihre ersten empirischen Versorgungsforschungsprojekte planen oder durchführen; diese können auch empirische Abschlussarbeiten oder Promotionsvorhaben sein. Die Teilnehmerzahl ist auf 15 Personen beschränkt.
Nach der Anmeldung zum Workshop werden Sie gebeten, den Moderatorinnen ein kurzes Exposee zu einem für Sie relevanten Problemfeld in der Studienplanung oder -durchführung zuzusenden (z.B. Probleme bei der Rekrutierung von Studienteilnehmern oder Outreach-Strategien für Ihre Forschungsergebnisse). Dieses werden Sie im Workshop in moderierten Kleingruppen vorstellen und Gelegenheit erhalten, Ihr Anliegen mit Ihren Peers zu diskutieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
Zielgruppe:
Wissenschaftliche MitarbeiterInnen, VertreterInnen von Leistungsträgern und Forschungsförderern, Studierende
Teilnahmegebühren:
Regulär: 290 €
Ermäßigt (MitarbeiterInnen Uni (Fach-)Hochschule): 135 €
Ermäßigt (Studierende): 80 €
Max. Teilnehmerzahl: 23
Unter dem Begriff Mixed-Methods versteht man im Allgemeinen die systematische Kombination quantitativer und qualitativer Forschungsmethoden. Versorgungsforschung hat das Ziel, die Praxis der gesundheitsbezogenen Versorgung zu untersuchen.
Während die quantitativen Methoden u.a. darauf abzielen, das Ausmaß eines Phänomens zu erfassen, Wirksamkeitsnachweise zu erbringen und die statistische Repräsentativität der Ergebnisse für definierte Populationen zu erreichen, sind qualitative Methoden im besonderen Maße dafür geeignet, die Sichtweisen und Haltungen der verschiedenen Akteure und Akteurinnen zu rekonstruieren, vertiefende Einblicke in die Versorgungspraxis zu schaffen und der Komplexität von Versorgung und Versorgungsentscheidungen zu begegnen. Die Kombination beider Verfahren birgt das Potenzial, ein umfassenderes Bild zu Fragestellungen hinsichtlich des Versorgungsbedarfs und der Versorgungspraxis aufzuzeigen, als es einer der beiden Methoden alleine möglich wäre.
Ziel der Veranstaltung ist es, die Besonderheiten und Potenziale von Mixed-Methods-Designs für die Versorgungsforschung aufzuzeigen. Dies beinhaltet eine Einführung in die historische Entwicklung der Mixed-Methods-Forschung und ihre aktuelle Bedeutung für die Versorgungsforschung. Es wird ein Überblick über theoretische Grundlagen und forschungspraktische Varianten von Mixed-Methods-Designs gegeben, mit besonderem Augenmerk auf die jeweilige Rolle qualitativer und quantitativer Elemente. Des Weiteren werden Vorteile und Herausforderungen der Kombination quantitativer und qualitativer Forschungsmethoden aufgezeigt und anhand von praktischen Beispielen auch aus aktuellen Innovationsfondprojekten diskutiert.
Zielgruppe:
Mit der Veranstaltung soll eine breite Zielgruppe möglicher Disziplinen angesprochen werden, insbesondere Personen die an der Planung und Durchführung von Studien mit personenbezogenen Daten beteiligt sind. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.
Teilnahmegebühren:
Regulär: 290 €
Ermäßigt (MitarbeiterInnen Uni (Fach-)Hochschule): 135 €
Ermäßigt (Studierende): 80 €
Max. Teilnehmerzahl: 23
Die Berücksichtigung und Abwägungen von datenschutzrechtlichen Implikationen für Forschungsvorhaben und die Erstellung von Datenschutzkonzepten sind mittlerweile für die Projektförderungen oder auch Ethikkommissionen obligatorisch geworden. Auch die Zahl der Datenquellen, die den Forschenden zur Verfügung stehen und die möglicherweise personenbezogen miteinander verknüpft werden, wächst kontinuierlich: Primärdaten aus Befragungen, Routinedaten der Krankenkassen, Registerdaten oder Daten aus mobilen Geräten usw.. Auch wenn es nicht immer zu den angenehmsten Tätigkeiten eines Forschers bzw. einer Forscherin gehört, müssen sie sich zwangsläufig auch mit datenschutzrechtlichen Fragen auseinandersetzen.
Dieses Seminar vermittelt im ersten Teil die Grundlagen des deutschen Datenschutzrechts und seiner Rechtsgrundlagen wie z.B. der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung. Er behandelt weiterhin grundlegende Begriffe wie personenbezogene Daten, Anonymisierung, Pseudonymisierung und technisch-organisatorische Maßnahmen. Des Weiteren wird eine Einführung in die generischen Datenschutzkonzepte der TMF gegeben.
Daneben ist im zweiten Teil eine Hands-on-Praxiseinheit vorgesehen, in der das Erstellen von praxisrelevanten Dokumenten wie bspw. der Eintrag in ein Verfahrensverzeichnis, erarbeitet werden. Dabei werden auch häufig auftretende Fragen aus dem Alltag einer Datenschutzbeauftragten aufgegriffen.
Das Seminar soll die „Scheu“ vor datenschutzrechtlichen Fragen nehmen und Teilnehmende dazu befähigen, die datenschutzrechtlichen Implikationen ihres jeweiligen Forschungsvorhabens zu beurteilen und erkennen, welche notwendigen Schritte sie ergreifen müssen.
Satellitensymposium des DNVF und des VDI TZ
Die Gesundheitsversorgung in Deutschland befindet sich auf einem hohen Niveau. Gleichwohl steht sie angesichts des demografischen Wandels vor enormen Herausforderungen. Mit Hilfe von innovativer Medizintechnik können Behandlungen von Patienten ermöglicht und verbessert sowie die Gesundheitsversorgung insgesamt effektiver und effizienter werden.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat ein Fachprogramm Medizintechnik aufgesetzt, das seitens der VDI Technologiezentrum GmbH (VDI TZ GmbH) betreut wird. Dabei steht der Patientennutzen im Vordergrund. Es zielt darauf ab, innovative medizintechnische Lösungen entlang von Behandlungspfaden zu entwickeln. Entlang dieser Pfade gilt es, die Effektivität der Behandlung und damit den Patientennutzen stetig zu steigern. Aufgrund des Fachprogramms Medizintechnik rückt die Versorgungsorientierung für Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich Gesundheitswirtschaft noch deutlicher in den Mittelpunkt als zuvor. Parallel zu dem Förderprogramm wird es eine Begleitforschung geben, um die innovative Medizintechnik früh hinsichtlich ihres Nutzens für die Patienten und die Gesundheitsversorgung zu prüfen. Das Seminar dient dazu, Theorie und Praxis zusammenzuführen. Denn es gibt durchaus unterschiedliche Perspektiven und sich daraus ableitenden Methoden einer sinnvollen Nutzenbewertung. Auf der einen Seite steht der Begriff des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Es bewertet neue Medizinprodukte-Methoden für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bevor oder nachdem sie auf den ersten Gesundheitsmarkt kommen und vergleicht sie mit den vorhandenen Behandlungsmethoden. Die Versorgungsforschung wiederum beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Nutzenbewertung und richtet ihren Blick dabei insbesondere auf die Nutzenbewertung unter Alltagsbedingungen – also der Behandlungsroutine in den Kliniken – und dem patientenorientierten Nutzen.
Die VDI TZ GmbH und das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF) haben das Satellitensymposium gemeinsam geplant und namhafte Referenten gewonnen, die die verschiedenen Perspektiven und konkrete Methoden und Instrumente der Nutzenbewertung aufzeigen.
In einer abschließenden Diskussion haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit ihre Fragen an die Referenten zu stellen.
Gesundheitsökonomische Analysen sind ein zentraler Bestandteil der Versorgungsforschung. Die Vortragssitzung fokussiert die Nutzenbewertungen sowie Kosteneffektivität und gibt einen Überblick über die Vor- und Nachteile der Nutzung von Routinedaten. Die vorgestellten gesundheitsökonomischen Analysen betonen die Bedeutung mittels geeigneter Kosten-Nutzen-Analysen den absoluten und relativen Wert medizinischer Interventionen zu bestimmen.
Hintergrund:
Demografische Veränderungen und steigende Lebenserwartungen der Bevölkerung machen es erforderlich, die gegenwärtige und zukünftige medizinische Versorgung - insbesondere in ländlichen, zumeist strukturschwachen Regionen Deutschlands zu planen, zu koordinieren und somit letztlich sicherzustellen. In diesem Kontext ist der Begriff »Landarzt« ein häufig verwendeter Terminus. Allerdings mangelte es in der Literatur bis dato an einer konkreten und zugleich unabhängig übergreifend anwendbaren Definition des Landarztbegriffes. Das entwickelte Modell des Landarzt-Abgrenzungsalgorithmus (La-Abal) ist der Versuch, diesem Defizit zu begegnen. Mit dem La-Abal wird erstmals eine einheitliche Vorgehensweise aufgezeigt, anhand dessen sich Ärzte strukturiert und nachvollziehbar in Landärzte und stätisch/urban tätige Ärzte differenzieren lassen.
Fragestellung:
Die folgenden Fragestellungen standen im Mittelpunkt der Untersuchungen:
1) Lässt sich der entwickelte La-Abal auf Gesamtdeutschland adaptiv anwenden?
2) In welchen Regionen sind Landärzte per Definition angesiedelt?
3) Inwieweit korrespondieren die als Landarztbereiche deklarierten Gebiete mit hausärztlich unterversorgten Regionen auf Basis der Bedarfsplanungsrichtlinie (BPL-RL) bzw. des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Gutachten 2014 (SVR-Gutachten 2014)?
Methode:
Das auf Erkenntnissen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) basierende Prinzip des hier konzipierten La-Abals ist die aufeinander aufbauende Abgrenzungssystematik unter Verwendung der drei Abgrenzungsparameter: »Grundzentrum«, »Ländliche Besiedelung« und »Räumliche Lage«. Bundesweite wissenschaftliche Aktivitäten des BBSR finden i.d.R. auf der Aggregationsebene von Einheitsgemeinden und Gemeindeverbänden statt. Das La-Abal-Modell beruht ebenfalls auf dieser Analyseebene. Grundsätzlich werden durch den La-Abal eindeutige Bedingungen formuliert, die erfüllt sein müssen, um Einheitsgemeinden bzw. Gemeindeverbände als Landarztbereiche definieren zu können. Bei den beiden erstgenannten Abgrenzungsparametern handelt es sich um modellseitig festgesetzte Größen. Der dritte Abgrenzungsparameter »Räumliche Lage« dient in diesem Kontext der Feinjustierung und lässt sich, je nach Bedarf/Interesse, flexibel anpassen. Detaillierte Erläuterungen zum Inhalt der Abgrenzungsparameter sowie zum konzeptionellen Aufbau des La-Abals finden sich bei Marschner et al. 2015 »Abgrenzungskonzeption zur Definition Landarzt«.
Ergebnisse:
Die Anwendung des La-Abal zeigte eine konsistente Übertragbarkeit auf das gesamte Bundesgebiet. Die einzelnen vorgenommenen Abgrenzungsszenarien auf Basis des dritten Abgrenzungsparameters zur „Räumlichen Lage“, verwies zudem darauf, dass es völlig unabhängig ist, wie „engmaschig“ der La-Abal eingestellt wird, es existierten in jedem Szenario Landarztbereiche. Lediglich die Anzahl der vorhandenen Landarztbereiche und die damit jeweils einhergehende Bevölkerungsanzahl und Flächenanteile veränderten sich. Darüber hinaus korrespondieren die identifizierten Landarztbereiche mit denen als hausärztlich unterversorgt geltenden Regionen sowohl gemäß den Erkenntnissen aus der BPL-RL als auch nach den Erkenntnissen aus dem SVR-Gutachten 2014. Die Analysen zeigten jedoch auch, dass städtisch/urban geprägte Einheitsgemeinden bzw. Gemeindeverbände existieren, die ebenfalls als unterversorgt gelten jedoch weder im Rahmen der BPL-RL noch im Rahmen des SVR-Gutachtens 2014 als solche identifiziert werden.
Diskussion:
In erster Linie ist der La-Abal ein im „top down“-Verfahren konzipierter Ansatz der es ermöglichen soll, ein einheitliches Landarztverständnis zu etablieren. Dies ist notwendig, um die mit den gesellschaftlichen und räumlichen Veränderungen einhergehenden Forderungen nach Lösungen zur Sicherstellung (regionaler) Gesundheitsversorgung, gezielter angehen zu können. Aktuell bestehende Lösungsansätze zur Aufrechterhaltung der ambulanten medizinischen Versorgung wie etwa in Form von Gesundheitszentren, Telemedizin, Gemeindeschwestern, Nachwuchsförderungsprogrammen usw. ließen sich vor dem Hintergrund der Ergebnisse durch den La-Abal ebenfalls auf ihre Wirksamkeit und ihren Nutzen hin beurteilen. Die bisher durchgeführten Untersuchungen zum La-Abal zeigen, dass dieser sich bundesweit anwenden lässt und eine ausreichende situations- und interessenbezogene Anwendungsflexibilität aufweist. Darauf aufbauend können Analysen nach dem notwendigen, dem tatsächlichen Bedarf an ambulant medizinischer Versorgung diskutiert werden. Hierdurch lässt sich der La-Abal durchaus als ergebnisorientiertes, praktikables und standardisiertes Modell zur Identifizierung von Land(arzt)bereichen bezeichnen.
Praktische Implikationen:
Der La-Abal ist ein Ansatz, eine im Rahmen der Versorgungsforschung unter zeitlichen und finanziellen Aspekten realisierbare Vorgehensweise zur deutschlandweiten Differenzierung zwischen Land- und städtisch/urban tätigen Ärzten anzubieten.
HINTERGRUND
In der Versorgungsforschung mit Routinedaten wurden in den letzten Jahren in Deutschland deutliche Fortschritte gemacht. Der Vorteil von Routinedaten besteht in deren Systematik und weitgehender Vollzähligkeit. Versorgungsstudien auf Basis von Routinedaten werfen aber oft Fragen auf, die mit verfügbaren Daten nicht beantwortet werden können. Um die Qualität und Leistungsfähigkeit der Versorgung, die Konsistenz von Versorgungsprozessen oder den Handlungsbedarf bei der Verbesserung von Rahmenbedingungen für die Versorgung beurteilen zu können, sind weiterführende Informationen erforderlich.
Forschungspraxennetze bieten eine wichtige Infrastruktur zur koordinierten Erhebung von Daten aus der ambulanten Versorgung und für die Durchführung von Studien zur Versorgungsrealität.
Internationale Beispiele für Forschungspraxennetze fokussieren in der Regel auf die hausärztliche Versorgung oder einheitliche fachspezifische Praxisnetze. In Deutschland steht hingegen eine große Vielfalt ambulanter Versorgungsangebote unterschiedlichster Fachrichtungen gleichberechtigt zur Verfügung.
FRAGESTELLUNG
Das Deutsche Forschungspraxennetz (DFPN) befindet sich zum Jahresbeginn 2017 in der Entwicklungs- und Aufbauphase. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2017 geplant. Im Rahmen des 16. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung soll das DFPN als Infrastruktur zur Versorgungsforschung vorgestellt werden. Hierbei sollen sowohl ein Fokus auf die Fallstricke gelegt werden, die eine Etablierung einer Forschungsinfrastruktur dieser Dimension mit sich bringt, als auch die Möglichkeiten eines Forschungsnetzes in der ambulante Versorgung zur differenzierten Abbildung der Versorgungsrealität dargestellt werden.
METHODE
Die Erforschung der Versorgungsrealität in Deutschland setzte einen fachübergreifenden Ansatz bei der Entwicklung des DFPN als Forschungsinfrastruktur voraus. Im Hinblick auf den Grad der Abbildung der Fachgebiete sowie ggf. ihrer Differenzierung nach Schwerpunkten im DFPN wurde ein explorativer Ansatz gewählt. Zur Ausgestaltung des Ansatzes wurden universitäre Einrichtungen mit Erfahrungen bei der Betreuung von Ärztenetzen eingebunden.
ERGEBNISSE
In der Konzeption des DFPN existieren neben den Forschungspraxen dezentrale Management-Zentren sowie ein zentrales Zentrum, dass die Gesamtkoordination übernimmt. Bei den dezentralen Zentren ist das wissenschaftliche Personal lokalisiert, welches zur Einhaltung notwendiger Standards bei der Datenerhebung und -auswertung sowie der Anfertigung wissenschaftlicher Publikationen unerlässlich ist. Unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse zur Bedeutung regionaler Unterschiede in den Versicherten- und Versorgungstrukturen in Deutschland, sollen die dezentralen Zentren des DFPN durch ihre Lage unterschiedliche Versorgungssituationen in Deutschland repräsentieren. Die dezentralen Zentren werden mit den für die jeweilige Region zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen verzahnt.
Einschlussberechtigt sind alle gesetzlich Versicherten, die Patienten der DFPN-Forschungspraxen sind. Die in den Forschungspraxen erhobenen Primärdaten sollen um Routinedaten der eingeschlossenen Probanden ergänzt werden. Datenschutzrechtliche Grundlage ist die informierte Einwilligung der Probanden.
In der ersten Ausbaustufe des DFPN sollen zunächst Fragen zum Einfluss des sozioökonomischen Status und der Lebensqualität auf das Inanspruchnahmeverhalten und den Therapieverlauf sowie Fragen zur Multimorbidität, zur Polypharmazie und zu nicht eingelösten Arzneimittelverordnungen beantwortet werden. Weiterhin sollen Fragestellungen untersucht werden, die sich mit dem Verlauf von Versorgungsprozessen, der tatsächlichen oder fehlenden Kooperation und Kommunikation zwischen den Beteiligten und der Effektivität sowie Effizienz der Versorgung beschäftigen.
Initial wird eine Gewinnung von 200 Praxen in sieben Regionen angestrebt. Bei einer vollzähligen Erfassung aller in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Patienten ist mit einem Probandenaufkommen von 200.000 im Jahr zu rechnen.
DISKUSSION
Eine repräsentative Analyse der Versorgungsrealität bedarf neuer und komplexerer Ansätze, da sowohl die Forschung mit Routinedaten und als auch ambulante spezialisierte Forschungsstrukturen an Grenzen stoßen. Anhand der Ergebnisse der ersten Ausbaustufe des DFPN ist zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen ein weitergehender Betrieb und Ausbau des DFPN als dauerhafte multizentrische und fachgebietsübergreifende Forschungsinfrastruktur durchgeführt werden kann.
PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN
Im Deutschen Forschungspraxennetz können perspektivisch wertvolle Erkenntnisse über den Stand des Gesundheitswesens gewonnen werden. Durch seine langfristige Anlage können longitudinale Betrachtungen von Effekten gesetzlicher Änderungen auf die Gesundheit der Patienten und Interaktionen im Gesundheitswesen dokumentiert und so wertvolle Information zur Steuerung des Gesundheitswesens geschaffen werden.
Hintergrund: In der aktuellen S3-Leitlinie zur „Prävention und Therapie der Adipositas” [1] werden in Abhängigkeit vom Adipositas-Grad und assoziierten Komorbiditäten Empfehlungen für/wider einen adipositaschirurgischen Eingriff formuliert. Diese Empfehlungen basieren auf einem niedrigen Evidenzgrad. Deshalb wurde eine Bewertung der aktuellen Datenlage zum Vergleich der Adipositas-Chirurgie mit der konservativen Adipositastherapie angeregt.
Fragestellung: Ziel der Nutzenbewertung war der o.g. Vergleich. Besondere methodische Herausforderungen stellten die Einordung der Patientenrelevanz der klinischen Endpunkte sowie die Einordnung schwerwiegender unerwünschter Ereignisse (SUE) dar. Darüber hinaus zeichneten sich die Studien durch hohe Drop-out-Raten aus. Vorgestellt und diskutiert werden soll die methodische Vorgehensweise bei ausgewählten Endpunkten und die daraus resultierende Einordnung der Ergebnisse.
Methode: Es wurde eine systematische Bewertung der Evidenzlage auf Grundlage von Primärstudien (RCT) vorgenommen. Als Basis dienten relevante Studien aus dem Cochrane-Review zur Adipositas-Chirurgie von Colquitt 2014 [2]. Zusätzlich erfolgte eine systematische Recherche nach aktuellen RCTs.
Veränderungen von Gewicht/BMI sind relevante Endpunkte für die Beurteilung eines Verfahrens, bei dem die Gewichtsreduktion zu den wesentlichen Therapiezielen zählt. Sie werden allerdings als Surrogat eingestuft, da sich die Patientenrelevanz des Verfahrens in der Verbesserung des klinischen Bildes der Komorbiditäten manifestiert. Als patientenrelevant wurden Endpunkte wie Lebensqualität, Absetzen der Medikation, SUE und z.B. bei Diabetes mellitus-Patienten die Endpunkte Diabetes-Remission und Diabetes-Spätkomplikationen eingestuft.
Ergebnisse: Es wurden 10 Studien identifiziert, in allen Studien waren Patienten mit Komorbiditäten eingeschlossen (1 Studie zu allgemeinen adipositasassoziierten Komorbiditäten, 7 Studien zu Typ-2-DM, 2 Studien zur OSA). Die meisten Studien lieferten kurzfristige (1-2-Jahres-Daten), weniger als die Hälfte der Studien mittelfristige Daten (3-5-Jahres-Daten). 5-Jahres-Daten liegen bislang nur aus 2 Studien vor.
Für die Surrogat-Endpunkte Gewicht/BMI ließen sich kurz- und mittelfristig große statistisch signifikante Vorteile der Adipositas-Chirurgie ableiten. Für den patientenrelevanten Endpunkt partielle Diabetes-Remission zeigte sich in den kurzfristigen Daten ein statistisch signifikanter Vorteil zugunsten der Adipositas-Chirurgie. Der Effekt blieb im Verlauf - allerdings mit teilweise deutlich rückläufiger Remissions-Rate im chirurgischen Behandlungsarm in den einzelnen Studien - erhalten. Wegen hoher drop-out-Raten besonders in den mittelfristigen Daten wurden zur Überprüfung der Robustheit der Daten Worst-case-Szenarien zuungunsten der Adipositas-Chirurgie berechnet. Hierbei zeigte sich für die mittelfristigen Daten zum Endpunkt partielle Diabetes-Remission kein statistisch signifikanter Vorteil mehr für die Adipositas-Chirurgie. Hohe drop-out-Raten fallen insbesondere bei relativ kleinen Fallzahlen (hier 20-50 Patienten/Behandlungsarm in einzelnen Studien) ins Gewicht.
Aus methodischen Gründen wurden die Ergebnisse zu SUE einer rein qualitativen Betrachtungsweise unterzogen. Wegen der Heterogenität der Daten – u.a. erfolgte in Studien teilweise keine Graduierung in SUE/UE; in Studien mit durchgeführter Graduierung konnte die Einordnung als SUE/UE teilweise inhaltlich nicht nachvollzogen werden, häufig auch aufgrund einer nicht ausreichend detaillierten Darstellung in den Publikationen - war es notwendig, eine eigene Einordnung von SUE vorzunehmen (orientiert an Brethauer 2015 [3]). Im Ergebnis zeigte sich in der überwiegenden Zahl der Studien ein gehäuftes Auftreten von SUE zuungunsten der Adipositas-Chirurgie.
Diskussion: In Studienpublikationen und (Leitlinien-)Empfehlungen werden häufig die Vorteile der Adipositas-Chirurgie mit Betonung der großen Effekte bei Gewicht und Diabetes herausgestellt. Die vorliegende Nutzenbewertung konnte diese Effekte teilweise bestätigen, allerdings wurde der Endpunkt Gewicht als Surrogat eingestuft. Für den Endpunkt partielle Diabetes-Remission zeigte sich kurzfristig ein Vorteil zugunsten der Adipositas-Chirurgie. Der Effekt blieb mittelfristig zwar erhalten, das Ergebnis ist allerdings nicht als robust anzusehen. Zu thematisieren wäre daher die Patientenrelevanz der in den Studien am häufigsten verwendeten Endpunkte sowie die möglicherweise eingeschränkte Aussagekraft der Daten bei Vorliegen hoher drop-out-Zahlen.
Praktische Implikationen: Publikationen zur Adipositas-Chirurgie sollten beachten:
• Klare Unterscheidung in patientenrelevante und Surrogat-Endpunkte
• Klare Graduierung von unerwünschten Ereignissen in SUE bzw. UE
• Diskussion der Aussagekraft von Daten bei hohen drop-out-Zahlen
Literatur
1. DAG et al. AWMF-Register Nr. 050/001. 2014
2. Colquitt et al. Cochrane Database Syst Rev, 2014; 8 CD003641
3. Brethauer et al. Obes. Surg, 2015; 25 (4): 587-606
Hintergrund
Eine Anschlussrehabilitation (AR) dient nach einem Akutaufenthalt dazu, verloren gegangene Funktionen oder Fähigkeiten wiederzuerlangen oder auszugleichen sowie den Patienten wieder an die Belastungen des Alltags und des Berufslebens heranzuführen. Je nach Erkrankungsschwere erfolgt eine AR stationär, teilstationär oder ambulant. Laut „Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung“ (2009) ist für die Teilnahme an einer ambulanten Rehabilitation eine ausreichende Belastbarkeit und Mobilität der Patienten erforderlich. Gegen die Durchführung der Rehabilitation im ambulanten Setting sprechen die Notwendigkeit von ständiger ärztlicher und pflegerischer Betreuung sowie eine ausgeprägte Multimorbidität. Dabei ist bisher unklar, welche Bedeutung die Fallschwere beim Zugang zu einer bestimmten Rehabilitationsform (stationär oder ambulant) tatsächlich hat.
Fragestellung
Die Untersuchung ging der Frage nach, welche Faktoren die Inanspruchnahme einer ambulanten bzw. stationären AR beeinflussen.
Methode
Datengrundlage waren Routinedaten der AOK Baden-Württemberg, der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und der Deutschen Rentenversicherung Bund. Für die Auswertungen wurden Patienten im erwerbsfähigen Alter ausgewählt, bei denen zwischen 2005 und 2010 eine Totalendoprothese (TEP) an Hüfte oder Kniegelenk implantiert oder eine Operation an der Bandscheibe (BS) vorgenommen wurde. Für jede der drei Operationsgruppen wurde mittels logistischer Regression die Wahrscheinlichkeit modelliert, eine stationäre AR in Anspruch zu nehmen. Dabei wurden sowohl Patientenmerkmale (z.B. Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Komorbiditäten) als auch präoperative und akutstationäre Behandlungsmerkmale sowie der Behandlungspfad (Direktverlegung vs. AR nach häuslicher Übergangszeit) hinsichtlich ihrer prognostischen Relevanz für die Rehabilitationsform überprüft.
Ergebnisse
Bei allen drei Operationsgruppen führten Patienten, die unmittelbar nach dem Akutaufenthalt zur AR kamen, eher eine stationäre Maßnahme durch, als Patienten, die nach einer häuslichen Übergangszeit zur Rehabilitation kamen (Hüft-TEP: OR=4,4; Knie-TEP: OR=4,1, BS-OP: OR=4,0). Mit zunehmendem Alter stieg die Wahrscheinlichkeit, eine stationäre AR in Anspruch zu nehmen (pro 5 Jahre: Hüft-TEP: OR=1,2; Knie-TEP: OR=1,3, BS-OP: OR=1,2).
Bei TEP-Patienten führten Rentenbezieher 12,6mal (Hüft-TEP) bzw. 8,4mal (Knie-TEP) häufiger die Rehabilitation stationär durch als beschäftigte Patienten. Eine höhere Wahrscheinlichkeit, die AR im stationären Setting durchzuführen, hatten Hüft-TEP-Patienten mit einem Schenkelhalsbruch (OR=2,5) bzw. mit Adipositas (OR=1,4) sowie Knie-TEP-Patienten mit einem Schlaganfall (OR=1,4). Bei den BS-Patienten nahmen ebenso Patienten mit Adipositas häufiger eine stationäre AR in Anspruch (OR=1,2). Dagegen führten Männer nach einer BS-Operation die AR seltener stationär durch (OR=0,75).
Zwischen 2005 und 2009 reduzierte sich die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an einer AR im stationären Setting bei den Hüft-TEP-Patienten von 7,8 auf 2,1 und bei den Knie-TEP-Patienten von 7,2 auf 1,7. Bei den BS-patienten verringerte sich diese von 3,5 auf 1,2.
Diskussion
Der Anteil der Rehabilitanden, die eine ambulante AR in Anspruch nahmen, stieg parallel zum Ausbau ambulanter Rehabilitationsstrukturen an.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Patienten mit einem höheren Betreuungsbedarf eher eine stationäre AR in Anspruch nehmen. So führten u.a. ältere Patienten sowie Patienten mit Komorbiditäten häufiger eine AR im stationären Setting durch. Bei älteren und adipösen Patienten könnte die für eine ambulante AR erforderliche Mobilität nicht gegeben sein. Ferner ist bei Patienten höheren Alters anzunehmen, dass sie über die Entlassung aus dem Akutkrankenhaus hinaus, einen höheren Versorgungsbedarf bspw. aufgrund einer verlangsamten Wundheilung haben. Da diese eher allein leben, ist denkbar, dass die erforderliche Betreuung im häuslichen Umfeld nicht sichergestellt ist, so dass eine stationäre AR erforderlich ist. Jüngere Patienten bevorzugen das ambulante Setting vermutlich aufgrund der Wohnortnähe, der Aufrechterhaltung des Kontakts zum sozialen Umfeld (Kinderbetreuung, etc.) und der Vereinbarkeit mit der beruflichen Tätigkeit.
Praktische Implikationen
Gemäß dem Rahmenkonzept beeinflusst die Fallschwere die Inanspruchnahme einer ambulanten bzw. stationären AR. Neben dieser scheinen aber auch Kontextfaktoren, wie die familiären und beruflichen Bedingungen, für das Setting der AR eine Rolle zu spielen. Diese sollten bei der Zugangssteuerung zu einer bestimmten Rehabilitationsform Berücksichtigung finden.
Literatur
Deutsche Rentenversicherung Bund (2009): Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung. URL: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/207036/publicationFile/2127/rahmenkonzept_medizinische_reha.pdf, Abruf: 09.10.2016.
Hintergrund: Unreif geborene Kinder haben ein erhöhtes Risiko für negative psychische, physische und soziale Langzeitfolgen. Die BMBF-geförderte Geburtskohortenstudie EcoCare-PIn (Early comprehensive Care of Preterm Infants – effects on quality of life, childhood development, and healthcare utilization; Förderkennzeichen: 01GY1323) dient der versorgungsepidemiologischen Analyse von Morbiditätsmustern Frühgeborener unter Beachtung der Inanspruchnahme ambulanter und stationärer Leistungen und daraus resultierender Kosten.
Fragestellung: Wie gestalten sich Morbidität, Inanspruchnahme ambulanter und stationärer Leistungen und Kosten für Kinder mit geringem Geburtsgewicht im Vergleich zu Kindern mit einem normalen Geburtsgewicht?
Methode: Analysiert wurden GKV-Routinedaten sächsischer Kinder, die in den Jahren 2007 bis 2013 geboren wurden; verglichen wurden Kinder mit einem Geburtsgewicht von <1.500 g (very low birthweight, VLBW), 1.500-2.499 g (low birthweight, LBW) und ≥2.500 g (normal birthweight, NBW). Ein stationärer Aufenthalt innerhalb der ersten 7 Tage nach Geburt (=perinataler Krankenhausaufenthalt, pKA) sowie dessen Länge und Kosten dienten der Operationalisierung des kindlichen Gesundheitszustands bei Geburt. Bezüglich Länge und Kosten des pKA wurden nicht verstorbene Kinder mit unzensiertem pKA betrachtet (nvlbw=1.087, nlbw=4.817, nnbw=17.304). Für die ersten 4 Lebensjahre wurden für jeweils durchgängig versicherte Kinder deskriptive Analysen sowie Regressionen durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen dem Geburtsgewicht unter Berücksichtigung weiterer Risikofaktoren (z.B. Geschlecht, Wohnort, Vorhandensein eines pKA) und den folgenden Outcomes zu analysieren: Anzahl an Abrechnungsscheinen und Abrechnungstagen für den ambulanten Bereich; Anzahl an Krankenhausaufenthalten, Liegedauer und Kosten für den stationären Bereich.
Ergebnisse: Von den 116.269 bezüglich des perinatalen Krankenhausaufenthaltes auswertbaren Kindern wurden 80% über die Mutter abgerechnet (gesunde Neugeborene). Die restlichen 20% erhielten eine perinatale Krankenhausbehandlung, die über die routinemäßige Versorgung hinausging. Dies betrifft alle VLBW-, 79% der LBW- und 16% der NBW-Neugeborenen. VLBW-, LBW- und NBW-Kinder unterscheiden sich erheblich bezüglich der medianen Kosten (40.052€, 7.393€ bzw. 2.032€) und Liegedauern (58, 16 bzw. 5 Tage) des pKA. Auch nach dem pKA unterscheiden sich die Gewichtsgruppen bezüglich der stationären Inanspruchnahme (IA). VLBW-Kinder verbringen nach ihrem ersten Geburtstag im Vergleich zu zur Geburt gesunden NBW-Kindern rund 4-mal mehr Tage im Krankenhaus. Auch zur Geburt kranke NBW-Kinder, das heißt NBW mit pKA, haben ein signifikant erhöhtes Risiko (RR 1.49; 95%-KI 1.46-1.53) für spätere Hospitalisierungen im Vergleich zu den zur Geburt gesunden NBW-Kindern. Mit zunehmendem Alter nimmt die stationäre IA in allen Geburtsgewichtsgruppen signifikant ab. In der Stadt lebende Kinder verbringen 27% weniger Tage im KH als Kinder vom Land. Für den ambulanten Sektor zeigt sich, dass VLBW- im Vergleich zu gesunden NBW-Kindern ein signifikant erhöhtes Risiko haben, mehr ambulante Abrechnungstage (RR 1.43; 95%-KI 1.31-1.56) und Scheine (RR 1,29; 95%-KI 1,26-1,31) zu generieren. Unabhängig vom Geburtsgewicht generieren Kinder mit pKA mehr Scheine als gesunde Neugeborene. Hinsichtlich der Morbidität zeigt sich, dass die Unreife bei der Geburt in den ersten Lebensjahren mit einem erhöhten Risiko stationärer Behandlungen aufgrund von Erkrankungen des Respirationstraktes, des zentralen Nervensystems und infektiösen Darmkrankheiten einhergeht. Im ambulanten Bereich sind Erkrankungen des Respirationstraktes die führende Ursache für eine Behandlung, mit geringen Unter-schieden zwischen den Gewichtsgruppen.
Diskussion: Die Folgen eines Geburtsgewichtes von unter 2.500 g auf individueller Ebene und für das Gesundheitssystem sind enorm und beschränken sich nicht auf die Perinatalperiode. VLBW-Kinder zeigen spezifische Morbiditätsmuster und weisen bis zum Schuleintrittsalter eine erhöhte ambulante als auch stationäre IA sowie erhöhte Gesundheitskosten auf. Versorgungsunterschiede zwischen Stadt und Land deuten auf mögliche Effizienzreserven in der pädiatrischen Versorgung hin.
Praktische Implikationen: Aufgrund ihrer langfristig erhöhten Behandlungsbedarfe im Vergleich zu gesund geborenen Kindern benötigen sowohl Kinder mit geringem Geburtsgewicht als auch normalgewichtig, aber krank geborene Kinder eine gezielte, sektorenübergreifend abgestimmte Versorgung. Ein Ausbau des ambulanten pädiatrischen Sektors in ländlichen Regionen wäre zu diskutieren, um den Grundsatz „ambulant vor stationär“ in allen Regionen zu gewährleisten.
Register haben derzeit Konjunktur und nicht wenige halten das ausschließliche Festhalten an randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) für die Nutzenbewertung für nicht mehr zeitgemäß. In dieser Sitzung werden verschieden Register vorgestellt und kritisch diskutiert. Das DNVF Memorandum zur Registerforschung ist hier sicherlich handlungsleitend. Wir werden uns in dem Symposium auch mit der Frage befassen, ob man für die Nutzenbewertung neben den Ergebnissen aus vermeintlich „künstlichen“ RCTs auch Daten aus der „Versorgungsrealität“ („real world“) brauchen und was solche Daten, gewonnen aus Registern oder der Versorgungsroutine, eigentlich auszeichnet.
Hintergrund
Trotz der hohen klinischen und sozioökonomischen Bedeutung der schweren Sepsis existieren weltweit kaum morbiditätspezifische Register. Die wenigen existierenden Sepsis-Register sind meist auf die Phase der stationären Behandlung limitiert. Daten aus der ambulanten Weiterbetreuung sind kaum verfügbar. Somit wird der oft schwere Langzeitverlauf von Sepsis-Überlebenden allenfalls marginal erfasst. Die meisten dieser Patienten werden ambulant von ihren Hausärzten betreut.
Fragestellung
Wie verläuft die Mortalität nach einer schweren Sepsis bis zu vier Jahren nach Entlassung von der Intensivstation?
Methode
Am Universitätsklinikum Jena wurden prospektiv zwischen 2011 und 2015 alle Patienten erfasst, welche mit einer schweren Sepsis oder einem septischen Schock behandelt wurden. Zur Diagnosesicherung erfolgte die Dokumentation von mikrobiologischen und organspezifischen Parametern. Im weiteren stationären Verlauf wurden unter anderem Behandlungs- und Beatmungstage sowie erfolgte therapeutische und diagnostische Prozeduren erfasst. Primäre Zielgröße war die Mortalität 6, 12, 24, 36 und 48 Monate nach Entlassung von der Intensivstation durch telefonische Kontaktaufnahme mit dem behandelnden Hausarzt.
Ergebnisse
Insgesamt wurden N=1976 Patienten mit gesicherter Diagnose einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks am Universitätsklinikum Jena aufgenommen. N=883 (44,7%) Patienten starben noch während des stationären Aufenthaltes. Nach sechs Monaten waren weitere N=328 Patienten verstorben (Gesamtmortalität auf 61,3%), nach 12 Monaten gab es zusätzlich 151 Todesfälle (Gesamtmortalität: 68,9 %). Von 60 Patienten (3%) waren nach 6 Monaten keine Angaben erhältlich, nach 12 Monaten waren es 74 (3,7%) Patienten. Im weiteren Verlauf stieg die Mortalität nach 48 Monaten bis auf 76,8% an.
Zum Kongressbeginn werden dazu Assoziationen der Mortalität zu klinischen Merkmalen vorliegen.
Diskussion und praktische Implikation
Das Jena Sepsis Registry (JSR) ist das erste Register für schwere Sepsis in Deutschland sowie der international erste Ansatz, den Langzeitverlauf von Sepsispatienten durch Einbeziehung von Hausärzten zu erfassen. Diese zusätzliche Datenquelle hat sich durch hohe Rücklaufquoten bewährt. Die Aussagekraft der Daten wird durch das monozentrische Design eingeschränkt.
Die noch immer erhebliche Mortalität der Erkrankung macht den hohen Bedarf an weiterer klinischer Forschung im stationären, aber auch im ambulanten Bereich deutlich. Das JSR kann hier als Datenbasis dienen.
Hintergrund:
Im "Baltic Fracture Competence Centre (BFCC)"-Projekt wird ein transnationales Frakturregister mit Partnern aus sieben verschiedenen Ostsee-Ländern (DE, DK, EE, FI, LT, SE und PL) aufgebaut. Diese branchenübergreifende Partnerschaft zwischen Forschung, Industrie und Klinik hat zum Ziel, Verbesserungen und Innovationen im Bereich des klinischen Frakturmanagements zu erzielen. Diese Zielstellungen sind insbesondere im Hinblick auf den demographischen Wandel und dem damit verbundenen steigenden Bedarf an innovativen Produkten und klinischen Verfahren für die Behandlung altersbedingter Frakturen und Komorbiditäten wie Osteoporose, Infektionen und schlechtheilender Knochenbrüche notwendig. Durch die angestrebten Verbesserungen und Innovationen im Bereich des Frakturmanagements sollen die Versorgungsqualität und Patientenoutcomes aller Patientengruppen deutlich verbessert und die Kosten für die Behandlung von Komplikationen und frakturbedingte Pflegebedürftigkeit verringert werden.
Fragestellung:
Es soll dargestellt werden, wie ein Datenmanagement für die geplante transnationale webbasierte Frakturregister-Plattform eines solchen Registers technisch umgesetzt werden kann, um die Anbindung von Krankenhäusern in verschiedenen EU-Ländern des Ostseeraumes zu ermöglichen.
Methode:
Die Umsetzung der webbasierten Frakturregister-Plattform ist die Basis für das komplette Datenmanagement des Registers. Das Datenmanagement umfasst dabei die Erhebung, Speicherung und Sicherung von Daten, Importe und Exporte sowie die datenschutzgerechte konsequente und frühzeitige Trennung von identifizierenden (IDAT) und medizinischen Daten (MDAT). Zur Verarbeitung der IDAT setzt das BFCC-Projekt eine Treuhandstellen-Lösung (THS) um.
Innerhalb des BFCC-Projekts wird die Frakturregister-Plattform in Zusammenarbeit mit existierenden Frakturregistern (in Schweden) und neuen Registerstandorten an Krankenhäusern in unterschiedlichen EU-Ostseeländern entwickelt sowie in zwei Phasen evaluiert (phasenweise Anbindung von je zwei teilnehmenden Krankenhäusern und ihrem Datenbestand).
Ergebnisse:
In einem ersten Schritt zum Aufbau des Frakturregisters wurde ein gemeinsames Variablenset mit obligatorischen Variablen (Common Minimal Dataset) und optionalen Variablen zur Beantwortung der ersten drei Pilotfragestellungen in den prioritären Forschungsfeldern erstellt: 1) Fraktur-bedingte Infektionen, 2) Knochendichtemessungen nach Frakturen und 3) Komplikationsmanagement im Verlauf einer Frakturbehandlung. Diese Variablen sind sieben zuvor festgelegten Erhebungskategorien (Patient, Frakturszenario, Diagnose, Behandlung, Komplikationen, Infektionen, Entlassung) zugeordnet worden. Das initiale Dataset besteht aus 68 Variablen, von denen 43 Variablen das Common Minimal Dataset bilden. Dieses Common Minimal Dataset bildet den Mindeststandard an Variablen, der von jedem am BFCC teilnehmendem Krankenhaus zu jedem Register-Patienten erhoben werden muss und umfasst u.a. die Frakturklassifikation sowie ggf. die Komplikationsart.
Nächste Schritte umfassen die Vorbereitung und Umsetzung der für das Frakturregister erforderlichen Infrastruktur, die technische Anbindung der existierenden Frakturregister sowie die Vorbereitung der notwendigen webbasierten Datenerhebungswerkzeuge für die erste Evaluierungsphase der Frakturregister-Plattform in zwei teilnehmenden Krankenhäusern (in DE und LT).
Diskussion:
Erste Projekterfahrungen zeigten den hohen Abstimmungsbedarf zwischen den 13 Partnern aus sieben EU-Ostseeländern, um die unterschiedlichen Interessen und Schwerpunktsetzungen aus Forschung, Industrie und Klinik im Register abbilden zu können. Zudem sind die Berücksichtigung gesetzlicher Rahmenbedingungen wie der EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) und die Umsetzung sowohl übergreifender als auch länderspezifischer ethischer Aspekte wesentliche Herausforderungen des BFCC-Vorhabens. Dabei bildet die bisher geplante THS-gestützte Infrastruktur in Kombination mit der Einholung einer informierten Einwilligung des Patienten basierend auf dem deutschen Datenschutzrecht einen geeigneten Ausgangspunkt. Die Spezifikation der Datenschutzmaßnahmen hinsichtlich EU-Konformität ist in Arbeit.
Praktische Implikationen:
Bisher existierende Frakturregister decken zumeist nur Teilaspekte der für die BFCC Pilotfragestellungen benötigten Frakturinformationen ab: So konzentriert sich beispielsweise das dänische Frakturregister hauptsächlich auf die klinische Erfassung von Fraktur-bedingten Operationen. Andere Register legen ihren Fokus eher auf bestimmte Frakturarten wie Register für Hüft- und Unterarmfrakturen. Eine länderübergreifende Datenerhebung und eine thematische Schwerpunktsetzung auf Fraktur-bedingte Infektionen und Komplikationen sind klinisch außerordentlich bedeutsam - standen jedoch bisher nicht im Mittelpunkt von Registerumsetzungen in den beteiligten Ländern. Diese Lücke soll das transnationale Frakturregister des BFCC-Projekts schließen.
Hintergrund: Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) und akutem Koronarsyndrom (ACS) haben ein hohes Risiko für einen Schlaganfall und ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Leitlinien empfehlen für VHF/ACS-Patienten eine Dreifachkombination (Triple-Therapie) blutgerinnungshemmender Mittel zur Schlaganfallprophylaxe und zur Verhinderung eines Stent Verschluss. Diese Triple-Therapie besitzt ein hohes Blutungsrisiko, so dass Unsicherheiten in der Behandlung bestehen.
Fragestellung: Wie häufig und in Abhängigkeit welcher Entscheidungsdeterminanten erfolgte eine Triple-Therapie bei für diese Therapie indizierten VHF/ACS-Patienten in den Jahren 2010-2014 in Berlin?
Methodik: Vom 1.1.10 - 31.12.14 wurden 1348 Patienten mit Herzinfarkt und VHF und eindeutiger Indikation für eine Triple-Therapie in unser Register eingeschlossen. Für diese Patienten wurden erhoben: Art des Vorhofflimmerns (erstmalig, paroxysmal, (lang) persistierend und permanent), Risiko CHA2DS2-VASc- und HAS-BLED-Scores, Pumpfunktion des linken Ventrikels und Entlassungsmedikation.
Datenauswertung: Deskriptiv erfolgte die Analyse von Verteilungseigenschaften. Wesentliche Variablen für die Entscheidung für oder gegen eine Triple-Therapie wurden mittels binär logistischer Regression untersucht. Primär erfolgten dabei univariate Analysen. Im Anschluss wurden signifikanten Variablen in ein logistisches Regressionsmodell eingeführt.
Ergebnisse: Es wurden die Daten von 1348 Patienten analysiert. Das mittlere Alter betrug 74,9 Jahre, der Anteil Frauen 36,6%. Komorbiditäten waren häufig: 30.4% Niereninsuffizienz, 43.0% Diabetes, 91.7% Hypertonus, 57.7% eingeschränkte Pumpfunktion des linken Ventrikels. In 37.6% der Fälle wurde paroxysmales VHF, in 25.4% erstmaliges VHF diagnostiziert. 1123 Patienten wurden invasiv mittels Koronarintervention und 225 konservativ behandelt.
Die Verordnung einer Triple-Therapie steigerte sich von 43% in 2010 auf 55.4% in 2014.
Im Ergebnis der logistischen Regression zeigte sich, dass die Chance eine Triple-Therapie zu erhalten größer war für nierengesunde im Vergleich zu nierenkranken Patienten (OR=1,4), für Patienten mit vorbestehendem im Vergleich zu erstmaligem VHF (OR=2,3), für invasiv im Vergleich zu konservativ behandelten Patienten (OR=8,0) und für Patienten mit eingeschränkter im Vergleich zu normaler Pumpfunktion des linken Ventrikels (OR=1,4 bei leicht eingeschränkt, OR=1,8 bei mittelgradig eingeschränkt, OR=1,6 bei schwer einegschränkt).
Diskussion: Ursächlich für die signifikant seltenere Verordnung einer Triple-Therapie bei VHF/ACS-Patienten mit Niereninsuffizienz, könnte das höhere Blutungsrisiko und die komplexere Steuerung bei diesen Patienten sein. In den Ergebnissen spiegelt sich auch die divergente Studienlage bezüglich der Bewertung der Art des VHF wider. So ist unklar, wie kurze, erstmalige VHF Episoden vor oder während eines Infarkts zu bewerten sind. Es könnte vermutet werden, dass Ärzte bei dieser Patientengruppe entgegen der Empfehlung zurückhaltender agieren, da sie die VHF Episode als Begleitumstand des Infarkts und nicht als eigenständige Erkrankung sehen. Bei eingeschränkter Pumpfunktion des linken Ventrikels scheint in Anbetracht des erhöhten thromboembolischen Risikos bei diesen Patienten eine Risikoabwägung zugunsten einer protektiveren Triple-Therapie erkennbar. Dahingegen wird insbesondere bei konservativem Therapievorgehen von der Empfehlung einer Triple-Therapie mit höherem Blutungsrisiko abgewichen, möglicherweise auch als Folge einer älteren und multimorbiden Patientengruppe.
Praktische Implikationen: Eine Adhärenz von 55% zur Leitlinienempfehlung sollte weitere Überlegungen zum Umgang mit der Situation nach sich ziehen. In Folgestudien sollte das Risikopotential der unterschiedlichen VHF Formen weiter untersucht werden. Dieses scheint insbesondere im Hinblick auf das erhöhte Blutungsrisiko bei Triple-Therapie sinnvoll, aber auch hinsichtlich Überlegungen, erhöhte Schlaganfall- und Mortalitätsraten bei VHF/ACS Patienten zu verhindern.
Mit den neuen VHF-Leitlinien aus dem Jahr 2016 wurde eine Double-Therapie mit zwei gerinnungshemmenden Substanzen in die Leitlinien aufgenommen, was zu einer Steigerung der Empfehlungsadhärenz führen dürfte.
Hintergrund: Die Sterblichkeit am Herzinfarkt ist nach Todesursachenstatistik in Brandenburg wesentlich höher als im Bundesschnitt und im Vergleich der Bundesländer am zweithöchsten. Die Sterblichkeit am Herzinfarkt im Nachbarland Berlin liegt unter dem Bundesschnitt. Die Ursachen für die erhöhte bzw. erniedrigte Herzinfarktsterblichkeit sind nur in Ansätzen bekannt.
Fragestellung: In unserer Studie wurde deshalb untersucht, ob auf Basis offiziell verfügbarer Datensätze Ursachen für die Sterblichkeitsdifferenzen identifiziert werden können.
Methode: Wir haben die Daten der Krankenhaus- und Todesursachenstatistik analysiert und die Brandenburger mit den bundesweiten und den Berliner Daten verglichen – auch im Hinblick auf Berlin als Stadt- und Brandenburg als Flächenstaat.
Ergebnisse: Nach Krankenhausstatistik gibt es keine wesentlichen Unterschiede in der altersstandardisierten Häufigkeit pro 100.000 EW in der stationären Behandlung und Sterblichkeit von Infarktpatienten zwischen Brandenburg (259 Infarktfälle; 25 stationäre Sterbefälle), Berlin (244 Infarktfälle; 20 stationäre Sterbefälle/100.000 EW altersstandardisiert) und dem Bundesgebiet (256 Infarktfälle; 23 stationäre Sterbefälle). Unterschiede gibt es in Detailanalysen. So werden in Brandenburg vergleichsweise mehr ältere Patienten stationär behandelt als bundesweit, und es gibt regionale Differenzen im Vergleich Berliner Umland und restliches Brandenburg.
Im Gegensatz zur Krankenhausstatistik zeigt die Todesursachenstatistik große Unterschiede mit altersstandardisierten Herzinfarktsterbefällen/100.000 EW von 83,7 in Brandenburg, 56,2 im Bundesgebiet und 46,0 in Berlin. Auch zeigt die Todesursachenstatistik eine altersstandardisiert um 41 Sterbefälle/100.00 EW höhere Gesamtsterblichkeit über alle Todesursachen in Brandenburg im Vergleich zum Bundesschnitt und eine um 42 Sterbefälle/100.00 EW höhere Herz-Kreislauf-Sterblichkeit (I00-99) als bundesweit.
Die Gesamtsterblichkeit in Berlin entspricht dem Bundesschnitt. Abweichungen im Vergleich zum Bund gibt es bei der Sterblichkeit an einer nicht klassifizierten Todesursache (R00-99), die altersstandardisiert um 88 Fälle pro 100.000 EW über dem Bundesschnitt liegt. Würden alle in Berlin nicht klassifizierten Fälle als ischämisch bedingte Herz-Kreislauf-Todesfälle in die Todesursachenstatistik eingehen, dann läge die ischämisch bedingte Herz-Kreislauf Sterblichkeit in Berlin mit 197 Todesfällen pro 100.000 EW über der vergleichbaren ischämisch bedingte Herz-Kreislauf Sterblichkeit in Brandenburg (176).
Diskussion und praktische Implikationen: Die Daten der Todesursachenstatistik zeigen im Gegensatz zur Krankenhausstatistik für beide Geschlechter und über alle Altersgruppen eine wesentlich höhere Sterblichkeit am Infarkt in Brandenburg im Vergleich zum Bundesgebiet und zu Berlin. Wenn wir davon ausgehen, dass die Daten beider Statistiken (Todesursachenstatistik und Krankenhausstatistik) bei großzügiger Fehlertoleranz ein Abbild der Realität darstellen, dann müsste die Krankenhaussterblichkeit in den einzelnen Brandenburger Kliniken große Unterschiede aufweisen, damit sich die Differenzen im Mittelwert wieder ausgleichen, oder die höhere Sterblichkeit in Brandenburg müsste an einer vermehrten Sterblichkeit außerhalb der Kliniken liegen.
Betrachten wir die Gesamttodesursachenstatistik korreliert die Übersterblichkeit von 41 Sterbefällen/100.000 EW in Brandenburg im Vergleich zum Bund zahlenmäßig mit der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit, so dass die These geäußert wird, dass die Übersterblichkeit in Brandenburg mit einer Herz-Kreislauf-Übersterblichkeit begründet werden könnte. Einiges spricht dafür, dass die These zutreffen könnte, denn Brandenburg ist vergleichsweise überaltert mit einem Medianalter der Bevölkerung von 48,6 Jahren im Vergleich zu 45,3 Jahre bundesweit (2012), und die Bevölkerung zeigt ein Risikofaktorenprofil, das Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt. Auch zu nennen ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Versorgungsmöglichkeiten in Brandenburg eingeschränkt sind. So kamen 2014 in Brandenburg 31.920 Einwohner auf einen vertragsärztlich zugelassenen Kardiologen, in Berlin waren es einer auf 23.132 Einwohner.
Aufgrund der sehr hohen Zahl an nicht klassifizierten Todesfällen in Berlin, sind Analysen mit der Berliner Todesursachenstatistik nur bedingt zuverlässig, da wir nicht wissen, ob sich die Todesursachen bei den fehlenden Totenscheinen gleichmäßig über alle Todesursachen verteilen oder ob zufällig alle fehlenden Totenscheine einer Todesursache, z.B. der ischämischen Herzkrankheit, zugeordnet werden müssten. Hier bräuchte es eine konzertierte Aktion zur Verbesserung der Qualität der Todesursachenstatistik.
In einem 2. Teil des Projekts werden wir uns auf Basis der Analyse von Primärdaten dem Thema und dem Vergleich der Daten zwischen Berlin und Brandenburg nähern.
Patientenzentrierte Versorgung stellt einen wesentlichen Aspekt in der Versorgungsforschung dar. Dieser umfasst mehrere Punkte, insbesondere die aktive Beteiligung von Patienten in der Entscheidungsfindung (Shared Decision-Making), patientenzentrierte Gesundheitsinformationen und Patientenbeteiligung. In dieser Session geht es um genau diese Punkte. Patienten haben oft nicht die Möglichkeit Teil einer patientenzentrierten Versorgung zu sein, da sie Zugangsbarrieren zu risikobezogenen Informationsangeboten gegenüberstehen und ihnen die angemessene Entscheidungsfindung verwehrt wird. Dafür müssen zunächst Verbesserungsansätze gefunden werden, die besonders für vulnerable Gruppen von Bedeutung sein können. Deswegen ist die Identifikation von Präferenzen und Erfahrungen, aber auch Barrieren wichtig. Darauf aufbauend können Interventionen zur evidenzbasierte Entscheidungshilfe durch Decision-Coaching durchgeführt werden um den Entscheidungsprozess zu verbessern. Als abschließender Punkt dieser Session wird die Mobile Geriatrische Rehabilitation betrachtet und diskutiert.
Hintergrund: Brustkrebs ist weltweit die häufigste Krebsdiagnose bei Frauen in der stationären, ambulanten und rehabilitativen Versorgung. Etwa 30% der Brustkrebserkrankten zeigen dabei eine familiäre Disposition im Hinblick auf eine genetische Verursachung. Die am häufigsten identifizierbaren Mutationen beim familiären Brust- und Eierstockkrebs finden sich in den so genannten Hochrisikogenen BRCA1 und BRCA2. Wenn eine BRCA1/2-Mutation nachgewiesen werden konnte, ist von einem lebenslang deutlich erhöhtem, mit dem Alter steigenden Risiko, an Brust- bzw. Eierstockkrebs zu erkranken, auszugehen.
In Deutschland stehen Betroffenen und Ratsuchenden zum Thema familiäre Brust- und Eierstockkrebsbelastung etablierte Versorgungsstrukturen zur Verfügung, bestehend aus interdisziplinärer Beratung, Gentestung, individueller Risikokalkulation und Prävention (intensivierte Früherkennung und prophylaktische Operationen).
Durch neue Sequenzierungsverfahren ("next generation sequencing") sowie diagnostische Möglichkeiten durch Multigenanalysen und Paneldiagnostik können heute bereits weitere bekannte Risikogene für familiären Brust- und Eierstockkrebs identifiziert und untersucht werden. Die schnelle Entwicklung der technischen wie diagnostischen Möglichkeiten, die damit einhergehenden risikobezogenen Erkenntnisgewinne und Handlungsoptionen, aber auch die Angebotsvielfalt an universitären oder klinischen Versorgungsnetzwerken, gentestenden Privatlaboren und Start-up-Unternehmen, verlangen von den Ratsuchenden einen kompetenten Umgang mit den zur Verfügung gestellten risikobezogenen Informationen und dem sich damit eröffnenden Bedarf an präferenzsensitiven Entscheidungen.
Die breite Nutzbarmachung des Wissens um individuelle Erkrankungsrisiken und Handlungsalternativen im Sinne der klientenzentrierten Prävention, stellt besondere Anforderungen an die Gesundheitskompetenz der Ratsuchenden. Der Zugang zu risikobezogenen Informationen ist hierbei die Voraussetzung, um den Prozess hin zum gesundheitskompetenten Handeln einzuleiten. Zugangsbarrieren zu risikobezogenen Informationsangeboten – seien sie individuell oder strukturell - stehen einer präferenzsensitiven Entscheidungsfindung demnach im Wege.
Fragestellung: Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit ist es, auf Basis der bislang publizierten Fachliteratur einen Überblick über die Zugangsmöglichkeiten zu risikobezogenen Informationen angesichts familiärer Brust- und Eierstockkrebsbelastung zu erhalten. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage, welche Rolle den Zugangsbarrieren in der präferenzsensitiven Entscheidungsfindung zukommt.
Methode: Es wurde eine systematische Literatursuche in vier Datenbanken (PubMed, Cochrane Library, PsycINFO, Web of Sciende) durchgeführt; diese folgte einem vierstufigen Verfahren: 1) Die Suchterme wurden entwickelt und über PubMed getestet. Neben dem Zugang zu risikobezogenen Informationen sollte explizit das Risiko angesichts einer familiären Brust- und Eierstockkrebsbelastung in der Studie thematisiert worden sein. Die Suchterme wurden in englischer und deutscher Sprache getestet. 2)Nach dem Pretest wurden die englisch- und deutschsprachigen Studien einem Titel-Abstract-Screening unterzogen. Ergänzende Suchterme wurden identifiziert und in die Suchstrategie übernommen. 3)Nach der Finalisierung wurde die Suche auf die vier Datenbanken angewendet. 4)Die Treffer wurden um datenbankübergreifende Doppler bereinigt. Die Auswertung der eingeschlossenen Volltexte erfolgte systematisch durch drei unabhängige Reviewer mittels quantitativer Inhaltsanalyse Ergebnisse: Zahlreiche Studien nehmen den Zugang zu risikobezogenen Informationen angesichts einer familiären Brust- und Eierstockkrebsbelastung in den Blick. Unterschiedliche Informationszugänge werden analysiert, die sich an eine heterogene Gruppe von Ratsuchenden (z.B. Erkrankte an familiärem Brust- und/oder Eierstockkrebskrebs, nichterkrankte Mutationsträger/Previvors, Angehörige von Mutationsträgern, usw.) richten. Es werden
verschiedene individuelle wie strukturelle Merkmale (z.B. Bildungsstand, Alter, Migrationshintergrund, Wohnort usw.) benannt, die Barrieren im Zugang zu risikobezogenen Informationsangeboten darstellen und damit einer präferenzsensitiven Entscheidungsfindung im Wege stehen könnten.
Diskussion und praktische Implikationen: Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass die Zugangsmöglichkeiten zu risikobezogenen Informationsangeboten in empirischen Studien breite Beachtung erfahren. Zugangsbarrieren werden diskutiert. Hinsichtlich der Rolle des Informationszugangs für die präferenzsensitive Entscheidungsfindung besteht weiterer Forschungsbedarf, um darauf aufsetzend zielgruppengenaue Informationsangebote zu entwickeln und im Sinne der klientenzentrierten Prävention zu etablieren.
Hintergrund:
Jährlich erkranken in Deutschland ca. 500.000 Menschen neu an Krebs, Tendenz steigend. Trotz bedeutender Fortschritte in der Krebsbehandlung bildet die Krebserkrankung für die betroffenen Patienten und ihr soziales Umfeld ein schwerer, oft (lebens-)bedrohlicher Ein-schnitt in ihrem Leben, mit körperlichen sowie auch psychosozialen Beeinträchtigungen während und nach der Behandlung sowie zum Teil beträchtlichen Einschränkungen der ge-sundheitsbezogenen Lebensqualität. Neben den körperlichen Belastungen gehören zu den häufigsten psychischen Belastungen bei Krebspatienten u.a. Distress (59%), Ängste (48%) und Depressivität (58%). Aktuelle Studien aus Deutschland zeigen, dass ca. 50% aller Krebs-patienten einen Bedarf an psychosozialer Unterstützung haben. Eine angemessene und bedarfsgerechte psychoonkologische Versorgung von Krebspatienten ist daher ein unver-zichtbarer, integrativer Bestandteil der patientenorientierten Behandlung von Krebspatien-ten und sollte - wie im Nationalen Krebsplan formuliert - bei Bedarf jedem Patienten und dessen Angehörigen angeboten werden. Bisher ist jedoch unklar, wie umfassend die psychoonkologische Versorgung in den verschiedenen Regionen Deutschlands sowie in den verschiedenen Settings etabliert ist. Bisherige Studien berichten, dass nur ca. 3-11% der am-bulant versorgten Krebspatienten eine psychoonkologische Unterstützung erhalten, jedoch fehlt es an einer umfangreichen und Setting-übergreifenden Erhebung.
Fragestellung:
Um die psychoonkologische Versorgung von Krebspatienten flächendeckend und bedarfsge-recht verbessern zu können bedarf es einer Bestandaufnahme aller ambulanten und statio-nären psychoonkologischen Versorgungsangebote, um Defizite über die Art, Wirkungsweise und Zugang zu den psychoonkologischen Unterstützungsangeboten zu ermitteln. In einem zweiten Schritt soll der Bedarf an psychoonkologischer Unterstützung erfasst und anschlie-ßend der Deckungsgrad ermittelt werden. Die Ergebnisse Studie sollen schließlich in Empfeh-lungen zur Optimierung der psychoonkologischen Versorgung münden. Diese Bestandauf-nahme wird im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit in der deutschlandweiten Studie „Psychoonkologische Versorgung in Deutschland: Bundesweite Bestandsaufnahme und Analyse“ erhoben.
Methode:
Potentielle Leistungserbringer wie z.B. Krankenhäuser, psycho-soziale Krebsbera-tungsstellen sowie Psychotherapeuten und Fachärzte mit einer spezifischen psychoonkologi-schen Weiterbildung werden über verschiedene Datenbanken, u.a. des Krebsinformations-dienstes, identifiziert. Um eine möglichst hohe Abdeckung zu erreichen werden weitere Quellen wie z.B. Fachgesellschaften oder Landesbehörden zum Abgleich bzw. zur Ergänzung einbezogen. Alle weiteren möglichen Anbieter psychoonkologischer Angebote, wie z.B. nie-dergelassen Fachärzte oder Psychotherapeuten sollen auf der Basis von Zufallsstichproben im Umfang von 10%, stratifiziert nach regionalen Merkmalen und Art des Angebotes, kon-taktiert werden und einen spezifischen Fragebogen erhalten. Hierin werden alle Leistungs-erbringer eingangs befragt, ob psychoonkologische Angebote erbracht werden. Falls dies positiv beantwortet wird, werden weitere Fragen u.a. zur Art, zur Form und zum Umfang des psychoonkologischen Angebots, zu den zeitlichen sowie personellen Kapazitäten, zur berufli-chen Qualifikation der Leistungserbringer sowie zu Qualitätsmerkmalen der Versorgungsar-beit gestellt. Um Hinweise auf die Validität und Repräsentativität der erhobenen Angaben sowie Hinweise für Non-Responder-Analysen zu erhalten, werden mit nach Anbietertyp stratifizierten kleinen Teilstichproben qualitative telefonische Interviews durchgeführt.
Ergebnisse und Diskussion:
Die Ergebnisse der Erhebung werden unter Zuhilfenahme eines im Rahmen des Projekts entwickelten Qualitätskriterien-Katalogs analysiert und bewertet und nach Raumordnungs-regionen auch kartographisch dargestellt und mit Indikatoren des Bedarfs verglichen. Die Anbieter-Erhebung wird im Mai 2017 beginnen. Im Rahmen der Präsentation sollen die Me-thodik und erste Ergebnisse, vor allem zum Rücklauf, vorgestellt und diskutiert werden.
Praktische Implikationen:
Die Gegenüberstellung von ermitteltem Angebot und Bedarf soll in entsprechende Empfeh-lungen für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung des psychoonkologischen Versorgungs-angebotes in Deutschland münden.
Hintergrund und Fragestellung
Trotz breiter auch gesundheitspolitischer Forderung von Patientenbeteiligung und partizipativer Entscheidung (PEF) sind viele Krebsbetroffene nicht zufrieden mit dem Grad ihrer Einbeziehung. Studien weisen auch darauf hin, dass die Präferenzen sich nach Fragestellung, Art und Stadium der Erkrankung, Alter und Bildungsstand unterscheiden können. Für die Onkologie gibt es bisher nur wenige differenzierte Daten dazu. Eine Analyse auf der Basis einer großen Nutzerbefragung im Telefonservice des Krebsinformationsdienstes geht diesen Fragen nach und untersucht die Effekte als hilfreich empfundener patientenzentrierter Information auf die subjektiv wahrgenommen Selbstkompetenz.
Material/Methoden
Konsekutive KID-Nutzer wurden von Juni 2016 bis April 2017 im Anschluss an das Informationsgespräch um Beteiligung an der Befragung gebeten. Bei Zustimmung erfolgte eine Wochen nach dem Kontakt die Befragung mit einem online zur Verfügung gestellten oder per Post zugesandten Fragebogen. Erhoben werden die Zufriedenheit der Anfragenden mit den vermittelten Informationen, deren individuell wahrgenommenen Nutzen sowie allgemeine Informations- und Beteiligungspräferenzen. Ein im Survey integriertes Modul erhebt bei Krebspatienten differenziert und situationsbezogen Erfahrungen, -präferenzen und –barrieren bezüglich medizinischer Entscheidungen und speziell der PEF. Rund 2000 Patienten nahmen an der Befragung teil. Vorgestellt werden Ergebnisse einer deskriptiven Analyse der auswertbaren Patientendatensätze.
Ergebnisse
Zum Stichtag einer letzten Zwischenauswertung im Januar 2017 zeigte sich die Beteiligungspräferenz von Patienten (66% Frauen) mit rund 80% Vollzustimmung bezogen auf die konkrete Situation ausgeprägt - deutlich höher bei höherer vs. einfacher Schulbildung (88 vs. 76%), aber ansonsten mit geringen Unterschieden nach Subgruppen. 52% der befragten Patienten suchten explizit Entscheidungsunterstützung, v.a. zu Diagnostik, Therapie und KAM. Wurden die vermittelten Informationen als hilfreich wahrgenommen, war dies deutlich mit Zuwachs an Verständnis und Orientierung, aber auch mit Aktivierung und Beteiligung assoziiert: Besprechung der erhaltenen Informationen mit den behandelnden Ärzte, Einholen einer zweiten Meinung oder Nutzung weiterer Informationsquellen. Vorläufige Auswertungen des PEF-Moduls zeigen die höchste Präferenz für Patientenautonomie in formalen Fragen: Behandlungsort, Behandlungszeitpunkt und Einbeziehung von Angehörigen. Die alleinige Entscheidung durch den Arzt wünschten insgesamt unter 5% der Befragten. Im Mittel über alle Entscheidungsbereiche und –themen gut 40% präferierten die mit dem Arzt gemeinsam getroffenen Entscheidung (PEF), während nur gut 20% dies auch so erlebten. In der subjektiven Wahrnehmung wurden die PEF-Schritte (erhoben mit dem PEF-FB 9, Kriston et al. 2010) stärker bei Informations- als abei Kommunikationsaspekten realisiert. Die am häufigsten genannten PEF-Barrieren waren fehlendes Angebot seitens der Ärzte, fehlende Information über das Bestehen unterschiedlicher Optionen und subjektives Informations-/Kompentenzdefizit.
Schlussfolgerung und Implikationen
Die Beteiligungspräferenz der aktiv informationssuchenden Patienten im KID-Kollektiv ist hoch und in allen Bereichen deutlich höher als real erlebt. Der gemeinsamen Entscheidung steht entgegen, dass sich ein großer Teil der Befragten dafür nicht ausreichend gerüstet fühlt. Barrieren liegen auch in der ärztlichen Kommunikation, die PEF häufig nicht anbahnt. Beteiligungsförderliche Arzt-Patient-Kommunikation wie auch bedarfsgerechte, individuell zugeschnittene und patientenzentriert vermittelte Informationen unterstützen Patientenkompetenz, Initiative und Partizipation.
Hintergrund
Frauen mit Brustkrebs möchten an medizinischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Zur Umsetzung von Shared Decision Making (SDM) in zertifizierten Brustzentren wurde eine interprofessionelle komplexe Intervention in Anlehnung an das Modell des UK Medical Research Councils [1] entwickelt und pilotiert. Die Intervention umfasst eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe für Frauen mit einem duktalen Carcinoma in situ (DCIS), ein Decision Coaching durch spezialisierte Pflegefachkräfte (SPF), sowie ein strukturiertes Arztgespräch. In Vorbereitung erhalten die SPF ein dreitägiges Training und die Ärzte einen zweistündigen Workshop.
Fragestellung
Ziel der Pilotstudie war die Überprüfung der Machbarkeit der entwickelten komplexen Intervention mit dem Fokus auf Verständlichkeit, Angemessenheit und Akzeptanz.
Methode
Wir haben zwei Brustzentren mit vier SPF und fünf Ärzten eingeschlossen. Die Schulungen und der Workshop wurden anhand strukturierter Unterrichtsbeobachtungen und Feedbacks der Teilnehmenden anhand von Fragebögen evaluiert.
Im Anschluss haben die Ärztinnen und Ärzte sieben Patientinnen mit DCIS in die Pilotstudie eingeschlossen. Diese erhielten eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe, ein Decision Coaching durch die geschulten SPF und ein strukturiertes Arztgespräch. Die Decision Coaching-Gespräche durch die SPF wurden auf Video aufgezeichnet und das Ausmaß der Patientenbeteiligung wurde mit dem MAPPIN`SDM-Beobachtungsinstrument [2] durch sechs unabhängige Rater beurteilt (Skala: 0=Kompetenz wurde nicht beobachtet bis 4 = exzellente Ausführung), die final einen Konsens bildeten.
Von den beteiligten Ärzten, Nurses und Patientinnen wurden Feedbacks mittels Fragebogen erhoben. Die Frauen erhielten zudem einen Wissenstest.
Alle Fragebögen wurden deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse
Die gesamte Intervention (Training der SPF, Ärzteworkshop, Decision Coaching) erwies sich als machbar und wurde von den Beteiligten gut angenommen. Das Decision Coaching dauerte im Mittel 36 Minuten (Range: 23-82min.). Die SPF und Patientinnen erreichten ein Basisniveau im SDM-Verhalten (MAPPIN'SDM-Beobachterdyade = 2,15; Range: 1,73-2,73). Die Patientinnen beantworteten 10-15 von 15 Fragen korrekt. Alle SPF und die meisten Ärzte befürworteten die Umsetzung von inter-professionellem SDM.
Es wurden auch relevante Barrieren identifiziert. Die Ärzte befürchteten, dass einige Frauen aufgrund ihres Alters mit den Informationen überfordert sein könnten und schlossen nicht alle geeigneten Frauen in die Studie ein. Zudem äußerten sie Bedenken, dass die Präferenzen der Frauen nicht mit der Empfehlung des Tumorboards oder den Leitlinien übereinstimmen könnten.
Die SPF äußerten einen Zeitmangel für das Coaching, insbesondere wenn diese für ihre Tätigkeit im Stationsalltag nicht freigestellt waren.
Diskussion
Die Intervention ist machbar. Jedoch stellen strukturelle Gegebenheiten wie die Leitlinien- und Tumorboardempfehlungen und auch die Einstellungen der Professionellen Barrieren dar. Die Intervention wurde entsprechend der Ergebnisse überarbeitet. So wurde z.B. mehr Diskussionszeit für die Behandlungsoptionen im Rahmen des Ärzteworkshops eingeplant.
Die Wirksamkeit der Intervention wird derzeit in einer cluster-randomisiert kontrollierten Studie mit 16 Brustzentren evaluiert [3].
Praktische Implikationen
Decision Coaching durch SPF ist machbar, allerdings müssen langfristig v.a. strukturelle Gegebenheiten angepasst werden.
Referenzen
[1] Craig P et al. 2008. Developing and evaluating complex interventions: the new Medical Research Council guidance. BMJ;doi10.1136/bmj.a1655.
[2] Kasper J et al. 2012. MAPPIN’SDM - the multifocal approach to sharing in shared decision making. PLoS One;7:e34849.
[3] Berger-Höger B et al. 2015. Informed shared decision-making supported by decision coaches for women with ductal carcinoma in situ: study protocol for a cluster randomized controlled trial. Trials;16:452.
Hintergrund
Mit Inkrafttreten des GKV Wettbewerbsstärkungsgesetzes wurde 2007 die mobile, wohnortnahe Rehabilitation in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen. Diese Versorgungsleistung spricht eine wachsende Bevölkerungsgruppe an, der anderweitig kein Zugang zur Rehabilitation gewährt wird. Betroffen sind Patienten mit multimodaler Symptomatik, die nicht selten auch demenziell erkrankt sind. Die Kontextfakoren der Versorgung spielen eine zentrale Rolle.
Fragestellung
Untersucht wird hier die mobile, geriatrische Rehabilitation bei einem Klientel in stationären Pflegeeinrichtungen. Wie hoch ist hier der Bedarf und welche Besonderheiten zeigen sich im Verlauf der Rehabilitation? Ist die mobile Rehabilitation nachhaltig und effektiv?
Methode
Die mobile geriatrische Rehabilitation ist relativ neu und ihr Verlauf entsprechend wenig erforscht. Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projektes wird eine Analyse über den Bedarf und den Verlauf mobiler geriatischer Rehabilitation in stationären Pflegeeinrichtungen in Deutschland vorgenommen. Die Untersuchung ist als multizentrische Studie über fünf Standorte angelegt. Untersucht wird mittels fachärztlicher Begutachtungen der Bedarf an (mobiler) Rehabilitation an Standorten in West-, Ost-, Mittel- und Süddeutschland. 760 Bewohnerinnen und Bewohner aus insgesamt 13 Pflegeeinrichtungen wurden begutachtet . In einer Verlaufsstudie wurden weiterhin zu vier Messzeitpunkten (im Halbjahreszeitraum) Daten über einen Fragebogen erhoben. Gemessen wurden mit Alter, Geschlecht, Pflege- und Versichertenstatus soziodemographische Merkmale sowie Diagnosegruppen und der kognitive Status. Die Messvariablen sind: Barthel Index, Transferleistung, Bewegungsradius, Teilhabeziele (mit Zielerreichung) und Lebensqualität (mit Zufriedenheit). Die Studie weist ein Kontrollgruppendesign aus. Geplant werden 100 Rehabilitanden 40 Personen ohne Rehabilitation aber mit Bedarf (Kontrollgruppe) gegenübergestellt. Neben den Outcomes der Intervention (Halbjahreszeitraum) werden Daten zu Struktur und Prozess der Intervention erhoben: Art, Umfang, Dauer und Kosten der Rehabilitationsmassnahme
Ergebnisse
Die Bedarfsanalyse zeigt, dass etwa jeder fünfte Bewohner einen Bedarf an (mobiler) Rehabilitation hat. In der Langzeitpflege liegt der Rehabilitationsbedarf bei 23% der Heimbewohner. Derzeit wird in Deutschland u.a. aufgrund fehlender Angebote nur ein kleinster Bruchteil hiervon rehabilitativ versorgt.
Die Maßnahme mobiler Rehabilitation verbessert den Grad der Selbstversorgung. Es kann von einer generellen Wirksamkeit ausgegangen werden (vgl. u.a. Lübke 2016). Der Barthel-Index weist in den bisherigen Studien mit Ende der Maßnahme eine Verbesserung von über zehn Punkten aus. Ein Standort aus der multizentrischen Studie weist eine Verbesserung über den Selbständigkeitsindex FIM mit über zehn Punkten aus, zudem verbessert sich der kognitive Status leicht (vgl. MDK Rheinland-Pfalz 2016). Ein weiterer Standort zeigt als erste Teilauswertung eine Verbesserung des Barthel-Index in der Interventionsgruppe von knapp 14 Punkten am Ende des Halbjahreszeitraums, wo hingegen die Vergleichsgruppe sich um 4 Punkte verändert. Dies deutet auf Aspeke einer nachhaltigen Versorgungsleistung hin.
Diskussion
Die fachärztlich ausgewiesene Bedarfsquote gibt voraussichtlich nur bedingt die tatsächliche Nachfragesituation wieder. Bis zur Inanspruchnahme einer Rehabilitation sind weitere Faktoren bedeutend. Zu fragen ist auch, ob und wie der Bedarf überhaupt gedeckt werden kann. Es gibt nur wenige Anbieter Mobiler Rehabilitation, hier fehlen deutlich die Anreize. Jedoch wie effektiv ist eine mobile Rehabilitation und wie verläuft die Behandlung vor Ort? Die hier vorgelegte Studie lässt weitergehende Erkenntnisse mit einer Vergleichsanalyse zu. Neben dem Grad zur Verbesserung der Selbstversorgung, wird der Grad der Zielerreichung als weiteres zentrales Reha-Ziel hier ausgewiesen. Ebenso können Analysen zu Lebensqualität im Vergleich vorgenommen werden.
Praktische Implikationen
Der Gesetzgeber gibt die "Rehabilitation vor Pflege" als versorgungsleitende Maxime vor. Dies kann den Pflegeaufwand vermindern helfen, die Qualität der Versorgung verbessern und Kosten einsparen lassen. Die Versorgungsanforderung einer Rehabilitation geriatrischer, multimorbider Patienten mit oftmals kognitiven Einschränkungen steht in Konzept, Qualität und Leistung noch weit am Anfang einer auch gesellschaftlich-ethischen Erörterung.
eHealth Funktionalitäten werden, auch unterstützt von der Gesetz- und Regelgebung, immer wichtiger in der regionalen Versorgung. Die Anwendungen reichen dabei von digitalen Patientenakten über telemedizinische Modelle bis Konzepte zur Internetmedizin. Die Evaluation der Anwendungen erfordert in vielen Fällen Kreativität bei Design und Methodik, da die Versorgungsmodelle, insbesondere wenn sie regionale implementiert werden, oft nicht mit klassischen randomisierten Designs durchgeführt werden können. Es werden fünf eHealth-Anwendungen für verschiedene Patientengruppen vorgestellt, die mit unterschiedlichen Methoden evaluiert wurden.
Hintergrund: Hintergrund dieser Forschungsarbeit ist es, generalisierbare Erfolgs-faktoren für die Gestaltung von regionalen Telemedizinkonzepten zu erarbeiten – hier konkret am Beispiel der geriatrischen Versorgung in Oberfranken. Konzeptge-staltungen dieser Art gewinnen durch den demografischen Wandel sowie die fach-disziplinäre Unterversorgung – vor allem zu Lasten der ländlichen Regionen – zu-nehmend an Bedeutung. In Verbindung mit dem stetig voranschreitenden techno-logischen Fortschritt in der IT-gestützten Diagnostik und Therapie, wie auch durch die kontinuierliche Verbesserung und leistungsstärkeren IT-Infrastruktur und dem zunehmenden Bedarf von medizinischer Expertise in ländlichen Regionen, wird zukünftig die Telemedizin eine realistische Versorgungsalternative darstellen. Auf-grund der Diversität und Komplexität existierender Konzepte ist es notwendig, einen Katalog an generellen Erfolgsfaktoren zu Verfügung stellen, welche auf die Indivi-dualität spezifischer Konzepte angepasst werden kann und den Protagonisten bei einer erfolgreichen Konzeptumsetzung hilft.
Fragestellung: Lassen sich generelle Erfolgsfaktoren für die Gestaltung, Entwick-lung und Adaption von Telemedizinkonzepten identifizieren? Was bedeutet dies für die Konzeptentwicklung der geriatrischen Gesundheitsversorgung in Oberfranken?
Methode: Für die Erarbeitung der Erfolgsfaktoren wurde als Grundlage das Projekt der Europäischen Union MOMENTUM herangezogen. Darauf aufbauend wurden durch eine wissenschaftliche Literaturanalyse weitere Faktoren identifiziert und in einen Erfolgsfaktorenkatalog integriert (vgl. u.a. Terschürenet al 2012; Paul et al. 2016). Zur Validierung und Weiterentwicklung des Erfolgsfaktorenkatalogs wurden auch Konzepte genutzt, die von dem BMWi als Best-Practice für intelligenten Netze ausgezeichnet wurden (u.a. TEMPiS und TIRA). Die auf diese Weise identifizierten Erfolgsfaktoren wurden für das geriatrische Telemedizinkonzept Oberfranken über-prüft. Außerdem wurden die identifizierten Faktoren durch das MAST-Modell (Model for Assessment of Telemedicine applications nach Kidholm et al. 2012) zur Bewer-tung Telemedizinischer Konzepte getestet und der Katalog nochmals erweitert.
Ergebnisse: Die derzeitigen Forschungsergebnissehaben eine Vielzahl von Er-folgsfaktoren für telemedizinische, regionale Versorgungskonzepte hervorgebracht. Diese konnten vier Kategorien zugeordnet werden: Strategiebildung, Organisation, Technologie und rechtlicher Rahmen. Basierend auf diesem Katalog wurden eben-falls Implikationsempfehlungen für das Telemedizinkonzept Oberfranken erarbeitet. Es konnten in einem ersten Durchlauf insgesamt dreizehn Implikationsempfehlun-gen getroffen werden – abgestimmt auf ein älteres, existierendes Telemedizinkon-zept für Oberfranken im Bereich der Geriatrie. Exemplarisch seien hier genannt: Von Lernerfahrungen bestehender und erfolgreicher Projekten partizipieren; Füh-rungspersönlichkeiten frühzeitig benennen; Technologieunternehmen durch eige-nes Investment mit in das Konzept integrieren; Entwicklung von individuellen Soft-, Hardware und Netzwerklösungen unter Berücksichtigung daten- und informations-technischer Standards. Somit liegen insgesamt fünfzehn Implikationsempfehlun-gen vor, die je nach Art und Umfang des Telemedizinkonzeptes bei dessen Gestal-tung, Entwicklung und Adaption schon bei der theoretischen Erfolgskontrolle vorab nutzbar sind.
Diskussion: Die erzielten Ergebnisse unterliegen einer Vielzahl von Limitationen, die bei jedem Telemedizinkonzept beachtet werden müssen. So müssen z.B. die spezifischen regionalen Bedingungen als auch die fachmedizinischen Anforde-rungen an das Telemedizinkonzept berücksichtigt werden. Auch Aspekte wie die sich ständig veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen, gesellschaftlicher Wandel, medizinischer Fortschritt aber auch soziokulturelle und ethische Überle-gungen beeinflussen diese im Kontext der Telemedizin. Somit sollten diese ge-troffenen Implikationsempfehlungen tendenziell als Leitfaden für die Implementie-rung neuer Telemedizinkonzepte auch für andere Versorgungskonzepte genutzt werden. Für Oberfranken wird das nun optimierte telemedizinische Versorgungs-konzept zur weiteren Förderung begutachtet und bestenfalls im Verlauf des Jahres umgesetzt.
Praktische Implikationen: Die praktischen Implikationen dieser Arbeit manifestie-ren sich auf der zunehmenden Relevanz der Telemedizin und der damit einherge-henden, vermehrten Entwicklung von regionalen Telemedizinkonzepten. Die identi-fizierten und bewerteten Erfolgsfaktoren und daraus resultierenden Implikations-empfehlungen können für andere Telemedizinkonzept zur theoriebasierten Er-folgsprüfung vorab genutzt werden. Die erforschten Implikationsempfehlungen sol-len somit einen Beitrag für die weitere Integration der Telemedizin in die Gesund-heitsversorgung leisten.
Hintergrund
A high-caloric diet and lack of physical activity are associated with an increased risk for the development of type 2 diabetes mellitus.
Lifestyle interventions are the basic treatment in newly diagnosed type 2 diabetes. However, their therapeutic potential in advanced stages of the disease is unknown. This study evaluated the efficacy of the Telemedical Lifestyle Intervention Program (TeLiPro) in improving metabolic control in advanced stage type 2 diabetes.
Fragestellung
What is the effective difference between treating advanced type 2 diabetics with telemedical coaching alongside telemedical devices and treating with only telemedical devices? I.e. what is the efficacy of adding coaching in order to achieve lifestyle change. Primary endpoint is HbA1c reduction after 12 weeks.
Methode
In this single-blind, active comparator, intervention study, patients with type 2 diabetes (glycated haemoglobin [HbA1c] ≥ 7.5% (58.5 mmol/mol), body-mass index [BMI] ≥ 27kg/m2, ≥ 2 anti-diabetes medications) were recruited in Germany via their attending physicians and newspaper articles and randomised 1:1 using an electronically generated random list and sealed envelopes into two parallel groups. The data analyst was blinded after assignment. The control group (n=100) got weighing scales and step counters and remained in routine care. The TeLiPro group (n=102) additionally received telemedical coaching including medical-mental motivation, a protein-rich meal replacement therapy, and structured self-monitoring of blood glucose for 12 weeks. The coaching was delivered in structured routine telephone calls by trained diabetes coaches. The conversations included information about type 2 diabetes, anti-diabetes medication, healthy diet, physical activity and subjective possibilities for lifestyle changes, allowing each participant to receive individualised care. Target agreements were discussed and jointly agreed upon.
The primary endpoint was the difference in HbA1c reduction after 12 weeks, secondary endpoints were differences in body weight and composition, cardiovascular disease risk factors, anti-diabetes medication use and improvements in quality of life and eating behavior. All available values per patient (n=202) were analysed. Analyses were also performed at 26 and 52 weeks of follow-up.
Ergebnisse
HbA1c reduction was significantly higher in the TeLiPro group (mean ± standard deviation (SD) -1.1±1.2% vs. −0.2±0.8%; p<0.0001). The estimated treatment difference in the fully adjusted model was 0.8% with 95% confidence interval [1.1; 0.5] (p<0.0001). Treatment superiority of TeLiPro was maintained during follow-up (week 26: 0.6% [1.0; 0.3]; p=0.0001; week 52: 0.6% [0.9; 0.2]; p<0.001). The same applies for secondary outcomes: weight (TeLiPro: −6.2±4.6 kg vs. control: −1.0±3.4 kg), BMI (−2.1±1.5 kg/m2 vs. −0.3±1.1 kg/m2), systolic blood pressure (−5.7±15.3 mmHg vs. −1.6±13.8 mmHg). 10-year cardiovascular disease risk, anti-diabetes medication, quality of life and eating behavior was significantly improved in the TeLiPro group and not in the control group (p<0.01 for all). The effects
were maintained long-term. No adverse events were reported.
Diskussion
In advanced stage type 2 diabetes, TeLiPro can improve glycaemic control and may offer new options
to avoid pharmacological intensification. The increasing prevalence of type 2 diabetes and the
concomitant increase in anti-diabetes medication costs are a considerable burden for national healthcare
systems. Consequently, there is a strong need for alternative lifestyle-based therapeutic
approaches.
Praktische Implikationen
The reduction in HbA1c in the TeLiPro group (–1.1% after 12 weeks, –0.9% after 26 weeks, and –0.7%
after 52 weeks) is comparable with the therapeutic efficacy of new anti-diabetes medications. Two
studies of glucagon-like peptide (GLP)-1 receptor agonists either alone or in a fixed combination with
the insulin degludec, which included patients with a similar duration of diabetes as participants in the
present study, reported HbA1c reductions of 0.8% (exenatide), 1.1% (liraglutide), and 1.9% (insulin
degludec plus liraglutide (IDegLira)) after 26 weeks of intervention.
Because the effects of TeLiPro remain in the long term, unlike pharmacological intervention that needs
to be continuously administered, the telemedical approach is associated with higher efficiency in terms
of cost-effectiveness. The total cost for 12 weeks of TeLiPro intervention and follow-up until week 26
was $1300 per patient, with a concomitant 50% reduction in the use of anti-diabetes medication. The
annual drug cost for GLP-1 receptor agonist therapies is between $1765 and $6338.
Hintergrund
Durch Nachsorgeprogramme können die im Rahmen einer kardiologischen Rehabilitation erzielten Erfolge nachhaltig verstetigt und weiter verbessert werden. Zur Weiterentwicklung der Reha-Nachsorge regt die Deutsche Rentenversicherung eine Flexibilisierung an. Hierzu kann der Einsatz telemedizinischer Verfahren einen wichtigen Beitrag leisten, um beispielsweise längere Phasen der Nachbetreuung, die räumlich und zeitlich flexible Nutzung von Nachsorgeangeboten oder variable Intensitäten der Nachsorge umzusetzen.
Fragestellung
Zur Klärung der Frage, welche Erwartungen Rehabilitanden mit kardiovaskulären Erkrankungen an eine telemedizinische Nachsorge haben, führten wir Interviews mit Rehabilitanden durch.
Methode
Für die Einzelinterviews wurden 9 Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen rekrutiert, die zum Zeitpunkt der Interviews eine kardiologische Rehabilitation absolvierten. Hierbei handelte es sich um eine Ad-Hoc-Auswahl. Die Interviews wurden anhand eines Interview-Leitfadens durchgeführt und handschriftlich protokolliert. Es standen 30 Minuten für jedes Interview zur Verfügung.
In den Interviews wurden unter anderem folgende Fragen thematisiert: (a) Liegen bereits Erfahrungen mit telemedizinischen Angeboten vor? (b) Ist es für den Rehabilitanden vorstellbar, ein telemedizinisches Angebot (nochmal) in Anspruch zu nehmen? Wie sollte ein solches Angebot gestaltet sein? (c) Welche Medien (z.B. Telefon, Smartphone, Internetseiten) würde der Rehabilitand am ehesten nutzen? (d) Welchen zeitlichen Umfang sollte die Nachsorge umfassen?
Es erfolgte eine inhaltsanalytische Auswertung der protokollierten Ergebnisse mit Bildung von Themenkomplexen.
Ergebnisse
Es nahmen acht Männer und eine Frau mit kardiovaskulären Erkrankungen an den Interviews teil. Zwei Patienten waren im Alter zwischen 31-40 Jahren, und sieben Patienten waren im Alter zwischen 51-60 Jahren.
Keiner der befragten Rehabilitanden hatte bereits Erfahrungen mit telemedizinischen Angeboten, aber acht von neun Rehabilitanden konnten es sich vorstellen, ein solches Angebot in Anspruch zu nehmen. Hierfür müssten folgende Rahmenbedingungen erfüllt sein: Den Rehabilitanden war wichtig, dass bei Bedarf ein Mitarbeiter telefonisch erreichbar ist, der den Rehabilitanden und seine Ziele und Problemstellungen persönlich kennt. Ein anderer Wunsch war, dass beim Telefonat kein starker Zeitdruck erkennbar sein soll. Vier Rehabilitanden hielten es für wichtig, dass regelmäßig überprüft wird, ob die in der Rehabilitation gefassten Pläne und Vorsätze in die Tat umgesetzt werden (evtl. auch durch ein Monitoring der Vitalparameter) und man bei Bedarf motiviert wird, da die Vorsätze aus der Rehabilitation sonst schnell vergessen seien. Zwei der Rehabilitanden wünschten sich konkrete Vorschläge für Bewegung sowie zur Steigerung der Belastung. Einer der Patienten wünschte sich einen Gruppen-Chat, der nicht nur bei der Krankheitsbewältigung und der Lebensstiländerung hilfreich sein könnte, sondern auch dazu beitragen könnte, soziale Kontakte zu knüpfen.
Danach gefragt, welche technischen Möglichkeiten sie am liebsten im Rahmen einer telemedizinischen Nachsorge nutzen würden, gaben acht der neun Rehabilitanden an, dass sie gerne eine telefonische Nachsorge in Anspruch nehmen würden, fünf der Rehabilitanden könnten sich eine Ergänzung durch Angebote im Internet vorstellen, und zwei Rehabilitanden würden gerne zusätzlich das Handy nutzen (z.B. per SMS).
Der von den Rehabilitanden gewünschte Zeitrahmen für die Nachsorge lag bei mindestens 1-3 Monaten, besser aber 6-12 Monaten, bis sich „alles eingespielt“ hat.
Diskussion
Die Option einer telemedizinischen Nachsorge wird von den befragten Rehabilitanden insgesamt positiv bewertet. Ein expliziter Wunsch der Rehabilitanden besteht darin, dass im Rahmen der telemedizinischen Nachsorge (auch) ein persönlicher, z.B. telefonischer Kontakt mit einem Mitarbeiter (bestenfalls aus der Reha-Einrichtung) besteht, der einen kennt und mit den individuellen Zielsetzungen und Problemlagen vertraut ist.
Um ein telemedizinisches, kardiologisches Nachsorgeprogramm mit begleitenden Telefonkontakten in Zukunft bereitstellen zu können, wären in einem nächsten Schritt die Entwicklung, Implementierung und Machbarkeitsanalyse eines solchen Angebots notwendig.
Praktische Implikationen
Eine telemedizinische Nachsorge stellt eine vielversprechende und zeitgemäße Möglichkeit einer flexiblen Nachbetreuung im Anschluss an den Rehabilitationsaufenthalt dar. Rehabilitanden sind aufgeschlossen gegenüber einem solchen Angebot. Bei der Umsetzung technischer Lösungen im Rahmen einer telemedizinischen Nachsorge sollten jedoch der persönliche Kontakt und die individuelle Begleitung der einzelnen Rehabilitanden ausreichend Berücksichtigung finden.
Hintergrund:
Niedrigschwellige Ansätze der computerised cognitive behaviour therapy (cCBT) stellen eine neue Entwicklung für die Behandlung depressiver Erkrankungen dar. moodgym ist ein internetbasiertes Selbstmanagementprogramm für Menschen mit depressiven Erkrankungen, das auf der kognitiven Verhaltenstherapie basiert und international bereits sehr gut evaluiert ist. Zur Anwendbarkeit von moodgym in der stationären Versorgung liegen jedoch, auch international, bislang keine Ergebnisse vor. Die vorliegende Studie untersucht die Machbarkeit eines Einsatzes von moodgym bei Patienten mit depressiven Erkrankungen im stationären psychiatrischen Kontext.
Fragestellungen:
(1) Wie ist die Nutzungsakzeptanz bezüglich MoodGYM aus der Sicht von stationär tätigen Experten und stationär behandelten Patienten mit depressiver Symptomatik? (2) Welche Zugangsmöglichkeiten und -barrieren von MoodGYM berichten stationär tätige Experten und stationär behandelte Patienten?
Methode:
Es handelt sich um eine Machbarkeitsstudie, die in vier psychiatrischen Kliniken durchgeführt wurde. Die Studie umfasste eine einmalige schriftliche Expertenbefragung von Klinikmitarbeitern und eine schriftliche Patientenbefragung von Patienten mit depressiven Erkrankungen unterschiedlichen Schweregrades zu zwei Erhebungszeitpunkten (T0 – vor der Zugangsvergabe zu MoodGYM; T1 – acht Wochen nach der ersten Befragung). Die Nutzungsakzeptanz der Experten wurde mithilfe einer vierstufigen Skala erfasst. Patienten wurden mithilfe einer siebenstufigen Skala zur Nutzungsakzeptanz befragt, die an den USE-Fragebogen angelehnt war. Zudem wurden Zugangsmöglichkeiten und -barrieren aus Patienten- und Expertensicht qualitativ erhoben und inhaltsanalytisch ausgewertet. Um Faktoren zu identifizieren, die mit der Inanspruchnahme von moodgym aufseiten der Patienten assoziiert waren, wurde eine binär-logistische Regression durchgeführt. Anschließend wurden mithilfe einer multiplen linearen Regressionsanalyse Faktoren erfasst, die mit der Nutzungsakzeptanz der Patienten gegenüber moodgym zusammenhingen.
Ergebnisse: Insgesamt wurden n=31 Experten und n=203 Patienten befragt. Die Mehrheit der Experten (74%) gab an, dass moodgym als zusätzliches Therapieangebot von den Klinikmitarbeitern akzeptiert wurde. Als Zugangsmöglichkeiten wurde insbesondere der Einsatz bei jüngeren Patienten genannt sowie bei Patienten, die Erfahrungen mit PCs hatten und leicht- bis mittelgradig erkrankt waren. Als Zugangsbarrieren nannten die Experten vor allem schwere Verlaufsformen der depressiven Erkrankung, kognitive Einschränkungen und Konzentrationsschwierigkeiten. 57% (n=115) der Patienten loggten sich in moodgym ein. Die Nutzung hing mit einem höheren Bildungsstand (OR=4,17; p<0,01) und einer stärkeren Befürwortung internetbasierter Selbstmanagementprogramme als Behandlungsmaßnahme für Depressionen (OR=1,56; p<0,01) zusammen. Im USE-Fragebogen wiesen die Patienten einen durchschnittlichen Gesamtmittelwert von 4,52 (SD: 1,35) auf. Mit einer stärkeren Nutzungsakzeptanz assoziierte Faktoren waren eine subjektiv höher eingeschätzte Gesundheit (B=0,02; p<0,05) und eine häufigere Nutzung von moodgym (B=0,34; p<0,05). Vorteile aus Patientensicht waren die einfache Handhabbarkeit von moodgym, die Beispielpersonen bzw. -situationen und der Aufbau. Die hohe Textlastigkeit und der fehlende persönliche Bezug zählten zu den meistgenannten Nachteilen.
Diskussion: Die Nutzungsakzeptanz der Experten gegenüber moodgym kann insgesamt als gut und die der Patienten als moderat bis gut eingestuft werden. Obgleich die Mehrheit der Experten der Meinung war, das Programm sei eher auf jüngere und leichter erkrankte Patienten zugeschnitten, wurden in der Patientenstichprobe weder in Bezug auf die Nutzung noch auf die Nutzungsakzeptanz assoziierte Faktoren hinsichtlich des Alters oder Schweregrades gefunden. Eine größere Inanspruchnahme von moodgym bei höher gebildeten Patienten hing möglicherweise damit zusammen, dass diese Patienten besser über psychische Erkrankungen und deren Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt waren.
Praktische Implikationen: Zusammenfassend stellt die Nutzung von cCBT-Programmen wie moodgym als Add-On zur stationären Versorgung eine vielversprechende Maßnahme zur Behandlung depressiver Symptome dar. Zukünftige Studien sollten zum Ziel haben, validierte Messinstrumente für die Erfassung von Nutzungsakzeptanz gegenüber Online-Selbstmanagementprogrammen zu entwickeln. Zudem könnten Interventionen wie Aufklärungsseminare zur Wirksamkeit von Online-Selbstmanagementprogrammen gegen depressive Erkrankungen in zukünftigen Studien dahingehend überprüft werden, ob sie zu einer höheren Inanspruchnahme und Nutzungsakzeptanz führen.
Hintergrund:
Derzeit werden intensiv neue Versorgungskonzepte diskutiert. Dabei sollen telemedizinische Anwendungen eine wichtige Funktion übernehmen. Mit dem hier vorgestellten Survey soll die Einschätzung dieser Möglichkeit bei der Therapie von Menschen mit unipolaren Depressionen aus Sicht der Leistungserbringer ermittelt werden.
Methodik:
Auf Basis einer systematischen Literaturrecherche zu internationalen Erfahrungen mit telematischen Betreuungsmodellen von Betroffenen mit unipolaren Depressionen wird ein Fragebogen zur Online-Befragung entwickelt. Dieser soll im ersten Teil die Meinungen und Haltungen zur Telemedizin im Gesundheitswesen im Allgemeinen abbilden. Im zweiten Teil fokussieren die Fragen auf das Krankheitsbild der unipolaren Depression.
Dazu wurde eine zufallsgenerierte Stichprobe von 4.130 Fachärzte für Psychiatrie und psychosomatische Medizin, sowie medizinischen Psychologen aus einer bundesweiten Grundgesamtheit von ca. 17.000 Personen dieser Fachgruppen gezogen. Davon wurden 2.500 per Mail und 1.630 per Fax zur Teilnahme an einer anonymisierten Online-Befragung (September-November 2016) eingeladen. Zur Vermeidung von Doppel-Teilnahmen erhielten die Teilnehmer einen zufallsgenerierten Zugangscode. Dieser wurde bei den Remindern jeweils neu generiert.
Der Fragebogen enthält drei Themen-Blöcke, von dem letzterer pseudonymisierte Daten zur Person erhebt. Der erste Fragenblock (4 Fragen mit 32 Items) enthält fach- und krankheitsunspezifische Fragen zur Telemedizin im deutschen Gesundheitswesen. Im zweiten Block (3 Fragen mit 11 Items) beziehen sich die Fragen vorwiegend auf unipolare Depressionen. Die Fragen des ersten und zweitens Blocks wurden mit einer 4-stufigen Likertskala plus „Weiß-nicht“-Antwort versehen.
Ergebnisse:
Insgesamt haben 280 Teilnehmer (207 per E-Mail-Kontakt; 73 per Fax-Kontakt) die Online-Befragung ausgefüllt. Das ergibt einen Rücklaufwert von 8% bei drei Remindern. Ca. 60% der Befragten sehen einen Nutzen von Telemedizin in der medizinischen Grundversorgung. Einen Nutzen für die Kommunikation innerhalb und zwischen den Sektoren erwarten etwa jeweils 48% der Teilnehmer. Auffällig ist, dass ca. 15% bzw. ca. 17% keine Antwort hatten. Die Aussage, dass Telemedizin mehr Transparenz in das Gesundheitswesen bringen kann, lehnen ca. 62% ab.
Grundsätzlich negativ stehen die Befragten der jeweils zur Auswahl gestellten Instrumente (Video-Betreuung, Telefon-Betreuung bzw. Chat- /Mail- / App-Betreuung) gegenüber. Die Werte der Ablehnung liegen hier bei ca. 58% / 64% bzw. 70%. Vor allem letztere Alternative, der non-verbalen Kommunikation, findet kaum Zustimmung als Betreuungsinstrument.
Durch den Einsatz von Telemedizin meinen die Befragten, dass der größte Nutzen in dem niedrigschwelligen Zugang zu tabuisierten Themen gäbe (76,9%). Weiterhin sehen sie einen großen Vorteil in der stärkeren Unterstützung der Betroffenen (75,5%). Dagegen stehen die Befragten den Aussagen kritisch gegenüber, die dem Einsatz der Telemedizin eine beschleunigte Diagnosestellung (16,3% Zustimmung) bzw. früheren Therapiebeginn (12,7% Zustimmung) unterstellen. Die größte Barriere in der flächendeckenden Implementierung von Telemedizin besteht in der Sorge um eine Verletzung des Datenschutzes (84,9%). Als Risiko werden von etwa einem Drittel der Befragten die Investitionskosten gesehen (32,9%).
Speziell zur Versorgung von unipolaren Depressionen zeigen die Befragten ein kritisches Bild auf. Die meisten (61,4%) glauben nicht, dass sich die Versorgung durch Telemedizin optimieren lässt. Wie im allgemeinen Teil geben die Befragten ablehnende Werte für die Instrumente (Video 61,5%, Telefon 69,2% und Chat / Mail / App 71,6%) an. Dagegen werden die Chancen einer Versorgungsoptimierung für prophylaktische Maßnahmen sehr positiv gesehen (72,1% Zustimmung). Diagnostische Maßnahmen durch Telemedizin werden eher nicht als Chance gewertet (75% Ablehnung).
Diskussion:
Die Demografie der Befragten weist eine lebens- und berufserfahrene Grundgesamtheit aus. Damit fließen in diese Ergebnisse hohe Erfahrungswerte ein, was die Belastbarkeit der Ergebnisse steigert. Die insgesamt kritische, aber differenzierte Haltung spiegelt eine Grundskepsis gegenüber der Telemedizin wieder. Hier vor allem in Bezug auf das therapeutische Vorgehen bei unipolaren Depressionen. Dagegen werden der Telemedizin durchaus positive Effekte im Hinblick auf präventive Strategien beigemessen. Dieser Auszug an Meinungen, Haltungen und Erwartungen zeigt auf, dass die derzeit allenthalben vorangetriebene flächendeckende Implementierung ohne die Bedenken der Leistungserbringer zu berücksichtigen nicht weiter ausgebaut werden sollte. Hier ist dringend ein kooperatives Verhalten erforderlich.
Implikationen für die Praxis:
Die derzeitige Praxis des nicht qualitätsgesicherten Top-down Ansatzes der Telemedizin in die Versorgungslandschaft sollte die Beteiligten intensiver in den Prozess einbinden.
Sitzungssprache ist Englisch
General practitioners play an important role in health care research and thus are increasingly focused in studies. The present session focusses on studies that analyze established topics in primary care as well as implementation of new structures and areas of responsibility.
Hintergrund
Die Alterung der Bevölkerung in Deutschland führt zu einem Anstieg der Prävalenzen altersassoziierter Erkrankungen und einem steigenden Bedarf an medizinisch-pflegerischen Versorgungsleistungen. Zur Deckung der Versorgungsbedarfe sind innovative Versorgungskonzepte erforderlich, die sich u.a. durch eine multiprofessionelle Versorgung und einer verstärkten Teamorientierung kennzeichnen. Pflegefachpersonen sollen dabei erweiterte Aufgaben mit größerer Eigenverantwortung und im Sinne der Heilkunde übernehmen. Diese Veränderungen erfordern eine Anpassung der pflegerischen Ausbildungsstrukturen an den Hochschulen. Daher untersuchte die Care-N Study M-V (Cooperative academical regional evidence-based-Nursing Study in Mecklenburg-Vorpommern) die künftige veränderte Arbeitsteilung von Pflege und Medizin einschließlich der Aufgabenübertragung i.S. der Delegation und Substitution sowie die daraus resultierenden Anpassungserfordernisse für die pflegerische Ausbildung. Dies erfolgte in fünf Befragungsdimensionen: (1) Tätigkeitsspektrum von Bachelor- und Masterabsolventen der Pflege, (2) Pflegefachliche Weiterentwicklung der akademischen Pflegeausbildung, (3) Qualifikationsinhalte von Pflegestudierenden im Bachelor- und Masterstudiengang, (4) Gemeinsame Ausbildungssequenzen von Pflege und Medizin sowie die (5) Berufspolitische Dimension. Die zweite Befragungsdimension beschäftigte sich dabei u.a. mit der künftigen heilkundlichen Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten an Pflegefachpersonen.
Fragestellung
Folgende Fragestellungen wurden untersucht: Welche Aufgabenbereiche und Tätigkeiten sind für die heilkundliche Aufgabenübertragung geeignet? und (2) Welches akademische Qualifikationsniveau ist zur Aufgabenübernahme erforderlich? Ziel war es, potentielle Aufgabenbereiche i.S. der Heilkunde zu beschreiben und damit einen Beitrag zur Spezifikation der bestehenden Richtlinie für die heilkundliche Aufgabenübertragung an Pflegefachpersonen gemäß §63 Abs. 3c SGBV zu leisten.
Methode
Die Care-N Study M-V erfolgte mittels Delphi-Befragung des Typs Ideenaggregation und umfasste zwei schriftliche Befragungsrunden sowie eine Gruppendiskussion. Für die Beantwortung der insgesamt 25 Forschungsfragen in den fünf Befragungsdimensionen erfolgte die Rekrutierung von Experten gemäß Häder, der pro Sachverhalt bzw. Argument einen Experten vorschlägt. Daher wurden 25 Experten einbezogen. Weitere Einschlusskriterien waren: (a) Interdisziplinarität, (b) Nachhaltigkeit, und (c) Status der Person. Die erhobenen Daten der schriftlichen Befragungen wurden mit Cardiff TeleForm (Version 10.2, Electric Paper Informationssysteme GmbH, Lüneburg) digitalisiert. Die Gruppendiskussion wurde audiotechnisch erfasst und mit der f4transkript Software (dr. dresing & pehl GmbH, Marburg) transkribiert. Die Datenanalyse erfolgter mittels inhaltlich strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse gemäß Kuckartz und der Software MAXQDA (VERBI GmbH, Berlin).
Ergebnisse
Die Experten geben insgesamt fünf Aufgabenbereiche an, die von Ärzten an Pflegefachpersonen i.S. der Heilkunde übertragen werden können: (1) Assessment/Untersuchungen/Diagnose, (2) Koordination der Behandlungsabläufe, (3) Verschreibung von Hilfsmitteln/therapeutischen Maßnahmen und Medikamenten, (4) Beratung und Betreuung sowie (5) Erstellung von Gutachten. Diese fünf Bereiche werden mit einzelnen Tätigkeiten spezifiziert. So geben die Experten bspw. für den Aufgabenbereich (3) u.a. an, dass Pflegefachpersonen künftig Pflege- und Hilfsmittel für Menschen mit Dekubitus verschreiben sollten, Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung (z.B. Prophylaxen) verordnen könnten oder die Wiederverschreibungen von Medikamenten bei Patienten mit Schmerzen vornehmen sollen. Während Tätigkeiten wie Wundmanagement, Anlegen von Infusionen und das Monitoring von inkontinenten Patienten von Bachelorabsolventen übernommen werden können, erfordert nach Ansicht der Experten die pflegerische Langzeitversorgung, die Verschreibung von Medikamenten sowie die Anordnung von therapeutischen Maßnahmen eine Ausbildung auf Masterniveau.
Diskussion
Die Spezifikation des Aufgabenfeldes einer akademisch ausgebildeten Pflegefachperson einschließlich der Beschreibung von erweiterten Pflegerollen i.S. der heilkundlichen Aufgabenübertragung ist eine wichtige Voraussetzung für den deutschlandweiten Ausbau von akademischen Pflegeausbildungsstrukturen. Die Abstufung von Aufgaben in einzelne Qualifikationsstufen (dreijährige Ausbildung vs. Bachelor vs. Master vs. Doktor) ist ein erster Schritt, um künftig eine international anschlussfähige Beschreibung des Anforderungs- und Qualifikationsprofils von Pflegefachpersonen entwickeln zu können.
Praktische Implikationen
Die künftige Aufgaben- und Rollenverteilung der Gesundheitsberufe wird dabei insbesondere durch regionale Gegebenheiten beeinflusst werden, um eine bedarfsgerechte und adäquate medizinisch-pflegerische Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können.
Hintergrund: Psychische Störungen sind in der hausärztlichen Praxis sehr häufig und treten oft in Kombination mit chronisch-körperlichen Erkrankungen auf. Bekannt ist, dass sie jedoch häufig übersehen werden bzw. wenn erkannt, es Vermittlungsschwierigkeiten in den psycho-fachärztlichen Bereich gibt.
Fragestellung: Unsere Hypothese ist, dass die Implementierung eines psychosozialen Experten direkt in der Hausarztpraxis zur Überwindung solcher Probleme geeignet ist und eine Verbesserung der Versorgung darstellen könnte. Jedoch fehlt es bislang an Erfahrungen, wie eine Kooperation von Praxisteams und Psychosomatikern in der Hausarztpraxis erfolgreich durchgeführt werden kann.
Methode: Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie mit qualitativ-quantitativen Erhebungen werden in drei Hausarztpraxen Ärzte, Medizinische Fachangestellte, sowie Psychosomatische Fachärzte und Patienten befragt. Hauptzielkriterium ist die Machbarkeit und Akzeptanz bzgl. des neuen Angebots. Zur Evaluation werden die Praxisteams, Psychosomatiker und Patienten in Fokusgruppen oder Interviews vor und 4 Monate nach Implementierung befragt. Ebenso werden ihnen etablierte Fragebogeninstrumente (TARF-R für Behandler, PHQ-9, GAD-7, SSD-12, ZUF-8 für Patienten) vorgelegt. Angestrebt wird eine Patientenzahl von 50-60 in einem Zeitraum von 4 Monaten.
Die Auswertung erfolgt bei numerischen Variablen mittels deskriptiver Statistik. Die Interviews/Fokusgruppenwerden transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse: Zum jetzigen Zeitpunkt liegen die transkribierten Interviews mit den Behandlern prä Einführung der Sprechstunde vor. Relevante Themen sind für die Ärzte und Psychosomatiker die Identifikation geeigneter Patientengruppen, gegenseitige Rollenerwartungen, zeitliches Setting und Gestaltung von Abläufen. Als spezifisch relevante Patientengruppen wurden unter anderem Patienten, die aufgrund objektiver Faktoren aktuell nicht an einen Psychotherapeuten vermittelbar sind; Patienten, die aus subjektiven Gründen eine Vermittlung zum Psychotherapeuten scheuen; Patienten, die erst noch ein psychosomatisches Krankheitsverständnis entwickeln müssen, genannt. Hinsichtlich Rollenaufteilung wurde eine Abstimmung zwischen Hausarzt und Psychosomatiker hinsichtlich vorhandener Routinen und Grundannahmen als notwendig erachtet sowie bei den Psychosomatikern die nötige Unabhängigkeit des therapeutischen Vorgehens hervorgehoben.
Auf dem Kongress werden auch quantitative Aussagen zur Inanspruchnahme und den Versorgungsergebnissen berichtet werden.
Diskussion: Das neue Versorgungskonzept zielt darauf ab, die große Gruppe bislang unerreichter Patienten mit psychischen Störungen adäquat zu behandeln. Es geht nicht darum, die herkömmliche hausärztliche und psychotherapeutische Fachversorgung zu ersetzen, sondern zu ergänzen. Es sollen dadurch bekannte Barrieren abgebaut und Wartezeiten überbrückt werden sowie auch eine Weiterqualifikation der Hausärzte stattfinden. Gleichzeitig ermöglichen die Ergebnisse aus der Studie eine realistische Bedarfsabschätzung für Psychosomatik in der Primärversorgung und Aussagen zur Akzeptanz sowie möglichen Effekten.
Praktische Implikationen: Sollte sich das Modell in der Praxis bewähren ist eine bedarfsabhängige Ausweitung sinnvoll und sind Finanzierungsmöglichkeiten zu klären.
Hintergrund:
Die Panikstörung ist eine psychische Erkrankung mit einer hohen Prävalenz und tritt häufig mit einer komorbiden Agoraphobie auf. Der Primärversorgung kommt in der Behandlung eine zentrale Rolle zu. Die Behandlung erfolgt meist basierend auf den Prinzipien des Collaborative Care. Collaborative Care ist jedoch durch einen Mangel an psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachpersonal in seiner Umsetzbarkeit und somit Effektivität eingeschränkt. Die Effektivität eines praxisteam-unterstützten, selbst gesteuerten, auf den Prinzipien der Kognitiven Verhaltenstherapie basierenden Expositionstrainings für Patienten mit Panikstörung und Agoraphobie in der Primärversorgung konnte bereits erbracht werden. Im Rahmen dieses Vortrages präsentieren wir die Ergebnisse der Kosteneffektivitätsanalyse.
Fragestellung:
Ist in einer Population von Patienten mit Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie ein praxisteam-unterstütztes, selbst gesteuertes, auf den Prinzipien der Kognitiven Verhaltenstherapie basierendes Expositionstraining im Vergleich zur Standardversorgung kosteneffektiv?
Methoden:
Bei der vorliegenden Studie handelte es sich um eine cluster-randomisierte, kontrollierte, zweiarmige Interventionsstudie. Eingeschlossen wurden 419 Patienten mit Panikstörung. Eine komorbide Agoraphobie war zugelassen, aber nicht Voraussetzung für den Einschluss. Patienten in der Interventionsgruppe erhielten die oben beschriebene Intervention, Patienten in der Kontrollgruppe die primärärztlich-koordinierte Standardbehandlung. Daten wurden zu Studienbeginn, nach 6 Monaten und 12 Monaten mittels Fragebögen erhoben. Wir erfassten die Interventionskosten, sowie direkte und indirekte Kosten. Die primäre Kosteneffektivitätsanalyse wurde aus der gesellschaftlichen Perspektive basierend auf qualitätsadjustierten Lebensjahren (QALY) durchgeführt. Weitere Analysen unter der ausschließlichen Berücksichtigung von direkten Kosten und/oder angstfreier Tagen (AFT) folgten. Wir berechneten inkrementelle Kosteneffektivitätsrelationen (IKER) und Kosteneffektivitätsakzeptanzkurven (KEAK) basierend auf gemischten Modellen mit gebootstrappten Standardfehlern.
Ergebnisse:
230 Patienten aus 36 Praxen wurden in die Interventionsgruppe und 189 aus 37 Praxen in dieKontrollgruppe eingeschlossen. Patienten in der Interventionsgruppe verursachten geringere Kosten (-€1.017; SE: €1.168; ns) und gewannen mehr QALY (0,034 QALY; SE: 0,015; p < 0,05). Die Intervention dominierte somit die Kontrolle. Die Wahrscheinlichkeit für die Kosteneffektivität der Intervention belief sich bei einer Zahlungsbereitschaft von €50.000/QALY auf 96%. Die Ergebnisse der weiteren Analysen führten unter Berücksichtigung von direkten Kosten und/oder AFT zu vergleichbaren Ergebnissen.
Schlussfolgerung:
Das praxisteam-unterstützte, selbst gesteuerte, auf den Prinzipien der Kognitiven Verhaltenstherapie basierende Expositionstraining ist kosteneffektiv. Diese Schlussfolgerung gilt bei der Berücksichtigung von Gesamtkosten, gesamten direkten Kosten und krankheitsspezifischen direkten Kosten sowie bei der Berücksichtigung von QALY und AFT.
Praktische Implikationen:
Nach Beleg der Effektivität der Intervention, konnten wir Belege für die Kosteneffektivität der erbringen. Beide Belege zusammengenommen, führen zu der Empfehlung die Intervention in das Leistungsgeschehen des deutschen Gesundheitswesens zu überführen. Panikstörungen sind ein häufig auftretendes Krankheitsbild. Durch langfristige Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz in ambulanter Psychotherapie rückt die Betreuung und Behandlung im hausärztlichen Setting in den Mittelpunkt. Die Intervention gibt den Hausärzten ein Instrument in die Hand, welches sowohl effektiv für den Patienten ist als auch mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz der Leistungserbringung vereinbar ist.
Hintergrund
Tabakrauchen und tabakassoziierte Erkrankungen gehören zu den größten vermeidbaren Mortalitätsrisiken. Dennoch liegt die Prävalenz des Rauchens in Deutschland mit knapp 30% weiterhin auf sehr hohem Niveau. Die klinische S-3 Leitlinie "Screening, Diagnostik und Behandlung des schädlichen und abhängigen Tabakkonsums" empfiehlt daher, evidenzbasierte Kurzberatung zur Tabakentwöhnung routinemäßig in der hausärztlichen Versorgung anzubieten. Die effektivste Form der Kurzberatung beinhaltet die Rauchstoppempfehlung sowie das Aufklären über und Einleiten der Behandlung. Es fehlen jedoch aktuelle und repräsentative Daten zur Umsetzung dieser Leitlinienempfehlung in der hausärztlichen Praxis in Deutschland.
Fragestellung
Wie häufig wird die Kurzberatung zur Tabakentwöhnung in der hausärztlichen Versorgung in Deutschland umgesetzt? Ist die Umsetzung mit soziodemographischen Merkmalen oder Rauchverhalten der Patienten/innen assoziiert?
Methode
Die Datenerhebung fand im Rahmen der DEBRA Studie statt (Deutsche Befragung zum Rauchverhalten: www.debra-study.info; Deutsches Register Klinischer Studien: DRKS00011322). Im Querschnittdesign wird zweimonatlich eine repräsentative Stichprobe der deutschen Bevölkerung (pro Befragungswelle 2.000 Personen, >14 Jahre) persönlich-mündlich zu ihrem Rauchstatus befragt. Raucher/innen und frische Ex-Raucher/innen (<12 Monate seit Rauchstopp) werden zusätzlich u.a. zu Rauchverhalten, Rauchstoppmethoden, sowie zum Erhalt von Rauchstoppempfehlungen während ihrer letzten hausärztlichen Konsultation befragt. Für die aktuelle Analyse wurden die Daten der ersten 4 Befragungswellen aggregiert (Juli 2016 - Januar 2017; 8.216 Befragte; Mittelwert [MW] Alter: 52,5 Jahre, Standardabweichung [SD] + 19 Jahre; 51,7% Frauen). Mittels einfacher logistischer Regression wurden Assoziationen zwischen dem Erhalt ärztlicher Rauchstoppempfehlungen (binäre abhängige Variable: Ja vs. Nein) mit den unabhängigen Variablen Geschlecht, Alter, Schulabschluss (kein Abschluss, Haupt-/Volksschule, Realschule, Fachhochschule, Abitur), Haushaltsnettoeinkommen (€<1.000, bis 2.000, bis 3.000, bis 4.000, bis 5.000, > 5.000 und Konsummenge (<10 vs. >10 Zigaretten/Tag) berechnet.
Ergebnisse
28% der Befragten waren Raucher/innen (N=2.320; 95% Konfidenzintervall [95%KI]=27%-29%). Davon suchten 64% (N=1.523; 95%KI=62%-66%) im vergangenen Jahr eine Hausarztpraxis auf. Hiervon wiederum erhielten 18% (N=274; 95%KI=12%-16%) von ihrem/r Hausarzt/Hausärztin eine Rauchstoppempfehlung, 4% (N=57; 95%KI=3%-5%) davon eine Rauchstoppempfehlung kombiniert mit einer Behandlungsempfehlung. Geringerer Zigarettenkonsum (Odds ratio [OR]=0.51; 95%KI 0.36-0.73) und höheres Alter (OR=1.01; 95%KI 1.01-1.02) waren signifikant mit dem Erhalt einer Kurzberatung assoziiert.
Diskussion:
Hausärztliche Kurzberatung zur Tabakentwöhnung wird in Deutschland vergleichsweise selten umgesetzt. Methodisch vergleichbare Daten aus England zeigen beispielsweise, dass dort etwa 60% der Patienten/innen den Erhalt einer Kurzberatung zur Tabakentwöhnung während der letzten Konsultation berichten. Insbesondere „leichte“ Raucher/innen (<10 Zigaretten/Tag) haben trotz einem bestehenden relevanten Gesundheitsrisiko im Vergleich mit „starken“ Raucher/innen (>10 Zigaretten/Tag) eine um die Hälfte reduzierte Wahrscheinlichkeit zur Tabakentwöhnung beraten zu werden. Es kann vermutet werden, dass der Zusammenhang zwischen höherem Alter und der steigenden Wahrscheinlichkeit eine hausärztliche Rauchstoppberatung zu erhalten, durch die Entstehung altersbedingter (tabakassoziierter) Erkrankungen vermittelt wird.
Praktische Implikationen
Es besteht dringender Bedarf an Strategien zur Verbesserung der Umsetzung der genannten S3-Leitlinie im Bereich der hausärztlichen Versorgung. Dabei sind sowohl Aspekte der flächendeckenden quantitativen also auch der qualitativen Versorgung zu berücksichtigen.
Hintergrund:
Tracheotomierte Patienten mit und ohne Beatmung mit intensivem Versorgungsbedarf werden heute häufiger ambulant versorgt. Aufgrund der Komplexität ihrer Problem- und Bedarfslagen stellt diese Versorgung hohe Anforderungen an die beteiligten Institutionen und Akteure. Besondere Herausforderungen birgt die fallbezogene Koordination und Kooperation der unterschiedlichen Anbieter über die Grenzen des stationären und ambulanten Sektors hinweg sowie innerhalb des ambulanten Sektors. Erschwerende Faktoren sind die Intransparenz des Feldes und die unzureichenden Kenntnisse über das Leistungsangebot und -niveau der Leistungserbringer und deren jeweilige Expertise. Hier knüpft ein Modellprojekt gem. § 140a SGB V in den Regionen Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern an. Mit einem ärztlich geleiteten, multiprofessionellen Case Management soll die Versorgung tracheotomierter Patienten mit und ohne Beatmung sektorenübergreifend und leitlinienorientiert optimiert werden. Das Modellprojekt wird extern wissenschaftlich begleitet (CeTiCo – Care of Tracheotomized Patients in the Community). Ein Baustein der mehrteiligen wissenschaftlichen Begleitforschung ist eine Ausgangsanalyse in den Modellregionen Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Fragestellung:
Im Rahmen der Ausgangsanalyse wird gefragt, welche spezialisierten Versorgungsangebote für tracheotomierte Patienten mit und ohne Beatmung in den drei Bundesländern vorgehalten werden, wie sie ausgestattet und regional verteilt sind. Ziel ist es einerseits, diese Daten für die Modellumsetzung zu nutzen und zum anderen – vor dem Hintergrund parallel erhobener Bedarfsparameter – die Bedarfsgerechtigkeit der bestehenden Strukturen zu bewerten und ggf. Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Methode:
Zur Beantwortung der Fragestellung wurde ein quantitativ-deskriptives Untersuchungsdesign gewählt, als Methode wurde ein Health Care Mapping durchgeführt. Dabei wurden anhand systematischer Recherchen in frei verfügbaren Registern, Verzeichnissen von Aufsichtsbehörden, in Datensätzen von Leistungsträgern und Fachgesellschaften sowie in kommunalen und Anbieterdaten spezialisierte Leistungserbringer identifiziert, dimensional erfasst und dokumentiert. Berücksichtigt wurden auf die Versorgung tracheotomierter Patienten mit und ohne Beatmung spezialisierte Anbieter aus dem stationären (Akutversorgung und Rehabilitation) und ambulanten Sektor (niedergelassene Mediziner, Pflegeheime, Pflegedienste, ambulant betreute Wohnformen, Heilmittelerbringer, Hilfsmittelanbieter). Die Ergebnisse wurden regional kontrastierend berichtsförmig und kartografisch aufbereitet.
Ergebnisse:
Das spezialisierte Leistungsspektrum ist von ausgeprägter regionaler Variabilität geprägt. Während in der Metropole Berlin erwartungsgemäß ein vielfältiges und dichtes, aber auch unübersichtliches und intransparentes Versorgungsangebot besteht, gibt es in den Flächenländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ein deutlich geringeres, weniger differenziertes und z.T. auch lückenhaftes Angebot für die hier interessierende Patientengruppe. Die spezialisierte stationäre Versorgung konzentriert sich vorrangig auf zentrale Lagen. Spezifische Rehabilitationsmöglichkeiten sind insgesamt begrenzt, in erster Linie handelt es sich um Angebote der neurologischen Frührehabilitation. Es gibt zahlreiche spezialisierte Pflegedienste, die tracheotomierte Patienten sowohl häuslich, vermehrt aber auch in Form ambulant betreuter Wohnformen versorgen; seltener sind Angebote der stationären Langzeitversorgung. In der ambulanten fachärztlichen sowie logopädischen, physio- und ergotherapeutischen Versorgung ist die spezifische Expertise involvierter Akteure häufig unklar. Die Hilfsmittelversorgung wird teils überregional realisiert.
Diskussion und praktische Implikationen:
Die Ausgangsanalyse bildet erstmals sektorenübergreifend Versorgungsstrukturen für tracheotomierte Patienten mit und ohne Beatmung mit intensivem Versorgungsbedarf in drei Bundesländern ab. Die Ergebnisse geben einen Überblick über regional vorgehaltene Spezialangebote; sie zeigen aber auch Disparitäten im Angebotsspektrum auf. Inwiefern überall eine bedarfsgerechte Versorgung dieser Patientengruppe gewährleistet werden kann, ist kritisch zu hinterfragen. Dies gilt umso mehr, als die Strukturen – nicht zuletzt aufgrund fehlender Bedarfskennziffern – eher naturwüchsig entstanden sind. Die Ausgangsanalyse bietet somit Orientierung für die künftige Struktur- und Angebotsentwicklung. Zudem bieten die Ergebnisse den Akteuren im Modellprojekt Anknüpfungspunkte für ihre künftigen Aktivitäten in der Fall- und Versorgungssteuerung wie auch der überregionalen Vernetzung in den drei Bundesländern.
Die aktuellen gesundheitspolitischen Aktivitäten im Sinne einer „Qualitätsoffensive“, vor allem die Einführung qualitätsbezogener Krankenhausplanung und –vergütung, die ohne eine ausreichende empirische Basis aus Deutschland vorgenommen werden, verdeutlichen die dringende Notwendigkeit der Qualitäts- und Patientensicherheitsforschung (QPSF) als Kerngebiet der Gesundheitsversorgungsforschung. In dieser Session der DNVF-AG QPSF wird hochrelevante aktuelle empirische Qualitätsforschung präsentiert. Zwei Beiträge widmen sich der Frage, ob die Zertifizierung onkologischer Zentren mit positiven Effekten für die Patientinnen und Patienten einhergeht. Ein Beitrag analysiert die Wirkung der Visitationen, die im Rahmen der externen Qualitätssicherung der medizinischen Rehabilitation durchgeführt werden. Die Eignung von Routinedaten zur Evaluation der Versorgungsergebnisse vulnerabler Patientengruppen wird anhand der Behandlungsdaten von mehr als 1 Million Krankenhausfällen aus 62 Krankenhäusern überprüft. Zuletzt geht es darum, ob eine multimodale Qualitätsverbesserungs-Intervention die Zeit bis zur antimikrobiellen Therapie und die 28-Tage-Letalität bei schwerer Sepsis senken kann.
Hintergrund
Eine erfolgreiche chirurgische Behandlung ist ein entscheidender prognostischer Faktor in der Behandlung von Patienten mit Kolonkarzinom. Dabei spielt die Versorgungsqualität der behandelnden Klinik eine wichtige Rolle. Zertifizierungen gelten als Qualitätssiegel für die Umsetzung leitliniengerechter Behandlungsstrategien in der Versorgung von Patienten mit Tumorerkrankungen.
Fragestellung
Die Studie untersucht die Effektivität der Versorgung von Patienten mit chirurgischer Behandlung eines Kolonkarzinoms in Abhängigkeit einer Zertifizierung der behandelten Klinik.
Methode
Datengrundlage bildeten umfangreiche GKV-Routinedaten der sächsischen Versichertenkohorte der AOK PLUS (n > 2 Mio) der Jahre 2005 – 2014. Falldefinitionen basierten auf ICD-10-Kodierungen, abgerechneten Prozeduren (OPS/EBM) sowie Rezeptdaten. Die Studienpopulation bildeten inzidente Fälle mit Kolonkarzinom (ICD-10 C18-C19), welche wegen einer Tumorresektion im Zeitraum von 2008 – 2014 in einem Krankenhaus in Sachsen behandelt wurden. Im Rahmen einer Kohortenstudie wurden Fälle, welche in zertifizierten Zentren (Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft bzw. der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie innerhalb des Beobachtungszeitraumes) behandelt wurden, verglichen mit Fällen, welche in einer nicht zertifizierten Klinik operiert wurden. Hierbei kamen multivariate Überlebenszeitmodelle sowie logistische Regressionsmodelle zur Anwendung. Es wurden die Endpunkte Gesamtüberleben, die 1-, 2-, 3-, 4-, 5 Jahres Überlebensraten, die 30-Tage Mortalität, die erkrankungsspezifische Mortalität, die Rezidiv-Raten, die Komplikationsraten sowie die Nachresektionen zwischen den Gruppen verglichen.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 6.186 Patienten mit inzidentem Kolonkarzinom identifiziert (Alter 74,1 ± 11,0 Jahre, 51,1% männlich). Hiervon wurden 2.120 (34,3%) in einem zertifizierten Zentrum behandelt. Nach Adjustierung für relevante Störgrößen (Alter, Geschlecht, Schweregrad, Komorbiditäten, weitere onkologische Erkrankungen, Screeningteilnahme) wurden bei Patienten, welche in einem zertifizierten Zentrum behandelt wurden, signifikant höhere Gesamtüberlebensraten(HR=0,899; 95%CI: 0,830-0,973), höhere erkrankungsspezifische Überlebensraten (HR=0,711; 95%CI: 0,574-0,882) sowie eine geringere 30-Tage-Mortalität (OR=0,827; 95%CI: 0,692-0,988) und eine geringere Nachresektionsrate (OR=0,514; 95%CI: 0,304-0,869) ermittelt. Die rohen 1-, 2-, 3-, 4- und 5-Jahres-Überlebensraten waren signifikant höher als in nicht zertifizierten Zentren, wobei der Effekt nach Adjustierung für relevante Störgrößen nicht mehr nachweisbar war. Es wurden keine signifikanten Unterschiede in den Rezidiv-Raten und Komplikationsraten zwischen den Gruppen ermittelt.
Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass die Prognose von Patienten mit Kolonkarzinom nach operativen Behandlungen in zertifizierten Zentren höher ist als jene in nicht zertifizierten Zentren. Durch Anwendung eines Kontrollgruppendesigns basierend auf einer repräsentativen Studienpopulation mit verfügbaren Daten über einen Zeitraum von 10 Jahren liefert diese Analyse neue und bisher einmalige Erkenntnisse zur Versorgungsqualität in zertifizierten Krebszentren.
Praktische Implikationen
Die Zertifizierung von Krebszentren sollte perspektivisch stärker gefördert und gefordert werden. Patienten sollten bei der Wahl des Leistungserbringers auf ein entsprechendes Qualitätssiegel achten.
Hintergrund: Christliche Krankenhäuser fühlen sich in besonderer Weise vulnerablen Patientengruppen verpflichtet. So zählt die Qualität der Versorgung von Menschen mit Behinderung, dementiell Erkrankten und anderen vulnerablen Patientengruppe zu einem von 10 Qualitätsprüfsteinen der Initiative Christliche Krankenhäuser in Deutschland (CKiD). Auch ist die „Behandlung und Betreuung von besonderen Personengruppen“ eine spezifische Anforderung im Zertifizierungsverfahren nach proCum Cert. Hingegen nehmen sich weder die gesetzlichen Verfahren nach §§ 137 ff. SGB V noch Benchmarkinggruppen privater und öffentlicher Krankenhäuser dieser Herausforderung an.
Fragestellung: Der Verein Qualitätsindikatoren für Kirchliche Krankenhäuser – QKK unterstützt das Qualitätsmanagement seit 2006 durch ein einrichtungs- und trägerübergreifendes Benchmarking. Das aktuelle Indikatorenset berücksichtigt vulnerable Patientengruppen in mehreren Themenbereichen. U. a. werden Indikatoren für dementielle Erkrankungen sowie zur palliativmedizinischen Versorgung ausgewiesen. Anliegen des QKK e. V. ist es, diesen Ansatz weiter auszubauen. Insbesondere wurde überlegt, für Menschen mit Behinderung eine der risikoadjustierten Gesamtsterblichkeit (HSMR) vergleichbare Kennzahl zu definieren. Ziel ist dabei ein hohes Niveau von Patientensicherheit für Patienten mit und ohne Behinderung. Aufgabe war es nun, die Möglichkeit für eine entsprechende Kennzahl, die sich aus Routinedaten berechnen lässt, zu untersuchen.
Methode: Die Untersuchung wurde auf körperliche Funktionseinschränkungen begrenzt. Eine Identifikation betroffener Patienten ausgehend von der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit wurde mangels Abbildung auf die ICD-10-GM verworfen. Aus klinischer Sicht wurden daher folgende Einschränkungen berücksichtigt: Blindheit, Taubheit, Querschnittslähmung, zerebrale Lähmungen/Lähmungssyndrome. Patienten mit einem entsprechenden Kode als Nebendiagnose wurden als Betroffene, Patienten ohne entsprechenden Kode als Kontrollen eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden Patienten mit einem entsprechenden Kode als Hauptdiagnose, mit einer Prä-MDC, MDC 21A oder „Fehler-DRG und sonstige DRG“ sowie mit palliativmedizinischer Komplexbehandlung. In einem Matched Pairs Design wurden Kontrollen den Betroffenen über die Merkmale Alter, Geschlecht, Notfall, ADRG sowie Risikowahrscheinlichkeit des Versterbens aus der HSMR zugeordnet. Die Anzahl der Kontrollen je Betroffenen war nicht beschränkt; Kontrollen konnten mehrfach zugeordnet werden. Als Kennzahl wurde das Verhältnis der Anzahl verstorbener Betroffener zur Summe der relativen Häufigkeit verstorbener Kontrollen je Betroffenem berechnet. Statistische Signifikanz wurde über das 95 %-Konfidenzintervall (KI) bestimmt. Datengrundlage waren anonymisierte Routinedaten von 1.004.296 Behandlungsfällen in 2015 aus 62 Krankenhäusern.
Ergebnisse: Es wurden 32.903 Betroffene identifiziert. Die Sterblichkeit lag bei 5,9 %. Mindestens eine Kontrolle konnte 31.989 Betroffenen zugeordnet werden; im Median waren es 199 Kontrollen. Insgesamt lag die Verhältniszahl bei 114,7 (95 %-KI 109,4-120,1), je Krankenhaus zwischen 28,4 (9,2-66,3) und 239,1 (163,5-337,6) mit einem Median von 113,8. Der Variationskoeffizient ergab mit 0,37 eine homogene Verteilung der Verhältniszahl. Acht Krankenhäuser waren mit erhöhten Werten, fünf mit erniedrigten Werten auffällig. Der Korrelationskoeffizient nach Pearson zwischen dieser Verhältniszahl und der HSMR lag bei 0,72.
Diskussion: Patienten mit körperlicher Funktionseinschränkung stellen eine besonders vulnerable Gruppe dar. Ihre Sterblichkeit lag höher als diejenige der Kontrollen. Allerdings war diese Gruppe so klein, dass statistisch signifikante Unterschiede nur eingeschränkt erwartet werden können. Methodisch fehlt den Routinedaten der Zusammenhang zwischen Funktionseinschränkung und Behandlungsanlass; insbesondere bei Hemiparese und Hemiplegie sind daher Verzerrungen in der Qualitätsbewertung möglich. Die Betrachtung einzelner Formen von Behinderung scheitert auf Ebene einzelner Krankenhäuser an kleinen Fallzahlen. Vor Aufnahme einer entsprechenden Kennzahl in das Benchmarking des QKK e. V. werden daher weitere Analysen angestrebt. Hingegen könnte ein entsprechender Indikator bei größeren Kollektiven Hinweise auf die Qualität im regionalen Vergleich oder bundesweit über die Zeit geben.
Praktische Implikationen: Vulnerable Patientengruppen werden jenseits der Initiativen christlicher Krankenhäuser bei Qualitätsvergleichen nicht betrachtet. Der Gesetzgeber setzt mit Themen wie Pay-for-Performance und einer qualitätsorientierten Krankenhausplanung andere Prioritäten. Für einen Krankenhausvergleich ergab sich hier allerdings noch kein Ansatz zur Abschätzung der Patientensicherheit bei Patienten mit körperlichen Funktionseinschränkung. Vorerst sollten daher bevorzugt Kennzahlen für einzelne Patientengruppen wie dementiell Erkrankte eingesetzt werden.
Hintergrund
Die externe Qualitätssicherung in der Medizinischen Rehabilitation wird durch die Programme der beiden größten Reha-Träger in Deutschland (das „QS-Reha®-Verfahren“ der Gesetzlichen Krankenkassen und die „Reha-Qualitätssicherung“ der Deutschen Renten-versicherung) geprägt. Ihre Stärken beziehen sich auf die Messung mehrerer relevanter Qualitätsdimensionen und die umfassende Umsetzung über nahezu alle behandelten Erkrankungen. In der aktuellen Erhebungswelle 2015-2017 des QS-Reha®-Verfahrens ist erstmals die Umsetzung auf die ambulanten kardiologischen und muskuloskelettalen Einrichtungen und Mutter-Vater-Kind-Vorsorge- und Reha-Einrichtungen (MVK) vorgenommen worden. Visitationen (vgl. Farin & Jäckel, 2011) stellen dabei ein wichtiges Element der Qualitätssicherung dar. Visitationen sind Vor-Ort-Begehungen der Einrichtung durch Experten, die das Ziel verfolgen, auf systematische Weise, mit Hilfe von Beobachtungen und Gesprächen, die Qualität der Einrichtung zu erfassen und den Verantwortlichen zurückzumelden. Im QS-Reha®-Verfahren besitzen die Visitationen zusätzlich die Funktion, Angaben zur Struktur- und Prozessqualität, die die Einrichtungen vorab in einem Erhebungsbogen getätigt haben, zu validieren.
Fragestellung
Der Beitrag stellt Ergebnisse aus der Visitationsdurchführung in der aktuellen Erhebungsrunde des QS-Reha®-Verfahrens dar und fokussiert dabei auf Abweichungen bei den geforderten Qualitätskriterien.
Methode
Zwischen Januar und Dezember 2016 wurden bundesweit 80 Einrichtungen aus nahezu allen Indikationen der medizinischen Rehabilitation und Vorsorge visitiert. Die Auswahl der zu visitierenden Einrichtungen erfolgte per Zufall. Die Visitationen wurden kurzfristig angekündigt und dauerten einen Tag. Pro Einrichtung wurden in Abhängigkeit der Indikation 94 - 135 vorab definierte Kriterien geprüft. Innerhalb von sechs Wochen nach Visitationsdurchführung erhielten die Einrichtungen einen Ergebnisbericht, mit der Möglichkeit zur Stellungnahme. In nahezu allen Fällen konnte ein einvernehmlicher Visitationsbericht erstellt werden. Abschließend wurden die Einrichtungen mittels einer Online-Befragung um eine Bewertung der Visitation gebeten.
Ergebnisse
Durch die Visitationen ergaben sich insgesamt 293 positive und 305 negative Abweichungen vom vorab von den Einrichtungen ausgefüllten Erhebungsbogen. Nur bezogen auf die für die Qualitätsbeurteilung zentralen „Basiskriterien“ gab es 252 positive und 207 negative Abweichungen. Bei den meisten Einrichtungen lag die Gesamtzahl der Abweichungen bei ca. 2-6, was im Mittel etwa 4% der geprüften Kriterien entspricht. Vereinzelt wiesen die Einrichtungen aber auch bis zu 23 Abweichungen – in positiver sowie negativer Richtung – auf. Die meisten positiven Abweichungen gab es im Inhaltsbereich „Therapeutische Behandlungen, Schulungen, Patientenbetreuung“; negative Abweichungen vor allem im Inhaltsbereich „Medizinisch-technische Ausstattung“ und „Allgemeine Merkmale“. Auf Kriterienebene konnte die Durchführung von Patientenschulungen häufig positiv angepasst werden. Negativ bewertet wurden hingegen die mangelnde Interdisziplinarität der Fallbesprechungen sowie fehlende Kooperationsvereinbarungen für vorhandene Versorgungsbeziehungen (z. B. Dialyse, Laborleistungen, Orthopädietechniker). Auch war die rehabilitative/sozialmedizinische Qualifikation der leitenden Ärzte mitunter nicht ausreichend belegt. Insgesamt betrachtet konnten die meisten Abweichungen bei ambulanten muskuloskeletalen Einrichtungen vermerkt werden; positive Abweichungen fanden sich besonders häufig bei Mutter-Kind-Einrichtungen.
Die Ergebnisse der Online-Befragung zeigten, dass die Visitationen in der Regel positiv bewertet wurden, wobei insbesondere das fachlich kompetente Auftreten der Visitoren und die klinikspezifischen Diskussionen über die Umsetzung der Qualitätskriterien positiv hervorgehoben wurden. Kritik hingegen wurde an der Ausprägung und Vielzahl der Kriterien im Verfahren geübt.
Diskussion und Praktische Implikationen
Mit im Mittel ca. 4%, teilweise aber bis zu 20% Korrekturen besitzen die Visitationen eine relevante Validierungsfunktion. Die ähnlich hohe Quote positiver und negativer Abweichungen zeigt, dass die Einrichtungen von der Validierungsfunktion der Visitationen oft auch profitieren. Visitationen sind wichtig, um Missverständnisse bei der Interpretation von Qualitätsanforderungen vor Ort diskutieren und aufzuklären zu können. Der persönliche und einrichtungsspezifische Austausch trägt dazu bei, dass viele Einrichtungen die Anregungen aus den Abschlussgesprächen nutzen, um kritische Aspekte gezielt anzugehen. Die Art und Weise der Umsetzung der Visitationen trifft bei den am QS-Reha®-Verfahren beteiligten Einrichtungen in aller Regel auf deutliche Akzeptanz.
Literatur
Farin, E., Jäckel, W. H. (2011). Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der medizinischen Rehabilitation. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung – Gesund-heitsschutz, 54. 176-184.
Hintergrund: Mit der Etablierung des Qualitätszyklus in der Onkologie im Rahmen des Nationalen Krebsplans soll erreicht werden, dass Leitlinieninhalte flächendeckend und für eine Vielzahl von Tumorentitäten in den Versorgungsalltag implementiert werden und deren Umsetzung überprüfbar gemacht wird. Das zentrale Element für eine erfolgreiche Implementierung des Qualitätszyklus ist die Ableitung von Qualitätsindikatoren (QI). QIs werden aus den starken Empfehlungen der Leitlinien auf Basis einer vorgegebenen Methodik (siehe „Entwicklung von Leitlinien basierten Qualitätsindikatoren. Methodenpapier für das Leitlinienprogramm Onkologie.“ Version 1.0. 2013.) abgeleitet. Die Ergebnisse der QIs aus den zertifizierten Zentren werden jährlich berichtet.
Fragestellung: Wie hat sich die Umsetzung der Qualitätsindikatoren im Zeitverlauf (2012-2015) entwickelt und zeigen sich Veränderungen bei bestimmten Gruppen von Indikatoren?
Methode: Für die Darstellung der Ergebnisse von leitlinienbasierten QIs wurden Daten der Auditverfahren 2012 bis 2015 (= Behandlungsjahre 2011-2014) der nach den Anforderungen der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. zertifizierten Zentren genutzt. Für die Auswertung wurden die 3 Tumorentitäten mit der höchsten Fallzahl und hier lediglich QIs mit definierter Sollvorgabe (SV) betrachtet. Die Daten bilden einen vierjährigen Zeitverlauf ab. Berichtet werden deskriptive Angaben (Median, Spannweite) und Anteil der Zentren, die die SV erreicht haben.
Ergebnisse: Bis zum Auditjahr 2015 wurden 150 QIs aus 19 onkologischen S3-Leitlinien abgeleitet, 101 davon werden bei der Zertifizierung verwendet. 34 für die hier untersuchten Entitäten. Für 20 dieser 34 QIs wurden SV definiert. Die ausgewählten QIs wurden von 2011-2014 bei 258.460 Brustkrebs-, 115.097 Darmkrebs- und 38.990 HautkrebspatientInnen bestimmt. QIs, die die Implementierung von Prozessen erfordern, zeigen die deutlichsten Verbesserungen. Exemplarisch lässt sich das am QI „Prätherapeutische Fallvorstellung“ zeigen. Während 2011 im Median bei 91,78% der Patienten mit Rektum- bzw. Kolonkarzinom eine prätherapeutische Fallvorstellung durchführt wurde, betrug die Rate 2014 im Median 95,12% (SV: ≥95%). QIs, die sich auf chirurgische Interventionen und damit die Expertise eines Operateurs beziehen, zeigen über die Zeit annähernd unveränderte Ergebnisse, wie das Beispiel des QI „Auftreten von Anastomoseninsuffizienzen nach Kolonoperation“ zeigt (2011: Median 4,35%, 2014: Median 4,44%; SV: ≤6%). QIs, die die Durchführung von systemischen Therapien erfassen, haben im Zeitverlauf eine gleichbleibend hohe Umsetzung. Beispielhaft ist die Rate der Chemotherapie-Empfehlungen bei Patientinnen mit Hormonrezeptor negativem Mammakarzinom zu nennen (2011: Median 90%, 2014: Median: 88,0%, SV: ≥80%). Die leitlinienentsprechende Nicht-Durchführung von Chemotherapien zeigt ebenfalls eine sehr gute Erfüllung wie beim Melanom „Nicht-Durchführung der adjuvanten systemischen Therapie“ zeigt. Im ersten Jahr der Erhebung (2012) führten noch 2 Zentren eine adjuvante systemische Therapie durch (SV: 0%). In den darauffolgenden Jahren wurde die Therapie im Sinne der Leitlinienempfehlung in keinem Zentrum angewandt.
Diskussion: Allgemein lässt sich für die QIs zusammenfassen, dass die Leitlinieninhalte gut bis sehr gut in den zertifizierten Zentren umgesetzt werden. Die Versorgungsrealität wird sichtbar gemacht und Ergebnisse zwischen den Behandlungseinrichtungen werden vergleichbar. QIs, die die Implementierung von Prozessen erfordern (z.B. Prätherapeutische Fallvorstellung), zeigen eine sehr gute Verbesserung über die Zeit und verdeutlichen, dass prozessuale QI verhältnismäßig einfach, z.B. durch Verfahrensanweisungen, in den Zentren umgesetzt werden können. QIs, die die fachliche Expertise des Behandlers bzw. des OP-Teams widerspiegeln (z.B. Anastomoseninsuffizienz) zeigen nur wenig Veränderungen im Median im zeitlichen Verlauf. Es ist davon auszugehen, dass hier vor allem die personellen Fertigkeiten der Behandler verbunden mit technischen Voraussetzungen (Nahtmaterial u. -techniken) ausschlaggebend sind und daher für eine Verbesserung dieser QIs neben dem Audit weitere, gezielte Maßnahmen wie das Angebot von OP-Kursen oder Coaching vorgehalten werden sollten. QIs, die die Durchführung bzw. Nicht-Durchführung von Leitlinien gerechten systemischen Therapien fordern, zeigen eine hohe Umsetzung Die Implementierungsrate erreicht jedoch ein Plateau, bei dem die Leitlinienempfehlung den Behandlern bekannt ist, aber patientenseitige Gründe (z.B. Patientenwunsch, bestehende Komorbiditäten) eine weitere Steigerung der Rate sinnvoll verhindern.
Praktische Implikationen:
QIs unterstützen die Etablierung von leitliniengerechter Behandlung im klinischen Alltag und motivieren Behandler, ihre Behandlungsergebnisse kritisch zu reflektieren. In den Auditverfahren werden diese Ergebnisse diskutiert und Maßnahmen identifiziert, die eine bessere Anwendung der Leitlinieninhalte möglich machen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird im nächsten Audit überprüft. Die an die Leitliniengruppen berichteten Ergebnisse der QI geben Information darüber, wie und in welchem Ausmaß eine Empfehlung im Alltag umgesetzt wird und bieten so weitere Hinweise für die Weiterentwicklung der Leitlinien. Die Ergebnisse dieses Beitrages verdeutlichen, dass eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen nötig ist (Ableitung von QIs aus Leitlinien, strukturierte Anwendung derselben und Auswertung der Ergebnisse mit Diskussion in jährlichen Audits vor Ort kombiniert mit Maßnahmen wie Coaching o.ä.), um Qualität nachhaltig in der Versorgungsrealität zu verankern und diese somit zu verbessern.
Hintergrund
Sepsis ist eine zentrale Herausforderung für das Gesundheitssystem mit steigender Inzidenz und hoher Letalität [1]. Der frühe Beginn einer antimikrobiellen Therapie (AT) ist zentraler Bestandteil aktueller Leitlinien [2]. Studien mit unkontrolliertem Design konnten Effekte von Qualitätsverbesserungsprogrammen auf eine verbesserte Leitlinienadhärenz, insbesondere den früheren Beginn der AT, sowie eine Reduzierung der Letalität zeigen [2]. Kein substantieller Effekt auf die Zeit bis zur AT konnte hingegen in der bisher einzigen hierzu durchgeführten Studie in einem cluster-randomisiert-kontrollierten Design nachgewiesen werden (MEDUSA Studie) [3].
Fragestellung
Führt eine multimodale Intervention zur Senkung der Zeit bis zur AT und zur Senkung der 28-Tage-Letalität bei krankenhausbehandelter schwerer Sepsis / septischem Schock?
Methode
Design: Kontrollgruppendesign auf Krankenhausebene (Gruppe A: 19 Krankenhäuser, Gruppe B: 21 Krankenhäuser) mit zwei Phasen (Phase 1: 07.2011-06.2013, Phase 2: 09.2013-05.2015) und Wechsel der Interventionsgruppe zwischen den Phasen; prospektiver Einschluss von Patienten mit schwerer Sepsis / septischem Schock auf Intensivstationen. Bei Phase 1 handelte es sich um die Interventionsphase der o.g. MEDUSA Studie.
Interventionen: Phase 1/Gruppe A: Aufbau lokaler, abteilungsübergreifender Qualitätsverbesserungsteams, Benchmark von Qualitätsindikatoren, Change-Management Beratung (Vor-Ort Besuche durch Studienärzte, alle 4 Monate), Zurverfügungstellung von Weiterbildungsmaterial, halbjährliche Weiterbildungsveranstaltungen vor Ort; Phase 1/Gruppe B: nur Weiterbildungsveranstaltungen; Phase 2/Gruppe A: Benchmark von Qualitätsindikatoren, Weiterbildungsmaterialien, keine weitere aktive Change-Management Unterstützung; Phase 2/Gruppe B: Aufbau von Qualitätsverbesserungsteams, Benchmark von Qualitätsindikatoren, Change-Management Beratung, Weiterbildungsmaterialien.
Analyse: Vergleich zwischen den Gruppen hinsichtlich der Veränderung von Phase 1 nach Phase 2 („differrence-in-differences“) in Generalisierten Hierarchischen Linearen Modellen zur Kontrolle des Clustereffektes. Erwartet wurde Konstanz oder Verschlechterung in Gruppe A, Verbesserung in Gruppe B.
Ergebnisse
In der 1. Phase wurden 4182 Patienten und in der 2. Phase 2394 Patienten eingeschlossen. Das mediane Alter lag bei 70 Jahren, der mediane SAPS-II bei 48 Punkten, die 28-Tage-Letalität bei 32% und die mediane Zeit bis zur AT bei 104 Minuten.
Es zeigte sich keine Veränderung in Gruppe A, jedoch eine Verbesserung in Gruppe B für: den Anteil von Fällen mit Zeit bis zur AT< 1h (Gruppe A: OR [95% CI] = 0,96 [0,82; 1,11] vs. Gruppe B: 1,29 [1,06; 1,56]; difference-in-differences: p=0,016); den Anteil der Fälle mit Deeskalation der AT in den ersten 5 Tagen (1,11 [0,93; 1,34] vs.1,61 [1,29; 2], p=0.012). In beiden Gruppen stieg der Anteil von Abnahmen von mind. 2 Blutkulturen an (1,43 [1,23; 1,66] vs. 1,71 [1,42; 2,04], p = 0,138). Keine Veränderung zeigte sich hinsichtlich der 28-Tage-Letalität (0,95 [0,82; 1,1] vs. 1,08 [0,89; 1,3], p = 0.313).
Diskussion
Dies ist die erste Studie im Kontrollgruppendesign, die Effekte einer multimodalen Intervention auf die Zeit bis zum Beginn der AT aufzeigt. Die fehlende Wirkung der Intervention auf die 28-Tage-Letalität mag sich dadurch erklären, dass der Effekt der Zeit bis zur AT auf die Letalität mit 2% pro Stunde weit geringer ausfiel als angenommen [3]. Die Steigerung des Anteils von mind. 2 Sets abgenommenen Blutkulturen konnte in den teilnehmenden Zentren durch die Bündelung von Blutkultursets erreicht werden. Limitiert werden die Studienergebnisse durch mangelnde Randomisation der Zentren aufgrund eines Randomisierungsfehlers [3], Fehlen einer adäquaten Baseline-Beobachtung für die Zentren der Gruppe A, und systematisches Absinken der Falleinschlüsse über die Studiendauer.
Praktische Implikationen
Aktive Unterstützung mit Methoden des Change-Managements könnte über das Benchmark von Qualitätsindikatoren hinaus ein effektives Instrument zur krankenhausweiten Qualitätsverbesserung sein. Um Wirkung auf die Sterblichkeit bei schwerer Sepsis / septischem Schock zu entfalten, sollten Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung über die AT hinaus auch weitere Bestandteile der Leitlinien einbeziehen. Designs, die die Veränderung über die Zeit betrachten, könnten im Kontext der Untersuchung von Qualitätsverbesserungsprogrammen im Krankenhaus besser geeignet sein als einfache cluster-randomisiert-kontrollierte Trials.
1. Fleischmann et al (2016). Dtsch Arztebl Interantional 113: 159-166
2. Dellinger et al (2012). Crit Care Med 41: 580 – 637
3. Damiani et al (2015).PLOS ONE 10: e0125827
4. Bloos et al (in press). Effect of a multifaceted educational intervention for anti-infectious measures on sepsis mortality – a cluster randomized trial, Intensive Care Med
Versorgungsforschung im Bereich der Diagnostik ist noch nicht sehr häufig, wird aber zunehmend wichtig. In dieser Session werden Studien vorgestellt, die sich mit verschiedenen diagnostischen Themen auseinandersetzen. Es werden dabei sowohl medizinische als auch gesundheitsökonomische Fragestellungen für verschiedene Patientengruppen dargestellt.
Hintergrund / Fragestellung
Bislang wurde beim Cervix-Ca-Screening eine Abstrichuntersuchung (sog. Pap-Test) für Frauen ab dem 20. Lebensjahr einmal jährlich durch die GKV gemäß GBA-Früherkennungsrichtline übernommen. Dieser dient zur Erkennung von Vorstufen eines Gebärmutterhalskrebs, wobei als häufigste Ursache eine Infektion mit bestimmten Typen des humanen Papillomvirus (HPV) gilt. Deshalb wird überlegt, ob und inwiefern der jährliche Pap-Test ggf. durch einen HPV-Test ersetzt werden kann, der in einem größeren zeitlichen Abstand zur Anwendung kommt und evtl. sensitiver ist. Werden durch ein Screening sehr frühe Zeichen einer Zellentartung angezeigt, die ggf. wieder von selbst ausheilen, besteht allerdings die Gefahr einer Überversorgung, indem medizinisch nicht indizierte Maßnahmen vermehrt zur Anwendung kommen.
Momentan wird beim Gemeinsamen Bundesauschuss die Gebärmutterhals-Krebsfrüherkennung weiterentwickelt und teilweise neuorganisiert. Wichtige Elemente sind dabei u.a. die Verbesserung der Qualitätssicherung, die Durchführung eines organisierten Einladungsverfahrens, eine Anpassung des Screeningintervalls und Regelungen zum Follow-up auffälliger Befunde. In diesem Zusammenhang hat der GBA am 16.09.2016 Eckpunkte beschlossen, die vorsehen dass Frauen ab dem Alter von 35 Jahren statt des jährlichen Pap-Tests alle drei Jahre eine Kombinationsuntersuchung – bestehend aus einem Test auf genitale Infektionen mit HPV und einer zytologischen Abstrich-Untersuchung – angeboten werden soll. Frauen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren sollen wie bisher Anspruch auf eine jährliche zytologische Untersuchung haben.
Methodik
Auf der Basis von sektorenübergreifenden TK-Routinedaten (n = 10 Millionen Versicherte) wurde untersucht, ob und inwiefern die bislang geltenden GBA-Vorgaben zur Krebsfrüherkennung beim Cervix-Ca in der Versorgungswirklichkeit regional umgesetzt wurden. Daran anschließend wurde analysiert, inwiefern Korrelationen zu Versorgungsstrukturen und therapeutischen Konsequenzen existieren.
Ergebnisse
Im Zeitraum 2011-2014 ist bei insgesamt 2.961.301 Versicherten mindestens einmal eine Krebsvorsorge (EBM-GOP 01733) erfolgt. Bei 103.049 Versicherten wurde HPV (EBM-GOP 32820) nachgewiesen. Eine Kürettage (OPS 1471.2) erfolgte bei 48.002 Versicherten, eine Abrasio (OPS 1472.0) bei 14.163 und eine Konisation (OPS 5671.0/5671.1) bei 19.461. Die mittlere jährliche Screeninginanspruchnahme beträgt 55,4%, wobei diese in Bremen, Niedersachen und Hamburg mehr als doppelt so hoch ist wie in Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt. In Sachsen kommen auf einen gynäkologischen Vertragsarzt im Mittel 190 TK-Versicherte Frauen > 20 Jahre, in Hamburg durchschnittlich 600. Pro 100.000 Versicherten mit Krebsvorsorge erfolgen im Mittel 123,5 Konisationen, wobei diese in Sachsen und Mecklenburg (n jeweils < 50) deutlich seltener sind als in Hamburg, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt (n jeweils >200).
Diskussion
Screeningmaßnahmen beim Cervix-Ca lassen sich mit GKV-Routinedaten transparent darstellen. Im Gegensatz zu anderen medizinischen Indikationen (z.B. Colon-Ca) können durch das jährliche Wiederholungsintervall Inanspruchnahmequoten bei anspruchsberechtigten Versicherten exakt ausgewiesen werden. Hinsichtlich der Leistungsinanspruchnahme gibt es eine extreme regionale Streuung, die mit der gynäkologischen Facharztdichte vor Ort und den medizinischen Konsequenzen bei positiven Screeningbefunden korreliert. In weiteren Untersuchungen ist noch zu analysieren, inwiefern die regionale Varianz bei der Krebsfrüherkennung durch Alterspräferenzen auf Patientenseite und Präferenzen für bestimmte Screeningintervalle auf Ärzteseite erklärt werden kann.
Praktische Implikationen
GKV-Routinedatenanalysen sind geeignet, im Rahmen einer Politikfolgenforschung zeitnah Hinweise auf Veränderungen bei der Teilnahme an Krebsfrüherkennungsprogrammen zu geben. Die regionale Variabilität der Inanspruchnahme von Leistungen zur Krebsfrüherkennung sollte bei der Einführung von strukturierten Einladungsprogrammen berücksichtigt werden.
Hintergrund und Fragestellung
Früherkennungsuntersuchungen sind Bestandteil der Regelversorgung für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherungen, obwohl z. T. keine oder widersprüchliche Evidenz für deren Wirksamkeit vorliegt. Zunehmend wird ein Wirksamkeitsnachweis der jeweiligen Untersuchungsmethodik gefordert. Bis dato steht dieser Nachweis für die systematische standardisierte Mundschleimhautuntersuchung zur Stellung einer ersten Verdachtsdiagnose des Tumors der Mundhöhle durch niedergelassene Zahnärzte aus. Dieser Nachweis soll in einer geplanten cluster-randomiserten kontrollierten Studie (c-RCT) erbracht werden. In einer Pilotstudie wurde das Konzept auf Machbarkeit evaluiert.
Methode
Das Pilotprojekt bestand aus einer Konsolidierungsphase zur Etablierung der Infrastruktur, Finalisierung der Studienunterlagen, Rekrutierung von niedergelassenen Zahnärzten. In der Studienphase kamen zur Dokumentation der Mundschleimhautuntersuchung im Rahmen der zahnärztliche Kontrolluntersuchung zwei unterschiedliche Erhebungsbögen zum Einsatz. Es folgte eine max. sechsmonatige Dokumentationsphase mit max. 200 Dokumentationsbögen pro teilnehmendem Zahnarzt. Parallel wurden zum Beginn und Ende der Dokumentation in einem Mix-Method Design Daten zur Entwicklung einer Interventionsstrategie für den geplanten c-RCT erhoben. Das Projekt schloss mit einem Workshop.
Ergebnisse
Insgesamt nahmen 24 Zahnärzten und ein Mund-Kiefer-Gesichtschirurg teil (18 Praxen; Frauenanteil: 24 %, mittleres Alter und Berufserfahrung: 50 bzw. 22 Jahre). Es wurden insgesamt 4.504 teilnehmende Patienten (Frauen: 56 %) und 455 Nichtteilnehmende (Frauen: 52 %; bei 57 % keine Angabe von Gründen) dokumentiert. Die Anzahl der dokumentierten Patienten pro Zahnarzt betrug 71 bis 244, bei unterschiedlicher Länge des Dokumentationszeitraums. Anlass der Untersuchung war zu 95 % die zahnärztliche Kontrolluntersuchung. Dokumentationslücken und -probleme zeigten sich in geringem Umfang bei den Angaben zum Tabak- und Alkoholkonsum und in größerem Ausmaß bei den administrativen Daten. Die häufigsten Befunde der Untersuchungen waren in absteigender Reihenfolge Leukoplakie, Erythroplakie, Lichen, Tumor. Die Dokumentationsbögen wurden insgesamt unaufwändig und unproblematisch für den Praxisalltag empfunden. Zusätzlich wurde eine Einbindung in die Praxissoftware angeregt.
Schlussfolgerung
Die Dokumentation kann mit den erstellten Unterlagen als „machbar“ angesehen werden. Dennoch zeigten die Interviews mit den Zahnärzten eine Reihe von Klärungsbedarfen bzw. Optimierungspotenzialen auf. Das größte Potenzial wurde in der Vereinfachung sowie Standardisierung des Studienablaufs in der Praxis und beim Ausfüllen der Dokumentationsbögen unter Einbindung des gesamten Praxisteams gesehen.
Praktische Implikationen
Für einen optimalen Ablauf im geplanten c-RCT sollte anfangs eine „engmaschige Kontrolle“ der Dokumentation durch die Studienzentrale erfolgen. Praxen-Besuche könnten ggf. zu einem optimierten Ablauf beitragen.
Hintergrund. Derzeit werden Potenziale sowie mögliche Konsequenzen der genetischen Risikoklassifikation gesunder Menschen diskutiert. Unklar ist, inwieweit eine zunehmende Nachfrage nach genetischer Testung zu Mehrbelastungen und/oder Verschiebungen im Budget der GKV führen können. Ziel dieser Arbeit ist die Ermittlung der budgetären Auswirkungen der Risikoklassifikation am Beispiel des hereditären Mammakarzinoms. Hierbei wird die prädiktive genetische Testung gesunder weibliche Angehöriger erkrankter Mutationsträgerinnen auf BRCA1/2-Mutationen betrachtet. Für diese Gruppe existiert die Möglichkeit einer prädiktiven Testung über das Deutschen Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs sowie einer intensivierten Früherkennung und/oder prophylaktischer Operationen (Mastektomie/Ovarektomie) als Interventionsmaßnahmen für Mutationsträgerinnen.
Methodik: Basierend auf der Methodik einer Budget Impact Analyse wurde ein Markovmodell als Kohortensimulation entwickelt, dass die folgenden Szenarien abbildet: A gleichbleibende Nachfrage des gentischen Screenings sowie der Interventionsmöglichkeiten, B Nachfrage aller gesunden weiblichen Angehörigen erkrankter Mutationsträgerinnen. Inputparameter zur Nutzung der prädiktiven Testung und der Interventionsmaßnahmen basieren auf Daten des Deutschen Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, fehlende Daten wurden über systematische Literaturrechen ermittelt. Die Anzahl gesunder Frauen, die Angehörige bereits erkrankter Mutationsträgerinnen sind und somit eine prädiktive genetische Testung nachfragen könnten, wird anhand einer Prävalenzabschätzung auf Basis von Daten des Konsortiums sowie Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland ermittelt. Das Modell startet 2015, die dargestellte Laufzeit beträgt 5 Jahre. Die Preise werden für das Studienbasisjahr 2015 aus GKV-Perspektive erhoben. Dargestellt werden die Ergebnisse ohne Halbzyklus-Korrektur.
Ergebnisse: Das Modell startet im Jahr 2015 mit Mutationsträgerinnen, die bereits im Rahmen des Programms betreut wurden. Jährlich könnten nach der Prävalenzabschätzung 4.515 gesunde Angehörige im Alter zwischen 25 und 69 Jahren in die genetische Beratung kommen, die die Voraussetzungen zur prädiktiven Testung erfüllen. Erhalten alle die Möglichkeit zur prädiktiven Testung entstehen im ersten Jahr Kosten von 3.840.317€ bei einer Diskontierungsrate von 3% summieren sich die Kosten nach dem fünften Jahr auf 32.458.291€. Werden die Kosten der Genanalyse bei der erkrankten Mutationsträgerin berücksichtigt liegen die Kosten mit 14.198.848€ bereits im ersten Jahr deutlich höher. Damit entstehen durch die Ausweitung der Inanspruchnahme der prädiktiven genetischen Testung im Vergleich zur einem Szenario gleichbleibender Inanspruchnahme über den Zeitraum von fünf Jahren Mehrkosten in Höhe von 64.907.062€. Dabei stellt die Genanalyse der bereits erkrankten Mutationsträgerinnen den Hauptkostentreiber dar. Demgegenüber deuten sich bei den Ausgaben für die Behandlung und Nachsorge von Mamma- und Ovarialkarzinomen Einsparungen an.
Diskussion: In Anbetracht der bisherigen Ungewissheit hinsichtlich der budgetären Auswirkungen genetischer Risikoklassifikationen trägt die detaillierte Simulation dazu bei, diese Wissenslücke zu schließen. Insgesamt zeigt sich, dass insbesondere die Durchführung der Genanalyse bei den erkrankten Angehörigen einen wesentlichen Kostentreiber darstellt. Mit zunehmender Laufzeit des Modells zeichnen sich erste Hinweise auf das Einsparpotential durch die Verringerung von Behandlungskosten für entstandene Karzinome an.
Hintergrund: Der Diabetes Complications Severity Index (DCSI) mit Labordaten erlaubt eine Einschätzung des Schweregrads der Diabeteserkrankung (DM) auf der Basis der Komplikationsentwicklung und kann zur krankheitsspezifischen Adjustie-rung und zur Prädiktion von Hospitalisierungsrisiken oder Kosten eingesetzt werden (1). Um den Schweregrad mittels Routinedaten abbilden zu können, in denen klinische Werte meist fehlen, wurde ein adaptierter Score entwickelt (Adapted Diabetes Complications Severity Index (aDCSI) (2)). Bisher basieren diese Indices auf Diagnoseschlüsseln nach ICD-9 und wurden außerhalb Europas validiert (3, 4).
Ziele: 1) Übertragung des aDCSI von ICD-9 nach ICD-10; 2) Validierung des ICD10-basierten aDCSI in Vorhersagemodellen zur Hospitalisierung im Vergleich mit schon publizierten aDCSI (basiert auf ICD-9) und DCSI (basiert auf klinischen Daten)
Methoden: Datenbasis ist die Versichertenstichprobe AOK BaWü für die Jahre 2011-2014. Eingeschlossen werden Patienten mit einer epidemiologisch gesicherten Diagnose Diabetes mellitus (DM) (ICD-10: E10-E14) und einer DM-Medikationsverordnung in 2010. Der aDCSI-Score (Summe von 7 DM-Folgeerkrankungen mit Krank¬heitsschweregrad (0-13)) und Zahl der aDCSI-Komplikationen (Disease count von 7 DM-Folgeerkrankungen des DM ohne Krankheitsschweregrad (0-7)) werden mittels Routinedaten berechnet. Als Zielvariablen für die Vorhersagemodelle wird die Hospitalisierung (gesamt) gewählt. Der Einfluss des Schweregrades auf die Hospitalisierung wird mittels eines linearen Regressionsmodells berechnet. Adjustierungsvariablen sind Alter, Geschlecht, Charlson Index (ohne Diabetes) und aDCSI. Für der Validierung des Scores werden Risk Ratios (RR) von aDCSI (ICD-9) (2) und DCSI (mit klinischen Daten) (1) für Hospitalisierung aus internationalen Studien mit RRs aus unseren Prädiktormodellen verglichen.
Ergebnisse: 157.115 Patienten erfüllen die Einschlusskriterien. Der Durchschnittsscore aDCSI bei Baseline (2010) in der Kohorte lag bei 2,06 Punkten. Die durchschnittliche Anzahl der Komplikationen war 1,51. Es lässt sich für unseren neu übersetzten und an ICD-10 angepassten aDSCI eine deutliche Zunahme des Hospitalisierungsrisikos bei höheren Scorewerten zeigen. Jedoch ist die Risikoerhöhung geringer als nach früheren Studien zu erwarten.
Diskussion und praktische Implikation: In internationalen Publikationen wird der aDCSI als guter Indikator für den Krankheitsschweregrad von DM bezeichnet, vor allem in den Hospitalisierung-Vorhersagemodellen (2, 3). Wir haben einen plausiblen Anstieg des Hospitalisierungsrisikos mit steigendem Score beobachtet. Die niedrigere Risikoerhöhung in Vergleich mit internationalen Studien kann an unterschiedlichen absoluten Hospitalisierungsrisiken liegen. In der Versorgungsforschung ist es der bislang einzige belastbare krankheitsspezifische (Ko-) Morbiditätsindikator. Der aDSCI kann zur Adjustierung, aber auch in Vorhersagemodellen für Kostenschätzungen und Hospitalisierungsrisiko benutzt werden.
Korrespondenzadresse: Kateryna Karimova, Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt Theodor-Stern Kai 7, 60590 Frankfurt am Main Tel: 069/6301-4155, E-Mail: karimova@allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de
Literature Cited
1. Young BA, Lin E, Korff M von, Simon G, Ciechanowski P, Ludman EJ et al. Diabetes complications severity index and risk of mortality, hospitalization, and healthcare utilization. Am J Manag Care 2008; 14(1):15–23.
2. Chang H-Y, Weiner JP, Richards TM, Bleich SN, Segal JB. Validating the adapted Diabetes Complications Severity Index in claims data. Am J Manag Care 2012; 18(11):721–6.
3. Chen H-L, Hsu WW-Y, Hsiao F-Y. Changes in prevalence of diabetic complications and associated healthcare costs during a 10-year follow-up period among a nationwide diabetic cohort. Journal of diabetes and its complications 2015; 29(4):523–8.
4. Chen H-L, Hsiao F-Y. Risk of hospitalization and healthcare cost associated with Diabetes Complication Severity Index in Taiwan's National Health Insurance Research Database. Journal of diabetes and its complications 2014; 28(5):612–6.
Hintergrund
Seit 1974 steht in Österreich für alle Schwangeren und Kinder (bis zum 6. Lebensjahr) der „Mutter-Kind-Pass“ als nationales Screening-Instrument bereit. 2010 beschloss das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen einen mehrjährigen Überarbeitungsprozess zu initiieren und wissenschaftlich begleiten zu lassen. Nach insgesamt 9 Hintergrundberichten (u.a. zu Screening-Prozessen im internationalen Vergleich, Maßnahmen zur Reduktion von Frühgeburten) begann 2014 eine ministerielle Facharbeitsgruppe (mit ExpertInnen aus den Bereichen Medizin, Hebammen, Public Health, Frühe Hilfen etc.) eine vorangegangene Leitliniensynopse zu (evidenzbasierten) Screening-Empfehlungen für den nationalen Kontext zu bewerten. Im Februar 2017 wurde dieser Bewertungsprozess für den Bereich Schwangerschaft und Wochenbett abgeschlossen. Seit März 2017 tagt die Facharbeitsgruppe monatlich zu Screening-Empfehlungen für Kinder (Abschluss voraussichtlich Anfang 2018).
Fragestellung
Welche Gesundheitsbedrohungen werden in ausgewählten evidenzbasierten Leitlinien für den Bereich Schwangerschaft, Wochenbett und frühe Kindheit defininiert? Welche Entscheidungen wurden bisher von der ministeriellen Facharbeitsgruppe bzw. welche Pro-Screening-, Kontra-Screening-Empfehlungen wurden ausgesprochen?
Methode
Die evidenzbasierten Leitlinienempfehlungen wurden auf Basis einer systematischen Datenbanksuche in GIN („Guidelines International Network“) und NGC („National Guideline Clearinghouse“) sowie einer Handsuche in mehreren internationalen Datenbanken (wie z.B. AWMF) identifiziert. Die Bewertung der Leitlinienempfehlungen durch die Facharbeitsgruppe beruht auf internationalen Praxisbeispielen zur Bewertung bzw. Kontextualisierung von Evidenz.
Ergebnisse
Insgesamt konnten für die Schwangerschaft 101 Screening-Leitlinien (von 12 Leitlinien-Institutionen) zu 48 Gesundheitsbedrohungen erhoben werden und für das Wochenbett wurden 6 Screening-Leitlinien (von 5 Institutionen) zu 6 Gesundheitsbedrohungen eingeschlossen. Ein beträchtlicher Teil der Leitlinien (32 von 101) stammt vom UK National Screening Committee (UK NSC) und sind als Policy Decisions zu verstehen, die sich primär an politische EntsscheidungsträgerInnen im Gesundheitswesen richten. Bei 69 von 101 Leitlinien handelt es sich um klinische Guidelines (z.B. 20 Leitlinien von der kanadischen Society of Obestetricians and Gynaecologists etc.). Für die frühe Kindheit konnten 75 Screening-Leitlinien (von 10 Leitlinien-Institutionen) zu 45 Gesundheitsbedrohungen identifiziert werden (42 Policy Decisions vom UK NSC). Die Facharbeitsgruppe hielt 21 inhaltliche Sitzungen zum Thema Schwangerschaft und 2 Sitzungen zum Thema Wochenbett (jede Sitzung zwischen 4 und 6 Stunden) ab. Für die Schwangerschaft wurden 31 Pro-Screening-Empfehlungen und 27 Kontra-Screening-Empfehlungen formuliert. Für das Wochenbett wurden je 3 Pro- und 3 Kontra-Empfehlungen ausgesprochen. Zu den einzelnen Gesundheitsbedrohungen in der Schwangerschaft konnten Empfehlungen von 1 bis maximal 8 verschiedenen Institutionen extrahiert werden. Bei 7 von 48 Gesundheitsbedrohungen für Schwangere wurden lediglichen evidenzbasierte Empfehlungen von 1 Institution identifiziert (z.b. bei Tuberkulose, Vitamin-D Mangel etc.). Die Empfehlungen für Screenings in der frühen Kindheit werden in aktuell laufenden Facharbeitsgruppen formuliert und Anfang 2018 zum Abschluss kommen.
Diskussion
Die Leitlinienübersicht zu Screenings für Schwangere, Wöcherinnen und Kinder stellt vor dem Hintergrund strenger methodischer Einschlusskriterien ein fundiertes „Assessment“ dar. Hiermit wird eine Übersicht zur Verfügung gestellt, die Screening-Empfehlungen von internationalen Leitlinienorganisationen zusammenfasst. Mit der Etablierung einer nationalen Facharbeitsgruppe erfolgt eine Bewertung („Appraisal“) unter Berücksichtigung nationaler Besonderheiten und Konditionen, die letztlich die Gesundheitspolitik („Policy Decision“) bei der Entscheidungsfindung über ein neues Screening-Programm unterstützen soll.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse dieses Bewertungsprozesses finden direkte (gesundheitspolitische) Anwendung als dass sie die Grundlage für ein zukünftiges (überarbeitetes) Screening-Programm für Schwangere und Kinder in Österreich liefern. Insofern ermöglicht dieser Prozess die Verschränkung von evidenzbasierten Screening-Empfehlungen mit ExpertInnen-Einschätzungen – wobei durch die breite Streuung an involvierten Gesundheitsberufen, ein breites Spekrum an aktuellen sozialmedizinischen Morbiditäten berücksichtigt wird. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher prä-, peri- und postnataler Screening-Programme in Europa können die Ergebnisse des österreichischen Entscheidungsfindungsprozesses wertvolle Erfahrungen für andere Länder darstellen.
Themen:
- Positionspapier des DNVF
- Hochschullehrer Versorgungsforschung (Positionspapier Hochschullehrer)
Dieses Format spricht gezielt NachwuchswissenschaftlerInnen im Bereich Versorgungsforschung an. In einer eigenen Session haben die Teilnehmer (Studierende oder Doktoranden) jeweils 3 Minuten Zeit, die eigene wissenschaftliche Abschlussarbeit vorzustellen und dabei auch gern mit jeglichen Requisiten das Publikum zu überzeugen. Dabei ist es egal, ob es sich um eine Bachelor-, Master-, Diplom- oder Doktorarbeit handelt. Das Publikum bildet die Jury, die am Ende der Session Sieger küren werden. Auf die drei besten Slammer warten Preise.
Bachelorarbeit
Hochschule Furtwangen
Fakultät Gesundheit, Sicherheit, Gesellschaft
Angewandte Gesundheitswissenschaften
Betreuer: Prof. Dr. Christian Weidmann; Prof. Dr. Birgit Reime
01.09.2016 – 31.12.2016
Hintergrund: Rund 125 Millionen Frauen aus 30 verschiedenen Ländern sind beschnitten. Die Weibliche Beschneidung (WB) bezeichnet jeden Vorgang, bei dem die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane teilweise oder vollständig entfernt oder verletzt werden. Angesichts der Internationalität und Interkulturalität, die weltweit zunimmt und aufgrund der aktuellen Flüchtlingsproblematik erlangt das Thema der WB globale Relevanz. Die bedarfsgerechte Versorgung beschnittener Frauen, sowie zielgerichtete Aufklärungs- und Präventionsarbeit, sind von großer Bedeutung. Daten zu Einstellungsmustern und möglichen Prädiktoren einer Unterstützung von WB unter Migranten liegen aber bislang kaum vor.
Zielsetzung: Ziel ist es, die Einstellungsmuster afrikanischer Migranten, die in Deutschland leben zum Thema der WB zu erfassen. Einstellungsmuster fasst das Wissen über WB, Prädiktoren sowie die Unterstützung/Ablehnung der Fortführung von WB zusammen. Unter Prädiktoren wird beispielsweise WB als religiöses Erfordernis, als Schutz der Ehre von Mädchen oder als Verhinderung von Ehebruch verstanden. Zusätzlich sollte überprüft werden, ob eine Unterstützung mit der Dauer des Aufenthalts abnimmt und welche Unterschiede sich zwischen Männern und Frauen feststellen lassen.
Methodik: Es wurde eine explorative quantitative Erhebung mit Hilfe eines online Fragebogens in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch durchgeführt. Zunächst wurden zwei qualitative Interviews geführt, für den Fragebogen wurde sich an einer Studie aus Oslo orientiert. Anschließend wurden die Daten (35 verwertbare Fragebögen) mithilfe von SPSS ausgewertet. Mit Hilfe des chi-Quadrat Tests und des t-Tests wurden Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen analysiert.
Ergebnisse: Unter den Studienteilnehmern gaben 94,3% Prozent an, von weiblicher Beschneidung gehört zu haben. Die Mehrheit (83,9) der Studienteilnehmenden lehnte die Praktik der WB ab. Frauen wissen mehr über WB und befürworten eher eine Fortführung der Praktik als Männer. Bezüglich verschiedener Prädiktoren konnten ebenfalls Geschlechtsunterschiede festgestellt werden. Frauen stimmten eher zu, dass WB Ehebruch verhindert, die Würde von Mädchen bewahrt und vorehelichem Sex vorbeugt. Männer gaben eher an, dass WB ein religiöses Erfordernis ist. Das Wissen über WB steht nicht damit in Zusammengang, ob eine Fortführung von WB unterstützt/abgelehnt wird. WB wird eher abgelehnt, je länger der Aufenthalt in Deutschland ist.
Diskussion: Diese Studie konnte zeigen, dass afrikanische Migranten vertraut sind mit WB, diese jedoch überwiegend ablehnen. Es zeigte sich kein Zusammenhang zwischen der Informiertheit der Migranten und einer Ablehnung der WB. Die Ursachen hierfür bleiben zwar offen, die Ergebnisse unterstreichen jedoch die Bedeutung weiterer Forschung, da Aufklärung häufig als Ansatzpunkt für eine Vermeidung von WB gesehen wird.
Dass Frauen einer Fortführung von WB eher zustimmen als Männer könnte damit erklärt werden, dass der Drang nach sozialer Anerkennung und Zugehörigkeit schwerer wiegen, als die negativen Folgen einer WB. Dieses Ergebnis ist gegenteilig zu dem aus Oslo, weshalb es weiterer Forschung bedarf.
Es gab immer auch einen Prädiktor, dem zugestimmt wurden, wenn WB befürwortet wurde. Dies bedeutet, dass es immer einen Grund/Sinn geben muss warum WB praktiziert wird, dies kann helfen, Präventionsarbeit zielgerichtet zu gestalten.
Fazit: Zwischen verschiedenen Gruppen, wie Männern/Frauen oder Befragten, die WB unterstützen/ablehnen konnten Unterschiede bezüglich der Einstellungsmuster zu WB festgestellt werden. Die Ergebnisse dieser und früherer Studien bilden keinen einheitlichen Konsens. Die Forschung deckt das Thema nur ungenügend ab, weshalb es noch weiterer Forschung bedarf, um Einstellungsmuster afrikanischer Migranten besser zu verstehen, Präventionskampagnen zu optimieren und eine adäquate Versorgung der betroffenen Frauen zu gewährleisten.
Titel: Wirksamkeit der gezielten individuellen Förderung von sozialen Kompetenzen in Kindergärten in Mecklenburg-Vorpommern nach dem Kindertagesförderungsgesetz auf die Erhöhung der Chancengleichheit zum Schulbeginn
Doktorandin: Josefin Biermann
Art der Arbeit: Doktorarbeit
Institut: Institut für Community Medicine, Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health, Universitätsmedizin Greifswald
Betreuer: Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, MPH
Beginn: August 2016
Voraussichtliches Ende: Mitte 2018
Hintergrund: Das Erwerben von sozialen Kompetenzen gehört zu den wichtigsten Entwicklungsaufgaben von Kleinkindern. Ziel ist es, soziale Beziehungen aufzubauen und selbständig handlungsfähig zu werden sowie den Umgang mit den eigenen Emotionen, aber auch den Emotionen der anderen zu erlernen. Auffälligkeiten in der Entwicklung der Kinder sind in den meisten Fällen nicht gravierend, da sie in einem stabilen Umfeld im weiteren Entwicklungsverlauf reduziert und beseitigt werden können. Bei einem kleinen Teil der Kinder liegen aber frühzeitig Entwicklungsgefährdungen vor, die aufgrund von mangelnder Förderung chronifiziert werden. Sozial-emotionale Kompetenzen haben nicht nur unmittelbar Einfluss auf das Sozialverhalten der Kinder, sondern nehmen auch weitreichendenden Einfluss auf das Wohlbefinden, die physische und die psychische Gesundheit sowie das familiäre Umfeld und beeinflussen den schulischen Erfolg.
Methode: Seit dem Jahr 2011 evaluiert das Institut für Community Medicine das Kindertagesförderungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (KiföG M-V). In diesem Gesetz ist verankert, dass Kindertageseinrichtungen (Kitas) in bestimmten sozialen Lagen zusätzliche Mittel für die gezielte individuelle Förderung von Kindern mit Entwicklungsgefährdungen u.a. in dem Bereich soziale Entwicklung erhalten. Voraussetzung für den Erhalt der zusätzlichen Förderung ist die einmal jährliche Durchführung des „Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten“ (DESK 3-6) über mindestens drei Jahre sowie die Beteiligung an einer wissenschaftlichen Evaluation. Zur Operationalisierung der sozial schwächeren Lage der Kita dient der Anteil des vom Jugendamt übernommenen Elternbeitrags, welcher für eine Förderung überdurchschnittlich hoch sein muss.
Insgesamt beteiligen sich derzeit 130 Kitas an der Evaluation (Stand Februar 2017).
Durch das längsschnittliche Design der Studie können Entwicklungen der Kinder bis zu vier Messpunkte in der Kita analysiert werden. Weiterhin liegen dem Evaluationsteam alle Daten der Schuleingangsuntersuchungen (SEU) in M-V vor. Die erhobenen Entwicklungsbereiche des DESK 3-6 und der SEU sind thematisch kompatibel. Dies ermöglicht den Vergleich der mittels DESK 3-6 bzw. SEU gewonnenen Daten. Im Rahmen der Evaluation wurden die DESK 3-6-Daten mit Daten der SEU kindbezogen zusammengeführt.
Fragestellungen: Die Doktorarbeit soll zum einen die Prävalenz entwicklungsgefährdeter Kinder sowie die Risikofaktoren für eine Entwicklungsgefährdung im Bereich soziale Entwicklung analysieren. Darüber hinaus wird der zeitliche Verlauf von Entwicklungsgefährdungen im Bereich sozialer Kompetenzen im Zeitraum der Kita, aber auch im Übergang zur Grundschule dargestellt. Letzteres evaluiert gezielt die Wirksamkeit des KiföG M-V in Hinblick auf die Chancengleichheit zum Schulbeginn.
Erste Ergebnisse: Insgesamt ist jedes 10. Kind (9,6%) in den beteiligten Kitas von einer Entwicklungsgefährung im Bereich soziale Entwicklung betroffen (N=539 von 5.595). Weitere 6,2% haben einen fraglichen Befund in ihrer sozialen Entwicklung. Die Ergebnisse unterscheiden sich nach Alter und Geschlecht. Jungen haben signifikant mehr Entwicklungsgefährdungen als Mädchen. Als Risikofaktoren für die soziale Entwicklung der Kindergartenkinder wurde das Geschlecht, eine Entwicklungsgefährdung im Bereich Sprache und Kognition sowie das Vorhandensein einer chronischen Krankheit oder Behinderung identifiziert.
Diskussion: Die hohe Prävalenzrate von Entwicklungsgefährdungen im Bereich soziale Entwicklung zeigt die Relevanz von frühzeitigen Präventionsmaßnahmen. Dafür spielt das Setting Kita eine besonders wichtige Rolle, da die Betreuungsquote der 3-5-Jährigen in M-V mit 95,4% überdurchschnittlich hoch ist (Deutschland: 93,6%). Präventionsmaßnahmen sollten gendersensibel und inklusiv sein sowie die Interaktion verschiedener Entwicklungsbereiche berücksichtigen. Weitere Analysen sollen zeigen, ob das KiföG dazu beiträgt, die Prävalenzrate zu reduzieren und so eine Chancengleichheit zum Schulstart herstellt.
In der Masterarbeit wird die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland in Bezug auf den Morbiditätsfaktor der chronischen Arthritis untersucht und dafür ein räumlicher Vergleich auf Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV-Bereiche) vorgenommen. Insbesondere hinsichtlich Inzidenz und Prävalenz im bundesweiten Vergleich besteht hier ein Forschungsdefizit. Es erfolgt eine Sekundärdatenanalyse mittels bundesweiter vertragsärztlicher Abrechnungsdaten nach §295 SGB V. Die Daten stellt das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) zur Verfügung. Der Betrachtungszeitraum fokussiert sich bei der Prävalenz auf die Jahre von 2009 bis 2015, bei der Inzidenz auf 2011 bis 2015, wobei die Altersklassen von 0 bis 14 sowie von 15 bis 19 Jahre betrachtet werden. Darüber hinaus wird eine Analyse des Ist-Zustandes der vorhandenen medizinischen Versorgungsstrukturen in den KV-Bereichen vorgenommen. Dies erfolgt einerseits für den ambulanten, vertragsärztlichen Sektor über die Abrechnungsdaten, andererseits indem eine ausführliche Recherche durchgeführt wird, inklusive einer Anfrage an die Kassenärztliche Bundesvereinigung bezüglich Art und Anzahl kinderrheumatologischer Einrichtungen an Instituten und Kliniken. Im Anschluss daran werden die Daten deskriptiv und analytisch ausgewertet. Die zentrale Fragestellung lautet: Wie gestaltet sich die medizinische Versorgungssituation chronischer Arthritis bei Kindern und Jugendlichen im regionalen Vergleich? Die Beantwortung dieser Frage wird durch Bearbeitung folgender Einzelfragen schrittweise angegangen: Wie hoch sind die Inzidenzen und Prävalenzen in den Beobachtungsjahren und wie entwickeln sich diese im zeitlichen Trend? Zeigt der räumliche Vergleich primär bestehende Morbiditätsunterschiede auf? Wie gestaltet sich die medizinische Versorgungssituation in Bezug auf diese Diagnose sowie die räumliche Verteilung der Versorgungseinrichtungen? Bedarf es, unter Berücksichtigung der ermittelten Prävalenzen und Inzidenzen, einer Anpassung der medizinischen Versorgungsstruktur bei der chronischen Arthritis im Kindes- und Jugendalter?
Susan Thomschke (1) betreut durch Martin Doevenspeck (2) und Jörg Bätzing-Feigenbaum (3)
(1) Geographisches Institut der Universität Bayreuth, Studiengang M.Sc. Humangeographie – Stadt- und
Regionalforschung
(2) Geographisches Institut der Universität Bayreuth, Professur für Politische Geographie
(3) Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Regionalisierte
Versorgungsanalysen und Versorgungsatlas
Masterarbeit
Beginn der Arbeit: März 2017
Geplanter Abschluss der Arbeit: August 2017
Hintergrund: Vorpommern ist ein typisch ländlicher Raum, der stark durch den demografischen Wandel geprägt ist und sich durch eine geringe Bevölkerungsdichte und eine große Fläche auszeichnet. Daher ist auch die Dichte an medizinischen Versorgungseinrichtungen gering, was zu ausgedehnten Einzugsbereichen von Arztpraxen und Krankenhäusern führt. Der Anteil der Älteren ist hier weiterhin steigend. Aufgrund des höheren Morbiditätsrisikos im Alter steigen auch der medizinische Versorgungsbedarf und die Inanspruchnahme. Dagegen sinkt der Anteil der Jüngeren. Die Einzugsbereiche von Fachrichtungen, die vorwiegend Jüngere versorgen (z.B. Pädiater, Gynäkologen), werden immer größer. Große Einzugsbereiche erfordern die Überbrückung von großen Distanzen.
Fragestellung: Wie sind die ambulant tätigen Hausärzte (HÄ) und Ärzte der Fachrichtungen Augenheilkunde, Innere Medizin und Urologie per Pkw und per ÖPNV erreichbar? Gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Arztgruppen? Wie viele Einwohner verteilen sich über die verschiedenen Zonen der Erreichbarkeit (gemessen in Fahrzeit)? Am Beispiel der Frauenärzte wird untersucht, ob die Inanspruchnahme durch die Erreichbarkeit (Fahrzeit PKW und ÖPNV), beeinflusst wird und ob sich dies von HÄ unterscheidet.
Methode: Die Erreichbarkeitsanalysen (Netzwerkanalysen) werden in einem Geographischen Informationssystem (GIS) (ESRI®ArcGISTM 10.0 Esri Inc., Redlands/California (USA)) durchgeführt. Als Grundlage dienen Orts- und Ortsteilmittelpunkte sowie digitale routing-fähige Straßendaten. Zusätzlich werden Einwohnerdaten, Standorte von Leistungserbringern und Informationen zur Inanspruchnahme aus der Study of Health in Pomerania (SHIP) verwendet. Für die Berechnung der ÖPNV-Erreichbarkeit wurden die Fahrpläne der vorpommerschen Verkehrsbetriebe und die geografischen Koordinaten der Bus- und Bahnhaltestellen benötigt. Die ÖPNV-Fahrzeiten wurden mit einer institutseigenen Netzwerkanalyse-Anwendung berechnet und anschließend im GIS kartografisch dargestellt.
Unterschiede in der Erreichbarkeit von HÄ, Augenärzten, fachärztlichen Internisten und Urologen wurden mit einer Varianzanalyse (ANOVA mit Post hoc Test (Tukey, REGWQ), Kruskal Wallis-Test) mit der Software SAS 9.3 © 2002-2010 (by SAS Institute Inc., Cary, NC, USA) berechnet.
Der Einfluss der Erreichbarkeit auf die Inanspruchnahme von Frauenärzten und HÄ wurde mit einer logistischen Regression berechnet. Weitere Variablen sind Alter, Sozialschichtindex, Gesamtreisezeit mittels Pkw und mittels ÖPNV und die Anzahl volljähriger Personen im Haushalt. Als Maß für die Korrektheit der Stichprobenergebnisse wurden Konfidenzintervalle (CI) mit einer Überdeckungswahrscheinlichkeit von 95 % berechnet. Alle statistischen Berechnungen wurden mit SAS 9.3 © 2002-2010 (by SAS Institute Inc., Cary, NC, USA) durchgeführt.
Ergebnisse: Die Reisezeit mit dem Pkw zum Hausarzt (HA) bewegt sich zwischen 0,1 und 22,9 Min., die Reisezeit zu den ärztlichen Spezialisten zwischen 0,4 und 42,9 Min. 80 % der Bevölkerung erreicht den Spezialisten innerhalb von 20 Min. Die Unterschiede zwischen den Arztgruppen unterscheiden sich signifikant.
Ganz anders die ÖPNV-Erreichbarkeit: Während zum HA eine Gesamtreisezeit (Hin- und Rückfahrt, ohne Aufenthaltsdauer beim Arzt) von im Durchschnitt 99 Min. (SD 63) benötigt wird, beträgt die durchschnittliche Gesamtreisezeit zum Internisten 143 Min. (SD 100), zum Augenarzt 129 Min. (SD 76) und zum Urologen 159 Min. (SD 110). 3,8 % der Bevölkerung (n = 8.973) hat keine ÖPNV-Verbindung zum HA und 6,5 % (n = 15.455) hat keine Verbindung zum Spezialisten. Diese Ergebnisse wurden im Oktober 2016 veröffentlicht (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27756338).
Die Erreichbarkeit sowohl per Pkw als auch per ÖPNV ist kein signifikanter Prädiktor für die Inanspruchnahme weder von Frauenärzten noch von HÄ. Bei der ÖPNV-Erreichbarkeit von Frauenärzten waren Alter (OR 0,960, 95 % CI 0,950 – 0,971, p < 0,0001), soziale Schicht (OR 1,137, 95 % CI 1,084 – 1,193, p < 0,0001) und Personen im Haushalt ≥ 18 Jahre (OR 2,315, 95 % CI 1,116- 4,800, p = 0,0241) signifikant. Bezüglich der Inanspruchnahme von HÄ ist nur der soziale Schichtindex signifikant.
Diskussion: Die Berechnung der Erreichbarkeit basiert auf einem Modell, dem aber möglichst realitätsnahe Annahmen zugrunde liegen. Erreichbarkeit ist keine Frage der Entfernung sondern der Anbindung. In Vorpommern wird die Inanspruchnahme nicht von der Erreichbarkeit per Pkw und ÖPNV beeinflusst. Entscheidender sind der soziale Schichtindex und teilweise auch die Anwesenheit von Personen im Haushalt, die volljährig und damit potentielle Inhaber einer Fahrerlaubnis sind und als Fahrer zur Verfügung stehen könnten.
Mit Hilfe geografischer Analysen in einem GIS können drohende oder bestehende Defizite in der Erreichbarkeit von medizinischen Versorgungseinrichtungen aufgedeckt werden. Daher können Erreichkarbeitsanalysen bei der Planung der regionalen Versorgung ein hilfreiches Instrument sein.
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Standort Rostock/Greifswald
Dipl.-Pharm. Diana Wucherer, Apothekerin, M.Sc.
Doktorarbeit
Betreuer: Prof., Dr.med. Wolfgang Hoffmann, MPH
Titel: Pharmakotherapie der Menschen mit Demenz in primärärztlicher Versorgung
September 2014 - September 2017
Hintergrund: Dreiviertel der etwa 1,5 Millionen Menschen mit Demenz (MmD) in Deutschland werden primärärztlich versorgt. Die Pharmakotherapie multimorbider älterer MmD ist komplex und oft mit arzneimittelbezogenen Problemen (ABP) verbunden. ABP, wie mangelnde Adhärenz, potenziell inadäquate Medikation, Arzneimittelunterversorgung oder Arzneimittelinteraktionen, können den Therapieerfolg beeinträchtigen, Lebensqualität verringern und die Kosten für das Gesundheitssystem steigern. Aktuell fehlen die Daten über ABP bei MmD in der primärärztlichen Versorgung.
Fragestellung: Welche ABP liegen bei MmD in der primärärztlichen Versorgung vor? Mit welchen patienten- und kontextbezogenen Faktoren sind ABP bei MmD assoziert?
Methoden: Im Rahmen der hausarztbasierten, cluster-randomisierten Interventionsstudie DelpHi-MV (Demenz: lebenswelt- und personenzentrierte Hilfen in Mecklenburg-Vorpommern) wurde in der Häuslichkeit von MmD ein komplexes IT-gestütztes Assessment durchgeführt. Neben der Erhebung soziodemografischer und klinischer Daten schloss das Assessment eine Medikationsanamnese ein. Eine darauffolgende Medikationsanalyse (MA) wurde von den Apothekern für die 449 Studienteilnehmer durchgeführt und ABP wurden identifiziert.
Ergebnisse: Polypharmazie wurde bei 65% der Studienteilnehmer registriert. Bei 94% der Studienteilnehmer wurde mindestens ein ABP detektiert. Die häufigsten ABP waren: unzweckmäßiger Einnahmeabstand des Arzneimittels zum Essen (48%), fehlender/nicht aktueller Medikationsplan (25%), potenziell inadäquate Medikation (22%), Vergessen der Medikamenteneinnahme (17%). Seltener wurden Probleme mit Über-/Unterdosierung (5%) und klinisch relevante Arzneimittelwechselwirkungen (3%) registriert. Kognitive Beeinträchtigung wurde nicht als Risikofaktor für eine erhöhte Gesamtzahl der ABP identifiziert. Allerdings war das Vorhandesein einer Diagnose von psychischen oder Verhaltensstörungen und eine hohe Anzahl von Medikamenten mit einer erhöhten Gesamtzahl der ABP verbunden.
Diskussion: MA für MmD auf der Grundlage der häuslichen Medikationsanamnese bietet umfassende Information über den tatsächlichen Medikamentengebrauch. Viele ABP auf Patientenebene, wie z.B. kein oder veralteter Medikamentenplan, inadäquate Lagerung, unangemessene Applikationszeit, keine oder mehrfache Einnahme aufgrund Vergesslichkeit werden zuverlässiger in der Häuslichkeit erkannt. Die Daten untermauern die Notwendigkeit, eine MA für MmD als Teil der Routineversorgung zu implementieren, um Schaden für die Patienten zu minimieren und Komplikationen sowie vermeidbare Kosten für das Gesundheitssystem zu reduzieren.
Die im Folgenden dargestellte Masterarbeit wird im Rahmen des Studiengangs M.Sc. Versorgungswissenschaft am Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft der Universität zu Köln unter der Betreuung von Frau Jun.-Prof. Dr. Lena Ansmann zwischen April und September 2017 verfasst.
Hintergrund: Da bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen (folgend MzF-Transsexuelle) ein Konflikt zwischen der Geschlechtsidentität und dem äußeren Erscheinungsbild besteht, hat auch die Stimme als identitätsstiftendes Merkmal eine entscheidende Bedeutung (Neumann & Wenzel, 2004). Dies wird dadurch verstärkt, dass auch bei erfolgter Hormonbehandlung im Zuge der Geschlechtsangleichung es kaum möglich ist, einen weiblichen Stimmklang zu erzeugen, da durch die Hormongabe der Kehlkopf anatomisch nicht verändert wird, anders als bei Frau-zu-Mann-Transsexuellen, deren Kehlkopf durch die Hormonbehandlung wächst und es so zur Maskulinisierung der Stimme kommt (Mészáros et al., 2005).
Trotz der hohen Bedeutung der Stimmarbeit mit MzF-Transsexuellen versorgen nur sehr wenige Sprachtherapeut*innen diese Klientel. Dass sich viele dieses Handlungsfeld nicht zutrauen, mag nicht nur mit mangelnden Kenntnissen und Berührungsängsten zu tun haben, sondern könnte auch darin begründet sein, dass Sprachtherapeut*innen hinsichtlich therapeutischer Methoden darin ausgebildet sind, pathologische Veränderungen der Stimme zu behandeln, während die Stimmarbeit mit MzF-Transsexuellen eine Stimmklangveränderung einer meist gesunden Stimme bedeutet. Ferner erschweren rares Diagnostik- und Übungsmaterial den Zugang zum Thema.
Der 2013 in Australien entwickelte Transsexual Voice Questionnaire for Male-to-Female Transsexuals (TVQMtF) (Dacakis et al., 2013), der 2015 von Kleinsasser und Meister autorisiert ins Deutsche übersetzt wurde, ist ein erster Schritt, um dem Mangel an adäquaten Instrumenten entgegenzuwirken. Eine Validierung der deutschen Version steht allerdings noch aus.
Fragestellung: Inwieweit erfüllt die deutsche Übersetzung des TVQMtF psychometrische Gütekriterien wie Reliabilität und Validität und welche faktorielle Struktur liegt dem Instrument zugrunde? Wie stellt sich die stimmbezogene Lebensqualität (VrQoL) von MzF-Transsexuellen in Deutschland dar?
Methode: Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde eine Online-Befragung entwickelt, die bereits von drei MzF-Transsexuellen und einer cissexuellen Frau (die sich mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht ‚weiblich‘ identifiziert) einem kognitiven Pretest unterzogen wurde. Dieses Befragungsinstrument enthält neben der deutschen Version des TVQMtF den Voice Handicap Index (Jacobson et al., 1997) zur Erfassung der konvergenten Validität sowie Fragen zur Soziodemografie und zur Inanspruchnahme verschiedener Maßnahmen im Zuge der Transition (z.B. Vornamen-/Personenstandsänderung, Hormonbehandlung, geschlechtsangleichende Operation, Stimmoperation, Stimmtraining). Zudem werden identifizierende Items vorgelegt, um sicherzustellen, dass nur MzF-Transsexuelle teilnehmen, die außerdem bereits Erfahrungen darin gemacht haben, im weiblichen Geschlecht zu leben.
Der Link zur Befragung wird über E-Mail-Verteiler, Facebook-Seiten/-Gruppen sowie Foren von Organisationen und Interessengruppen transsexueller Menschen verbreitet.
Zur Analyse des TVQMtF auf Itemebene werden die Akzeptanz, Itemschwierigkeit, Inter-Item-Korrelation sowie die Itemtrennschärfe berechnet. Auf Skalenebene werden die interne Konsistenz als Cronbachs-α und die Split-Half-Reliabilität berechnet sowie die faktorielle Struktur konfirmatorisch und anhand eines Strukturgleichungsmodells analysiert. Hinsichtlich der konvergenten Validität wird die Korrelation von TVQMtF und VHI ermittelt.
Zur Beschreibung der VrQoL von MzF-Transsexuellen sollen neben Maßen der zentralen Tendenz und Streuung Zusammenhänge zu soziodemografischen und transitionsbezogenen Daten betrachtet werden.
Erwarteter Nutzen/Ziele: Mit der deutschen Version des TVQMtF liegt erstmals ein Selbsteinschätzungsfragebogen zur VrQoL von MzF-Transsexuellen für den deutschsprachigen Raum vor, der auf psychometrische Gütekriterien hin getestet wurde. Dieser kann in der stimmbezogenen Versorgung von MzF-Transsexuellen, sei es in der sprachtherapeutischen Stimmarbeit oder der Phonochirurgie, eingesetzt werden.
Zudem lägen erste Daten zum Konstrukt der VrQoL bei MzF-Transsexuellen vor, die die Interpretierbarkeit des Instruments und somit die Implementierung in die Praxis erleichterten.
Ferner sollen die Ergebnisse das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Thematik in Versorgungsforschung und Sprachtherapie im Speziellen sowie die Sensibilität für geschlechtliche Vielfalt in der Gesundheitsversorgung und –forschung im Allgemeinen steigern.
Titel: Wirksamkeit einer niedrigschwelligen individuellen Intervention basierend auf Aktimeterdaten zur Steigerung der körperlichen Aktivität und Verringerung der Sitzzeit von älteren Menschen
Doktorand: Fabian Kleinke
Art der Arbeit: Doktorarbeit
Institut: Institut für Community Medicine, Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health, Universitätsmedizin Greifswald
Betreuer: PD. Dr. Neeltje van den Berg
Beginn: Juli 2017
Voraussichtlichtes Ende: Mitte 2019
Fragestellungen:
Wie hoch ist die körperliche Aktivität sowie das Sitzverhalten bei Personen ab 65 Jahren?
Welche Wirksamkeit hat eine niedrigschwellige Intervention mit individualisierten schriftlichen Rückmeldungen zur Erhöhung der körperlichen Aktivität und zur Verringerung der Sitzzeiten in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe nach 6 und 12 Monaten?
Hat die Intervention Einfluss auf Blutdruck und Somatometrie der Teilnehmer?
Gibt es in der Interventionsgruppe Änderungen in der selbstberichteten im Sitzen verbrachten Zeit sowie körperlichen Aktivität im Vergleich zur Kontrollgruppe?
Hintergrund: Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen weltweit eine führende Ursache der Mortalität dar. Bedeutende Risikofaktoren sind sowohl ein Mangel an körperlicher Aktivität als auch das Ausmaß an im Sitzen verbrachter Zeit. Mit zunehmendem Alter reduziert sich der Anteil an körperlicher Aktivität zum Teil erheblich während die im Sitzen verbrachte Zeit zunimmt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Personen ab 65 Jahren pro Woche mindestens 150 Minuten moderate oder mindestens 75 Minuten anstrengende körperliche Aktivität oder eine entsprechende Kombination. Studien zeigen, dass ältere Personen diese Empfehlungen teilweise nur zu einem Bruchteil (2,4%) erfüllen und dieselbe Altersgruppe täglich bis zu 9,4 Stunden im Sitzen verbringt.
Die Nutzung von Aktimetern zur objektiven Messung der körperlichen Aktivität und Sitzzeiten stellt eine Möglichkeit dar, Personen ihr konkretes Verhalten zurückzumelden. In ersten Interventionen wurde diese Möglichkeit des Aktimeterfeedbacks zur Erhöhung körperlicher Aktivität bzw. Verminderung von im Sitzen verbrachter Zeit bereits erfolgreich bei Älteren umgesetzt. Diese Interventionen waren allerdings durch komplexe Maßnahmen gekennzeichnet. Daher stellt sich die Frage, ob bereits eine niedrigschwellige Intervention basierend auf Aktimeterdaten mittels individualisierten schriftlichen Rückmeldungen allein ausreichend ist, um die Bewegungsmuster bei Älteren positiv zu beeinflussen und somit eine Bereitschaft zur Verhaltensänderung hervorzurufen.
Methode: Die MOVING-Studie hat ein prospektiv kontrolliert-randomisiertes Design. Innerhalb von 12 Monaten Studiendauer werden zu 4 Zeitpunkten (nach 3, 6 und 12 Monaten) Untersuchungen durchgeführt. Es erfolgen jeweils standardisierte Messungen von Blutdruck, Körpergröße und –Gewicht, Hüft- und Taillenumfang. Zusätzlich werden u.a. körperliche Aktivität und Sitzgewohnheiten mittels Fragebogen erhoben. Zur objektiven Erfassung der körperlichen Aktivität und der Sitzgewohnheiten tragen die Studienteilnehmer einen Aktimeter (ActiGraph GT 3X+) über einen Zeitraum von 7 aufeinanderfolgenden Tagen. Nach der 1:1 Randomisierung in Interventions- und Kontrollgruppe erhalten Probanden der Interventionsgruppe nach Baseline und nach dem 3-Monats-follow-up postalisch einen individualisierten Brief, der die Bewegungsdaten aus dem Aktimeter übersichtlich darstellt. Zur Einschätzung der eigenen körperlichen Aktivität werden die individuellen Bewegungsdaten mit den WHO-Empfehlungen zu körperlicher Aktivität verglichen.
Diskussion: Die Erhöhung körperlicher Aktivität sowie die Reduktion von Sitzzeiten bei Älteren sind zur Verbesserung der Gesundheit von entscheidender Bedeutung. Erste Interventionsstudien haben die Wirksamkeit des Aktimeterfeedbacks zur Erhöhung körperlicher Aktivität bzw. Verminderung von im Sitzen verbrachter Zeit im Rahmen komplexer Interventionen bereits erfolgreich bei Älteren gezeigt. Die Übertragung dieser Maßnahmen in die Praxis erscheint aufgrund der Komplexität der durchgeführten Maßnahmen (z.B. regelmäßige Telefongespräche) schwierig, da sie mit zum Teil mit erheblichen finanziellen und zeitlichem Aufwand verbunden sind. Der niedrigschwellige Ansatz der MOVING-Studie orientiert sich dabei auch an einer umsetzbaren Anwendung in die Praxis. Sollte die Intervention zu einer erfolgreichen Erhöhung der körperlichen Aktivität, bzw. Verringerung der Sitzzeiten führen, hat die Studie das Potential bedeutende Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu minimieren und den Gesundheitszustand und die Lebensqualität bei älteren Menschen zu verbessern.
Universität: Charité-Universitätsmedizin Berlin, CC1 Institut für Human- und Gesundheitswissenschaften
Studiengang: Bachelorstudiengang Gesundheitswissenschaften
Art und Beginn der Arbeit: Bachelor Thesis, Mai 2016 – August 2016
Betreuer: Prof. Dr. Ingo Morano & PD Dr. Linus Grabenhenrich MPH
Abstract zum Thema:
Verbesserung der sportlichen Aktivität von Frauen mit invasivem Mammakarzinom mithilfe der Anwendungssoftware „Aktiv trotz Brustkrebs“
Hintergrund:
Das Mammakarzinom (Brustkrebs) ist die häufigste bösartige Neubildung bei Frauen. Studien konnten zeigen, dass Frauen mit invasivem Mammakarzinom von regelmäßiger sportlicher Aktivität profitieren. Demnach erhält sportliche Aktivität die Leistungsfähigkeit, senkt Nebenwirkungen der Therapie und steigert so auch die Lebensqualität. Ein großes Problem ist allerdings, dass sich Frauen nach Diagnosestellung eines invasiven Mammakarzinoms signifikant weniger bewegen als vor Diagnosestellung. Unter Berücksichtigung der gesundheitswissenschaftlichen Paradigmen sowie der aktuellen Literatur ist das Nahziel dieser Bachelor Thesis, die sportliche Aktivität von Frauen mit invasivem Mammakarzinom während der Therapie zu verbessern und in den Alltag zu integrieren. Zusätzlich sollen die physischen und psychischen Effekte der App „Aktiv trotz Brustkrebs“ sowie der Broschüre „Bewegungsempfehlungen für Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs“ bezogenen auf das subjektive Wohlbefinden der Anwenderinnen gemessen werden. Fernziele sind die Verringerung von therapiespezifischen Nebenwirkungen sowie die Steigerung der Lebensqualität.
Fragestellung:
Auf Grundlage etablierter Theorien sowie des erkenntnistheoretischen Rahmens entwickelte sich folgende zentrale Forschungshypothese: „Je öfter und intensiver die App „Aktiv trotz Brustkrebs“ angewandt wird, umso sportlich aktiver sind Frauen mit invasivem Mammakarzinom.“.
Methode:
Probanden einer Gelegenheitsstichprobe (n=34) wurde nicht-randomisiert in eine Interventions- (App- Nutzer, n=23) und eine Kontrollgruppe (Broschüre-Nutzer, n=11) unterteilt. Die Messung der sportlichen Aktivität mittels Fragebögen erfolgte zu zwei Messzeitpunkten: Vor Beginn der App-Nutzung und nach vier Wochen.
Ergebnisse:
Das Sportverhalten der Probandinnen aus Interventions- und Kontrollgruppe konnte signifikant (p < 0,05) verbessert werden. In den Bereichen subjektives Wohlbefinden sowie therapiespezifische Nebenwirkungen konnten hingegen keine signifikanten Verbesserungen oder Verschlechterungen beobachtet werden.
Diskussion:
Aus den ermittelten Ergebnissen ist erkennbar, dass die Einführung der App „Aktiv trotz Brustkrebs“ die Aktivität im Bereich der Bewegungsinitiative sowie der Sporthäufigkeit von Brustkrebspatientinnen während der Therapie signifikant verbessert hatte. Dass die App von der Mehrzahl der Probandinnen selbst nur als teilweise hilfreich für die Verbesserung der sportlichen Aktivität bewertet wurde, steht allerdings in Widerspruch zu den ansonsten positiven Ergebnissen. Keine Patientin aus der Interventionsgruppe bestätigte, dass durch die App „Aktiv trotz Brustkrebs“ eine deutliche Verbesserung der sportlichen Aktivität aufgetreten sei. Trotz der mäßigen Bewertung konnten die Probandinnen zu einer erhöhten sportlichen Aktivität motiviert werden.
Praktische Implikationen:
Die Ergebnisse des Pilotprojekts weisen auf die Notwendigkeit sowie Aufklärung einer angemessenen Bewegungsempfehlung während der Brustkrebstherapie hin.
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Kooperation mit Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine - Fach: Medizin - Doktorarbeit - Betreuer: PD Dr. JR Thyrian)
Thema: Diagnostik von Demenz in der hausärztlichen Routineversorgung
Background: Dementia is turning out to be one of the major challenges for health-care systems in western societies. 24 million people are affected nowadays and the number is expected to double every 20 years. According to current guidelines the key for treatment and care is a state-of the art diagnosis. In Germany however, not every person with dementi ain primary care is diagnosed by a specialist for various reasons. The aim of this presentation is to compare people with dementia in primary care that have been diagnosed by a dementia specialist with people being treated soley in routine care and to describe an easy to learn techniques for analysiing imaging data for use in primary care.
Hintergrund
Die modernen Lebenswissenschaften eröffnen vielversprechende Ansätze für die zukünftige Gesundheitsversorgung. Insbesondere für eine individualisierte Medizin sind feiner differenzierte, frühzeitigere Diagnostik- u. Therapieansätze erforderlich. Portable Lab-on-a-Chip-Diagnostiksysteme (LOCs) können die Diagnose von Krankheiten bereits am Point-of-care durch die Bestimmung von spezifischen Biomarkern ermöglichen. Im DIA-LOC-Projekt sollten sowohl Informationen über die Potentiale von LOCs als auch Bedarfe und Ansatzpunkte für eine Unterstützung zukünftiger Implementierungen in der Gesundheitsversorgung ermittelt werden. Zur Abschätzung der Potentiale und Einsatzgebiete von LOCs in der Gesundheitsversorgung ist es notwendig, diejenigen Erkrankungen zu ermitteln, die einen hohen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen in der Bevölkerung haben und bei denen gleichzeitig die Diagnostik identifizierter Biomarker die Versorgung verbessern kann.
Methodik
Mit der Durchführung von leitfaden-gestützten, teilstandardisierten Experteninterviews sollten Perspektiven, Anforderungen und Bedenken im Hinblick auf LOCs ermittelt werden. Die Experten (N=30) waren hierbei nationale und internationale Forscher auf dem Gebiet der individualisierten Medizin. Basierend auf den Einschätzungen der Experten wurde eine systematische Literaturrecherche zu LOCs für Erkrankungen durchgeführt, die ein großes Potential für eine zukünftige Realisierung besitzen und für die eine frühe Biomarker-Diagnostik besonders relevant ist. Aufgrund der stetig wachsenden Möglichkeiten durch neu entwickelte, fortschrittlichere Technologien hatten wir uns hierbei auf Studien der letzten 10 Jahre beschränkt. Basierend auf dem aktuellen Forschungsstand zu vorhandenen LOCs für relevante Erkrankungen wurden Potentiale und Bedarfe eingeschätzt.
Eine Befragung von Klinikern und Ärzten (N=61) sollte Informationen über die Umsetzbarkeit, mögliche Risiken und mögliche Hindernisse bei der Implementierung neuer LOCs liefern. Der Fragebogen enthielt Aussagen aus den Experten-Interviews und Ergebnisse der Literaturrecherche.
Fragestellung
Auf Grundlage der Ergebnisse aus den Experteninterviews, der Literaturrecherche und der Ärztebefragung wird in der Doktorarbeit analysiert, welche Möglichkeiten als auch Barrieren bei der Implementierung von LOCs im Gesundheitswesen zu berücksichtigen sind. Die Identifikation von Ansatzpunkten für vielversprechende LOCs und die Analyse der zukünftigen Potentiale in der Gesundheitsversorgung soll Hinweise liefern, für welche Biomarker der Aufwand für die Entwicklung von Testverfahren am sinnvollsten erscheint.
(Teil-)Ergebnisse
ie Mehrheit der von uns interviewten Experten beurteilt das Potential von LOCs als unbestreitbar und sieht deren Durchbruch in der Regelversorgung nur als eine Frage der Zeit an. Das Potential von LOCs ist dabei nicht nur auf schnellere und zuverlässigere Diagnosemethoden beschränkt, sondern liegt auch in deren Unabhängigkeit von spezialisierten Einrichtungen (z.B. Klin.-chem. Labore) und damit der Möglichkeit des direkten Zuganges zu spezieller Diagnostik am Point-of-Care. LOCs unterstützen nicht nur eine umfassende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, sondern besitzen auch Potential für einen Beitrag zur Kostenreduzierung im öffentlichen Gesundheitssektor. Die Ärzte als potentielle Nutzer stehen LOCs generell sehr positiv und aufgeschlossen gegenüber. Über die Hälfte der Befragungsteilnehmer sieht einen großen oder sehr großen Nutzen für die Gesundheitsversorgung durch deren zukünftig verstärkten Einsatz. Der größte Bedarf wird hierbei in der Diagnostik und Früherkennung gesehen. Über 90% der von uns befragten Ärzte würde LOCs uneingeschränkt oder abhängig vom Patientenfall verwenden. Fast die Hälfte der Befragten nutzt diese Technologie bereits regelmäßig in ihrer Praxis und nur rund 10% gaben an, LOCs nur unter der Voraussetzung der Kostenrückerstattung nutzen zu wollen.
Diskussion
Im Zuge der personalisierten Medizin können LOCs eine wichtige Rolle spielen. Die frühe Diagnostik und darauf basierend individualisierte Behandlungsansätze, die durch den Einsatz von LOCs ermöglicht werden, haben neben der gesundheits-ökonomischen auch eine wichtige volkswirtschaftliche Perspektive. Die frühzeitigere Diagnose und Therapie bevölkerungsrelevanter Erkrankungen und Risikofaktoren könnten bspw. zu einer Reduktion der Krankheits- und Krankheitsfolgekosten führen bzw. ein längeres und gesünderes Verbleiben im Arbeitsleben ermöglichen.
Obwohl die Performance von LOCs in nahezu allen analysierten Studien positiv evaluiert wurde, zeigen die Ergebnisse, dass die Testsettings oftmals noch eher einem Forschungslabor entsprachen als dem realen Versorgungssetting. Im Kontrast dazu steht der Vertrieb von LOCs von einer Vielzahl von Firmen, ohne dass deren Evaluation zuvor in öffentlich zugänglichen Quellen publiziert wurde.
Hintergrund:
In Deutschland sind derzeit 34.893 Hausärzte tätig [1]. In deren Praxen wird eine Vielzahl von Patienten direkt behandelt. Diese Daten verbleiben in der Praxis und sind als Informationsquelle für die Gesundheitsforschung und daraus resultierenden Entscheidungen in der Gesundheitspolitik meist nicht zugänglich. Ziel des RADAR Projektes ist es, diese Daten aus der hausärztlichen Versorgung in unterschiedlicher Tiefe, zum Teil anonymisiert und zum Teil pseudonymisiert, zu extrahieren und in einer Forschungsdatenbank zur Verfügung zu stellen.
Fragestellung:
In dem Projekt muss die Frage beantwortet werden, ob es rechtlich zulässig ist, die medizinischen Daten der Hausarztpraxen in der Forschung zu nutzen (Aufgabe des Projektpartners TMF). Dabei ist sowohl eine pseudonymisierte Nutzung auf der Basis einer informierten Einwilligung der Teilnehmer als auch die anonymisierte Bereitstellung ohne individuelle Einwilligung vorstellbar. Weiterhin muss eine technisch sichere Möglichkeit gefunden werden, die versorgungsbezogenen Daten aus dem geschützten Bereich des Praxissystems auszuleiten und dabei gleichzeitig die Trennung der medizinischen und identifizierenden Daten zu gewährleisten.
Methode:
Die medizinischen Daten eines Patienten werden vom Hausarzt mit Hilfe eines Arztinformationssystems (AIS) in einer elektronischen Patientenakte erfasst. Dabei kommen in Deutschland ca. 150 verschiedene AIS zum Einsatz. Eine Möglichkeit, aus diesen heterogenen Systemen untereinander kompatible Daten zu erhalten, ist die Exportfunktion für den Behandlungsdatentransfer (BDT). Dieser dient dazu, patientenbezogene Informationen beim Wechsel des Hausarztes oder der Überweisung zu einem Spezialisten zu übermitteln. Im Rahmen des RADAR Projektes wird eine Software entwickelt, welche vor Ort in der Arztpraxis den BDT Export verarbeitet. Die Verarbeitung der Daten richtet sich nach zwei Szenarien, welche innerhalb des Projektes untersucht und verglichen werden.
Im 1. Szenario wird keine Einwilligung des Patienten eingeholt, dadurch können Daten einer großen Anzahl von Patienten erfasst werden. Da keine Einwilligung vorliegt, kann die Ausleitung aus der Praxis aber nur in anonymisierter Form erfolgen, wodurch Informationen verloren gehen und zum Beispiel spätere Folgebefragungen nicht möglich sind. Die Software des RADAR Projektes muss die Anonymisierung der Daten noch in der Praxis vornehmen, bevor diese elektronisch an die Forschungsdatenbank weitergeleitet werden.
Im 2. Szenario werden nur Daten von Patienten verarbeitet, welche zuvor ihre Einwilligung in die Verwendung ihrer vom Hausarzt erfassten Daten für die Forschungszwecke gegeben haben. Damit können auch identifizierende Daten erfasst werden, welche mit Hilfe einer Reidentifizierung über die Treuhandstelle des Projektes bspw. Folgebefragungen oder das Zusammenführen mit anderen Datenquellen ermöglichen. Die Software muss in diesem Szenario die medizinischen und identifizierenden Daten auf der Ebene der Praxis trennen und die identifizierenden Daten an die Treuhandstelle schicken. Die medizinischen Daten werden mit einem Pseudonym versehen und an die RADAR Forschungsdatenbank geschickt. [2]
Die Workflows und technischen Routinen, sowie die Qualität der entstehenden Datensätze aus beiden Szenarien werden anhand eines Beispiel-Use-Case untersucht. Daran wird exemplarisch geprüft, welchen Effekt Disease-Management-Programme auf die Gesundheit und Lebensqualität von multi-morbiden älteren Menschen haben.
Ergebnisse:
Nach Abstimmungen mit den Projektpartnern konnten erste Konzepte und Workflows bereits definiert werden. Insbesondere wurden Workflows zur Verarbeitung und Ausleitung der medizinischen und identifizierenden Daten aus der Praxis entwickelt. Im weiteren Verlauf des Projektes werden die detaillierte Spezifizierung der einzelnen Abläufe sowie die technischen Implementierungsarbeiten im Vordergrund stehen.
Diskussion:
Die konzipierten Workflows sind auf Grund der hohen Anforderungen an den Schutz der personenbezogenen Daten sowie der Gewährleistung der höchstmöglichen Datensicherheit komplex. Hierbei wird zwischen Schutzwirkung und Nutzbarkeit so abgewogen werden müssen, dass der Aufwand für die Praxismitarbeiter bei Einrichtung und Bedienung der technischen Systeme angemessen gering bleibt.
[1] http://www.kbv.de/media/sp/2015_12_31.pdf Abgerufen am 10.04.2017
[2] Pommerening K, Drepper J, Helbing K, Ganslandt T, et al.
Leitfaden zum Datenschutz in medizinischen Forschungsprojekten 2.0, 2014; Berlin, Germany (TMF Schriftenreihe)
Am Institut für Community Medicine wird unter Betreuung von Herrn Prof. Wolfgang Hoffmann seit Ende 2016 im Bereich Medizininformatik das Dissertationsthema „Nutzen und Anwendung von Informationstechnologie im Forschungskontext am Beispiel von Register- und Interventionsstudien“ bearbeitet. Innerhalb dieses Themenkomplexes ist der Science-Slam-Beitrag von Henriette Rau (M.Sc. Medizininformatik und M.Sc. Health Care Management) verankert.
Oftmals hört man in der Forschung den Satz „Nur wer Daten auswertet, betreibt Wissenschaft.“ Dies bedeutet folglich: Nur wer Output erzeugt, ist Wissenschaftler. Doch ist diese Aussage korrekt oder ist auch die Erzeugung von Input eine Wissenschaft für sich? Alle der Datenauswertung vorhergehenden Schritte des Inputs (d. h. Datenerhebung, -übermittlung, -verarbeitung und
-speicherung) sind entscheidende Faktoren für die Datenqualität. Alle diese Schritte sind notwendig zur späteren Bereitstellung der erhobenen Daten und sie bilden die Basis für hochwertige Datenauswertungen. Denn es gilt: Die Datenqualität kann im Verarbeitungs- und Auswertungsprozess nicht mehr erhöht, jedoch – u. a. bei fehlerhaftem Umgang mit den Daten - stark beeinträchtigt werden. Daher ist die gewissenhafte Planung und Umsetzung der zu erhebenden Variablen, ihrer Ausprägungen und der Eingabeinstrumente basierend auf den Forschungsfragen ein studienkritischer Schritt. Ziel dieses Science-Slam-Beitrags ist es daher, anhand des Beispiels „Was war nochmal var_XY?“ die Planung von Variablen inklusive der für eine sinnvolle Auswertung benötigten Kontextinformationen auf Seite der Dateneingabe kritisch zu würdigen.
Hintergrund
Die Erforschung der Differenz zwischen erwarteten Leistungen und subjektiv wahrgenommener medizinischer Versorgung ist Gegenstand der Medizinsoziologie, der Versorgungsforschung sowie der Rehabilitationswissenschaft. Das Konstrukt „Patientenzufriedenheit“ bzw. „Patientenerfahrung“ ist komplex und von vielen Faktoren abhängig. Dennoch ist seine Messung ein unverzichtbares Instrument der kontinuierlichen Qualitätsverbesserung der medizinischen Versorgung.
Das Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln führt seit 2006 jährlich eine Befragung von Patientinnen durch, die in zertifizierten nordrhein-westfälischen Brustkrebszentren operiert wurden. Das Befragungsinstrument ist dabei der „Kölner Patientenfragebogen Brustkrebs“ (KPF-BK 2.0), welcher neben geschlossenen Fragen eine Seite beinhaltet, auf der Patientinnen die Möglichkeit haben, Lob, Kritik und Verbesserungsvorschläge in Form eines freien Textes zu formulieren. Die Texte aus dem Befragungsjahr 2016 bilden den Gegenstand der Untersuchung und werden erstmalig im Rahmen einer explorativ ausgerichteten Masterarbeit systematisch ausgewertet.
Fragestellungen/ Ziele
Zum einen soll die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) für die systematische Auswertung von freien Rückmeldetexten erprobt werden. Zum zweiten soll ein Kategoriensystem für die Auswertung der freien Rückmeldetexte, das auch in darauffolgenden Jahren sowohl in der Wissenschaft, als auch in der Praxis angewandt werden kann, erstellt werden. Zum dritten wird die Notwendigkeit der Ergänzung des Fragebogens um weitere geschlossene Fragen überprüft. Abschließend soll mithilfe einer Quantifizierung der Ergebnisse ein brustzentrumsübergreifender statistischer Überblick über die thematisierten Kategorien skizziert werden.
Methode
Beim Datenkorpus handelt es sich um 813 Texte aus insgesamt 57 nordrhein- westfälischen Brustzentren. Patientinnen mit primärem Mammakarzinom wurden poststationär und postalisch befragt. Die allgemeine Rücklaufquote beläuft sich auf 86,88%. Die Möglichkeit der Verfassung eines Freitextes haben 18% der Patientinnen wahrgenommen. Die Texte liegen in Form einer Excel-Tabelle mit zugehörigen Informationen vor. Im Rahmen des geplanten Vorgehens werden die Rückmeldungen mit dem Instrument der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring kategorisiert und ausgewertet. Die Auswertung erfolgt computergestützt mithilfe einer Software „MAXQDA“. Es wird entsprechend der Arbeitsschritte nach Mayring (2015) vorgegangen. Aufgrund des großen Materialumfanges wird die Technik der Strukturierung angewandt, die Kategorien werden vorwiegend induktiv gebildet.
Erwartete Ergebnisse
Erwartet wird zum einen, dass die Aspekte angesprochen werden, die innerhalb der geschlossenen Fragen als besonders negativ bzw. besonders positiv hervorgehoben wurden. Es besteht die Vermutung, dass Patientinnen die Möglichkeit der Verfassung eines freien Textes unter anderem dazu nutzen, bestimmten Empfindungen hinsichtlich der Versorgung Nachdruck zu verleihen. Zum anderen wird erwartet, dass die Möglichkeit der Verfassung eines freien Textes vor allem von den Patientinnen in Anspruch genommen wird, die im Allgemeinen besonders positive bzw. besonders negative Erfahrungen hinsichtlich der medizinischen Versorgung gemacht haben. Bei der Quantifizierung wird erwartet, dass die Oberkategorien „medizinische Versorgung“ sowie „Organisation“ die thematischen Schwerpunkte bilden.
Diskussion
Da die Auswertung des Materials noch nicht abgeschlossen ist und die Ergebnisse unvollständig vorliegen, wird an dieser Stelle von Interpretation bzw. Diskussion dieser vorerst abgesehen.
Praktische Implikationen
Der thematische Schwerpunkt der Masterarbeit kann im Bereich des Qualitätsmanagements, speziell im Bereich des klinischen Beschwerde- und Ideenmanagements angesiedelt werden. Die Patientenperspektive stellt hier ein unverzichtbares „Diagnoseinstrument“ im Verbesserungsprozess der Gesundheitsleistungen dar und kann im PDCA-Zyklus („Plan-Do-Check-Act“) als die „Check“-Komponente betrachtet werden. Das übergeordnete Ziel jeder Befragung stellt jedoch die Ableitung von konkreten Maßnahmen dar, die „Act“-Komponente. Im Rahmen der Masterarbeit soll überprüft werden, inwiefern die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse für diesen Schritt geeignet ist und ob die freien Texte Anregungen für die „Act-Komponente“ liefern. Ein weiterer für die Praxis interessanter zu untersuchender Aspekt wäre das Nutzen-Kosten-Verhältnis für die EDV-Unterstützung bei der Auswertung von freien Rückmeldetexten. Wichtige Stichpunkte hier sind Softwarekosten und Zeitaufwand im Verhältnis zur Qualität und Quantität von Hinweisen zur Ableitung von konkreten Verbesserungsmaßnahmen („Act“).
Background
The DESCRIBE-DL-study is an add-on research project to the DZNE register-study of neuro-degenerative diseases (DESCRIBE). Its goal is to assess the personal situation of the partici-pants of the FTD-cohort and their caregivers under the aspect of social health. Frontotemporal dementia (FTD) is characterized by its early onset and, therefore, usually affects people at a young age. This has various consequences, including occupational disability resulting in fi-nancial losses or a reorientation of life planning. This can lead to conflicts within the family, a high emotional burden for caregivers (Nunnemann, Kurz, Leucht & Diehl-Schmid, 2012) and a decrease in health-related quality of life (Riedijk et al., 2006). Difficulties with the commu-nication of the diagnosis and a lack of available information are compounding factors leaving many families in uncertainty. Optimizing health care as well as the development of psychoso-cial interventions are of crucial significance, because existing services for FTD are often not specific enough and not suitable for every affected patient or they are not addressing the indi-vidual needs of the people affected (Beattie, Daker-White, Gilliard & Means, 2004; Koehn, Kozak & Drance, 2011). There is a general lack of data concerning social health associated with FTD. This dissertation will take a closer look at social health and its determinants.
Research questions
1. What are the social and economic burdens for the people affected and their caregivers?
2. Which health care services are used by people with FTD and their caregivers?
3. Which psychosocial factors are involved with FTD and how do they influence the people suffering from FTD and their caregivers?
Method
Dimensions of social health will be assessed in a baseline-examination and up to three annual follow-up-examinations based on validated instruments. Socio-economic status, FIMA, BDI, EQ5-D and HrQoL will be used to assess the data concerning social health of people with FTD, while families will be inquired about their socio-economic status, caregiver burden and social needs additionally to answering the RUD and BDI.
Goal
The relation of the acquired information to status, progression and clinical parameters of dementia and especially FTD will be worked out to develop a specific psychosocial intervention for “good life with dementia” for people with dementia and their families.
References
Beattie, A., Daker-White, G., Gilliard, J. & Means, R. (2004). 'How can they tell?' A qualita-tive study of the views of younger people about their dementia and dementia care services. Health and Social Care in the Community, 12 (4), 359-368.
Koehn, S. D., Kozak, J. F. & Drance, E. (2011). 'The Problem with Leonard': A critical con-structionist view of need-driven dementia-compromised behaviours. Dementia, 11, 725-741.
Nunnemann, S., Kurz, A., Leucht, S. & Diehl-Schmid, J. (2012). Caregivers of patients with frontotemporal lobar degeneration: a review of burden, problems, needs, and interventions. International Psychogeriatrics, 24 (9), 1368-1386.
Riedijk, S. R., De Vugt, M. E., Diuvenvoorden, H. J., Niermeijer, M. F., Van Swieten, J. C. et al. (2006). Caregiver Burden, Health-Related Quality of Life and Coping in Dementia Care-givers: A Comparison of Frontotemporal Dementia and Alzheimer's Disease. Dementia and Geriatric Cognitive Disorders, 22, 405-412.
Introduction and Background:
The German health care system is separated in 3 care sectors; 1. primary care and treatment (family doctor), 2. secondary treatment in hospital and 3. rehabilitation. This separation often causes an inefficient, uncoordinated treatment [1]. Especially for elderly patients with cognitive impairments this may lead to considerable problems. At the transition from the hospital to primary care, the coordination of (postoperative) care and the timely communication between the health care provider is often insufficient. Consequences include a worsening of the disease and comorbidities, higher rates of re-entry to the hospital and ultimately end in higher costs for the individual institutions. Models of collaborative care have shown their effectiveness in primary care [2]. The “Intersec-CM”-Study evaluats a structured support algorithm for elderly people with cognitive impairments during and after hospital stays in the (inter-) sectoral German health care system.
Research Questions: In my current Ph.D.-Thesis I would like to investigate to what extent the quality of life of cognitively impaired persons, their socio-economic environment and their care providers benefit from cross-sectoral care management at the interface of inpatient and outpatient care?
Intervention:
In our study we use a specialized Intervention-Management-Software (IMS), wich was developed for this purpose in collaboration with the Institute of Community Medicine in Greifswald. With that innovated instrument trained study nurses, so called Dementia Care Managers (DCM), idendity and adress unmet needs of patients. In close collaboration with the hospital, the family doctor and other care providers, the DCM and IMS recommendations for intervention are integrated into a patient's individual treatment plan. The DCM monitors and supports patients in the implementation of the developed intervention plan.
Methods:
It´s a long-term multisite randomized controlled trial (intervention vs. care as usual) with data collected during hospital admission (T1), 3 months (T2), and 12 months after release (T3) and finishes with a 360°-Process evaluation.
Expected results:
The primary expected result in our study is (1) a higher quality of life compared to a control group, (2) degree of social inclusion. The secondary results are an adequate treatment and nursing care of people with cognitive impairments and their families, the reduction of hospital re-entry and delay of institutionalization.
Benefit:
Transfer of a holistic dementia care concept into the cross-sectoral supply of care.
1. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen im BMG, Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung. 2012, Bern: Huber Verlag.
2. Thyrian, J.R., et al., Systematic, early identification of dementia and dementia care management are highly appreciated by general physicians in primary care - results within a cluster-randomized-controlled trial (DelpHi). Journal of Multidisciplinary Healthcare, 2016. 9: p. 183-90.
According to a recent report of the World Health Organization (WHO) dementia is a public health priority (WHO, 2015). In Germany, around 1.6 million people (nearly 2% of the general population) suffer from dementia (Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V., 2015).
While several risk factors are associated with dementia there is a need for multimodal interventions addressing these risk factors comprehensively (Luck & Riedel-Heller, 2016). My PhD thesis focusses on multimodal interventions and I will conduct a systematic literature review of multi-modal interventions for elderly people with dementia on (i) cognitive impairment, (ii) functioning in everyday activities, (iii) quality of live, (iv) motivation to change behavior, and (v) social inclusion.
Many reviews of unimodal dementia interventions exist but unimodal interventions fall short to address complex conditions like dementia or other chronic diseases. Multimodal interventions differ in both the specific components they entail and the outcome variables they address. The current review aims to specify a) what types of multimodal interventions exist, b) which interventions are effective for specific outcomes, and c) how they were tested and validated (as a critical assessment of the methodological quality of each study).
Research Questions
My research question focusses on the large variety of different multi-modal interventions differing in their a) setting, b) individual components, and c) primary and secondary outcome measurements. In a systematic review of empirical studies, I will investigate the relation between multi-modal interventions and their effects on (i) cognitive impairment, (ii) functioning in everyday activities, (iii) quality of live, (iv) motivation to change behavior, (v) social inclusion, and (vi) dropout rate in longitudinal studies.
Methods
In my PhD thesis I will conduct a systematic literature search of empirical research with a focus on multimodal interventions for people with dementia. The search syntax was specified in accordance with the research hypotheses and will contain a combination of the following keywords: “intervention”, “multimodal intervention”, “multisite intervention”, “multidomain intervention”, “multicomponent intervention”, “cognitive impairment”, “dementia”, “Alzheimer's disease”, “cognitive decline”, “Alzheimer prevention”, and “dementia prevention”.
Inclusion and exclusion criteria are: a) studies that are primary research studies published in a scientific journal, b) studies published within the last 10 years, c) studies on multimodal interventions (involving at least two distinct components), d) study samples with a significant proportion of people older than 60 years, and e) studies published in either English or German.
The systematic search performed in PubMed and EBSCOHost (PsycInfo) resulted in a total of 16309 articles of which duplicates, book chapters and all studies which do not meet eligibility criteria will be excluded during title and abstract screening. Remaining articles will be examined in full-text.
I will provide narrative descriptions of multi-modal interventions and conduct where feasible meta-analyses for specific effects of interventions on certain outcome variables using Review Manager from Cochrane Library and applying a fixed-effects model.
Expected Results
A large variety of multi-modal interventions will be presented in a narrative overview. The focus will be on both components of multimodal interventions and outcome variables. It will be assessed which, and how often intervention components are used. Additionally, the nature and frequency of outcome variables and an analysis on how (strong) they are affected by the intervention will be provided. Four possibilities may emerge: i) an outcome variable is analyzed in many interventions and is affected strongly, ii) an outcome variable is analyzed in many interventions and is affected moderately or not at all iii) an outcome variable is analyzed in few interventions and is affected strongly, or iv) an outcome variable is analyzed in few interventions and is affected moderately or not at all.
Discussion
Gaps in multi-modal interventions will be identified and it could be specified: i) which other outcome variables could be relevant to include in future multi-modal intervention trials, ii) which components are occurring most often, iii) which intervention components deserve more attention, iv) which variables are occurring most often, and v) which variables are affected most strongly by interventions.
From a practical point of view, the review can help health-care staff to decide on what components of interventions to include in the treatment and care of people with dementia depending on the lifestyle factors or outcome variables to be improved.
Key Words:
dementia, multi-modal intervention, multi-component intervention, cognitive impairment, social inclusion, everyday functioning, quality of life, motivation to change behavior, drop-out rate
Research field:
Interventional health-care research
References
Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. (2014). Informationsblatt 1 Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen.
Luck, T., & Riedel-Heller, S. (2016). Prävention von Alzheimer-Demenz in Deutschland. Nervenarzt, 87(11), 1194-1200.
WHO. (2015). Dementia: a public health priority.
Demenzerkrankungen beeinträchtigen die Fähigkeit, den Alltag selbständig zu bewältigen und verändern das Verhalten der Betroffenen. Orientierungsfähigkeit und zielgerichtetes Handeln werden zunehmend schwierig; dies beeinträchtigt das Verfolgen sozialer Aktivitäten und die zwischenmenschliche Interaktion. Die Struktur des Alltags löst sich zunehmend auf. Dies ist sehr belastend für die Betroffenen und die pflegenden Angehörigen. In unserem Beitrag diskutieren wir aktuelle Entwicklungen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik, die hier Unterstützung bieten wollen. Körpernahe Informationstechnik, deren Alltagsnutzung in Form von Fitnessarmbändern, Smart Watches oder Smart Phones zunehmend selbstverständlich wird, bildet die technologische Basis für solche Systeme. In Verbindung mit neuen Verfahren der künstlichen Intelligenz erschließen diese Technologien neue Potentiale in der Demenzversorgung. Zum einen ermöglichen sie die Aktivierung der kognitiven Reserve durch die Bereitstellung subsidiärer, situationsadaptiver Unterstützung der Orientierung bei Alltagshandlungen und bei der Struktur des Alltags. Statt zu überwachen und zu alarmieren — wie in Form von Geofencing auf der Basis von GPS-Uhren verfügbar — zielen solche Systeme darauf ab, den Betroffenen nur bei Bedarf durch gezielte Hinweise und Informationen bei der Bewältigung des Alltags zu unterstützen. Zudem erlauben diese Systeme durch die sensorische Erfassung von Alltagsverhalten, die Wirkung von therapeutischen Interventionen auf den Lebensalltag zu evaluieren. Sie stellen damit einen Zugang zu Real-World Evidence für therapeutische Maßnahmen in der Demenzversorgung bereit. Wir stellen aktuelle interdisziplinäre Verbundprojekte vor, in deren Rahmen solche Systeme entwickelt werden, diskutieren den aktuellen Stand der Technik und geben einen Ausblick auf die Weiterentwicklung von sensorgestützten situationsadaptiven Assistenzsystemen für die Demenzversorgung.
Lernen Sie das DNVF, seine Ziele, Aktivitäten im Dialog mit seinen Akteuren kennen. Vorstandsmitglieder, Arbeits- und Fachgruppensprecher stehen Ihnen Rede und Antwort.
Hintergrund: Gemeinsam haben Bürgerinnen und Bürger, Patientinnen und Patienten mit Akteuren der Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg im Jahr 2014 ein Gesundheitsleitbild erarbeitet, das Orientierung für die zukünftige Gestaltung der Gesundheitsversorgung bieten soll. Unter anderem sollen Strukturen verstärkt sektorenübergreifend vernetzt werden und ihre Gestaltung zunehmend auf regionalen Analysen basieren [1]. Vor diesem Hintergrund initiierte das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg das Modellprojekt Sektorenübergreifende Versorgung. Hierbei soll unter anderem eine Projektdatenbank aufgebaut werden, die Indikatoren zur Beschreibung der Versorgungssituation auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte enthält.
Fragestellung: Welche Indikatoren sind aus Perspektive von Stakeholdern der Gesundheitsversor-gung in Baden-Württemberg relevant für eine regionale und sektorenübergreifende Versorgungsplanung?
Methode: Als Studiendesign wurde eine modifizierte Delphi-Befragung bestehend aus einer Runde gewählt, bei der Gesundheitsindikatoren online auf ihre Relevanz hin bewertet wurden. Die zu bewertenden Indikatoren wurden zuvor recherchiert auf der Basis von Projektfragestellungen und eines Frameworks nach dem Vorbild internationaler Beispiele [2,3]. Teilgenommen haben Experten aus 24 von 54 angefragten Institutionen, die an der Versorgung in Baden-Württemberg beteiligt sind. Die Bewertung der Indikatoren erfolgte mittels einer Likert-Skala von 1 bis 9 (überhaupt nicht relevant bis sehr relevant). Für die Auswertung wurde in Anlehnung an die Vorgehensweise des AQUA-Instituts ein Indikator als relevant definiert, wenn dessen Median im Bereich 6,5 bis 9 lag, fraglich oder nicht relevant, wenn der Median im Bereich 4 bis 6 oder 1 bis unter 4 lag [4].
Ergebnisse: Als Basis für den Bewertungsprozess diente ein im Projektnetzwerk erarbeitetes Framework zur Kategorisierung der zu bewertenden 374 Indikatoren. Insgesamt wurden 212 Indikatoren als relevant bewertet und verbleiben somit im Indikatoren-Set. Durchschnittlich wurde zu einem Indikator von circa 15 Institutionen eine Bewertung abgegeben. Die als relevant eingestuften Indikatoren verteilen sich wie folgt auf die Framework-Dimensionen: Nicht-medizinische Determinanten der Gesundheit (20), Gesundheitszustand (25), Inanspruchnahme des Gesundheitssystems (34), Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems (87) und Versorgungsangebot (46).
Diskussion und praktische Implikationen: Der Einbezug von Experten bei der Auswahl von Indikatoren über das gewählte explizite Verfahren konnte zum gewünschten Ziel – einer Reduktion der recherchierten Indikatoren – beitragen. Schwierigkeiten ergaben sich bei der Vereinbarkeit von Expertenperspektive und weiteren Projektzielen. So wurden von Experten Indikatoren als nicht relevant bewertet, die wiederum für die Beantwortung einzelner Projektfragestellungen benötigt werden. Zudem sind einige der im Set verbliebenen Indikatoren aktuell nicht messbar. Dies liegt zum einen daran, dass derartige Daten nicht regelmäßig bis gar nicht erhoben werden, zum anderen sind in den letzten Jahren zwar vor allem durch die deutschlandweite Gesundheitsberichterstattung Indikatoren zu den Themen nicht-medizinische Determinanten der Gesundheit hinzugekommen, das Stichprobensampling findet hierzu häufig maximal auf Bundeslandebene statt, sodass eine kleinräumige Darstellung der Indikatoren nur eingeschränkt möglich ist.
Literatur
1. Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg. Gesundheitsleitbild Baden-Württemberg [Internet]. 2014 [zitiert am 11.04.2017]. https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-sm/intern/downloads/Downloads_Zukunftsplan_Gesundheit/Gesundheitsleitbild_Broschuere_Web.pdf.
2. Arah OA, Westert GP, Hurst J, Klazinga NS. A conceptual framework for the OECD Health Care Quality Indicators Project. Int J Qual Health Care 2006; 18 Suppl 1:5–13.
3. Canadian Institute for Health Information. Health Indicators 2013. Ottawa: CIHI; 2013.
4. AQUA – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen. Allgemeine Methoden im Rahmen der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung im Gesundheitswesen nach §137a SGB V. Version 4.0. Göttingen: AQUA; 2015.
Hintergrund
Die <Krankenkasse> und das <Ärztenetz> haben 2013 einen Vertrag nach § 140a SGB V geschlossen. Aktuell nehmen ca. 5.500 Versicherte, 20 Haus- und 14 Fachärzte daran teil. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit dem <Ärztenetz> lag bislang in der haus- und fachärztlichen Abstimmung unter Einbeziehung von Apothekern, Pflegediensten und der Casemanager.
Aktuell wurden die ortsansässigen <Kliniken> in die abgestimmte Versorgung einbezogen. Die Partner haben Prozesse eines strukturierten Aufnahme- und Entlassmanagements einschl. eines Aufnahme- und Entlassbogens sowie eines Medikationsplanes gemeinsam entwickelt.
Der Aufnahmebogen wird für Patienten erstellt, sofern eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit festgestellt wird. Bei der stationären Aufnahme werden diese Informationen in der Klinik strukturiert abgelegt, sodass sie jederzeit verfügbar sind. Darüber hinaus stellt der einweisende Arzt sicher, dass alle an der Versorgung des Versicherten Beteiligten (Therapeuten, Pflegedienste, Casemanagement, etc.) über die bevorstehende stationäre Aufnahme informiert werden. Erforderliche Voruntersuchungen etc. werden veranlasst. Sind bereits vor der stationären Aufnahme weitere Versorgungsbedarfe absehbar, werden diese, ggfs. unter Einbeziehung der Casemanagements der Partner, eingeleitet. Im Entlassbogen bekommt der Hausarzt die aktuellsten Informationen. Er wird einen Tag vor der Entlassung des Patienten an den Hausarzt übermittelt.
Aktuell arbeiten die Partner an der elektronischen Umsetzung der Prozesse und der Datenübermittlung.
Angaben zum medizinischen Inhalt
Aktuell bestehen im <Ärztenetz> Behandlungspfade zu verschiedenen Themen. Diese können jetzt um den stationären Behandlungsfall sinnvoll ergänzt werden.
Die <Krankenkasse> analysiert auf der Grundlage von Routinedaten die Qualität der ambulanten und stationären Versorgung. Die Partner führen zur Qualitätssicherung und –Entwicklung gemeinsame Qualitätszirkel durch.
Angaben zu den Prozessen
Behandlungsprozesse sind häufig im jeweiligen Sektor gut strukturiert abgebildet. Im Rahmen dieser Kooperation ist es gelungen, die Prozesse auch sektorübergreifend zu definieren. Dazu wurde die Arbeitsgemeinschaft Schnittstellenmanagement gebildet, in der zunächst die Schnittstellen (ambulant/stationär/Krankenkasse) ermittelt und darauf basierend Prozesse abgestimmt wurden, die den Informationsfluss sicherstellen und klar die Rolle der Einzelnen definieren.
Dabei stehen die Bedürfnisse der Versicherten im Mittelpunkt. Ausgehend davon wird durch die Casemanager (im Krankenhaus, im Netz, in der Krankenkasse) ein Betreuungsplan abgestimmt und umgesetzt. Versicherte bekommen so die Versorgung (z.B. mit Hilfsmitteln, Reha oder Pflege) die sie benötigen. Unnötige Anträge werden vermieden, da der Casemanager einen guten Überblick über den Bedarf und den Versorgungsgrad hat.
Dies führt zu einer bedarfsgerechten Versorgung des Versicherten und zu Entlastungen der Ärzte. Die AG überprüft regelmäßig die definierten Prozesse und passt diese ggfs. an.
Darüber hinaus analysieren die Partner gemeinsam die Versorgungssituation und leiten daraus weitere Konzepte zur Optimierung der Versorgung, insbesondere im Hinblick auf die Qualität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung und der Prozesse vor Ort ab.
Fragestellung
Die Partner verfolgen das Ziel, durch die Vernetzung und Koordination von ambulanten und stationären Versorgungsangeboten die patientenzentrierte, wohnortnahe, gesundheitliche Versorgung in der Region zu erhalten und zu verbessern.
Dazu haben sie verschiedene Maßnahmen vereinbart und entwickeln aus den gewonnenen Erkenntnissen ggfs. weitere sinnvolle Maßnahmen um dieses Ziel zu erreichen und langfristig zu stabilisieren. Dieses Muster soll in weiteren geeigneten Regionen Anwendung finden, sofern sich die entwickelten Maßnahmen als geeignet erweisen.
Methode
Es erfolgt jährliche die wirtschaftliche Evaluation der Netzarbeit mithilfe eines regressionsanalytischen Verfahrens, das in der <Krankenkasse> eigens dafür entwickelt wurde und bereits seit einigen Jahren zur Anwendung kommt.
Die Qualität der medizinischen Versorgung wird jährlich anhand der systematischen Analyse und Beurteilung von Routinedaten im ambulanten und stationären Sektor (u.a. QSR-Verfahren) bewertet.
Ergebnisse
Bereits in der Konzept-Entwicklungsphase konnten die Partner viele Erkenntnisse aus der strukturierten Kommunikation zwischen den Beteiligten ziehen. So werden zahlreiche Prozesse, insbesondere in der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen und der Kommunikation, verbessert. Weitere Ergebnisse werden in der vertraglichen Umsetzung erwartet.
Diskussion
In diesem Beispiel ist es gelungen, Partner sektorübergreifend zu binden und ein kooperatives Miteinander zu entwickeln. Die Versorgungssituation, wie die hier gegebene, in ländlicher Region mit ungünstiger demografischer Entwicklung/Prognose und schwacher Struktur fordern ein Handeln von den Beteiligten. Die Rahmenbedingungen sind mit dem § 140a SGB V zum Teil gegeben, jedoch u.a. wegen der sektorierten Vergütung noch nicht optimal. Funktionierende Lösungen müssen hier zu praktischen und gesetzlichen Entwicklungen motivieren.
praktische Implikationen
Das Konzept ist darauf ausgerichtet, Erkenntnisse zu gewinnen und sinnvolle Ansätze auch in anderen Regionen umzusetzen.
Hintergrund
Die Behandlungskontinuität ist besonders in der psychiatrischen Versorgung ein wichtiger Faktor für eine gute Behandlungsqualität. Internationale Studien zeigen, dass eine sektorübergreifende (stationär, teilstationär, ambulant), durch dieselben Behandler gestaltete, psychiatrische Versorgung mit besseren Ergebnissen einhergeht. In der Studie werden die Behandlungsergebnisse zweier Kliniken miteinander verglichen, die sich aufgrund unterschiedlicher Vergütungsarten (Gesamtbudget in der Modellklinik, Regelvergütung in der Vergleichsklinik) im Hinblick auf die erwartete Behandlungskontinuität unterscheiden.
Fragestellung
Ziel der Studie ist, Unterschiede in den Behandlungsergebnissen (Symptomschwere, Funktionsniveaus und Lebensqualität) in Abhängigkeit von der erreichten sektorübergreifenden Behandlungskontinuität der Patienten zwischen den beiden Kliniken aufzudecken.
Methode
In einer prospektiven Kohortenstudie werden Patientendaten in 2 psychiatrischen Kliniken über einen Beobachtungszeitraum von 20 Monaten erhoben. Mit validierten Befragungsinstrumenten erfolgt eine alternierende Befragung von je n=215 initial stationären Patienten pro Klinik zu drei Erhebungszeitpunkten (bei Aufnahme, nach 10 und 20 Monaten). Einbezogen werden Patienten mit allgemeinpsychiatrischen Erkrankungen, Suchterkrankungen und gerontopsychiatrischen Erkrankungen aller Krankenkassen. Die erreichte Behandlungskontinuität wird varianzanalytisch mit Messwiederholungen zwischen den beiden Patientengruppen ausgewertet und die Behandlungsergebnisse mit „mixed-effects“-Regressionsmodellen analysiert. Verzerrungen durch Gruppenunterschiede zwischen den Kliniken werden durch die Analyse gepaarter Teilnehmer beider Gruppen kontrolliert, die im propensity score matching eine ausreichend hohe Übereinstimmung aufweisen.
Ergebnisse
Zum jetzigen Zeitpunkt ist die erste Erhebungsphase in der Modellklinik abgeschlossen. Es liegen Daten zu n=220 Patienten mit Verteilung auf folgende Diagnosegruppen vor: allgemeinpsychiatrische Erkrankungen n=123, Suchterkrankungen n=89, gerontopsychiatrische Erkrankungen n=8. In der Vergleichsklinik sind bislang 190 Patienten rekrutiert, davon mit allgemeinpsychiatrischen Erkrankungen n=125, Suchterkrankungen n=57, gerontopsychiatrische Erkrankungen n=8. Auf dem Kongress werden die beiden Klinikstichproben deskriptiv vergleichend im Hinblick auf Symptomschwere, Funktionsniveau und Lebensqualität präsentiert.
Diskussion
Die Studie sollte in der Lage sein, Hinweise für oder gegen eine Assoziation der Behandlungsqualität mit der sektorenübergreifenden psychiatrischen Behandlungskontinuität in Deutschland zu liefern, die alle Diagnosegruppen und Patienten aller Krankenkassen umfasst.
praktische Implikationen
Sollten diese Studienergebnisse bisherige Erkenntnisse bestätigen und zeigen, dass auch in Deutschland eine erhöhte Behandlungskontinuität mit besserer Behandlungsqualität verbunden ist, gäbe es Anlass, die Voraussetzungen für eine sektorübergreifende Behandlungskontinuität weiter zu erforschen und deren Umsetzung in der Praxis zu fördern.
Hintergrund
Demografische Entwicklung, soziale Gerechtigkeit und Migration stellen die Bundesrepublik und deren Sozialsysteme vor enorme Herausforderungen. Umso erstaunlicher ist das Fehlen etablierter Koordinationsstrukturen zwischen den in der Regel hoch leistungsfähigen Einzelsektoren. Vor diesem Hintergrund hatte die vorliegende Arbeit zum Ziel, erstmals die Entwicklung, Erprobung und Implementierung eines sektorenübergreifenden, sozialraumbezogenen Koordinationsmodells sozialer und gesundheitlicher Versorgung im kommunalen Kontext zu beschreiben.
Fragestellung
Im Mittelpunkt des EU- und landesministeriell geförderten Projektes standen dabei drei Fragen:
Mit welcher nichtkompetitiven Struktur und Funktionalität ist die bürger/patient*innenbezogene Kommunikation und
Kooperation der im Quartier vorhandenen sozialen und gesundheitlichen Versorgungsebenen und –akteure zu gestalten
bzw. zu optimieren?
Ist ein solch integratives Sozialraumprojekt grundsätzlich realisierbar?
Welche Effekte sind in der praktischen Erprobungsphase zu beobachten?
Methode
Entwicklung und Erprobung des integrativen Sozialraumkonzeptes folgen als komplexe Intervention den Empfehlungen des Medical Research Council. Dabei beinhaltete die Konzeptentwicklung neben der Literaturrecherche die gezielte Sozialraumanalyse sowie die Initiierung von Fokusgruppen mit der Stadt, Betroffenen und Akteuren vor Ort zur Identifikation von Versorgungshürden und der Erarbeitung interoperativer Lösungsansätze. Das konsentierte Konzept wurde anschließend in einem Stadtteil mit 16.000 Einwohnern über 6 Monate, in einem zweiten mit 23.000 Einwohnern über 15 Monate in der konkreten Alltagspraxis erprobt.
Beide Phasen und deren Deskription bedienten sich qualitativer und quantitativer Methodik. Im Fokus der Entwicklung standen die Kriterien Relevanz, Akzeptanz und theoretische Machbarkeit. Bei der Erprobung wurden neben der praktischen Umsetzbarkeit die konkrete Kooperation und Inanspruchnahme, die Erfolgsquote beim Erreichen des mit dem/r Klienten/in vereinbarten Ziels sowie die Klientenzufriedenheit erhoben.
Ergebnisse
Für die Bundesrepublik liegen keine praktischen und international publizierten Erfahrungen mit Integrationsmodellen vor, die neben der gesundheitlichen systematisch auch die soziale Versorgung einbeziehen. Im Rahmen des Projektes konnte die grundsätzliche Notwendigkeit einer Koordination an der Schnittstelle, deren Machbarkeit sowie deren Akzeptanz seitens der Bürger*innen belegt werden. So erfolgten seitens des von einem Koordinationsbüro heraus tätigen Case Managements in der Erprobungsphase 4.415 fallbezogene Kontakte zu Akteuren im gesundheitlichen und sozialen Bereich, die u.a. zur Etablierung eines die Arbeit des Stützpunktes begleitenden Quartierszirkels führten. Gleichzeitig wurden 1.303 direkte Anfragen von Bürger/Patien*innen bearbeitet, davon knapp die Hälfte mit medizinischem Schwerpunkt und etwa ein Drittel mit komplexerem Unterstützungsbedarf (Koordination beim „Hilfemix“, konkretes Fallmanagement). Die im Erstgespräch mit den Klienten abgestimmten Ziele konnten in 88% der Fälle erreicht werden. Die Klientenzufriedenheit mit der koordinativen Unterstützung erwies sich als hoch (94% zufrieden oder sehr zufrieden).
Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass der konsequenten Weiterführung modellhaft erprobter Ansätze derzeit hohe systemimmanente Widerstände in Politik, Unternehmen, Verbänden und bei Selbstständigen entgegenstehen und auch konkrete Positiverfahrungen die Innovationsbarrieren nur bedingt reduzieren.
Diskussion
Das integrative Versorgungskonzept hat sich insgesamt als im Ansatz sinnvoll, machbar und erfolgreich erwiesen. Dennoch ist die Diskrepanz zwischen theoretisch zugestandenen Defiziten konventioneller Versorgung und dem konkreten Engagement der etablierten Akteure bei der Umsetzung eines sozialraumbezogenen Koordinationskonzeptes eine derzeit noch kaum zu überwindende Herausforderung. Dies ist umso bedauerlicher, als sich die erhobenen Bedarfe und die gelebte Akzeptanz der Bürger*innen in dieser Haltung nicht wiederspiegeln.
Praktische Implikationen
Die bei Entwicklung und Erprobung eines integrativen, quartiersbezogenen Versorgungsmodells gewonnenen Erfahrungen sollen konkrete Hilfestellung sein bei vergleichbaren Vorhaben und die Diskussion um die Zukunftsfähigkeit der bestehenden Versorgungssystematiken sowie die Notwendigkeit sektoren- und branchenübergreifender Ansätze befördern. Gleichzeitig resultiert aus diesen heraus die Forderung v.a. an die kommunalen Gebietskörperschaften, Koordinationsmodelle im Sinne eines integrativen Sozialraummanagements zukünftig nachhaltig zu unterstützen.
Hintergrund: Kerngegenstand dieser Forschungsarbeit ist es, Community-Einflüsse eines Therapienetzwerks in der Urologie / Onkologie zu erfassen. Beson-ders die Wahl von Arzneimitteltherapien bzw. die Prozessanalyse von Entschei-dungsfindung und Verordnungskriterien in der Netzwerkstruktur steht dabei im Fo-kus dieser Arbeit. In diesem Zusammenhang wurde das Anwendungsbeispiel des metastasierenden, kastrationsresistenten Prostata-Karzinoms (ICD-Code: C61) ge-wählt. Zum einen kann dies durch einen vergleichsweise hohen Anteil an Fällen in Regionen von Oberfranken begründet werden. Zum anderen stehen laut S3 Leitli-nie verschiedene, (gleichwertige) Therapieoptionen und deren Kombinationsmög-lichkeiten zur Verfügung. Diese Heterogenität zwischen der wissenschaftlich ge-stützten Vorgehensweise und patientenindividuellen Bedürfnissen wirkt sich auf die Umsetzung dieser Leitlinie seitens der jeweiligen Fachärzte (Urologen, Onkolo-gen) aus. Verschiedene (regionale) Partner aus dem Bereich der Gesundheitsinsti-tutionen und der Ärzteschaft haben daher ein Interesse an der Beforschung dieser Thematik und unterstützen diese Studie aktiv.
Fragestellung: Welche (Netzwerk-)Faktoren nehmen Einfluss auf die Entschei-dung des Behandlers, was die beste Sequenz der Interventionen für den Patienten in der Therapie des metastasierenden, kastrationsresistenten Prostata-Karzinoms in der Netzwerkstruktur in Oberfranken ist?
Methode: Grundlage dieser explorativen Erhebung stellt eine Literaturanalyse und insbesondere die Basispublikation von A. Donabedian (1988) dar. Der Autor ver-steht die Qualität medizinischer Versorgung als Ringe einer Zielscheibe, in dessen Zentrum der Leistungsanbieter (der Arzt) steht. Neben der Güte der fachtechni-schen Betreuung spielen vor allem interpersonale Beziehungen eine wesentliche Rolle, welche daher zentraler Gegenstand diese Forschungsarbeit sind. Um rele-vante Entscheider, Entscheidungskriterien bzgl. der Therapiewahl im Untersu-chungsbeispiel zu identifizieren, wurde – angelehnt an die Basisquelle – ein Kon-zept für die qualitative Befragung von Netzwerkmitgliedern des Tumorzentrums, niedergelassenen / stationären Urologen und Onkologen in Oberfranken aufge-stellt. Eine Spiegelung anhand KV- und GKV-Daten der in den Tiefeninterviews wahrgenommenen Realität ist intendiert. Auch existente Krebsregisterdaten werden dazu genutzt, um Versorgungsdefizite zu identifizieren.
Ergebnisse: Eine erste Machbarkeitsstudie hat ergeben, dass insbesondere nie-dergelassene Urologen in Oberfranken mit der Therapie des metastasierten, kastra-tionsresistenten Prostata-Karzinoms betraut sind. Stationäre Einrichtungen spielen eher eine untergeordnete Rolle. Die Netzwerkstruktur, die durch das Tumorzentrum Oberfranken vorhanden sein sollte, erweist sich als sehr komplex, so dass Key O-pinion Leader und Multiplikatoren unter den Ärzten identifiziert wurden, die bei der Erforschung der Therapie ihr Netzwerk zur Unterstützung beisteuern – ebenso wie das Krebsregister mit den meldenden Ärzten. Der Einfluss des Netzwerks und die darin erfolgenden Kommunikationen erfolgen vielfältig (Qualitätszirkel, Tu-morboards, persönliche Kontakte, Projektgruppen des Tumorzentrums etc.) und werden in den nächsten Monaten weiter beforscht.
Diskussion: Limitationen dieser Arbeit liegen vor allem in der starken Eingrenzung des Anwendungsbeispiels (metastasierendes, kastrationsresistentes Prostatakarzi-nom). Folglich ist es schwierig, Ergebnisse zu generalisieren und auf andere Regi-onen oder Erkrankungen zu übertragen. Da es sich um eine laufende Arbeit im Be-reich der primären Versorgungsforschung handelt, sind weitere Schritte geplant. So soll ein Datenabgleich mit Routinedaten der KV Bayern erfolgen – zudem wird der Vergleich mit einer Referenzregion in Betracht gezogen. In Folgestudien könnte eine Überprüfung der Ergebnisse für andere Indikationen erfolgen.
Praktische Implikationen: Leitlinien haben die Aufgabe, den Arzt bei den Thera-pieentscheidungen zu unterstützen. Dennoch sind viele der Therapievorschläge nicht für alle Patienten gleichermaßen sinnvoll anwendbar oder eindeutig formu-liert. Für die Herleitungen einer Behandlungsstrategie werden jedoch konkrete In-formationen über eine Therapie benötigt. Implikationen dieser Evaluation sind da-her, den Netzwerkeinfluss auf die Therapiewahl abzubilden, Komplexität zu redu-zieren und die Verordnungssicherheit in der Entscheidungsfindung zu fördern. Weiterhin werden Entscheidungsfaktoren identifiziert, um die Therapiewahl ver-ständlicher zu machen. Die Ergebnisse können so nicht nur prospektiv in ein breiter angelegtes Folgeprojekt einfließen, sondern auch zur Verbesserung der medizini-schen Versorgung („Best-Practice“) im konkreten Anwendungsbeispiel und darüber hinaus zum Wissensaustausch innerhalb von Netzwerken genutzt werden.
Hintergrund: Die Diagnose Schlaganfall stellt in den meisten Fällen ein einschneidendes Lebensereignis dar, dessen Folgen die Lebensführung nachhaltig beeinflussen. Die Erkrankung und ihre Folgen stellen damit hohe Anforderungen an eine qualitativ hochwertige und zielorientierte medizinische Rehabilitation. Um eine diesen Anforderungen genügende Rehabilitation von Schlaganfallpatienten zu gewährleisten, fördert die AOK Baden-Württemberg ein Projekt, dessen Ziel es ist, ein evidenzbasiertes Behandlungskonzept für die Rehabilitation nach Schlaganfall (nur Phase D) zu erarbeiten, das Leistungsstandards definiert.
Fragestellung: Ziel dieses Beitrags ist es, die Entwicklung und den Inhalt des Behandlungskonzepts darzustellen. Das Behandlungskonzept wird eine hohe Verbindlichkeit haben, da es auch die Grundlage einer zugehörigen, leistungsorientierten Vergütung darstellt. Gleichzeitig muss es aufgrund der Heterogenität des Krankheitsbilds Schlaganfall eine hohe Flexibilität der Therapieplanung und Reha-Zielfestlegung zulassen.
Methode: Die Erarbeitung des Behandlungskonzeptes erfolgte in mehreren Schritten: Es wurde zunächst eine eingehende systematische und strukturierte Literarturrecherche nach Leitlinien durchgeführt. Für rehabilitative Behandlungsmaßnahmen, zu denen wenige Empfehlungen in den Leitlinien gefunden wurden, wurde eine weitere systematische Literaturrecherche zu Übersichtsarbeiten durchgeführt. So konnten insgesamt 47 Leitlinien und vier Reviews identifiziert werden. Parallel zu diesen Recherchen wurden neurologische Rehabilitationskliniken gebeten, ihre Behandlungskonzepte zuzusenden, um eine Bestandsaufnahme rehabilitativer neurologischer Behandlungskonzepte zu erstellen. Auf der Basis dieser Vorarbeiten wurde eine erste Version des Behandlungskonzepts erstellt. Diese Version wurde anschließend auf einer offenen Online-Plattform platziert, auf der sie von in der neurologischen Rehabilitation tätigen Personen eingesehen und kommentiert werden konnte. Eine auf der Basis dieser Rückmeldungen erstellte zweite Version wurde dann auf einem Workshop mit 23 Experten diskutiert. Nach mehreren weiteren Überarbeitungsschritten unter Beteiligung der Experten liegt nun ein Konzept vor, das implementiert werden kann.
Ergebnisse: Das Behandlungskonzept sieht in seiner aktuellen Version 12 Module vor, von denen sich 10 auf die Rehabilitation selber und zwei auf die Schnittstellen zu Vor- und Nachbehandlern beziehen:
I. Leistungen zur Verbesserung von motorischen und sensomotorischen Fertigkeiten
II. Leistungen zum Training von Alltagsaktivitäten
III. Leistungen zur Physikalischen Therapie
IV. Leistungen zur Verbesserung von Sprach-, Sprech- und Schluckfunktionen
V. Leistungen zur Therapeutischen Pflege
VI. Leistungen zur Verbesserung kognitiver Fähigkeiten
VII. Leistungen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit
VIII. Leistungen zur Förderung einer gesunden Ernährung
IX. Leistungen zur Gesundheitsbildung und Patientenschulung
X. Leistungen zur Vorbereitung nachgehender Maßnahmen
XI. Informations- und Kommunikationsbedarf zur Optimierung der Schnittstelle zum Akutkrankenhaus
XII. Informations- und Kommunikationsbedarf zur Optimierung der Schnittstelle zur Nachsorge
Jedes Modul enthält eine Liste von konkreten Anforderungen, die für definierte Zielgruppen Leistungen festlegen. Z.B.: „Rehabilitanden mit Einschränkungen in der unteren Extremität: Für selbstständige und gehfähige Rehabilitanden sollen Leistungen wie ein Laufbandtraining, ein funktionelles Krafttraining, eine Balance- und Ausdauerschulung oder ein intensives aufgaben- und kontextspezifisches Training erbracht werden.“
Das Behandlungskonzept legt für jedes Modul 1-3 Intensitätsstufen fest (z.B. Leistungen zur Verbesserung von motorischen und sensomotorischen Fertigkeiten: Zwei Intensitätsstufen a) 150 Minuten pro Woche, b) 210 Minuten pro Woche). Es bleibt den Kliniken überlassen, ob die Priorität von Zielen, Schweregrade oder Sonstiges die Auswahl bestimmter Intensitätsstufen steuert. Die Einrichtung soll aber für jeden Fall eindeutig festlegen und dokumentieren, welche dieser Intensitätsstandards sie bei dem jeweiligen Patienten zugrunde legt. Um den ökonomischen Anreiz, möglichst geringe Intensitätsstufen zu definieren, zu vermeiden, wird gleichzeitig ein Minimum an Therapiezeiten über alle Module hinweg festgelegt.
Diskussion und praktische Implikationen: Innovativ scheint an dem Behandlungskonzept, dass die oft gegenläufigen Forderungen nach Standardisierung und Flexibilität im Einzelfall durch frei wählbare Intensitätsstandards in Einklang gebracht werden. Wichtig ist in diesem Fall aber die Festlegung eines Gesamtminimums an Therapiezeiten. Ab Ende 2017 wird das Behandlungskonzept zunächst in 7 Pilot-Einrichtungen implementiert. Es erfolgen eine Implementierungsbegleitung (Unterstützung der Einrichtungen bei der sachgemäßen Umsetzung des Behandlungskonzepts) und eine wissenschaftliche Evaluation durch eine kontrollierte Studie.
Hintergrund
Im OECD-Vergleich nimmt Deutschland eine Spitzenposition in der Endoprothetik ein. Hauptgrund für endoprothetische Eingriffe an Hüfte und/oder Knie ist Arthrose, welche in Deutschland unter den 20 häufigsten Erkrankungen liegt. Im Jahr 2014 wurden insgesamt 219.325 Totalendoprothesen (TEP) an der Hüfte und 149.125 am Knie vorgenommen. Infolge von begrenzten Standzeiten kommen hierzu noch Austauschoperationen hinzu. Bedingt durch die Altersentwicklung und die Konzentration des Leistungsgeschehens auf ältere Versicherte ist c.p. mit einem deutlichen Zuwachs der Fälle in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu rechnen. Ziel dieser Arbeit ist die Identifikation eines sektorenübergreifenden Behandlungspfades, um quantitative Unterschiede im Versorgungsgeschehen auch auf Basis von Ergebnisindikatoren herauszuarbeiten und dadurch Rückschlüsse auf die Versorgungsqualität nach Hüft- und Knieoperationen in Deutschland zu ziehen.
Daten und Methodik
Grundlage der Analyse bilden die Routinedaten der Techniker Krankenkasse. Ausgewählt wurden Versicherte, die in den Jahren 2012 und 2013 einen endoprothetischen Eingriff an Hüfte oder Knie in deutschen Krankenhäuser hatten und durchgehend im Zeitraum von 365 Tagen vor und nach dem Eingriff bei der TK versichert waren oder im Jahr nach dem Eingriff verstarben. Die Identifikation der Versicherten erfolgte durch eine stationär dokumentierte Leistung (OPS–Codes 5-820 und 5-822). Neben stationären Daten des Aufenthaltes des endoprothetischen Eingriffs standen auch weitere Informationen aus dem stationären Bereich, aus der vertragsärztlichen Versorgung, zu Arznei- und Heilmittelverordnungen sowie regionale Faktoren zur Verfügung.
Ergebnisse
In die Untersuchung wurden 25.897 Versicherte mit Hüft-OP und 17.488 mit Knie-OP einbezogen. Endoprothetische Eingriffe waren in 96,9 % (Knie) und 83,8 % (Hüfte) der Fälle elektiv. Notfälle machten nur einen geringen Anteil aus, erwiesen sich jedoch als deutlich teurer. 87 % der Patienten hatten im Vorjahr Kontakt zu einem Facharzt. Die mittlere Verweildauer lag bei 12,3 (11,3) Tagen für Hüft- (Knie-) Operationen. Im Falle einer direkten Revision während des Krankenhausaufenthaltes verdoppelte (1,5-facht) sie sich auf 29,1 (18,3) Tage. 93 % (97 %) der Patienten verließen das KH nach spätestens 20 Tagen und 44 % (49 %) der Patienten begannen innerhalb von 14 Tagen nach der Entlassung eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. In der Versorgung bezogen auf die Ebene des Bundeslandes existieren deutliche regionale Unterschiede. Während in Berlin bezogen auf 100.000 TK-Versicherte 125 Eingriffe an Hüfte und 76 an Knien vorgenommen wurden, lag diese Zahl in Sachsen mit 192 Hüft-TEP und Thüringen mit 150 Knie-TEP deutlich höher.
Fazit
Die Analysen erlaugen einen Einblick in die derzeitige Versorgungssituation von Patienten mit einem endoprothetischen Eingriff an Hüfte oder Knie. Die Ergebnisse deuten auf relevante Unterschiede im Behandlungsverlauf sowie eine ausgeprägte regionale Heterogenität hin. Es bleibt dabei zu klären, inwieweit Alter, Morbidität und Angebotsstrukturen Einfluss auf Behandlungspfade, aber auch auf Qualitätsparameter haben und in wieweit sich die regionalen Unterschiede in der Versorgung der Patienten durch detailliertere Analysen weiter manifestieren.
Hintergrund
RAI ist ein Projekt des Konsortiums InfectControl2020 im Rahmen der Fördermaßnahme «Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation» des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Sektorenübergreifend widmen sich Human- und Tiermediziner gemeinsam mit Designern und Kommunikationsexperten dem Thema Antibiotikaeinsatz und Resistenzentwicklung. Ziel ist, durch den rationalen Einsatz von Antibiotika der Entwicklung von multiresistenten Erregern gemeinsam entgegenzuwirken.
Im hausärztlichen Bereich adressiert das Projekt Antibiotikaverschreibungen bei Erwachsenen mit akuten Infekten der oberen Atemwege. Die Intervention basiert auf Fortbildungsveranstaltungen, Materialien zur Unterstützung der Arzt-Patienten-Kommunikation und einem Tool zum Monitoring des eigenen Verschreibungsverhaltens.
Fragestellung
Primär: Führt die Intervention zu einer signifikanten Reduktion von Antibiotika-Verschreibungen bei Erwachsenen mit Infekten der oberen Atemwege durch Hausärzte?
Sekundär: Wie werden die Instrumente genutzt und hinsichtlich des Einflusses auf das Antibiotikaverschreibungsverhalten bewertet?
Methode
Es handelt sich um eine multizentrische, offene, zweiarmige, kontrollierte, routinedaten-basierte Interventionsstudie. Interventions- und Beobachtungseinheit sind die Praxen niedergelassener Hausärzte Berlin, Brandenburg und Thüringen. Als Kontrollregionen fungieren die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt. Es ist eine Evaluation der Instrumente vorgesehen, dazu werden sowohl die Serverdaten herangezogen als auch selbst entwickelte Fragebögen eingesetzt und einer deskriptiven und multivariaten Analyse unterzogen.
Ergebnisse
Die Interventionsmaterialien stießen auf großes Interesse, die Mindestteilnehmerzahl von 25 pro Bundesland wurde in allen Interventionsbundesländern übertroffen (n=271). 59% der Teilnehmer sind weiblich und zu 54% in einer Einzelpraxis tätig. Insgesamt wurden 20 Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt. Der Infozeptgenerator wird von 114 Teilnehmern, das Tool zum Monitoring des eigenen Verschreibungsverhaltens von 28 Teilnehmern genutzt (weitere Daten und Analysen folgen).
Diskussion/ Praktische Implikationen
Es werden weitere Ergebnisse zur Häufigkeit der Nutzung der einzelnen Instrumente in Abhängigkeit von Praxischarakteristika und Bewertung der Wirkung auf das eigene Verordnungsverhalten vorgestellt und diskutiert. Die Ergebnisse der Nutzerevaluation dienen zur Weiterentwicklung der Instrumente und liefern wichtige Aspekte für die großflächige Implementierung.
1 Hintergrund
2,9 Millionen pflegebedürftige Menschen gab es Ende 2015 mit steigender Tendenz. Sie benötigen Hilfe bei regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, wozu auch die Mund- und Prothesenpflege gehören. So steigen etwa die Anforderungen an effektive und effiziente Maßnahmen für eine gute Mundgesundheit pflegebedürftiger Menschen. Gemäß internationaler und nationaler Studien kann bisher nicht von einer bedarfsgerechten Versorgung ausgegangen werden. Zudem belegte die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie des Instituts der Deutschen Zahnärzte eine verminderte Mundhygienefähigkeit bei etwa einem Drittel sowie eine verminderte Eigenverantwortung etwa bei der Vereinbarung von Zahnarztbesuchen bei etwa zwei Drittel der Menschen mit Pflegebedarf. Zahnärzteschaft, Pflege und GKV stellen sich dieser Herausforderung und erproben eine neue Versorgungsform, um eine nachhaltige Verbesserung der Mundgesundheit ambulant pflegebedürftiger Menschen zu erreichen.
2 Fragestellung
Wie kann Mundgesundheit ambulant versorgter pflegebedürftiger Personen verbessert werden? Welche Chancen bestehen in diesem Zusammenhang eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten, fortgebildeten Zahnmedizinischen Fachangestellten, Pflegekräften und pflegenden Angehörigen? Die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität soll gestärkt werden, die unter anderem durch Schmerzfreiheit, die Fähigkeit zum adäquaten Zerkleinern und Schlucken der Nahrung, zum Sprechen und somit zur sozialen Teilhabe bestimmt wird. Erreicht werden soll das Ziel durch eine konzeptionelle und bedarfsgerechte Weiterentwicklung der zahnmedizinischen Versorgung, die den ambulant versorgten Pflegebedürftigen zugehend und aufsuchend niedrigschwellige präventive Leistungen im eigenen Wohnumfeld zugänglich macht. Zudem soll eine qualitative Verbesserung der täglichen Mund- und Prothesenhygiene durch individuelle Schulungsmaßnahmen unter Einbezug der Pflegepersonen erreicht werden.
3 Methode
Praktisch wird das Projekt “MundPflege“ als zugehenden Versorgung in den Regionen Bremen und Niedersachsen wie folgt umgesetzt: Erstens wenden sich die beteiligten Betriebskrankassen pro-aktiv an ambulant Pflegebedürftige und informieren sie sowie ihre Pflegepersonen über die neuen Versorgungsleistungen. Zweitens sucht der Zahnarzt zusammen mit der in geriatrischer Zahnmedizin fortgebildeten Zahnmedizinischen Fachangestellten den Pflegebedürftigen in der Häuslichkeit auf. Während des ersten Besuchstermins erfolgt eine Erstbefundung und Erhebung des Gesundheitszustands durch den Zahnarzt. Behandlungen erfolgen sofern möglich direkt während des Besuchstermins. Für Leistungen, die nicht direkt erbracht werden können, wird ein Folgetermin in der Häuslichkeit, ambulant in der Zahnarztpraxis oder unter stationären Bedingungen, vereinbart. Drittens wird zusätzlich innerhalb von 14 Tagen ein Folgetermin in der Häuslichkeit vereinbart, an dem fortgebildete Zahnmedizinische Fachangestellte unter Einbezug der Pflegeperson des Versicherten, eine individuelle bedarfsgerechte Aufklärung und Schulung zur Verbesserung der Mundgesundheit sowie Mund- und Prothesenpflege und weitere prophylaktische Leistungen unter Einhaltung des Delegationsrahmens erbringen. Das Projekt wird evaluiert anhand einer zweiarmigen randomisierten kontrollierten Studie sowie einer BKK-Routinedatenanalyse.
4 Ergebnisse
Auf Basis fachlich und wissenschaftlich begründeter Projektergebnisse soll eine versorgungspolitische Weichenstellung erreicht werden. Es werden Empfehlungen über Maßnahmen zur Verbesserung der Mundgesundheit pflegebedürftiger Menschen herausarbeiten und zur Gestaltung der Versorgung gerichtet an den Gemeinsamen Bundesausschuss, zur konkreten Ausgestaltung bzw. Anpassung der Richtlinie nach § 22a SGB V oder an den Gesetzgeber als Grundlage für strukturelle Veränderungen des gesetzlichen Rahmens.
5 Diskussion
Die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie des Instituts der Deutschen Zahnärzte belegte eine verminderte Mundhygienefähigkeit sowie eine verminderte Eigenverantwortung etwa bei der Vereinbarung von Zahnarztbesuchen bei Menschen mit Pflegebedarf. Die Evaluation des Projekts soll wissenschaftliche Belege für die Effektivität der neuen Versorgungsform liefern.
6 Praktische Implikationen
Ist das Projekt erfolgreich, soll es in die Regelversorgung übergehen. Die dann bereits erprobten und evaluierten Leistungen wären somit grundsätzlich offen für alle Krankenkassen und deren Versicherte.
Hintergrund
Derzeit leben etwa 50.000 Kinder drogenabhängiger Eltern in Deutschland. Schätzungen zufolge beziehen nur 10% der Beratungsstellen Kinder suchtkranker Eltern mit in die Hilfeplanung ein. Die Suchthilfe ist demnach bisher nicht auf die Arbeit mit Kindern eingestellt. Die Drogenberatungsstelle Wesel hat vor vielen Jahren ein Programm entwickelt, um das Kinderthema in die Suchtberatungsstellen zu tragen – das Fitkids-Programm. Fitkids bietet einen unterstützenden Rahmen, der das Thema kontinuierlich im Gespräch hält und Raum schafft für Fortbildungen, Informationen und Umsetzungsprozesse. Die Evaluationsstudie EvaFit zielt auf die Erfassung von Kinderorientierung in Drogenberatungsstellen Bezug auf die Bereitschaft und Berücksichtigung in Strukturen und Prozessen bevor und nach Implementierung von Fitkids. Gleichzeitig werden personale und organisationale Determinanten erfolgreicher Implementierung erfasst.
Fragestellung
Die Implementierung meist komplexer Interventionen, wie Fitkids, in Versorgungsorganisationen des Gesundheits- und Sozialwesens bedarf grundlegender Veränderungen von Handlungsprozessen und Strukturen. Rund 70% aller Veränderungsprozesse in Organisationen scheitern. Deutlich wird ein Bedarf, Implikationen organisationaler Veränderungen differenziert zu betrachten und Ansatzpunkte zu ermitteln, um Implementierungsprozesse erfolgreich zu gestalten. Der zugrundeliegenden Evaluationsstudie liegt daher die Frage zugrunde, welche organisationalen und personalen Determinanten mit dem Erfolg der Implementierung von Fitkids assoziiert sind. Es wird der Frage nachgegangen, ob die Bereitschaft der Mitarbeitenden und der Organisation sowie verschiedene Ausprägungen der personalen und organisationalen Konstitution als Determinanten des Implementierungserfolgs abgeleitet werden können.
Methoden
In einem Quasi-Experiment mit Vorher-Nachher-Design werden die Beratungsstellenleitungen und -mitarbeiter sowohl vor dem Start des Fitkids-Programms (t0) als auch ein Jahr nach Programmstart (t1) schriftlich mit einem standardisierten Fragebogen befragt. Die Angaben der Leitungen und Mitarbeiter wurden verknüpft und über die beiden Zeitpunkte hinweg verglichen. Dabei werden u.a. die organisationale und personale Konstitution sowie Veränderungsbereitschaft als Ansatzpunkte der Untersuchung von Determinanten erfolgreicher Implementierung erfasst. Unter Berücksichtigung der hierarchischen Struktur der Daten mittels Mehrebenenanalysen wurden die Determinanten hinsichtlich des Einflusses auf das finale Outcome des Implementierungsgrads, als Umsetzung kinderorientierter Prozesse und Strukturen, analysiert.
Ergebnisse
An der Vorher- und Nachher-Befragung nahmen alle 15 Beratungsstellen teil. An den Befragungen beteiligten sich 17 von 19 Leitungskräften (90%) und 188 von 237 Mitarbeitern (79%). Erste Ergebnisse weisen auf eine geringe organisationale Kinderorientierung sowie eine relativ hohe Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden hin. Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden ist mit organisationalen Determinanten (z.B. Qualitätsbewusstsein) sowie der bisherigen Kinderorientierung (z.B. Berücksichtigung im Anamnesebogen) assoziiert. Ergebnisse derzeitiger Auswertungen zu z.B. den der Einflüsse von Determinanten des Implementierungserfolgs werden in Kürze vorliegen.
Diskussion
In Bezug auf mitarbeiterbezogene Faktoren, das Zusammenspiel organisationaler und personaler Faktoren sowie Effekte von Implementierungsstrategien im Kontext des Implementierungserfolgs fehlt es insgesamt noch an Widerspruchsfreiheit und Evidenz. Die Evaluation der Implementierung komplexer Interventionen erfordert nicht nur die Betrachtung erhoffter Endziele (gesundes Aufwachsen von Kindern), sondern auch der dazu notwendigen organisationalen Veränderungsprozesse und Bedingungen. Der Nutzen der Evaluation besteht darin, Wirkzusammenhänge und Einflussfaktoren erfolgreicher Implementierung offenlegen zu können.
Praktische Implikationen
Die Evaluationsergebnisse liefern Ansatzpunkte für eine nachhaltige Optimierung der Implementierungs- und Programmqualität von Versorgungsinnovationen. Notwendig dafür ist das Wissen um Wirkzusammenhänge und Einflussfaktoren, um an diesen ansetzen zu können. Das Vorhaben leistet folglich einen Wissensbeitrag, den Initiatoren von Veränderungsprozessen in Versorgungseinrichtungen wie Drogenberatungsstellen nutzen können, um Einfluss auf den Implementierungserfolg nehmen zu können und um eine nachhaltige Veränderungskultur zu schaffen.
Hintergrund
Patienten mit Diabetes mellitus sind häufig von Spätkomplikationen wie Retino-, Nephro- und Neuropathien mit den Endpunkten Erblindung, terminales Nierenversagen und Amputation betroffen. Sie erfahren somit sowohl durch ihre Grunderkrankung sowie durch die Folgekomplikationen massive Einschränkungen ihrer Lebensqualität und -dauer.
Fragestellung
Die folgenden Fragen sollen beantwortet werden: Wie hoch sind die aktuellen Prävalenzen der Folgekomplikationen und -schädigungen bei Patienten im Disease Management Programm (DMP) Diabetes mellitus Typ 1? Wie haben sie sich seit DMP-Beginn entwickelt? Wie hoch sind die Inzidenzen in Abhängigkeit von der Einschreibekohorte? Welche Risikofaktoren lassen sich für das Neuauftreten von Folgekomplikationen ermitteln?
Methode
Als Datengrundlage dienen die Dokumentationen von 37.979 Patienten, die jemals zwischen 2006 und 2016 am DMP Diabetes mellitus Typ 1 in Nordrhein teilnahmen. Die Entwicklung der Prävalenzen der diabetischen Folgekomplikationen Neuro-, Nephro- und Retinopathie bzw. der Folgeschädigungen Amputation, terminales Nierenversagen und Erblindung im DMP-Zeitverlauf wird deskriptiv statistisch analysiert. Auch werden die Inzidenzen in Abhängigkeit von den Einschreibekohorten dargestellt. Einschreibekohorten werden definiert als Gruppen derjenigen Patienten, die im gleichen Jahr mit der DMP-Teilnahme begannen. Zusätzlich werden in multivariaten logistischen Regressionsmodellen die Risiken für das Neuauftreten der drei Folgekomplikationen in Abhängigkeit von der Einschreibekohorte ermittelt.
Ergebnisse
Bei den im Jahr 2016 im DMP betreuten erwachsenen Patienten (n = 23.986) ist für 23,3 % eine Neuropathie, für 11,9 % eine Nephropathie und für 18,0 % eine Retinopathie dokumentiert. Eine Amputation ist bei 0,2 % dokumentiert, terminales Nierenversagen bei 0,4 % und eine Erblindung bei 0,1 %.
Die Zunahme der Prävalenzen der Folgekomplikationen im Laufe der DMP-Teilnahme ist am stärksten für Nephropathien zu beobachten (2006: 8,8 % vs. 2016: 11,9 %). Hingegen sind die Prävalenzen der Folgeschädigungen Amputation, terminales Nierenversagen und Erblindung im DMP-Verlauf rückläufig. Der deutlichste Rückgang lässt sich hinsichtlich der Amputationen verzeichnen (2006: 0,7 % vs. 2016: 0,2 %).
Betrachtet man das Neuauftreten von Folgekomplikationen innerhalb der ersten beiden Jahre der DMP-Teilnahme in Abhängigkeit von der Einschreibekohorte, so sind die späteren Kohorten seltener von Retinopathien betroffen als die früheren Kohorten (2006: 109/1.000 PJ vs. 2014: 39/1.000 PJ). Für das Neuauftreten von Neuropathien bzw. Nephropathien lässt sich kein solch eindeutiger Trend darstellen.
Auch bei der Betrachtung des Neuauftretens der Folgeschädigungen Amputation, terminales Nierenversagen und Erblindung lässt sich kein eindeutiger Zeiteffekt konstatieren; hier kommt es aufgrund der geringen Fallzahlen zu deutlichen Schwankungen.
Im Regressionsmodell für das Neuauftreten einer Retinopathie innerhalb der ersten beiden Jahre im DMP reduziert sich das Risiko deutlich in Abhängigkeit von der Einschreibekohorte; die in den Jahren 2013/14 Eingeschriebenen haben ein um 71 % reduziertes Risiko im Vergleich zu den im Jahr 2006 Eingeschriebenen. Als stärkster risikoerhöhender Prädiktor erweist sich das Alter (OR bis zu 1,79; CI 1,55-2,07). Auch bei erhöhten HbA1c- (1,22; 1,11-1,35) bzw. systolischen Blutdruckwerten (1,24; 1,12-1,38) sowie bei Vorliegen einer kardio-vaskulären Begleiterkrankung (1,79; 1,52-2,10) steigt das Risiko.
Die Regressionsmodelle zum Neuauftreten von Neuropathien bzw. Nephropathien zeigen keinen eindeutigen Effekt für die Einschreibekohorten.
Diskussion
Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Prävalenz der Folgekomplikationen eine Zunahme sowie hinsichtlich der Prävalenz der Folgeschädigungen eine Abnahme im DMP-Zeitverlauf konstatieren. Ebenso nimmt die Inzidenz der Retinopathien in Abhängigkeit von der Einschreibekohorte ab. Die Einschätzung dieser Trends wird jedoch erschwert durch das Ausscheiden von Patienten aus dem DMP bzw. die unterschiedliche Zusammensetzung der Einschreibekohorten. Limitiert werden die Aussagen außerdem durch die in der DMP-Dokumentation fehlenden Angaben zur Erkrankungsdauer. Das Regressionsmodell legt jedoch nahe, dass das Risiko für eine neu auftretende Retinopathie in Abhängigkeit von der Einschreibekohorte sinkt, d.h. dass unter Kontrolle von anderen Einflussfaktoren das Risiko bei den später Eingeschriebenen niedriger ist.
Praktische Implikationen
Die Daten aus dem DMP Diabetes mellitus Typ 1 deuten auf einen möglichen Rückgang des Risikos für das Neuauftreten von Retinopathien innerhalb des Zeitraumes 2006 bis 2014 hin.
Hintergrund: Gesundheits- und Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen sind nachweislich eng miteinander verknüpft und beide werden durch den sozialen Status und andere Faktoren beeinflusst. Zudem wirkt sich der generelle Wandel des Morbiditätsspektrums auch bei Kindern und Jugendlichen aus, etwa mit einer deutlichen Zunahme chronischer Erkrankungen und psychischer Auffälligkeiten. Allerdings bestehen grade in frühen Lebensjahren noch gute Möglichkeiten der Beeinflussung von Gesundheits- und Bildungschancen sowie der Prävention und Milderung negativer Auswirkungen chronischer Gesundheitsbeeinträchtigungen. Nicht zuletzt, weil Kinder und Jugendliche viel Zeit in Schulen verbringen, rückt dieses Setting dabei immer weiter in den Fokus der Aufmerksamkeit.
In vielen Ländern hat sich der Einsatz von Pflegekräften an öffentlichen Schulen bewährt und School Nursing ist international ein etabliertes Berufsbild mit vielfältigen Aufgaben. Darunter Gesundheitsförderung, Erkennung und Kontrolle von altersspezifischen Gesundheitsrisiken, Notfallversorgung, alltagsnahe Unterstützung von chronisch kranken Kindern bis hin zu gesundheitsbezogener Gemeinwesenarbeit.
Diese internationalen Erfahrungen sollen in zwei Bundesländern – Hessen und Brandenburg – aufgegriffen werden. Im Rahmen eines von der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAGE e.V.) und dem AWO Bezirksverband Potsdam verantworteten Modellversuchs werden an 30 Modellschulen Schulgesundheitsfachkräfte eingesetzt. Dieser länderübergreifende Modellversuch wird durch das Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité Berlin einer wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation unterzogen.
Fragestellung: (1) Wie ist die Ausgangslage an den beteiligten Schulen (N=30) im Hinblick auf die gesundheitliche Lage der Schülerinnen und Schüler, sowie die Bedarfe der Eltern? (2) Welche fördernden und hemmenden Bedingungen lassen sich währen der Modellphase beobachten? (3) Welches Tätigkeitsspektrum wird im Modellzeitraum entwickelt? (4) Welche Auswirkungen auf die Gesundheits- und Bildungschancen der Schülerinnen und Schüler lassen sich im Modellzeitraum beobachten?
Methode: Formative Evaluation unter Anwendung eines Multimethods-Designs: Vorher-Nachher-Vergleich mittels standardisierter schriftlicher Befragung von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften, qualitative mündliche Interviews mit Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften, partizipativ angelegte Workshops mit den Schulgesundheitsfachkräften (SGFK) (n=20) Dokumentenanalyse und Netzwerkanalyse. Die deskriptive Auswertung der Fragebögen umfasst relative Häufigkeiten für nominal- und ordinalskalierte Variablen und Mittelwerte inkl. Standardabweichung für metrisch skalierte Daten. Die Auswertung erfolgt auf sowohl auf Schulniveau als auch nach Schultyp zusammengefasst. Subgruppenanalysen erfolgen nach soziodemographischen Kategorien. Der Vorher-Nachher-Vergleich erfolgt mittels Chi²-test für nominale und T-test für gebundene Stichproben für metrische Variablen. Die Interviews werden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Ergebnisse aus den Workshops mit den SGFK werden in partizipativen Prozessen konsentiert und anonym aufbereitet. Die anonymisierte Routinedokumentation der SGFK wird einer Sekundäranalyse unterzogen. Es werden die Kontakte mit den Schülerinnen und Schülern, Eltern und externen Kooperationspartner/-innen erfasst und kategorisiert beschrieben (Anlass der Konsultation, Maßnahmen, Ergebnisse). Eine egozentrische Netzwerkkarte beschreibt die Akteur/-innen mit denen die SGFK kooperiert.
Ergebnisse: Erste Ergebnisse der quantitativen Baseline-Erhebung werden im Juni/ Juli erwartet und auf dem Kongress präsentiert.
Diskussion: Die Ergebnisse der Baseline-Erhebung werden mit Referenzdaten aus Deutschland (z.B. KIGGS-Studie, HBSC-Studie) verglichen, um eine Interpretation der Daten zu gewährleisten. Sie dienen außerdem der Beschreibung der Ausgangslage an den beteiligten Schulen und erlauben Rückschlüsse über den qualitativen und quantitativen Bedarf der Schülerinnen und Schülern an gesundheitsbezogenen Interventionen durch die SGFK.
Praktische Implikationen: Während des Modellzeitraums dienen die Daten zur Beschreibung der Ausgangslage den SGFK zur Priorisierung und Legitimierung ihrer schulbezogenen Tätigkeiten. Im Vorher-Nachher-Vergleich erlauben die Daten eine erste Bewertung der Auswirkungen der SGFK.
Hintergrund: Seit der Psychiatrie-Enquete hat sich die Versorgung psychisch und insbesondere chronisch psychisch kranker Menschen enorm verbessert. Versorgungs- und Behandlungsangebote sind vielfältiger denn je. Psychosoziale Interventionen stellen dabei neben somatischen und psychotherapeutischen Behandlungsansätzen eine weitere wichtige Säule in der Behandlung psychisch kranker Menschen dar.
Fragestellung: Die Herausgabe der S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“ ist als ein weiterer Meilenstein der Psychiatriereform bezeichnet worden. Doch welche Relevanz hat sie für die psychosoziale Versorgung schwer psychisch kranker Menschen? Folgende Fragestellungen werden dazu formuliert:
• Welche Interventionen im Bereich der Systeminterventionen (z.B. gemeindepsychiatrische Ansätze wie Home Treatment) und im Bereich der Einzelinterventionen (z.B. Psychoedukation, Sport und Bewegung) sind evidenzbasiert?
• Welche Interventionen wurden in das Update der Leitlinie neu aufgenommen?
• Profitieren schwer psychisch Kranke in Deutschland angemessen von diesen internationalen Entwicklungen?
• Wie ist das PsychVVG mit der Ermöglichung von sogenannten stationsäquivalenten Leistungen vor diesem Hintergrund zu bewerten?
Methode: Basierend auf systematischen Literaturrecherchen in verschiedenen großen Datenbanken, der Selektion relevanter Studien und deren qualitativer Bewertung mit Hilfe des Cochrane risk of bias tools und den Regeln der AWMF zur Erstellung von Leitlinien (Bildung einer repräsentativen Entwicklergruppe, systematische Evidenzbasierung und strukturierte Konsensusfindung) werden Ergebnisse der Leitlinie sowie ihres gegenwärtig laufenden Updates dargestellt. Im Rahmen der Leitlinienentwicklung werden immer wieder Bezüge zur hiesigen Versorgungslandschaft hergestellt.
Ergebnisse: Mit der S3-Leitline liegt erstmals eine systematische Aufbereitung der Evidenz zur Wirksamkeit psychosozialer Interventionen in der Behandlung schwer psychisch kranker Menschen für den deutschsprachigen Raum vor. Mittlerweile lässt sich eine Vielzahl an Belegen für die Effektivität verschiedener psychosozialer Interventionen finden. Ein Großteil der identifizierten Studien wurde im angloamerikanischen Raum durchgeführt; die Übertragbarkeit der Ergebnisse wird diskutiert. Gleichfalls wird deutlich, dass eine systematische Erfassung vorgehaltener bzw. in Anspruch genommener psychosozialer Interventionen kaum vorliegt. Erschwert wird dies u.a. durch die Fragmentierung der Versorgung und durch große regionale Unterschiede in der Versorgungslandschaft. Besondere Hoffnung im Hinblick auf das Empowerment von Patienten und ihren Angehörigen liegt in der Verbreitung der zugehörigen Patienten- und Angehörigenleitline.
Diskussion: Die Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“ kann deshalb auch als ein „Grundgerüst sozialpsychiatrischer Versorgungsforschung“ betrachtet werden, indem sie die weißen Flecken auf der Forschungslandkarte illustriert und der dringend notwendigen psychosozialen Versorgungsforschung neue Impulse gibt. Aktuell muss von einer erheblichen Evidenz-Praxis-Lücke ausgegangen werden, so dass schwer psychisch Kranke nicht in ausreichendem Maße von psychosozialen Therapien profitieren. Um die Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten für die Betroffenen zu verbessern, bedarf es geeigneter Implementierungsstrategien, den Willen der Akteure und kluge gesundheitspolitische Entscheidungen. Auf ein beantragtes Implementierungsprojekt im Innovationsfonds wird verwiesen.
Praktische Implikationen: Erforderlich ist im Sinne einer besseren Behandlungsplanung Behandlungs- und Versorgungspotenziale (schwer) psychisch kranker Menschen systematisch zu erfassen, Evidenzlücken auf das deutsche Behandlungs- und Versorgungssystem bezogen, systematisch zu schließen und schließlich mit dem Ziel einer besseren Versorgung evidenzbasierte Ansätze stärker in die Praxis zu implementieren. Die Ermöglichung von stationsäquivalenten Leistungen nach dem neuen Psych VVG kann bei entsprechender Ausgestaltung ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein.
Krankenhäusern ist es bisher untersagt gewesen, Verordnungen oder AU-Bescheinigungen kassenpflichtig auszustellen. Ein Patient, der am Wochentag aus dem Krankenhaus entlassen wird ist für eine weitere medikamentöse Behandlung gezwungen, sich bei seinem Hausarzt vorzustellen. Aber gerade bei älteren oder multimorbiden Patienten kann das zum Problem werden. Versorgungsbrüche in der Arzneimitteltherapie sind die Folge, was wiederum den Heilungsverlauf des Erkrankten negativ beeinflusst. Daher ist es wichtig, eine durchgehende Versorgung aller Patienten zu sichern.
Der Gesetzgeber entwickelte dafür das neue Krankenhausentlassmanagement, welches die Versorgungslücke an der Schnittstelle stationär – ambulant schließen soll. Ab Juli 2017 dürfen die Krankenhäuser Arzneimittel für einen Zeitraum von bis zu 7 Tagen oder auf Grundlage einer Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen. Um diese Vorgabe umzusetzen, wurde die Arzneimittelrichtlinie geändert und die DKG, die KBV und GKV-Spitzenverband haben einen durch das Schiedsamt festgesetzten Rahmenvertrag geschlossen. .
Aufgrund der hohen Bedeutung des neu eingeführten Entlassmanagement für die künftige Gesundheitsversorgung der Patienten, beschäftigt sich die empirische Untersuchung zur Versorgungsforschung mit dieser Thematik. Die vorliegende Untersuchung ist eine wissenschaftliche Forschungsarbeit der Technischen Universität Berlin, an der Fakultät für Wirtschaft und Management, in Zusammenarbeit mit der Sanofi Aventis Deutschland GmbH. Die Untersuchung widmet sich der Fragestellung welchen Einfluss das neue Krankenhausentlassmanagement auf die Verordnung von Arzneimitteln hat, welche „Umsatzeffekte“ am Beispiel der Thromboseprophylaxe z.B. mit niedermolekularem Heparin zu erwarten sind und welche Informationen die Krankenhausärzte benötigen, um Verordnungen nach den Regeln des ambulanten Sektors (AM-RL, Rabattverträge etc.) ausstellen zu können.
Um die Entwicklung, die Umsetzungsproblematik und die Auswirkungen auf die Versorgung darzustellen, gliedert sich das Forschungsvorhaben in drei Teile. Der erste, deskriptive Teil beschreibt die Entstehung und Entwicklung des neuen Krankenhausentlassmanagement. Dies beinhaltet die Analyse der Schnittstellenproblematik am Übergang stationär zu ambulant und die Ausarbeitung der gesetzlichen Grundlagen, die zur Entstehung des aktuellen Krankenhausentlassmanagement beigetragen haben.
Der zweite Teil diskutiert die Schnittstelle stationär zu ambulant aus der Sicht des niedergelassenen Bereichs. Dort kann es aufgrund einer potentiell fehlenden Informationsübermittlung vom Krankenhausarzt zum Hausarzt zu Behandlungsbrüchen und Lücken in der medikamentösen Versorgung kommen. Auch können durch das neue Entlassmanagement eine Reihe weiterer Probleme hinzukommen. Wie ist beispielsweise bei der Ausstellung eines falschen Rezeptes zu verfahren? Wie erfolgt die Vergütung der Entlassrezepte? In welchem Verhältnis steht die jetzige Möglichkeit der Mitgabe zu den Verordnungen im Rahmen des Krankenhausentlassmanagements?
Im letzten Teil erfolgt eine Szenarienanalyse für das neue Entlassmanagement an einem konkreten Anwendungsbeispiel, der Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin. In mehreren Expertengesprächen wird der Einfluss des Krankenhausentlassmanagements auf die Versorgung an diesem konkreten Beispiel diskutiert. Die Erörterung des Beispiels erfolgt unter zusätzlicher Betrachtung der S3-Leitlinie „Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE)“. Konkrete Indikationen in diesem Beispiel sind zunächst der „gefäßchirurgischer Eingriff im Bauch- Beckenbereich“, wo die Behandlung durch eine Verordnung abgeschlossen werden kann, und weiterhin die „Hüftgelenkendoprothetik und hüftgelenknahe Frakturen und Osteotomien“, wo mehrere Verordnungen zur Umsetzung der Thromboseprophylaxe nötig sind. In den Ergebnissen werden mögliche Preiseffekte für die Patienten, Leistungserbringer und Krankenkassen dargestellt und deren Auswirkung auf die Versorgung erläutert.
Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von November 2016 bis April 2017. Für die Expertengespräche werden Personen aus der Arzneimittelberatung verschiedener KVen, dem GKV-Spitzenverband, aus einem Verbund von niedergelassenen Ärzten, welcher bereits Verträge zur Verbesserung der sektorübergreifenden Versorgung geschlossen hat, und aus dem Krankenhaus, für die Sichtweise des stationären Sektors, ausgewählt. Es ist zu erwarten, dass das neue Entlassmanagement eher zögerlich umgesetzt wird, da eine Vielzahl von neuen Standards und internen Abläufen erst integriert werden muss. Dennoch bietet die Verordnung im Rahmen des Entlassmanagements das Potential, die Versorgungslücke zu schließen, besonders dann, wenn die Therapie dadurch abgeschlossen werden kann. Hierbei handelt es sich um eine These, die tatsächliche Situation aus den Expertengesprächen liegt erst im Oktober vor, wenn die Versorgungsforschungsstudie abgeschlossen ist.
Hintergrund
In der ambulanten Versorgung nehmen die meisten Patienten mehrere Ärzte in Anspruch. Durch den medizinischen Fortschritt nimmt die Arbeitsteilung zu. Der Austausch von Patienteninformationen zwischen Medizinern spielt daher eine wichtige Rolle. Allerdings bestimmen die Patienten durch ihre Arztwahl, welche Ärzte miteinander kommunizieren sollten; oftmals ist den behandelnden Ärzten aber nicht bekannt, welche weiteren Ärzte in Anspruch genommen wurden. Die Komplexität der potenziell erforderlichen Kommunikationserfordernisse kann anhand von Netzstrukturen abgebildet werden, die durch die Inanspruchnahme entstehen. Die tatsächlich stattgefundene Kommunikation kann der für die Informationsübermittlung per Post oder Telefax abgerechneten Portopauschalen (künftig Emailpauschale) approximiert werden. Umfang und Entwicklung der Abrechnung der Portopauschalen als mögliches Maß der innerärztlichen Kommunikation stellen wir in dieser Untersuchung vor.
Fragestellung
Ziel der Studie ist zu untersuchen, wie oft die Kostenpauschalen für die Versendung von Briefen bzw. Telefax (Portopauschale) im Zeitraum von 2011 bis 2015 abgerechnet wurden. Darüber hinaus wird analysiert, ob es regionale oder fachgruppenspezifische Unterschiede bei der Leistungshäufigkeit dieser Pauschalen gibt. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Veränderung zum Jahr 2013 gelegt, da in diesem Jahr die Praxisgebühr abgeschafft wurde, die bei Erstinanspruchnahme ohne Überweisung zu zahlen war.
Methode
Datengrundlage sind die bundesweiten vertragsärztlichen Abrechnungsdaten aller gesetzlichen Krankenversicherten der Jahre 2011 bis 2015. Betrachtet werden die Leistungen 40120, 40122, 40124 und 40126 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes. Dies sind die Abrechnungsziffern der Kostenpauschalen für die Versendung von Briefen bzw. Telefax. Leistungshäufigkeiten und Leistungsentwicklung werden zunächst nach Fachgruppen und KV-Bereichen, im zweiten Schritt jeweils für virtuelle Arztnetze ermittelt. Die methodischen Grundlage zur Bildung der virtuellen Arztnetze finden sich bei von Stillfried/Czihal (2014)*. Es ist geplant, den Zusammenhang zwischen der Ausprägung bestimmter Indikatoren der Prozessqualität je virtuellem Arztnetz (Versorgungsgemeinschaft) und dem Umfang und der Entwicklung der Portopauschalen mittels Regressionsverfahren zu analysieren.
Ergebnisse
Kostenpauschalen wurden im Jahr 2015 rd. 137 Mio. mal abgerechnet. Bei fachgruppenspezifischer Betrachtung hat die Fachgruppe Innere Medizin mit 15,12% den höchsten Anteil. Die Fachgruppe Pathologie hat mit 0,05% den geringsten Anteil.
Bundesweit wurden im Jahr 2015 für rd. 56% aller behandelten Patienten eine Portoleistung abgerechnet. Am höchsten ist der Anteil an Patienten mit Portoleistung in Mecklenburg-Vorpommern (58,4%), in Hamburg (36,6%) am niedrigsten.
Die Häufigkeit der Portopauschalen steigt von 2011 bis 2015 bundesweit um rd. 5%; nur zwischen 2012 und 2013 ist ein Rückgang um 0,4% zu beobachten. Über den Gesamtzeitraum wurde die höchste Zunahme in Berlin (38,8%), der größte Rückgang in Baden-Württemberg (-5,6%) beobachtet. Bei fachgruppenspezifischer Betrachtung zeigte sich der stärkste Anstieg bei den Neurologen (29,3%), der stärkste Rückgang bei den Pathologen (-84,0%). In 2013 fällt der Rückgang im Saarland (-4,6%) am deutlichsten aus; in Berlin hingegen wurde ein Anstieg um 17,4% beobachtet.
Die Analyse auf Ebene der Versorgungsgemeinschaften zeigt, dass unterhalb der Regions- bzw. Fachgruppenebene große Unterschiede bestehen. Während in einigen Versorgungsgemeinschaften für nahezu alle Patienten innerhalb eines Jahres mindestens einmal eine Portopauschale abgerechnet wird, werden diese in anderen fast gar nicht abgerechnet.
Diskussion:
Die Analyse zeigt den Mindestumfang schriftlicher Kommunikation innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, da dem Patienten mitgegebene Briefe nicht einfließen. Analysen von Portoleistungen könnten insoweit eine Diskussionsbasis zur Bedeutung der schriftlichen Kommunikation zwischen Vertragsärzten, etwa im Rahmen von Qualitätszirkeln liefern. Mit im Durchschnitt 2 Briefen pro Jahr und Patient scheint die Kommunikation hoch, weist jedoch große Unterschiede nach Regionen, Fachgruppen und Versorgungsgemeinschaften auf. Die Bedeutung dieser Kommunikation für die Prozessqualität bleibt zu zeigen; Anhaltspunkte dafür könnte die enorme Heterogenität der Kommunikationsintensität zwischen den Versorgungsgemeinschaften liefern.
* Von Stillfried, Czihal T. (2014), Welchen Beitrag liefern funktional definierte Populationen zur Erklärung regionaler Unterschiede in der medizinischen Versorgung? Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2014 Feb; 57(2):197-206.
Background: TAVI as Valve in Valve (ViV) is increasingly used in the mitral position. However, aside from some case reports TAVI has not been systematically evaluated for degenerated mitral valves after mitral valve repair with an annuloplasty ring. Semi-rigid rings may serve as a more appropriate scaffold for proper anchoring of a TAVI as they may change from their oval to a round shape thereby fitting to the implanted TAVI.
Methods: 5 rigid and semi-rigid rings of 4 manufacturers (Edwards Physio I and II (EPI, EPII), Sorin 3D Memo (S3D), Medtronic Simulus (MS), SJM Saddle and SJM Sequin with sizes 28mm-36mm and Edwards Sapien III TAVI 23mm, 26mm, 29mm were used. Pre-evaluation comprised insertion/inflation of the TAVI in the ring and visual inspection for paravalvular leackage 4mm² (pvl). Only valves not showing pvl were then submitted to hemodynamic evaluation with a pulse duplicator. Cusp movement was assessed with a high-speed-camera. Mean transvalvular gradients (TVG) were measured.
Results: SJM saddle valves of all sizes and SJM Sequin valves 32 and 34 showed marked pvl combined with all TAVI sizes thus not undergoing hemodynamic testing. It was further shown that ring sizes > 36mm did not allow for a proper fit of even the largest TAVI in the ring of all manufacturers and were consequently not hemodynamically evaluated. The 23mm TAVI was too small for any ring size. The lowest gradients were achieved with the 26mm TAVI in 30mm and 32mm and the 29mm TAVI in 32mm and 34mm rings. However, the latter could only be demonstrated with the Medtronic as well as the Sorin rings.
Conclusion: Not all currently available annuloplasty rings are ideal scaffolds for TAVI placement. It appears that a more proper fit can be achieved with semi-rigid rings than with rigid ones. 23mm TAVI appeared to be too small for an adequate anchoring in even the smallest available ring. Thus, 26mm as well as 29mm TAVI fit properly in ring sizes between 28mm and 34mm. Surgeons may be well advised to choose from those ring brands and sizes which allow for good placement of a TAVI in view of possible valve degeneration in the later course.
Hintergrund:
Limitierte Ressourcen bezüglich Budget, Personal und IT-Infrastrukturen gehören zu den verbreiteten Kennzeichen der Epidemiologie und Versorgungsforschung. Insbesondere kleineren Registern und Kohortenstudien fehlt es oft an Personal mit Programmierkenntnissen und daher behelfen sich derartige Studien häufig mit vermeintlich einfachen Erhebungs- und Studienteilnehmerverwaltungsverfahren anstelle eines IT-gestützten Datenmanagements inklusive Studiendatenbanken. Oftmals werden für kleinere Forschungsprojekte stattdessen dezentrale Excel-Tabellen genutzt, in die die zu erhebenden Daten eingetragen und die in regelmäßigen Abständen manuell zusammengeführt werden. Automatisierte Pseudonymisierungsverfahren sind nicht die Regel, was die datenschutzgerechte Trennung von identifizierenden (IDAT) und medizinischen Daten (MDAT) erschwert.
Im Rahmen des MOSAIC-Projektes wurde eine flexible Software-Lösung für das Datenmanagement in kleineren Forschungsvorhaben kostenfrei bereitgestellt. Diese sogenannte „MOSAIC Toolbox for Research“ (kurz: MOSAIC Toolbox) ist für eine Vielzahl von Anwendungsszenarien geeignet und unterstützt bei der standortübergreifenden Erhebung, Verarbeitung und Speicherung von Forschungsdaten. Die automatische Installation der entstandenen Open Source Lösung wurde wesentlich durch den Einsatz von Docker und eine umfangreiche Begleitdokumentation vereinfacht.
Fragestellung:
Da in kleineren Forschungsprojekten eine automatisierte Trennung von MDAT und IDAT ohne Treuhandstellenunterstützung schwer umzusetzen ist, sollen innerhalb der MOSAIC Toolbox keine personenidentifizierenden Daten gespeichert werden. Um die medizinischen Forschungsdaten innerhalb der Toolbox und die IDAT aus dem klinischen Kontext dennoch nachvollziehbar in Beziehung setzen zu können, muss die MOSAIC Toolbox über ein einheitliches und im Bedarfsfall transparentes Pseudonymisierungskonzept umsetzen.
Methode:
Innerhalb der MOSAIC Toolbox werden ausschließlich pseudonymisierte Forschungsdaten gespeichert. Die Pseudonymisierung erfolgt dabei vollkommen unabhängig vom Datenerhebungswerkzeug und macht die Angabe einer Einrichtungs-spezifischen Patienten-ID und Fallnummer je Datensatz erforderlich. Nur die eingebende Einrichtung selbst, beispielsweise ein Krankenhaus, hat Kenntnis von den IDAT des Patienten. Eine darüberhinausgehende Trennung von IDAT und MDAT ist nicht erforderlich.
Innerhalb der MOSAIC Toolbox wird die zentrale Pseudonymisierung mit Hilfe des Pseudonymisierungsdienstes gPAS realisiert. Je Patient und Behandlungsfall werden konfigurierbare standort- und gerätespezifische Pseudonyme sowie ein übergeordnetes Projekt-Pseudonym (z. B. eine eindeutige Register-ID) erstellt und an zentraler Stelle verwaltet. Diese Pseudonyme werden automatisch bei Anlegen des Patienten erstellt und gestatten keinen Rückschluss auf die im klinischen Kontext eindeutige Patienten-ID und Fallnummer. Gleichzeitig hat autorisiertes Personal die Möglichkeit im Bedarfsfall, z. B. zur Wiederkontaktierung, am Studienstandort eine Depseudonymisierung durchzuführen, um anhand der so ermittelten Patienten-ID und Fallnummer den Patienten im klinischen Kontext zu identifizieren.
Dabei vereinfacht ein in die MOSAIC Toolbox integriertes Software-Modul (der sogenannte Dispatcher) interne Prozesse, wie das Anlegen und Suchen von Patienten per Web-Oberfläche sowie die Steuerung der zentralen Vergabe von standortspezifischen und projektspezifischen Pseudonymen.
Ergebnisse:
Für eine Pilotierung wurde die MOSAIC Toolbox inklusive des umgesetzten Pseudonymisierungskonzeptes für die technische Restrukturierung des nationalen Verbrennungsregisters (Leitung: Dr. Oliver C. Thamm) genutzt. Auf diese Weise konnte eine zentrale und web-basierte Erfassung der Registerdaten über Standortgrenzen hinweg realisiert und gleichzeitig die strikte Trennung von IDAT und MDAT berücksichtig werden.
Diskussion:
Die MOSAIC Toolbox gestattet derzeit ausschließlich die Dokumentation von Patientenfällen. Die eindeutige Identifikation von Patienten (Dublettenprüfung) ist aufgrund des nicht Vorhandenseins von IDAT per se nicht möglich. Dennoch ist eine Nachverfolgung bzw. Depseudonymisierung für berechtigte Anwender am Studienstandort durchführbar, um z. B. eine Wiederkontaktierung von gespeicherten Teilnehmern durchzuführen.
Aufgrund des modularen Aufbaus der MOSAIC Toolbox können zukünftig problemlos weitere Werkzeuge oder Arten von Gerätedaten integriert oder einzelne Komponenten im Bedarfsfall ausgetauscht werden.
Praktische Implikationen:
Die MOSAIC Toolbox wird seit Frühjahr 2016 im Nationalen Verbrennungsregister eingesetzt. In rund 12 Monaten wurden 5.000 Fälle in mehr als 50 Standorten dokumentiert. Die MOSAIC Toolbox wird kontinuierlich weiterentwickelt und steht in der Version 1.2.2 über das MOSAIC-Portal zur Verfügung.
Hintergrund: Im Rahmen von Kohortenstudien können umfassende Primärdaten zur Beantwortung verschiedenster gesundheitsrelevanter Fragestellungen gewonnen werden. Zur Abbildung genauer Behandlungspfade oder um Zusammenhänge zwischen Ereignissen herstellen zu können, werden dabei auch immer wieder genaue Angaben zu Diagnosen, Arztkontakten, Krankenhausaufenthalten oder eingenommenen Medikamenten benötigt. Die entsprechenden Informationen können durch Befragungen allein allerdings nur unvollständigen und ungenau erhoben werden. In den Abrechnungsdaten gesetzlicher (und privater) Krankenversicherungen (GKV) liegen die Angaben zwar in ausreichender Präzision vor, jedoch fehlen hier andere wichtige Informationen für die Forschung, beispielsweise zum Lebensstil oder zu relevanten Laborparametern. Es ist daher nicht überraschend, dass immer häufiger primär gewonnene Daten mit GKV-Abrechnungsdaten verknüpft werden, um so die Vorteile beider Datenquellen zu kombinieren. Ein Beispiel dafür ist die NAKO Gesundheitsstudie (NAKO) (BMBF FKZ: 01ER1301A), in deren Rahmen von den 200.000 Teilnehmenden Primärdaten in 18 Studienzentren deutschlandweit durch Befragungen, medizinische Untersuchungen und Tests erhoben werden und anschließend mit diversen Sekundärdatenquellen verknüpft werden. Dazu gehören auch die Abrechnungsdaten der GKV.
Fragestellung/Methode: Ziel dieser Arbeit ist es, späteren Nutzern der NAKO-Daten, aber auch Wissenschaftlern, die eine Verknüpfung von Primärdaten einer Kohortenstudie mit GKV-Daten planen, Möglichkeiten und Hürden bei einem solchen Vorhaben am Beispiel der NAKO aufzuzeigen. Betrachtet werden drei relevante Faktoren: die Bereitschaft der Teilnehmenden zur Freigabe ihrer Daten, die Kooperationsbereitschaft der Krankenkasse sowie datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen.
Ergebnisse: Um eine hohe Teilnahmebereitschaft bei den Teilnehmenden zu gewährleisten, ist vor Unterzeichnung der Einwilligung eine ausführliche Aufklärung über das geplante Vorgehen und die Art der zu erhebenden Daten von zentraler Bedeutung. Nur so können eine informierte Einwilligung gewährleistet und mögliche Sorgen der Teilnehmenden ausgeräumt werden. In der NAKO wurde das Erhebungspersonal, das für die Aufklärung und Einwilligung zuständig ist, in persönlichen Schulungen und in einem Webseminar eingehend informiert. Aktuell kann bei einer Einwilligungsquote von 91,1 Prozent (Stand: Februar 2017) zur Freigabe der Krankenkassendaten von einer sehr hohen Teilnahmebereitschaft gesprochen werden.
Nachdem die NAKO bei verschiedenen Krankenkassen vorgestellt wurde und diese sich von der Relevanz und einem sinnvollen Aufbau der Studie überzeugen konnten, besteht großes Interesse an einer Kooperation. Hürden, für die Lösungen gesucht werden müssen, sind primär fehlende zeitliche und personelle Ressourcen sowie fehlende Strukturen seitens der Krankenkassen. Ursächlich sind immer häufiger anstehende oder bereits durchgeführte Kassenfusionen. Die Lösungsansätze sind vielfältig und reichen vom Einbezug des zugehörigen Dachverbandes über die personelle Unterstützung bei der Datenziehung bis hin zur Erstattung anfallender Kosten.
Eine besondere Bedeutung kommt bei der Verknüpfung von Primärdaten mit GKV-Daten den (datenschutz-)rechtlichen Rahmenbedingungen zu. Je nach Aufbau der Studie zählen das Vorliegen einer informierten Einwilligung der Teilnehmenden und/oder eine Genehmigung des Antrags nach § 75 Sozialgesetzbuch X durch die zuständige Aufsichtsbehörde der Krankenkasse dazu. Aufgrund der Möglichkeit einer sehr restriktiven Auslegung von § 75 muss ein Antrag auf Übermittlung von Sozialdaten zu Forschungszwecken bei groß angelegten Vorhaben wie der NAKO Gesundheitsstudie große Hürden überwinden.
Diskussion/ praktische Implikation: Immer mehr Forschende erkennen das große Potential, durch Verknüpfung von Primärdaten mit GKV-Routinedaten Versorgungsabläufe präziser darzustellen. Die Bereitschaft auf Seiten von Teilnehmenden und Krankenkassen ist gegeben. Allerdings besteht dringender Bedarf, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen an die aktuellen Forschungsbedürfnisse anzupassen.
Background
In adaptive group sequential designs (AGSD), statistical testing is performed at an interim stage k after a group of observations. In comparison to classical single-stage designs with no statistical interim analyses, AGSD enable more economical and ethical studies because of the possibility of an early stopping for efficacy or futility in case of an overwhelmingly large or small effect, respectively. Hence, they facilitate to save time and money and reduce the patients' risk of an inferior treatment. In case the study is continued to the next consecutive stage, sample size re-estimation based on conditional power of the current trend of the data can be performed. Though a growing number of researchers increasingly recognize interim analyses, quite often difficulties arise during the a priori planning phase and the application of these highly sophisticated statistical procedures.
Research Objective
We clearly outline the concise application of these statistical procedures including sample size reassessment based on conditional power during the conduct of the ongoing study. Therefore, we provide a succinct workflow chart for the potentially tricky part of the planning phase and sample size re-estimation and reassessment.
Method
For the sake of demonstration of the application, we focus only on the dependent variable patient satisfaction assessed with a standardized questionnaire, applied on randomly sampled psychiatric real-world data.
Study Design
The study is conducted as a prospective cohort study of mental health services. We explain how such a study with an AGSD can be planned using the group sequential approach by Wang and Tsiatis (1987) with K = 2 stages and power parameter Delta = .25, and the adaptive inverse normal combination test by Lehmacher and Wassmer (1999). Additionally, we also outline the case of testing the null hypothesis against a two-sided alternative, though adaptive designs have been initially designed and are mostly applied only in one-sided testing scenarios.
Data Collection
The data are sampled at two different psychiatric hospitals in Germany. In the workflow chart, we also introduce to the exact sample size estimation including the correction by the sample size inflation factor of the chosen group sequential approach, which is necessary for the application of interim analyses.
Data Analysis
Data analysis has been performed with the statistics and programming software R and IBM SPSS Statistics, Version 23 (SPSS: only for the independent two sample t-test).
Results
The workflow chart provides all parts for the concise application of AGSD in health services research. It displays the detailed workflow process of the following (greatly reduced) steps:
(1) Design the AGSD: Choose the group sequential and adaptive approach, and all statistical parameters, respectively;
(2) Sample size estimation with sample size inflation factor for each group;
(3) Data sampling for Stage 1;
(4) Statistical interim analysis after Stage 1;
(5) Test decisions based on the inverse normal method (INM);
(6) If not stopped after Stage 1: Sample size re-estimation and reassessment based on conditional power;
(7) Data sampling for Stage 2;
(8) Statistical analysis and test decision based on the INM;
This is exemplified by the application on the data of two psychiatric hospitals.
Discussion
The carefully chosen example for the demonstration of the concise application of AGSD evidently underpins the well-known strengths of interim analyses and mid-trial design modifications. The benefits of enabling well-powered studies in case of no early stopping but a continuation to the next planned stage, or saving time and money in case of an early stopping for efficacy or futility after Stage 1, clearly outweigh the slightly more effort in the planning phase. Thus, these methods outperform on average over many studies traditional single-stage designs with no interim analyses.
Practical Implications
Our provided workflow chart dramatically eases the many necessary steps during the planning phase and the application of these highly sophisticated AGSDs, especially focusing on sample size reassessment based on conditional power. Hence, the chart bridges the gap between theory and application for saving on average limited resources, while facilitating more ethical studies in mental health services research.
References
Lehmacher, W., & Wassmer, G. (1999). Adaptive Sample Size Calculation in Group Sequential Trials. Biometrics, 55, 1286-1290.
Wang, S. K., & Tsiatis, A. A. (1987). Approximately optimal one-parameter boundaries for group sequential trials. Biometrics, 43, 193-199.
Hintergrund: Das maligne Melanom ist eine lebensbedrohliche Erkrankung der Haut. Die Therapie des Melanoms als auch die Produktivitätsverluste durch Morbidität und Mortalität verursachen Kosten aus der gesellschaftlichen Perspektive. Diese gesellschaftlichen Kosten wurden bisher nur in wenigen europäischen Ländern untersucht. Eine vergleichende Studie der Krankheitskosten des Melanoms über alle Europäischen Länder existiert bislang nicht.
Fragestellung: Ziel dieser Analyse ist die Modellierung und der Vergleich der gesellschaftlichen Kosten durch das maligne Melanom in den Ländern der Europäischen Union (EU) und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) nach Kostenarten. Anhand der Ergebnisse kann das ökonomische Potential präventiver Maßnahmen bestimmt werden.
Methoden: Die direkten und Morbiditätskosten wurden anhand einer systematischen Literaturrecherche ermittelt. Für Länder, aus denen keine Kosteninformationen verfügbar waren, wurden die Kosten anhand des nationalen Bruttoinlandsprodukts, der Gesundheitsausgaben, des nationalen Einkommens und epidemiologischer Daten modelliert. Die Mortalitätskosten wurden anhand von Mortalitätsstatistiken und des nationalen Pro-Kopf-Einkommens nach Altersklassen berechnet. Die Mortalitätskosten wurden mit einer jährlichen Rate von 3% diskontiert. Eine Adjustierung der Kosten um die Kaufkraftparität ermöglichte einen internationalen Vergleich.
Ergebnisse: Die nationalen Krankheitskosten des malignen Melanoms schwankten von 1,1 Millionen Euro in Island bis 526,5 Millionen Euro in Deutschland und ergaben für alle 31 Länder 2,7 Milliarden Euro. Auf Patientenebene lagen die Kosten zwischen 6.422 Euro in Bulgarien und 50.734 Euro in Luxemburg.
Nach Adjustierung um die Kaufkraftparität verringerten sich die Kostenunterschiede. In Bulgarien entstanden mit 14.420 Euro die geringsten Kosten und in Zypern mit 50.961 Euro die höchsten Kosten pro Patient. Die direkten Kosten und Morbiditätskosten waren in Ländern, die der EU seit 2004 beigetreten sind, deutlich geringer als in den restlichen Staaten. Dies war insbesondere der Fall, wenn die Modellierung basierend auf den Gesundheitsausgaben durchgeführt wurde. Die Mortalitätskosten fielen dagegen in Ländern mit einem hohen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf am geringsten aus.
Schlussfolgerung: Das maligne Melanom verursacht in dieser ersten Annährung relevante Krankheitskosten in Europa. Es bestehen signifikante Disparitäten hinsichtlich der Krankheitskosten pro Patient und den Anteilen der Kostenarten zwischen den Ländern. Dies kann auf Unterschiede in den Gesundheitssystemen, dem Zugang zur Gesundheitsversorgung, der Verfügbarkeit effektiver Therapieoptionen, aber auch dem Präventionsangebot und dem Bewusstsein in der Bevölkerung zurückgeführt werden. Für Informationsmaßnahmen sowie Maßnahmen der Früherkennung besteht in Europa das Potential die Belastung für Patienten zu senken sowie die Höhe der Behandlungskosten und Produktivitätsverluste zu verringern.
Hintergrund:
In den letzten Jahren haben sich Sekundärdatenanalysen in der Versorgungsforschung als eigener Forschungszweig etabliert. Die dafür genutzten Routinedaten werden in der Regel bei der Abrechnung von Leistungserbringern mit den Kostenträgern erfasst. Die meisten Patienten in der Krankenhaus-Notaufnahme werden im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) behandelt und stationär mit den Krankenkassen oder ambulant mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) abgerechnet. Weitere Kostenträger sind die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) und die private Krankenversicherung (PKV). Die einzelnen Abrechnungsverfahren stellen auf Basis der deutschen Version der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10-GM) eigene Anforderungen an die Diagnosekodierung. Die Schnittstellenfunktion von Notaufnahmen zwischen ambulantem und stationärem Sektor sowie verschiedene abrechnungstechnische Zuständigkeiten bedingen die Existenz verschiedener Datenhalter. Diese Umstände führen zur erschwerten Beantwortung von versorgungsepidemiologischen Fragenstellungen im Bereich der Notaufnahmen.
Fragestellung:
Ziel ist eine Gegenüberstellung der Anforderungen von nach ICD-10-GM kodierten Diagnosen, die im Rahmen der Versorgung in Notaufnahmen obligatorisch erfasst werden. Diese könnten für die Versorgungsforschung genutzt werden. Sekundäres Ziel ist die Beantwortung der Frage, ob aus Sicht der Datenhalter die Versorgung eines Patienten in einer Notaufnahme fallbezogen zu identifizieren ist.
Methode:
Vergleich der Anforderungen zur Datenerhebung und -übermittlung in den verschiedenen Sektoren.
Ergebnisse:
Bei ambulant behandelten Patienten ist bei Abrechnung mit den KVen mindestens eine nach ICD-10-GM kodierte Diagnose zu erfassen. Die Angabe eines von vier Zusatzkennzeichen zur Diagnosesicherheit ist obligatorisch (V: Verdacht, G: gesichert, A: ausgeschlossen, Z: Zustand nach). Bei Vorliegen mehrerer Diagnosen werden diese gleichwertig übermittelt. Das trifft auch bei ambulanten Behandlungen im Rahmen der GUV zu, hier ist die Angabe von Zusatzkennzeichen allerdings nicht vorgesehen. Für Abrechnungen mit der PKV oder bei Selbstzahlern ist die Erfassung einer dokumentierten Diagnose nicht obligatorisch.
Am Ende eines stationären Aufenthalts ist bei GKV-Patienten gemäß § 301 SGB 5 V eine Diagnose als Hauptdiagnose zu definieren. Diese muss nicht mit dem Behandlungsanlass in der Notaufnahme identisch sein. Gemäß § 21 KHEntgG müssen diese Daten von allen stationären Patienten (einschließlich GUV und PKV) zusammengefasst und fallbezogen an das DRG-Institut (InEK) übermittelt werden. Nur bei GKV-Patienten ist eine Aufnahmediagnose gemäß § 301 SGB 5 V zu erfassen und mit der Aufnahmeanzeige an die zuständige Krankenkasse zu übermitteln. Bei GUV-Patienten erfolgt das mit dem Durchgangsarztbericht.
Die KVen können ambulante Behandlungen in einer Notaufnahme über deren Betriebsstättennummer direkt identifizieren. Ein Fachabteilungsschlüssel in stationären Daten für Notaufnahmen existiert nicht. Daher können gesetzliche Krankenkassen und das InEK die Behandlung von stationären Patienten in einer Krankenhausnotaufnahme nur indirekt über den Aufnahmeanlass und den Aufnahmegrund „Notfall“ abschätzen.
Diskussion:
Im ambulanten Bereich ist bei GKV- und GUV-Fällen weder die Kennzeichnung einer führenden Diagnose, noch bei PKV-Fällen überhaupt eine Diagnosekodierung obligatorisch. Bei einem verunfallten ambulant behandelten Patienten wird unterschiedlich kodiert, je nachdem ob es sich um einen Unfall in der Freizeit (GKV – mit Zusatzkennzeichen) oder einen Wegeunfall (GUV – ohne Zusatzkennzeichen) handelt. Diagnosen im Rahmen der KV-Abrechnung mit dem Zusatzkennzeichen „A“ stellen eine Besonderheit dar. Sie sagen eher etwas über eine durchgeführte Diagnostik als über eine tatsächliche Diagnose aus (z.B. ICD-Diagnose „I61“ mit Zusatzkennzeichen „A“ als Hinweis auf eine craniale Computertomographie zum Ausschluss einer intrazerebralen Blutung). Zusammengefasst ergeben sich erhebliche Limitationen bei diagnosebezogenen Analysen ambulanter Krankenhausfälle.
Aus Sicht der Datenhalter ist nur bei ambulanten GKV-Fällen eine Versorgung in der Notaufnahme direkt identifizierbar. Hinsichtlich der sekundären Fragestellung zeigt sich, dass Prävalenzschätzungen von Behandlungen in Notaufnahmen auf Basis von Sekundärdaten erschwert sind.
Praktische Implikationen:
Eine Vereinheitlichung der Kodier-Anforderungen ist wünschenswert, scheint aber mittelfristig nicht umsetzbar. Krankenhausintern ist die Dokumentation einer kodierten „führenden Notaufnahmediagnose“ möglich. Diese Lösung wurde auch für das Notaufnahmeregister AKTIN (Förderkennzeichen BMBF: 01KX1319A) gewählt und für den Austausch elektronischer Dokumente technisch umgesetzt. Damit wird es möglich, die aktuelle politische Diskussion um die Notfallversorgung mit konkreten versorgungsepidemiologischen Analysen zu fundieren.
Hintergrund
Im Zuge der Erneuerung des Klinischen Arbeitsplatzsystems der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) ist auf Initiative der IT-Strategiekommission und in enger Abstimmung mit dem Vorstand der UMG das KAS+ Projekt initiiert worden, welches das Ziel verfolgt, Versorgung und Forschung auf Basis einer erneuerten, integrierten Infrastruktur zu verbinden. So sollen Behandlungsdaten für Forschungszwecke erschlossen, klinische Abläufe optimiert und gleichzeitig Forschungsvorhaben wie bspw. die Durchführung Klinischer Studien vereinfacht werden. Neben der Extraktion von Daten aus einer Vielzahl klinischer Systeme und einem Transfer dieser Daten in eine einheitliche Forschungs-Patientenakte hinein sind hohe Anforderungen einer technischen Systemintegration umzusetzen.
Fragestellung
Die aktuelle Systemlandschaft im Umfeld der Krankenhaus-IT wird bestimmt durch eine Vielzahl von Systemen, die teils nicht vernetzt sind, als Insellösungen betrieben oder in verschiedener Art und Weise für die Dokumentation genutzt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Arztbriefschreibung der einzelnen Einrichtungen des Klinikums. Durch die vorherrschende Sicht auf einen konkreten Behandlungsfall werden nicht alle Möglichkeiten zur Optimierung der Versorgung ausgeschöpft, die durch gesamtheitliche Betrachtung einer Patientenakte bestünden. Ein Beispiel hierfür sind bildgebende Doppeluntersuchungen. Das KAS+ Projekt stellt einen Infrastrukturansatz vor, der nachnutzbare Lösungen hierfür beschreibt.
Methode
Im KAS+ Projekte wird eine strategische Entwicklungspartnerschaft mit drei Industriepartnern umgesetzt, in deren Zuge die Hersteller der Teilplattformen Versorgung (TP-V; MCC, Fa. Meierhofer AG) und Forschung (TP-F; CentraXX, Kairos GmbH) eng zusammenarbeiten. Die UMG hat hierzu eine integrierende Zielarchitektur definiert. Bestandssysteme wie SAP IS-H oder Swisslab werden mit den neuen Komponenten in optimierter Weise verbunden.
Ergebnisse
Nach einjähriger Implementierungszeit konnten im Zuge einer EFRE-Prüfung erste Ergebnisse in Form von 6 Use Cases praktisch demonstriert werden. Die Durchführung von Studien ist in die klinische Routine integriert. Das anwenderseitige Wechseln von Fenstern, Programmen oder Bildschirmen wird konsequent vermieden. Es besteht zudem die Möglichkeit, Studien ausschließlich in der forschungsseitigen Plattform durchzuführen. Die Systemintegration wird maßgeblich bestimmt von (1) der automatisierten Überführung klinisch erfasster Daten in die TP-F, (2) dem Abgleich aktueller Studiendefinitionen zwischen TP-F und TP-V, (3) der transparenten Einblendung von Formularen im versorgungsseitigen System sowie (4) der Umsetzung system¬übergreifender Workflows. Die Anforderungen des Datenschutzes sind durch eine technisch und organisatorisch separierte Treuhandstelle auf Basis der MOSAIC-Werkzeuge (mosaic-greifswald.de) für das Identitäts-, Einwilligungs- und Pseudonym-Management berücksichtigt. Als systemübergreifender Workflow ist ein „Fallzahlschätzer“ auf der Forschungs-Patientenakte umgesetzt, der mit der Hinterlegung von Rekrutierungsvorschlägen im versorgungsseitigen System verbunden werden kann.
Diskussion
Der Use Case „Fallzahlschätzer“/Rekrutierungsvorschlag hat sich bereits vor Produktivstart des KAS+ in Diskussionen mit klinisch tätigem Personal als hilfreich und relevant erwiesen. Die angestrebte Rückwirkungsfreiheit auf Abrechnung und Betrieb der klinischen Systeme erfordert die Trennung der Datenbestände und die möglichst automatisierte Überführung klinisch erhobener Daten in den Forschungsdatenbestand. Folgerichtig war hierzu die Erweiterung des Identitätsmanagements um die Möglichkeit, mehrere klinisch verschiedene Identitäten forschungsseitig zusammenzufassen und zwischen beiden „Welten“ wechseln zu können. Die Nutzung offener Standardformate wie XML oder Mechanismen wie REST/JSON hat sich bewährt, die Umsetzung der Gesamtarchitektur auf Basis von IHE erweist sich „aus dem Stand“ als zu großer Schritt. Der KAS+ Ansatz bildet die Basis für die Schaffung des Greifswalder Datenintegrationszentrums im share-it! Konsortium der BMBF-Förderinitiative Medizininformatik.
Praktische Implikationen
Besonders in Hinblick auf die erforderliche Anpassung am Markt etablierter Klinischer Arbeitsplatzsysteme ist die feste Verankerung tradierter Abläufe, Sicht- und Denkweisen sowohl bei Herstellern wie auch Kunden zu berücksichtigen. In enger strategischer Abstimmung der beteiligten Partner können die bestehenden Chancen dennoch zum wechselseitigen Nutzen technisch umgesetzt werden. Es ist zu erwarten, dass der Integration forschungsseitiger Bedarfe mit versorgungsseitigen Systemen zukünftig eine entscheidendere Rolle im Markt der Klinischen Arbeitsplatzsysteme zukommt.
Background
Calculation of the area under the curve (AUC) is a widely used practice in longitudinal study settings. The AUC values should reflect study participants’ particular trajectories by means of a continuous measure which can be further analyzed with ordinary statistical methods. Since longitudinal data are often collected in the course of randomized as well as observational studies in health services research, usage of AUC has a practical relevance for the field.
Research question
AUCs calculated by means of the common formulas do not necessarily mirror exactly the piece of information one is seeking for, since they always refer to the full area which is enclosed by the trajectory and both plotting axes. The available formulas need to be adapted in some cases in order to prevent misleading conclusions.
Methods
Common formulas for the calculation of the AUC as well as their specific advantages and limitations are presented. Furthermore, different approaches are discussed for developing AUC-derived measures for the application in particular analysis situations, e.g. capturing the extent of undercutting or exceeding a given threshold. All analyses are conducted in the statistical software R (version 3.2.1).
Results
The presented approaches are applied to various data sets from practice. First, a clinical data set capturing the follow-up of blood pressure measurements in intensive care patients are used. Second, longitudinal measurements of cerebral oxygenation in preterm infants are considered. Third, the time course of rehabilitation treatments in a large secondary data set is analyzed. All analyses base on sensible research questions which may be addressed in the course of a longitudinal data analysis.
Discussion
The results will demonstrate the inappropriateness of common AUC formulas when interpreting specific research questions related to longitudinal data. The standard calculation approaches only reveal the entire area enclosed by the trajectory and both axes, but the full AUC value is often not of primary interest. Therefore, the available formulas were adapted to more flexible algorithms. By means of the applied data examples it will be obvious that more situational approaches are required.
Practical implications
Since the analysis of longitudinal data is frequently used in health services research, this contribution may be of significant interest for data analysts in the field. A comprehensive description of study participants’ time course is required in order to assess treatments effects, risk factors, etc. in routine care to the full extent.
Hintergrund: Primäre Ziele von Modellprojekten zur Versorgung psychisch kranker Menschen nach § 64b SGB V sind die Verbesserung der Behandlungsqualität sowie ein effizienter Einsatz vorhandener Ressourcen.. Für die Evaluation dieser Modellprojekte eignen sich GKV-Routinedaten in besonderem Maße. Da bisher jedoch keine Empfehlung zur standardisierten Vorgehensweise für die routinedatenbasierte Kostenbewertung existiert, ist die Analyse mit besonderen methodischen Herausforderungen verbunden.
Fragestellung: In diesem Beitrag werden Herausforderungen bei der routinedatenbasierten Kostenbewertung von sektorübergreifenden Versorgungsmodellen systematisch aufgearbeitet. Am Beispiel der Evaluation von Modellprojekten nach § 64b SGB V, an der 89 gesetzliche Krankenversicherungen beteiligt sind, werden geeignete Vorgehensweisen zur Lösung dieser Probleme aufgezeigt.
Methode: Der für die ökonomische Bewertung zentrale Parameter ist die Kostenentwicklung, getrennt nach psychiatrischem und somatischem Bereich, in den Modellprojekten im Vergleich zur Regelversorgung. Dafür wurden durchschnittliche Kosten für voll-, teilstationäre und ambulante Leistungen sowie für Arznei- und Heilmittel ermittelt, die innerhalb eines Jahres vor und nach Eintritt eines Versicherten in ein Modellprojekt entstanden. Voll- und teilstationäre Kosten wurden bestimmt, indem die abgerechneten Beträge jeder Entgeltart (bspw. PEPP, psych. Pflegesätze, DRG) mit deren Anzahl multipliziert und die Produkte aller Entgeltarten aufsummiert wurden (inkl. Korrektur um Zu- und Abschläge bei Budgetabweichungen). Diese Kosten wurden den psychiatrischen Kosten zugeordnet, wenn die stationäre Behandlung in einer Abteilung für Psychiatrie oder Psychosomatik stattfand oder eine F-Diagnose als Hauptdiagnose dokumentiert war. Eine besondere Herausforderung lag in der Erarbeitung eines Mengengerüsts für ambulante Leistungen im psychiatrischen und somatischen Bereich. Da hier nicht nach Haupt- und Nebendiagnosen differenziert wird, und psychiatrische/psychosomatische Leistungen von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen erbracht werden, musste für die Zuordnung der Kostenpositionen eine eigene Systematik entwickelt werden: Während abgerechnete Positionen Psychiatrischer Institutsambulanzen vollständig den psychiatrischen Kosten zugeordnet wurden, erfolgte die Zuordnung von Leistungen der Hochschulambulanzen auf der Basis einer Zuordnung arztgruppenspezifischer sowie übergreifender Gebührenordnungspositionen (GOP) zum psychiatrischen und somatischen Bereich. Nicht eindeutig bestimmbare GOP wurden anteilig anhand des relativen Anteils psychiatrischer Diagnosen an allen Diagnosen eines Versicherten den psychiatrischen Versorgungskosten zugeordnet. Die Zuordnung der Abrechnungspositionen ambulanter Leistungserbringer erfolgte in gleicher Weise: Wurde eine Leistung durch einen Facharzt mit eindeutigem Schwerpunkt (z. B. Psychiatrie / Psychotherapie) erbracht, erfolgte eine Zuordnung zu den psychiatrischen Kosten. Bei Ärzten, die sowohl psychiatrische als auch somatische Leistungen erbringen (z. B. Neurologen, Hausärzte), erfolgte eine Zuweisung eindeutig psychiatrischer GOP zu den psychiatrischen Kosten. Nicht eindeutig bestimmbare GOP wurden wiederum anhand des relativen Anteils psychiatrischer Diagnosen den psychiatrischen Versorgungskosten zugeordnet. Die Kosten vertragsärztlicher Leistungen wurden bestimmt, indem je Behandlungsfall die Punkte aller Leistungen mit dem jeweils gültigen Orientierungswert bewertet wurden. Die Kosten für Arzneimittel wurden durch das Produkt aus Bruttopreis und abgegebenen Einheiten ermittelt. Arznei- und Heilmittelkosten wurden den psychiatrischen Kosten zugeordnet, wenn die Verordnung durch einen psychiatrischen Facharzt erfolgte oder sich auf Basis der Pharmazentral- bzw. der Heilmittelpositionsnummer ein ATC-Code für Psychopharmaka bzw. eine therapeutische Leistung für psychisch Erkrankte zuordnen ließ.
Diskussion: Herausforderungen bei der Ermittlung von Versorgungskosten über GKV-Routinedaten bestehen weniger in der Bewertung der Kosten als vielmehr in der Zuordnung zu bestimmten Indikationen, da keine Einzelleistungsvergütung auf Basis von Diagnosen erfolgt. Dennoch kann eine mittels Routinedaten durchgeführte Evaluation wichtige Erkenntnisse zu den Kosten verschiedener Erkrankungen sowie den Auswirkungen neuer Gesundheitsleistungen liefern, auf deren Basis Aussagen zum effizienten Ressourceneinsatz im Gesundheitswesen möglich sind.
Praktische Implikationen: Bislang existieren weder standardisierte Empfehlungen noch in vergleichbarem Umfang auf Basis von GKV-Routinedaten kassenübergreifend durchgeführte Kostenanalysen. Die in diesem Beitrag vorgestellte Vorgehensweise kann anderen Wissenschaftlern eine Orientierung bei der gesundheitsökonomischen Evaluation von Versorgungskonzepten aus Krankenkassenperspektive bieten.
Hintergrund
Seit einigen Jahren werden zunehmend Daten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Forschungszwecke genutzt. Allerdings bleiben die Studien auf das GKV-Leistungsgeschehen beschränkt. Bei der Gesundheitsversorgung leisten Rehabilitationsmaßnahmen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ebenso einen wertvollen Beitrag. Aufgrund der individuellen Bedürfnisse nach einer hohen Versorgungskontinuität über verschiedene Schnittstellen im Gesundheitssystem hinweg, ist eine isolierte Betrachtung dieser beiden Sektoren in der Versorgungsforschung jedoch nicht hinreichend. Um Forschungsfragen zum bedarfsgerechten Zugang sowie zur Wirksamkeit von Rehabilitationsleistungen beantworten zu können, ist sowohl eine Betrachtung der Versorgungsprozesse im Vorfeld und im Anschluss der Rehabilitation als auch der Rehabilitationsmaßnahme selbst erforderlich. Während anhand der GKV-Daten relevante Informationen zu Leistungen vor und nach der Rehabilitation gewonnen werden können, müssen Routinedaten der DRV herangezogen werden, um Informationen über Rehabilitationsleistungen und Erwerbsbiografien zu erhalten. Da eine Verknüpfung oftmals eine erhebliche methodisch-technische sowie datenschutzrechtliche Herausforderung darstellt, insbesondere im Zusammenhang mit Sozialdaten, wurde die Versorgung in den beiden Sektoren bisher nicht im Zusammenhang untersucht.
Fragestellung
Im Hinblick auf eine integrierte Auswertung der Versorgungsprozesse in den beiden Sektoren stellte sich die Frage, wie die Daten der Sozialversicherungsträger (GKV und DRV) mithilfe eines Konzepts zur datenschutzgerechten fallbezogenen Zusammenführung für sektorübergreifende Analysen von Behandlungspfaden nutzbar gemacht werden können.
Methode
Da ein direkter Austausch personenbezogener Daten zwischen GKV und DRV nicht zulässig ist und das Institut keine personenbezogenen Daten erhalten darf, wurde vom IFR Ulm gemeinsam mit der DRV BW und DRV Bund sowie der AOK BW ein spezielles Datenschutzkonzept erarbeitet, um die Daten der drei beteiligten Sozialversicherungsträger auf Einzelfallebene verknüpfen zu können.
Ergebnisse
Zur fallbezogenen Zusammenführung der Daten wurde gemäß dem konsentierten Datenschutzkonzept wie folgt vorgegangen: Die Daten wurden bei der AOK BW sowie der DRV BW und DRV Bund anonymisiert, d.h. personenbezogene Informationen wurden entfernt sowie sensible Angaben vergröbert, z.B. wurde das Geburtsdatum auf das Geburtsjahr reduziert. Ferner wurden Angaben zu sehr seltenen Krankheiten nicht übermittelt.
Die AOK BW, die auch über die Rentenversicherungsnummer der Versicherten verfügt, erzeugte ein „Pseudonym“. Diese wurde durch eine IT-Dienstleistungsgesellschaft der AOK BW mittels eines Verschlüsselungslogarithmus nach anerkanntem Standard aus der Krankenversicherungsnummer gebildet. Das Verfahren wurde beschrieben und dokumentiert.
Es wurde eine Pseudonymisierungsdatei erstellt, welche die Zuordnung von Rentenversicherungsnummer und Pseudonym beinhaltet. Diese wurde an die DRV BW und DRV Bund übermittelt, die ihren Versicherten anhand der Rentenversicherungsnummer das entsprechende Pseudonym zuordnen und die Daten pseudonymisiert an das IFR Ulm übermitteln konnte.
Für Versicherte, die bei der AOK kranken- und bei der DRV BW bzw. DRV Bund rentenversichert sind, war somit gewährleistet, dass das gleiche Pseudonym verwendet wurde, so dass am IFR Ulm hierüber die Datensätze auf Einzelfallebene verknüpft werden konnten.
Das Institut hat keinen Zugriff auf die Pseudonymisierungsdatei und kann keinen Personenbezug herstellen. Die Auswertungen erfolgen am IFR Ulm vollständig anonym.
Diskussion
Durch die Unterstützung der Sozialversicherungsträger, eine frühzeitige Einbeziehung ihrer Datenschützer sowie ein entsprechendes Datenschutzkonzept und ein adäquates Datenmanagement konnte ein einmaliger Datensatz mit hoher Aussagekraft und Repräsentativität erstellt werden. Er umfasst ca. 1 Mio. Personen, die sowohl bei der AOK BW krankenversichert als auch bei der DRV BW bzw. DRV Bund rentenversichert sind. Dabei kann das GKV- und DRV-Leistungsgeschehen erstmals im Zusammenwirken über einen Zeitraum von acht Jahren (2004-2011) analysiert werden. D.h. es können individuenbezogene Analysen des gesamten Versorgungsprozesses über Sektorengrenzen hinweg durchgeführt sowie mittel- und langfristige Ergebnisse verschiedener Versorgungsleistungen betrachtet werden. Am IFR Ulm werden derzeit Behandlungsverläufe sowie Erwerbsbiografien von Rehabilitanden und Nichtantragstellern mit ähnlichem Gesundheitsstatus verglichen. Die Auswertungen leisten einen wertvollen Beitrag dazu, die immer wieder eingeforderten Belege für die Wirksamkeit von Rehabilitation zu gewinnen.
Praktische Implikationen
Anhand des erschlossenen Datenpools kann ein breites Spektrum zusätzlicher Fragen beantwortet werden. Das entwickelte Datenschutzkonzepts hat sich bewährt und dürfte für weitere Studien in der Versorgungsforschung wertvoll sein, um den Erkenntnisgewinn zu steigern.
Hintergrund
Fragen der Implementierung technologischer Innovationen erfahren innerhalb der internationalen Versorgungsforschung in den letzten Jahren zunehmende Beachtung. Die Berücksichtigung von Aspekten soziotechnischer Überlegungen ist vor diesem Hintergrund obligatorisch. An diesem Punkt des aktuellen Diskurses weist die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) als Sozialtheorie in ihrem postmodernen Paradigma ein großes Anknüpfungspotential auf, denn „Die bekannteste und zugleich umstrittenste These der ANT, [ist] die methodologische Forderung, sämtliche Entitäten – Menschen wie technische Apparate – als Akteure zu behandeln […]“ (Belliger und Krieger, 2006, S. 15). In Bezug auf die Implementierung von Technologien im Gesundheitswesen wird die ANT international bereits zur Kenntnis genommen (vgl. Cresswell et al., 2010). Eine aktuelle Zusammenschau zur Thematik konnte bislang nicht identifiziert werden.
Fragestellung
Ziel ist es zu klären, wie die ANT in der Versorgungsforschung im Rahmen der Implementierung technologischer Innovationen zum jetzigen Zeitpunkt aufgegriffen wird. Damit soll ein theoriegeleiteter Beitrag zum Technik-Diskurs in der Versorgungsforschung geleistet werden.
Methode
Zur Bewertung der Konzeption der ANT als theoretische Basis für die Implementierung technologischer Innovationen wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Der Materialzugang erfolgte durch Recherche in elektronischen Fachdatenbanken (PubMed und CINAHL) mit den Suchbegriffen ‚actor network theory‘ und ‚health services research‘, verknüpft mit dem Booleschen Operator ‚AND‘, um einen breiten Zugang zu gewährleisten. Eingeschlossen wurden alle deutsch- und englischsprachigen Beiträge mit Bezug zur ANT im Rahmen der Versorgungsforschung, dabei besonders im Hinblick auf die Implementierung technologischer Innovationen. Die relevanten Daten aus den Beiträgen zur Beantwortung der erkenntnisleitenden Fragestellung wurden extrahiert, narrativ zusammengefasst und diskutiert.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 41 Beiträge identifiziert, davon wurden elf als wesentlich für die vorliegende Fragestellung eingestuft. Von diesen Beiträgen stammen fünf aus der nordamerikanischen Region und sechs aus dem skandinavischen Raum bzw. aus dem Vereinigten Königreich. Deutschsprachige Publikationen konnten nicht identifiziert werden. Zumeist konnte ein positiver Nutzen der ANT im Rahmen der Implementierung technologischer Innovationen bemerkt werden. In einem weiteren Sinne beziehen sich die relevanten Beiträge auf die Implementierung technologischer Innovationen im Bereich der Versorgungsforschung unter Heranziehung der ANT. Folgende Aspekte bei der Anwendung der ANT sind zu unterscheiden:
1. ANT als theoretischer Zugang
2. ANT als Basis für das methodische Vorgehen
3. Grundsätzliche Überlegungen zur ANT.
Diskussion
Die eher marginalen Trefferzahlen sowie die eher aktuellen Publikationsdaten der identifizierten Beiträge verweisen darauf, dass die ANT im internationalen Technologie-Diskurs der Versorgungsforschung langsam Eingang findet. Die genannten Ergebnisse bestätigen weiterhin den Schluss von Cresswell et al (2010, S. 1), dass die ANT „can be helpful in investigating technology implementations in healthcare settings.“ Für die deutschsprachige Versorgungsforschung wird vor diesem Hintergrund eine intensivere Beschäftigung mit der ANT gefordert, denn die postmoderne Verwobenheit der Entitäten, insbesondere bei technologischen Implementierungsprozessen, weist einen Bedarf nach komplexen Aushandlungsprozessen auf und „Die ANT beschreibt weder Gesellschaft noch Natur, sondern einen Prozess der Artikulation.“ (Belliger & Krieger, 2006, S. 29).
praktische Implikationen
Die erarbeiteten Hinweise deuten darauf hin, dass die ANT bei einer langfristigen und nachhaltigen Implementierung technologischer Innovationen hilfreich ist, da zunächst die soziotechnischen Beziehungen und Zusammenhänge der Netzwerke verstanden werden müssen. Der nächste Schritt für die Intensivierung der Theoriediskussion sowie der Forschungspraxis ist die Erstellung eines Implementierungs-Konzeptes/-Frameworks mit akteur-netzwerk-theoretischer Basis für eine versorgungswissenschaftlich geprägte Implementierungsforschung.
Literaturangaben
Belliger, A., & Krieger, D. J. (2006). Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. In A. Belliger & D. J. Krieger (Hrsg.), ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie (pp. 13–50). Bielefeld: Transcript.
Cresswell, K.M., Worth, A., & Sheikh, A. (2010). Actor-Network Theory and its role in understanding the implementation of information technology developments in healthcare. BMC Medical Informatics and Decision Making, 10(67), 1-11. Abgerufen von http://www.biomedcentral.com/1472-6947/10/67/prepub
Hintergrund
Die NAKO (Nationale Kohorte) ist mit geplanten 200.000 Teilnehmern im Alter von 20 bis 69 Jahren eine der größten Gesundheitsstudien Deutschlands. Die zufällig aus der Bevölkerung ausgewählten Teilnehmer werden in 18 Studienzentren (SZ) persönlich mit eCRF, mit Touchscreens und mittels schriftlichen Fragebögen befragt. Dazu werden die Teilnehmer mit medizinischen Geräten untersucht sowie um die Abgabe von verschiedenen Bioproben gebeten. Alle Studiendaten werden in den SZ mit einer Webanwendung des Integrationszentrums (IZ, Greifswald und Heidelberg) erhoben und in dessen zentraler Studiendatenbank gespeichert. Mit Hilfe von einheitlichen Standardarbeitsanweisungen (SOP) z.B. zur Ausführungsqualität der Untersuchungen sollen Unterschiede bei der Datenerhebung zwischen den SZ minimiert werden.
Durch ein kontinuierliches Monitoring der Studiendaten können Auffälligkeiten frühzeitig erkannt und die Datenqualität ständig weiter verbessert werden.
Fragestellung
Die Sicherstellung einer hohen Datenqualität obliegt in der NAKO der internen und der unabhängigen externen Qualitätssicherung (QS). Über einen Beantragungsprozess können beide aus dem IZ Studiendaten für einen bestimmten Zeitraum erhalten, um damit statistische Auswertungen durchzuführen. Dieser Ablauf erfordert jedoch wiederkehrenden Aufwand für die Datenextraktion, -aufbereitung und -zusammenstellung. Zudem können die Auswertungen und Berichte nicht zeitnah erstellt werden. Dies kann dazu führen, dass Probleme bei der Datenerhebung erst verzögert entdeckt werden. Da dieser Prozess von der Beantragung bis hin zur Auswertung häufig einen wesentlichen zeitlichen Verzug mit sich bringt, besteht Bedarf für ein zeitnahes, automatisiertes Monitoring der Daten.
Methode
Für die Erzeugung der Monitoringberichte wurde die serverbasierte Webanwendung REMOND („Reporting and monitoring of data“) mittels Java Enterprise Edition entwickelt, die einen direkten Zugriff auf die NAKO Studiendatenbank besitzt. Die Berichtsinhalte (Tabellen und Abbildungen) werden mit dem frei verfügbaren Statistikpaket R berechnet. Mit REMOND werden die R-Routinen entwickelt, gespeichert, konfiguriert und getestet. Anschließend besteht die Möglichkeit, diese über eine grafische Oberfläche zu strukturierten Berichtsvorlagen zusammenzustellen. Mit Hilfe einer Zeitsteuerung werden regelmäßig und automatisiert aus den Berichtsvorlagen Berichte in verschiedenen Ausgabeformaten erzeugt (LaTeX-PDF, CSV und XLSX). Diese Berichte werden unter Berücksichtigung eines detaillierten Rechte- und Rollenkonzepts den Nutzern bereitgestellt. Die Benutzer können dabei mittels eines Webbrowsers die für ihre Nutzergruppe(n) jeweils zugänglichen Berichte abrufen und speichern.
Ergebnisse
REMOND wird in allen 18 SZ der NAKO für den Abruf von Monitoringberichten aktiv genutzt. Derzeit werden etwa 120 R-Routinen und 20 verschiedene Berichtsvorlagen verwaltet. Die R-Routinen umfassen z.B. allgemeine und deskriptive Statistiken z.B. zu fehlenden Variablen und fehlenden Untersuchungsbestandteilen (z.B. Gerätedateien) und die Berechnung der Anteile fehlender Untersuchungen. Die grafischen Darstellungen der R-Routinen umfassen z.B. Linien- und Balkendiagramme, Box-Whisker-Plots, Heat-Maps sowie selbstentwickelte Trendabbildungen.
Der Bericht Teilnehmerstatistik beinhaltet 34 Tabellen und 27 Abbildungen mit umfassenden Informationen zum tagesaktuellen Stand der Rekrutierung von Teilnehmern der Studie. Unterschreitungen von Zielzahlen für die Rekrutierung sind dadurch objektiv und quantitativ erkennbar und ein frühzeitiges Gegensteuern ermöglicht. Der Bericht Untersuchungsstatistik liefert einen Überblick über die Vollständigkeit aller 38 Module des Studienprogramms (Befragungen, körperliche Untersuchungen und Bioproben). In den Einzelberichten, für verschiedene gerätebasierte Untersuchungen, wird auf die Vollständigkeit der an das ZDM übermittelten Daten zu den einzelnen Modulen, die Vollständigkeit jeder der Variablen und der Status der nicht durchgeführten Module geschaut (u.a. Abbruch durch Teilnehmer oder durch Untersucher). Neben den Berichten unterstützt REMOND z.B. auch die Erstellung von Kandidatenlisten mit potentiellen Teilnehmern für Kalibrierungsuntersuchungen, Nachbefragungen und Folgeuntersuchungen.
Diskussion
Die Berichte sind zum Teil umfangreich und müssen sowohl die Integrität aller Inhalte als auch eine hohe Verständlichkeit gewährleisten. Der Vorteil der automatischen und generischen Berichtsgenerierung ist, dass nach Fertigstellung einer Berichtsvorlage der Aufwand für Wartungund Anpassung geringer ist.
Praktische Implikationen
Es sollen in Zukunft noch weitere Berichte entstehen, die mit fortgeschrittener Statistik das Monitoring von Studiendaten erleichtern (z.B. SZ-Gesamtberichte und Untersuchungszeiten). Alle Prozesse müssen an die rasch wachsende Datenmenge der Studie angepaßt werden. was weiterhin hohe Anforderungen an die Stabilität und Bedienbarkeit der REMOND Software stellen wird.
Hintergrund
In Deutschland beträgt die 12-Monats-Prävalenz für die psychiatrischen Erkrankungen Schizophrenie und schizoaffektiven Störungen 2,6 % und 1,5 % für bipolare Störungen. Die medikamentöse Behandlung ist ein zentraler Baustein in der Behandlung dieser Krankheiten sowohl in akuten Stadien als auch häufig ein Leben lang. Aber nur 35 – 50 % der Patienten mit Schizophrenie und bipolaren Störungen verhalten sich adhärent. Häufig sinkt die Adhärenz über die Zeit betrachtet weiter ab.
Fragestellung
Das Ziel dieser Analyse war es, Determinanten für die Medikamentenadhärenz von Patienten mit Schizophrenie und bipolaren Störungen zu identifizieren.
Methode
Die verwendeten Daten wurden der Baseline Erhebung einer prospektiven, randomisiert-kontrollierten Studie entnommen (Tecla-Studie), in der untersucht wird, ob telemedizinische Interventionen (Telefon- und SMS-Kontakte) die Medikamentenadhärenz von schizophrenen und bipolaren Patienten verbessern können. Die Patienten wurden im Anschluss an eine stationäre Behandlung in die Studie eingeschlossen. Die Adhärenz wurde mit der deutschen Version des Medication Adherence Report Scale (MARS-D, Score: 5-25) gemessen. Als weitere Faktoren flossen Alter, Geschlecht, Bildung, Erwerbstätigkeit, das Funktionsniveau (Global Assessment of Functioning (GAF)), Soziale Unterstützung (F-SozU), soziale Erwünschtheit (KSE-G) und die Anzahl der schweren und sehr schweren Nebenwirkungen in eine logistische Regression ein. Der Mars-D wurde dafür dichotomisiert in adhärentes Verhalten (Score von 25) und nicht-adhärentes Verhalten (Score < 25). Zuvor wurde eine multiple Imputation für fehlende Werte durchgeführt.
Ergebnisse
127 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 42,4 Jahren (SD 12,9 Jahre) wurden in die Analyse eingeschlossen, davon waren 57,7 % Männer (n = 73). 106 Patienten hatten eine Diagnose aus dem Spektrum Schizophrenie und schizoaffektive Störungen und 27 hatten die Diagnose bipolare Störung; dabei gab es auch Patienten mit mehreren Diagnosen. Der MARS-D Score beträgt im Durchschnitt 23,4 (SD 2,5, Median 24). Einen Score von < 25 hatten 53,5 % der Patienten (n = 68) und sind damit als nicht adhärent einzustufen. Ein höheres Alter (OR 1,02, p<0,0001), ein höheres Level des Funktionsniveaus (OR 1,02, p<0,0001) und ein höherer Score bei der Sozialen Unterstützung (OR 1,02, p<0,0001) zeigten eine positive und signifikante Assoziation zur Medikamentenadhärenz. Das Geschlecht (weiblich versus männlich OR 0,64, p<0,0001), Erwerbstätigkeit (OR 0,63, p<0,0001) und Soziale Erwünschtheit (hier der Aspekt der Minimierung der negativen Qualitäten der eigenen Person (je höher der Score, desto stärker werden negative Qualitäten minimiert) OR 0,615, p < 0,0001) sind negative Determinanten für die Adhärenz. Ein höherer Bildungsgrad (OR 1,036, p = 0,6826) und Nebenwirkungen (OR 1,002, p = 0,9396) zeigten positive, aber nicht signifikante Einflüsse. Außerdem wurden Sensitivitätsanalysen berechnet (eine logistische Regression mit einem Cut off von 24 und eine lineare Regression in einem Generalisiertem Linearen Modell (GLM) mit einer Poisson-Verteilung), die zeigten, dass die Ergebnisse für GAF, Soziale Erwünschtheit und Soziale Unterstützung belastbar sind.
Diskussion
Es ist bekannt, dass Messungen der Adhärenz mit self-reporting-Instrumenten dazu neigen, dass adhärentes Verhalten überschätzt wird. Die Originalversion des MARS-D, der MARS-5, ist jedoch mit Fokus darauf entwickelt worden, nicht-adhärentes Verhalten zu entdecken. Die Art der Befragung soll die Patienten dazu ermutigen, wahrheitsgemäß auf die Fragen zu antworten, die in einer nicht bedrohlichen und nicht-beurteilenden Weise gestellt werden. Der Bias aufgrund von sozialer Erwünschtheit soll so minimiert werden. Die Zweifel an der Richtigkeit zu den Aussagen non-adhärenten Verhaltens können als geringer angesehen werden, wenn der Patient sagt, sich nicht adhärent zu verhalten. Die negative Assoziation der Minimierung der negativen Qualitäten als Faktor der sozialen Erwünschtheit auf die Adhärenz bestätigt, dass Patienten, die eine Non-Adhärenz zugeben, ihre negativen Qualitäten weniger minimieren.
Praktische Implikationen
Patienten dieses Krankheitsspektrums haben eine hohe Krankheitslast und bedürfen einer kontinuierlichen Behandlung und Nachbetreuung. Insbesondere eine auch dauerhafte Adhärenz zur medikamentösen Behandlung ist wichtig, um diese Erkrankungen unter Kontrolle zu halten. Daher ist es wichtig, Faktoren, die die Medikamentenadhärenz negativ beeinflussen, zu minimieren und Faktoren, die sie positiv beeinflussen zu stärken. Die Ergebnisse dieser Analyse haben gezeigt, dass die soziale Unterstützung einen positiven Einfluss hat. Daher sollte in der Behandlung schizophrener, schizoaffektiver und bipolarer Patienten auch das soziale Umfeld, Angehörige und Betreuer, in die Behandlung einbezogen werden und ihre Kenntnis, ihr Verständnis und ihre Unterstützung für die medikamentöse Behandlung gestärkt werden.
HINTERGRUND
Bei Auswertungen medizinischer Daten ist die Berücksichtigung von Änderungen in den Metadaten besonders wichtig, um vergleichbare Aussagen über längere Zeiträume zu erhalten. Gleichzeitig ist die Dynamik bzgl. Änderungen im Gesundheitswesen häufig sehr prägnant. Diagnosen z.B. werden in vielen Ländern der Welt nach der Klassifikation International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) erfasst und die deutsche Modifikation (ICD-GM) jährlich vom DIMDI aktualisiert. Dazu werden neu identifizierten Erkrankungen Codes zugewiesen, bestehende Codierungen zusammengefasst oder einzelne Bereiche von Krankheiten neu unterteilt, wobei sich jedes Jahr ca. 1,5% der Einträge des ICD-GM 10 änderten.
FRAGESTELLUNG
Wie lassen sich Änderungen in Klassifikationen mittels IT-Unterstützung so auswerten, dass Nutzern inhaltliche Änderungen angezeigt werden und eine erfolgte Veränderung der Modellierung bei der Ergebnisgenerierung berücksichtigt werden kann, ohne dass eine vorherige, potentiell mit Informationsverlust behaftete Anpassung der gespeicherten Datengrundlage notwendig ist.
METHODE
Der Ansatz basiert auf einer graphenbasierten Ad-hoc-Datentransformation, bei der Änderungen in den Klassifikationen visualisiert und für Auswertungen verwendbar gemacht werden. Metadatenänderungen können dabei sowohl syntaktischer als auch semantischer Natur sein und werden als verbindende Kanten zwischen verschiedenen Versionen einer Klassifikation modelliert (Überleitungen), wobei diese Klassifikation als Graphenstruktur aufgefasst werden.
Durch die Interpretation der Verbindungen für eine Analyseanfrage werden sogenannte Evolutionspfade identifiziert, die aus Mengen von verbundenen Klassifikationselementen verschiedener Versionen bestehen. Die Evolutionspfade repräsentieren dabei domänenspezifisches Hintergrundwissen, welches in den Überleitungen repräsentiert ist, wie z. B. die Bedeutungsänderung von Codierungen über die Zeit.
Nutzer können dieses Hintergrundwissen visuell erfassen und sich für einen geeigneten Evolutionspfad entscheiden. Die Analyseanfrage wird dann zur Anfragezeit so umgewandelt, dass die auszuwertenden Daten zum Zeitpunkt der Anfrage und speziell für deren Zwecke unter die gewählte Bedeutung des Evolutionspfads transformiert werden. Dabei wird auf eine tatsächliche Umcodierung der Datenbasis sowie die Nutzung von Approximationen verzichtet.
ERGEBNISSE
Der als IT-Prototyp umgesetzte Ansatz wurde, neben einer Gebietsklassifikation, mit den vom DIMDI für die ICD-GM bereitgestellten Überleitungen der Jahre 2004 bis 2012 getestet. Der IT-Prototyp wurde u. A. neun Personen aus dem Bereich Krebsepidemiologie im Rahmen einer Befragung vorgestellt. Hier fanden acht Personen sowohl die Visualisierung als auch den Ansatz hilfreich. Insbesondere die aus der Visualisierung gewonnene Erkenntnis, dass einzelne Codes für vergleichbare Ergebnisse bei Anfragen hinzugefügt werden mussten, wurde als überraschend angesehen. Dies wurde an dem ICD-GM 10 Code C80 gezeigt, der von der Version 2009 zu 2010 restrukturiert und ein Teil zu C79.9 exkludiert wurde. Für inhaltlich vergleichbare Ergebnisse zu C80 aus 2009 müssten ab 2010 die Codes C80, C80.0, C80.9 als auch C79.9 betrachtet werden.
Alle Befragten gaben an, bereits selbst mit dem Problem der sich ändernden Codierungen und Bedeutungen konfrontiert gewesen zu sein.
Für Analysen wurde der Prototyp bisher nur für Daten der strukturierten Qualitätsberichte der Krankenhäuser der Berichtsjahre 2006, 2008 und 2010 verwendet. Hier gab es Hinweise, dass die Ergebnisse die Entwicklung von Fallzahlen für angefragte Diagnosen besser abbilden als ohne die Berücksichtigung aller zugehörigen Überleitungen des DIMDI.
DISKUSSION
Die Identifizierung verschiedener Bedeutungen von Codierungen und die Visualisierung von Änderungen in Klassifikationen wurde von Nutzern aus dem epidemiologischen Bereich als nützlich angesehen. Um den Nachweis zu erbringen, dass die Ergebnisse der Analysen besser sind, bedarf es konkreter Auswertungen von medizinischen Daten aus einem längeren Zeitraum. Da der Ansatz aus der IT entwickelt wurde ist hier noch Bedarf an einer inhaltlichen Überprüfung durch die Versorgungsforschung bzw. Epidemiologie.
PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN
Um die Veränderungen in Klassifikationen wie der ICD-GM 10 nachvollziehen zu können braucht es Systeme zur Aufbereitung der Überleitungen. Der skizzierte Ansatz ist für Datengrundlagen geeignet, bei denen bekannt ist nach welcher Version einer Klassifikation die Daten erfasst und gespeichert wurden. Eine kennzahlabhängige Approximation zur Umcodierung einzelner Werte wird nicht benötigt. Dadurch müssen gegebenenfalls Gruppen von Codierungen analysiert werden, im Gegenzug wird eine Unschärfe durch Schätzwerte ausgeschlossen und der Ansatz ist direkt ohne Anpassung der Datenbasis nutzbar.
Background
A simulation can be a tool to explore methodological challenges of used study designs or data analysing methods.
Here, we provide an R-package for sampling multidimensional distributed data within cluster randomized trails,
for stepped wedge design (SWD) trails as well as cross-over and parallel designs.
The SWD is an alternative study designs when a simple parallel design is not useful or not be feasible.
Aim
This design is relative new and for health care researchers in practice several methodological pitfalls are possible.
The aim is to give an orientation before beginning a study to determine how sensitive their study is against common
scenarios in research practice.
Method
A simulation experiment is performed investigating three factors:
the intervention reach not the 100\% assumed implementation,
number of missing clusters and time point at which clusters were lost.
The data within an (cross-sectional as well as longitudinal) SWD trial including
the deviations from the assumed perfect situation were sampled using the R-package.
Then the followed effect estimation were realized using a linear mixed-effects model.
Results
The results of the simulation study show that the SWD was not robust against a lack of implementation,
identifying that a delay in implementation had the greatest influence on the estimates.
The variance of the effect estimates increased with the number of lost clusters,
where the time-point of clusters loss had only a marginal influence.
Discussion
Researcher may consider using simulation studies to quantify the effect of possible practical lacks within studies.
Moreover, solutions to encounter such identified lacks should be found before a study is performed.
For example, for implementation errors within SWD trials it is suggested
to estimate the degree of intervention implemention via process evaluation,
which can ten be included into the statistical model.
Practical implication
The provided R-package is usefull to sampling data within such studies and the simulation can be adapted for other settings.
Hintergrund: Die Aufrechterhaltung einer wohnortnahen gesundheitlichen Versorgung für Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Gemeinden ist von zunehmender Bedeutung. Aufgrund der demografischen Entwicklung stellt sich jedoch die Frage, wie eine wohnortnahe gesundheitliche Versorgung in ländlichen Gemeinden auch in Zukunft gewährleistet werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage, werden derzeit vermehrt neue Versorgungskonzepte wie z.B. Tele-Health Ansätze, mobile Arztpraxen oder Versorgungszentren, entwickelt und erprobt. Im Rahmen dieser Entwicklungen werden jedoch die Erwartungen und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger an die Ausgestaltung der gesundheitlichen Versorgung der Zukunft bisher nur wenig berücksichtigt.
Fragestellung: Welche Erwartungen haben Bürgerinnen und Bürger ländlicher Gemeinden in Westfalen-Lippe an die Ausgestaltung der zukünftigen gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Raum?
Methode: Im Rahmen einer qualitativen Studie wurden zwischen März und April 2017 in drei ländlichen und von Unterversorgung bedrohten Gemeinden in Westfalen-Lippe, N=3 leitfadengestützte Fokusgruppendiskussionen mit jeweils 6-8 Teilnehmern zwischen 18 und 80 Jahren durchgeführt. Die Auswahl der Gemeinden erfolgte auf der Grundlage eines eigens entwickelten Kriterienkatalogs. Berücksichtigt wurden der Ländlichkeitsstatus sowie die aktuelle und prognostizierte zukünftige ambulante Versorgungssituation in den Gemeinden. Die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgte per Anzeige in regionalen Zeitungen und Veranstaltungshinweisen im Internetauftritt der Gemeinden. Das Interviewmaterial wurde transkribiert und nach den Vorgaben der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring analysiert. Es wurde eine deduktiv-induktive Kategorienbildung durchgeführt.
Ergebnisse: Im Rahmen der leitfadengestützten Fokusgruppeninterviews werden die Teilnehmer zu Ihren bisherigen Versorgungserfahrungen sowie Ihren Erwartungen an die zukünftige Ausgestaltung der gesundheitlichen Versorgung befragt. Bezüglich der zukünftigen Versorgung und der Transformation der ländlichen Versorgungslandschaft, werden insbesondere die Erwartungen der Teilnehmer im Hinblick auf die Form der Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringern, die Art und Weise der Leistungserbringung sowie Erreichbarkeit, Zugänglichkeit und Kontinuität der Versorgung erfasst und beleuchtet. Im Rahmen der Sitzung können erste Ergebnisse zu den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Gemeinden in Westfalen Lippe an die zukünftige Versorgung vorgestellt werden.
Diskussion und praktische Implikationen: Die systematische Erhebung der Versorgungserwartungen der Nutzer von Gesundheitsleistungen im ländlichen Raum kann dazu beitragen, neue Versorgungsangebote entsprechend der Bedürfnisse der Nutzer zu entwickeln und vorzuhalten. Die Berücksichtigung der Nutzerperspektive durch die Erhebung zentraler Akzeptanzaspekte ist für eine erfolgreiche Transformation der Versorgungsangebote im ländlichen Raum unabdingbar.
Hintergrund
Die künftige Versorgung der älteren Bevölkerung in Deutschland erfordert innovative Konzepte, die sich u.a. durch eine verstärkte Teamorientierung und verbesserte Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe kennzeichnen. Eine gute interprofessionelle Kooperation erfordert spezifische Kompetenzen, die während der Ausbildung erworben werden müssen. Interprofessionelles Lernen (IPL) hat sich dabei als geeigneter Lernansatz bewährt. Pflege und Medizin als die beiden größten Berufsgruppen im Gesundheitswesen sind davon insbesondere betroffen. Bisher ist jedoch nur wenig zu geeigneten Lehrthemen und deren Umsetzung mit spezifischen Lehrformen bekannt. Daher erfolgte in der Care-N Study M-V (Cooperative academical regional evidence-based Nursing Study in Mecklenburg-Vorpommern) die Untersuchung von möglichen Lehrthemen und Lehrformen für das IPL von Medizin- und Pflegestudierenden in Deutschland.
Fragestellung
Folgende Fragestellungen wurden untersucht: (a) Welche Lehrinhalte sind für gemeinsame Lehrveranstaltungen für Medizin- und Pflege geeignet? (b) Welche Lehrformen sollten zur Umsetzung verwendet werden? und (c) Wie können Lehr- und Lernzenten in das IPL eingebunden werden? Die Ergebnisse sollen einen Überblick zu Themen und Lehrformen für das IPL geben, um ein interprofessionelles Lehrkonzept für Medizin und Pflege entwickeln zu können.
Methode
Es wurde eine qualitative Delphi-Befragung des Typs Ideenaggregation durchgeführt. Zur Befragung wurden insgesamt 25 ExpertInnen aus sechs Bereichen rekrutiert: (1) Wissenschaft, (2) Praxis (Berufsfeld Medizin/Pflege) (3) Ausbildung, (4) Leistungserbringung, (5) Politik/Verbände/Organisationen und (6) Kostenträger. Die Datenerhebung erfolgte in zwei schriftlichen Befragungsrunden und einer abschließenden Gruppendiskussion. Die beiden schriftlichen Befragungen wurden mittels qualitativer halbstrukturierter Interviews durchgeführt und mit Cardiff TeleForm (Version 10.2) digitalisiert. Die Gruppendiskussion wurde audiotechnisch erfasst und transkribiert. Die Datenauswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse und der Software MAXQDA (VERBI GmbH, Berlin).
Ergebnisse
Die befragten ExpertInnen gaben eine Vielzahl von geeigneten IPL Themen für Medizin und Pflege an, die sich wie folgt zuordnen lassen: (a) Grundlagen der Versorgung (z.B. Ethik, Medizinische Soziologie, Verhalten in Notfallsituationen), (b) Kommunikation und Beratung (z.B. Patienten- und Angehörigenberatung) sowie (c) spezifische Versorgungskonzepte (z.B. Entlassungsmanagement). Die ExpertInnen befürworten dabei das gemeinsame Lernen überwiegend in Seminaren und kleineren Lerngruppen. Spezifische interprofessionelle Fähigkeiten und Fertigkeiten sollten mit Hilfe des problemorientierten Lernens (POL) und in praktischen Übungen geübt werden. Insbesondere für Themen wie Kommunikation, Erste Hilfe/Notfallmedizin sowie Patienten- und Angehörigenberatung wird das praktische Üben mittels Simulationspatienten-Training (SP-Training) in Skill Labs und das Arbeiten auf einer Ausbildungsstation von den Experten präferiert.
Ein Lehr- und Lernzentrum kann das IPL aus Sicht der Experten insbesondere für das Üben von praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten positiv beeinflussen: (1) die Zusammenarbeit (z.B. gemeinsame Entwicklung von Behandlungsmaßnahmen), (2) die Kommunikation (z.B. Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung gemeinsamer Visiten) und (3) die patientenzentrierte Versorgung (z.B. Shared Decision Making). Im Vergleich zu konventionellen Lehrmethoden (z.B. Vorlesung) erfordert die Nutzung des Lehr- und Lernzentrums jedoch einen höheren organisatorischen Aufwand, eine intensivere Abstimmung beider Curricula sowie eine adäquate Qualifikation von Dozenten für die interprofessionelle Lehre.
Diskussion
Die befragten Experten sehen insbesondere das Thema Kommunikation als geeignet für eine gemeinsame Lehrveranstaltung von Pflege und Medizin an. Dieses sollte bevorzugt in Seminarform mit kleineren Lerngruppen unter Nutzung von POL und praktischen Übungen vermittelt werden. Für das Erlernen praktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten (z.B. Patientenbeobachtung, klinische Untersuchungstechniken, Wundmanagement) eignen sich vor allem das SP-Training unter Einbezug von Lehr- und Lernzentren sowie das gemeinsame Arbeiten auf einer Ausbildungsstation.
Praktische Implikationen
Eine systematische Identifikation geeigneter Themen und Lehrformen für das IPL von Pflege und Medizin steht bislang aus. Dies stellt jedoch eine wichtige Ausgangsbasis dar, um künftig ein IPL Gesamtkonzept entwickeln zu können.
Hintergrund:
International wird in der psychiatrischen Versorgung ein breites Spektrum an teambasierten, stationsersetzenden Modellen genutzt. Infolge neuerer Gesetzgebung (§64b SGB V) ist auch in Deutschland die sektorübergreifende Behandlung psychisch erkrankter Menschen erleichtert worden. Diese sogenannten Modellprojekte nutzen ein klinikbezogenes Gesamtbudget, das es den Leistungserbringern freistellt, ob sie ihre Leistung stationär oder ambulant erbringen. Inzwischen haben sich deutschlandweit 19 Modellprojekte gebildet, die eine integrierte, flexible und bedarfs-, bzw. bedürfnisgerechte Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und deren Angehörigen anbieten können.
Fragestellung:
In diesem Vortrag wird einerseits das Design und wesentliche Ergebnisse des Evaluationsprojekts „EvaMod64b“ vorgestellt. Andererseits soll die Frage im Fokus stehen, wie sich qualitative und quantitative Daten in einem naturalistischen Studiendesign integrieren lassen.
Methode:
In einem mixed method Forschungsdesign wurden die multi-varianten Effekte von neun Modellprojekten aus fünf Bundesländern auf Patienten, Angehörige und Mitarbeiter evaluiert. Im Vorfeld der Erhebung wurden mit Hilfe der Grounded Theory Methodologie 11 Indikatoren entwickelt, die die wesentlichen Charakteristika der Modellversorgung abbilden. In der Erhebungsphase wurden sowohl Routinedaten erhoben, als auch eine standardisierte Befragung mit einem für die Modellversorgung eigens entwickelten Fragebogen durchgeführt. Außerdem wurden Fokusgruppen und Experten-Interviews eingesetzt. Die Daten wurden mit Hilfe eines komplexen Regressionsmodells sowie der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.
Ergebnisse:
Die durch die Modellversorgung bedingten Veränderungen wurden bei großen Teilen der befragten PatientInnen wahrgenommen und positiv bewertet. Demgegenüber zeigten sich die Angehörigen ambivalenter und erlebten, bzw. befürchteten einen Mehraufwand durch die Ambulantisierung der psychiatrischen Versorgung. Auch die in den Modellprojekten beschäftigten MitarbeiterInnen zeigten sich in ihrer Einschätzung gespalten, wobei vor allem die Be-rufsgruppe der Pflege eine höhere Belastung beschrieb.
Methodisch gelang die Integration der Daten der quantitativen und qualitativen Erhebung vor allem mit Hilfe der der 11 Modellversorgungs- spezifischen Indikatoren. Diese waren grundlegend für die Fragestellungen sowohl des quantitativen als auch des qualitativen Studienteils, strukturierten die Auswertung beider Datensätze und verhalfen dadurch der Zusammenführung der Ergebnisse.
Diskussion:
Inhaltlich werden mögliche Gründe für die unterschiedlichen Einschätzungen der befragten Beteiligten der Modellversorgung diskutiert. Methodisch werden die Möglichkeiten von theoriegeleiteten und gleichzeitig empirisch verankerten Indikatoren für die Zusammenführung unterschiedlicher methodischer Ansätze erörtert.
Praktische Implikationen:
Der Vortrag soll einerseits ermöglichen, sich inhaltlich mit den Chancen und Grenzen der sektorübergreifenden, psychiatrischen Versorgung auseinanderzusetzen. Andererseits sollen Wege aufgezeigt werden, wie sich Daten von qualitativen und quantitativen Ansätzen integ-rieren lassen.
Hintergrund: In Deutschland wird die Primärversorgung zentral durch Hausärztinnen und -ärzte sowie ihre Mitarbeitenden sichergestellt. Laut Studienlage haben sie zum Teil eine beeinträchtigte Arbeitszufriedenheit. Bei Ärztinnen und Ärzten zeigen sich ein Risiko für Burnout, Depressionen, Substanzmissbrauch und höhere Suizidraten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Beeinträchtigungen des Wohlbefindens haben nicht nur persönliche Folgen, sondern wirken sich auch auf die Versorgungsqualität aus. International bearbeitet als „physician factor“, wird das Thema hierzulande trotz der prominenten Rolle von Ärztinnen und Ärzten im deutschen Gesundheitssystem bislang vernachlässigt.
Fragestellung: Wie zufrieden und glücklich sind die in der Primärversorgung Tätigen? Was fördert und was hemmt Arbeitszufriedenheit und Glückserleben? Welche Rolle spielt das Praxisteam in diesem Zusammenhang?
Methode: Das mixed-methods Studiendesign umfasst zum einen eine quantitative Querschnittserhebung in Teilen von NRW mit standardisierten und validierten Messinstrumenten u.a. zum subjektiven Gesundheitszustand und der Arbeitszufriedenheit. Die Datenanalyse sieht zunächst eine deskriptive Auswertung zur Beschreibung der Studienpopulation und der jeweiligen Skalen der Messinstrumente vor. Anschließend ist die Anwendung multivariater Verfahren geplant. Zum anderen beinhaltet das Design eine qualitative Datenerhebung anhand von a) teilnehmender Beobachtung in Praxen, b) Einzelinterviews mit Ärztinnen und Ärzten sowie Mitarbeitenden und c) Fokusgruppen getrennt nach Berufsgruppen. Die Auswertung erfolgt anhand einer Methodentriangulation. Im Rahmen der Integration der Forschungsdaten ist ein member check (kommunikative Validierung) geplant.
Ergebnisse: Die Untersuchung generiert Erkenntnisse über das momentane Glückserleben von Hausärztinnen und -ärzten sowie ihren Mitarbeitenden. Positive wie negative Faktoren, die Glückserleben und Arbeitszufriedenheit beeinflussen, können identifiziert werden. Die interprofessionelle Zusammenarbeit in der Primärversorgung wird beleuchtet.
Diskussion: Da in Deutschland das Glückserleben von Praxisteams in der Primärversorgung bislang kaum untersucht wurde, soll die geplante Studie einen Beitrag dazu leisten, die Bedeutung der verschiedenen Einflussfaktoren auf das Glückserleben von Praxisteams tiefergehend zu verstehen.
Die Studie unterscheidet sich durch ihre Datentriangulation von bisher durchgeführten Studien in diesem Forschungsbereich. Der Fokus auf das Praxisteam in der ambulanten Primärversorgung überwindet die getrennte Betrachtung der ärztlich und nicht-ärztlich Tätigen. Neben personenbezogenen und berufsgruppenspezifischen Einflussfaktoren zielt die Untersuchung darauf ab, Erkenntnisse über die Bedeutung des Systems „Hausarztpraxis“ zu liefern.
Praktische Implikationen: Anhand der Ergebnisse des mixed-methods Studiendesigns sollen Ressourcen von Praxisteams identifiziert werden, die potenziell mithilfe von Interventionsmaßnahmen gestärkt werden können, um so das Glückserleben der Praxisteams sowie die Qualität der Patientenversorgung zu steigern. Interventionsmaßnahmen können dann gemeinsam mit der Zielgruppe entwickelt und anschließend beispielhaft in der Praxis getestet werden. Neben dem Präventionsansatz geben die Studienergebnisse Hinweise auf positive Aspekte des Hausarztberufs, die schließlich für die Nachwuchsgewinnung genutzt werden können.
Hintergrund
Systematische Reviews (SRs) werden auch zu Fragen der Versorgungsforschung in den letzten Jahren zunehmend durchgeführt. Im Rahmen der Literaturrecherche für einen SR kann es sinnvoll sein, Suchfilter (z. B. für Studientypen) einzusetzen. Bei einigen Fragen erscheinen geographische Einschränkungen hilfreich (z.B. wenn alle Studien zur Häufigkeit einer bestimmten Erkrankung in Deutschland zusammengetragen werden sollen). Diese Einschränkungen lassen sich am besten mit sogenannten Suchfiltern realisieren, die mit der entworfenen inhaltlichen Fragestellung kombiniert werden. Für verschiedene Länder oder Regionen sind entsprechende Filter bereits entwickelt worden, nicht aber für Deutschland.
Fragestellung
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine Übersicht über Methoden zu geben, die bislang in SRs zur Identifizierung von Studien aus Deutschland eingesetzt worden sind.
Methoden
Die Datenbank Medline (via Pubmed) wurde mit einer fokussierten Recherche (kein Anspruch auf Vollständigkeit) im Januar 2016 nach SRs durchsucht, die gezielt Studien aus Deutschland eingeschlossen haben. Die Studienselektion und Datenextraktion wurde unabhängig von zwei Personen durchgeführt. Mit Hilfe der international etablierten Peer Review of Electronic Search Strategies (PRESS) Kriterien ist die in den SRs auf Deutschland fokussierte Suchsyntax auf Sinnhaftigkeit und Vollständigkeit analysiert worden. Bei Unklarheiten sind die Autoren kontaktiert worden. Die Ergebnisse wurden narrativ zusammengefasst.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 36 SRs (davon 13 englischsprachig) eingeschlossen. Davon waren 78% im Jahre 2012 oder später publiziert. Die meisten SRs beschäftigten sich mit epidemiologischen (n = 12), therapeutischen (n = 9) oder gesundheitsökonomischen Fragestellungen (n = 8). Die überwiegende Mehrheit (89%) der SRs verwendete mindestens zwei unterschiedliche Suchquellen. Am häufigsten ist dabei in bibliografischen Datenbanken (vor allem Medline) recherchiert worden und die Referenzen der bereits als relevant identifizierten Literatur durchsucht worden. 17 SRs benutzten keinerlei Trunkierungen (zum Beispiel random* für alle Wörter, die mit random beginnen, wie bspw. randomized oder randomly), zehn SRs beschränkten ihre Syntax nicht auf Deutschland, sechs SRs berichteten, dass sie nach German OR Germany recherchiert haben. Insgesamt zehn SRs haben nur nach dem Begriff Germany (manchmal in Verbindung mit Deutschland) gesucht, ohne eine gleichzeitige Verwendung des Adjektivs german zu berücksichtigen.
Diskussion
Das Interesse an SRs mit regionaler Beschränkung nimmt zu. In den letzten Jahren sind verstärkt SRs erschienen, die einen klaren Fokus zur Versorgung in Deutschland hatten und daher nur diese Studien berücksichtigt haben. Die Suchstrategien der eingeschlossenen SRs lassen viel Optimierungspotential erkennen. Die Berichtsqualität der Suchstrategien befand sich auf einem sehr geringen Niveau. Die vollständige Reproduzierbarkeit der Recherche war in vielen Fällen nicht möglich.
Praktische Implikation
Qualitativ hochwertige SRs sollten den Anspruch erheben, jegliche relevante Literatur zu identifizieren. Die Entwicklung eines Suchfilters zur Identifikation von Studien, die in Deutschland durchgeführt wurden, wäre eine große Hilfestellung insbesondere für Fragen der Versorgungsforschung.
Hintergrund: Die Zahl der in ambulanten Settings versorgten tracheotomierten Patienten steigt. Aufgrund ihrer komplexen Problem- und Bedarfslagen benötigen diese Patienten eine qualifizierte, multiprofessionelle Langzeitversorgung. Diese stellt hohe Anforderungen an die klinische Expertise der einbezogenen Gesundheitsprofessionen, die fallbezogene Zusammenarbeit der verschiedenen Leistungserbringer aus unterschiedlichen Sektoren und Organisationen sowie deren Koordination und Ergebnisorientierung im Versorgungsalltag. Offen ist, welche Versorgungsmodelle geeignet sind, um diesen hohen Anforderungen gerecht zu werden.
Fragestellung: Gefragt wurde, wie tracheotomierte, beatmete und nicht beatmete Patienten unterschiedlichen Alters mit intensivem Versorgungsbedarf international versorgt werden. Ferner war von Interesse, ob in der Literatur bereits einschlägige Versorgungsmodelle beschrieben sind, ob es Erfolgsindikatoren gibt und welche Erkenntnisse dazu vorliegen sowie ob es Modelle gibt, die als Anregung für Deutschland dienen können.
Methode: Mit dem Ziel einer ersten Annäherung wurde ein Scoping Review durchgeführt, orientiert an den Vorgaben von Arksey & O‘Malley (2005) und Levac (2010). Die Recherche wurde in einem iterativen Prozess in den Datenbanken Pubmed und CINAHL durchgeführt, zusätzlich wurde in Leitlinienregistern, Verzeichnissen einschlägiger Referenzliteratur und öffentlichen Onlinesuchmaschinen recherchiert. In die Auswertung einbezogen wurden deutsch- und englischsprachige Quellen ab dem Jahr 2000, die sich mit Aspekten der sektoren-, organisations- und professionsübergreifenden Versorgung der interessierenden Patientengruppe befassen. Relevante Informationen wurden mittels eines Rasters exzerpiert und thematisch kategorisiert aufbereitet. Ausgeschlossen wurden Quellen zu Einzelaspekten der medizinischen, pflegerischen oder therapeutischen Behandlung sowie solche mit Fokus ausschließlich auf die stationäre Versorgung.
Ergebnisse: Zur Langzeitversorgung tracheotomierter Patienten mit und ohne Beatmung werden in der Literatur zahlreiche Modelle beschrieben, die jedoch vorwiegend aus Kliniken heraus gesteuert werden. Eine prioritär häusliche Versorgung, wie sie in Deutschland favorisiert wird, ist selten zu finden. Regelhaft sind mehrere Professionen in wechselnder Konstellation in das Versorgungsteam eingebunden. Dazu gehören v.a. verschiedene Facharztgruppen, Atmungs- und Physiotherapeuten, Logopäden, Medizintechniker und hochschulisch qualifizierte Pflegende – häufig mit erweiterten Kompetenzen. Zumeist sind die Modelle entweder für die Versorgung von Kindern oder von Erwachsenen und häufig indikationsspezifisch ausgerichtet. Sie existieren landesweit oder als regionale Initiativen. Die in den Programmen genutzten Interventionen unterscheiden sich in Art und Frequenz. Häufig beschrieben werden Maßnahmen der Fall- und Versorgungssteuerung, Aufgaben in der Patienten- und Angehörigenedukation sowie in der Umsetzung von Kontrolluntersuchungen. Insbesondere in dünn besiedelten Regionen werden zunehmend Telemonitoring und -konsultationen integriert.
Diskussion und praktische Implikationen: Die derzeit für die Versorgung der hier interessierenden Patientengruppe in der Literatur beschriebenen Modelle basieren überwiegend auf Expertenkonsens und Best Practice Statements. Häufig genutzte Indikatoren für die Bewertung sind Dekanülierungs- und Rehospitalisierungsraten, ökonomische Faktoren sowie die subjektiv empfundene Lebensqualität und Zufriedenheit der Patienten mit der Versorgung. Als problematisch erweist sich, dass die Versorgungsmodelle selten umfassend beschrieben werden, auch fehlt es oftmals an Evaluationsergebnissen, die eine Einschätzung ihrer Tragfähigkeit und Wirksamkeit erlauben. Ungeachtet dessen bietet die Sichtung internationaler Modelle interessante Anregungen für die (Weiter-)Entwicklung patientenzentrierter und multiprofessioneller Versorgungsmodelle für diese spezielle Patientengruppe in Deutschland.
Hintergrund: Real World Evidence (RWE) oder Versorgungsforschung sind viel diskutierte Begriffe und Versorgungsdaten bzw. Ergebnisse aus Versorgungsanalysen sind mittlerweile in jedem Abschnitt des Arzneimittellebenszykluses und im Rahmen der Patientenversorgung von Bedeutung. Die pharmazeutische Industrie möchte auch in diesem Themenfeld ein Partner in der Diskussion und der Gestaltung sein.
Fragestellung: Daraus ergibt sich die Frage, wie akademischer Austausch und konkrete operative Kooperationen zur Verbesserung der Patientenversorgung als Win-Win-Situation ausgestaltet sein können. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, in wie fern die Industrie hier ihren Beitrag leisten kann.
Methodik: Die Frage wurde untersucht, mittels einer explorativen Recherche zu den Bedürfnissen der relevanten inner- und außerindustriellen Stakeholder in Deutschland und auf europäischer Ebene, da immer mehr Arzneimittel zentral zugelassen werden.
Ergebnisse: Das Thema RWE ist insbesondere in folgenden Zusammenhängen relevant: Bei der EMA-Zulassung im Rahmen des Adaptive Pathways Programs; bei Qualitätsmanagementbestrebungen auf europäischer Ebene (Joint Action 3 der EUnetHTA) zur Verbesserung von Effizienz und Outcome-Qualität von Gesundheitsleistungen in HTAs; beim Aktionsplan Versorgungsforschung, der durch Förderprojekte den Wunsch des BMBF nach klinischen und epidemiologischen Registern ausgedrückt; und insbesondere als Anforderung des G-BA und des IQWiGs an die Patientenrelevanz von Studienergebnissen im Rahmen des AMNOG-Prozesses u.a.m. Dies stellt alle Beteiligten inkl. der Industrie vor neue strategische Herausforderungen. Hierbei sind insbesondere die Qualitätsanforderungen an Registerstudien und die Rolle der Industrie bei der Planung, Durchführung und Tragung zu nennen. Aber auch die Diskussionen zur Nutzung und Nachnutzung der gesammelten Daten sind wichtige Punkte.
Schlussfolgerungen: Die Industrie muss und will Partner in der aktuellen Diskussion und der Gestaltung der Patientenversorgung sein. Hierbei ist der Fokus insbesondere auf die Belange der Patienten zu legen. Um mögliche Synergien zu heben sind bestehende Netzwerke und Datenbasen zu nutzen oder auf ihren Vorbild-Charakter zu prüfen, um darauf aufbauend neue Projekte qualitativ hochwertig zu gestalten.
Praktische Implikationen: Kooperationen unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Standards sind voranzutreiben.
Hintergrund
Die Versorgung von chronisch Erkrankten erfordert differenzierte wie vielfältige Behandlungsmethoden. Mit zunehmender Prävalenz wachsen auch die Kosten der Versorgung. Als ein geeigneter Ansatz zur Verbesserung der Versorgungssituation von Chronikern kann die Durchführung einer koordinierten Fallsteuerung gesehen werden.
Fragestellung
Wie sieht das Verfahren koordinierter Fallsteuerung in der Versorgung aus? Welche Faktoren sind hier für den erfolgreichen Verlauf relevant?
Methode
Untersucht wird die Fragestellung am Beispiel der Versorgung von chronischen Wundpatienten. Die Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden stellt eine komplexe Aufgabe dar, die nicht mit einfachen medizinischen oder pflegerischen Prozessen zu bewerkstelligen ist. Meist liegen langwierige Krankheitsverläufe vor, die Gründe für das Fortbestehen der Wunde sind multikausal. Die fachgerechte Diagnostik und Therapie nimmt eine zentrale Stellung ein. Ein ganzheitlicher Behandlungsansatz aus verschiedenen professionellen Blickwinkeln ist erforderlich. Im Rahmen dieses Vortrages werden zwei Studien im Behandlungssetting fallgesteuerter Versorgung erörtert. Zum Einen die Clusteranalyse verschiedener Behandlungstypen und zum zum Zweiten der Einfluss der Patientencompliance auf den Heilungsverlauf. Im Anschluss wird das Grundmuster einer idealtypischen Fallsteuerung skizziert und vorgestellt. Mit Routinedaten zur Patientendokumentation (n=391) wurde methodisch eine retrospektive Verlaufsstudie vorgenommen. Aufgenommen wurden Patienten, die aufgrund einer chronischen Wunde im Rahmen eines integrierten Versorgungsvertrages erfolgreich behandelt wurden. Diese Daten bilden die Grundlage für eine Clusteranalyse. In der Analyse zur Patientencompliance wurden Daten über die Wunddokumentation und über einen Wundfragebogen erhoben. Der Wundfragebogen wurde zu vier Messzeitpunkten im Halbjahresverlauf eingesetzt (n=48).
Ergebnis
Die Clusteranalyse kommt zu einer Differenzierung des Klientels chronischer Wundpatienten. Ein Grossteil der Patienten zeigt eine mittlere Behandlungsdauer und gute Heilungschancen mit kalkulierbarer Kostenstruktur. Hier kann eine strukturierte Versorgung erfolgversprechend bzw. effektiv sein. Etwa ein Viertel der Patienten mit chronischer Wunde zeigen eine sehr lange Behandlungsdauer mit hoher Kostenbelastung. Hier kommt auch die Fallsteuerung im Rahmen einer strukturierten Versorgung an Ihre Grenzen.
Es konnte ein signifikanter Einfluss der Patientencompliance sowohl auf den Wundheilungsverlauf, als auch auf die Lebensqualität des Patienten nachgewiesen werden. In Einklang dazu erwiesen sich die durchschnittlichen Gesamtkosten (Material- und Personalkosten) für Patienten mit einer mangelnden Compliance als wesentlich höher.
Die idealtypische Fallsteuerung wird als Flussdiagramm der Versorgung skizziert. Dabei kommt der Diagnostik eine zentrale Rolle im Versorgungsgeschehen zu. Mit der Erstdiagnostik in einem Wundzentrum erfolgt die Therapie mit Folgediagnostiken zur Verlaufskontrolle. Geschulte Wundmanager führen das Fallmanagement.
Diskussion
Eine ganzheitliche Diagnostik zu Beginn der Therapie ist für den Erfolg der Intervention enorm hilfreich, wie auch die Folgediagnostik in einem festgelegten Zeitraum. Die Patientencompliance muss im Versorgungsprozess stärker berücksichtigt und gefördert werden. Strategien zur Erhöhung der Compliance sollten erarbeitet und zielgerichtet umgesetzt werden. Darüber hinaus wäre die Implementierung eines Systems zur frühzeitigen Erkennung einer mangelnden Compliance wichtig, um rechtzeitig intervenieren zu können.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse zur Cluster- und Complianceanalyse lassen sich auf andere Patientengruppen mit langwierigen wie komplexen Behandlungsverläufen übertragen. Mit einer differenzierten Analyse kann eine strukturierte Versorgung erfolgreich geführt werden. Eine ganzheitliche Diagnostik zu Beginn und die Verlaufskontrolle sind die Basis für eine erfolgreiche wie effektive Fallsteuerung.
Hintergrund
Bei der Umsetzung der Modellprojekte nach §64b SGB-V sind Begleitstudien vorgeschrieben. Für die effektive Studienplanung sollen einzelne Versorgungskomponenten ausgewählt und gewichtet werden. Eine mögliche Methode für eine vorläufige Einschätzung der Bedeutung einzelner Bestandteile der sektorübergreifenden Versorgung ist die Expertenbefragung.
Fragestellung
Das Ziel der vorliegenden Studie war die Ermittlung der Expertenmeinung zur erwarteten Effizienz einzelner Komponenten der sektorübergreifenden psychiatrischen Versorgung.
Methode
Auf der Basis von bereits identifizierten Indikatoren wurde ein standardisierter Fragebogen zu der erwarteten Effizienz der sektorübergreifenden Versorgung in der Psychiatrie entwickelt. Das Instrument erfragte die erwarteten Auswirkungen einzelner Versorgungsbestandteile auf die Lebensqualität der Patienten. Die Auswirkungen einer ein-, bzw. dreijährigen Expositionsdauer sollte eingeschätzt werden. Außerdem wurde die Sicherheit der Experteneinschätzung erfragt. 11 von insgesamt 13 Chefärzten der an einer Evaluationsstudie (EvaMod64) teilnehmenden Einrichtungen wurden per Email rekrutiert. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte mit Hilfe der deskriptiven, nicht-parametrischen (Kendall’s W) und parametrischen (Zweistichproben-t-Test) Methoden.
Ergebnisse
Die Rücklaufquote war 90,9%. Auf Basis von Expertenmeinungen konnten einzelne Bestandteile der sektorübergreifenden Versorgung gewichtet werden. Die Experten erwarteten eine allgemeine Zunahme (p=0.01) der Effizienz der Modellprojekte in einer langfristigen Perspektive. Die mittlere Erwartung betrug 3,64 für die Entwicklung in einem Jahr und 3,89 für drei Jahre auf einer Skala von 1 bis 5. Die Urteile zu den insgesamt 34 Einzelfragen zeigen geringe Varianz, so ist die zugehörige Standardabweichung nur 0,40 bzw. 0,38. Während die Übereinstimmung der Experten bezüglich der Effizienz der sekorübergreifenden Versorgung nach einem Jahr und nach drei Jahren von einem mittleren Wert (W=0,52) zu einem niedrigen Wert (W=0,27) sank, differierten die entsprechenden Sicherheitseinschätzungen mit mittleren Werten von 3,74 bzw. 3,60 nicht so stark.
Diskussion
Die Diskrepanz zwischen Graden der Übereinstimmung in der zeitlichen Perspektive konnte durch Spezifik des Expertenpanels erklärt werden. Als Chefärzte der strukturell unterschiedlichen Kliniken orientierten sich die Experten an verschiedenen Entwicklungsstrategien der sektorübergreifenden Versorgung, was insbesondere in der langfristigen Beurteilung zu starken Differenzen in den Einschätzungen der einzelnen Versorgungskomponenten führte. Für die Einschätzung des Nutzens der Ergebnisse zur Planung einer Längsschnittstudie ist der Vergleich zu anderen Expertenpanelen erforderlich.
Praktische Implikationen
Die Daten können als Grundlage für die Planung einer Querschnitts-Studie oder Delphi-Befragung genutzt werden.
Hintergrund: Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) sind Arzneimittelhersteller verpflichtet, ein Nutzendossier beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G BA) einzureichen. Dieses dient als Grundlage der Nutzenbewertung des Arzneimittels. Im Dossier werden u.a. Angaben gemacht zur voraussichtlich infrage kommenden Anzahl Patienten (Zielpopulation) und den Jahrestherapiekosten (JTK).
Fragestellung: Welche Qualitätsindikatoren sind ausschlaggebend, damit es zu einer Übereinstimmung der Quantifizierung der Zielpopulation und der JTK des G-BA mit der des Arzneimittelherstellers kommt?
Methode: Dossiers mit kompletter Verfahrensdurchführung zwischen dem 01.01.2015 und dem 31.12.2016 wurden systematisch analysiert. Als Prognosefaktoren wurden folgende Qualitätsindikatoren definiert: 1) Orphan Drug (ja/nein), 2) Therapiegebiet (geringer/mittlerer/hoher prozentualer Anteil an allen Verfahren), 3) Zielpopulation (Bewertung der Ableitung durch: Validität der Datengrundlage, Übertragbarkeit der Daten, Bewertung der Ableitungsmethode; Ausprägungen: (gut/mittel/schlecht)), 4) JTK (<100.000.000€/100.000.000€ bis 500.000.000€/>500.000.000€), 5) Beteiligte IQWiG Mitarbeiter (Anzahl ≤2/>2/Ressortleiter involviert). Alle oben genannten Qualitätsindikatoren führten zu einem Gesamt-Prognosescore von 0 – 10, wobei 0 bedeutete, dass alle günstigen Ausprägungen der einzelnen Prognosefaktoren auftraten, dagegen ein Maximalwert von 10, dass alle ungünstigen Ausprägungen der einzelnen Prognosefaktoren getroffen wurden.
Im nächsten Schritt wurde der Zusammenhang zwischen den durch den Hersteller erbrachten Informationen zur Zielpopulation und den JTK und der vom G-BA bestätigten Quantifizierung bestimmt. Dieser Vergleich führte entweder zu einer Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung zwischen dem G-BA und dem Arzneimittelhersteller.
Anschließend wurde diese Übereinstimmung dem Gesamt-Prognosescore gegenübergestellt, um daraus den Vorhersagegehalt abzuleiten.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 88 Nutzendossiers von 38 Arzneimittelherstellern in die Analyse einbezogen. Der Gesamt-Prognosescore lag im Mittelwert bei 5,7 [Min.: 2, Max.: 8]. Gleicht man den Gesamt-Prognosescore mit der Übereinstimmung der JTK bestimmt durch den Hersteller und dem G BA ab, so lässt sich ableiten, dass für 74% der herangezogenen Nutzendossiers die Prognose durch die im Projekt definierten Qualitätsindikatoren übereinstimmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass bei 26% andere als die im Projekt definierten Qualitätsindikatoren zu der Quantifizierung seitens des G-BA geführt haben. Hinsichtlich der Zielpopulation zeigen sich ähnliche Werte: Für 81% der herangezogenen Nutzendossiers stimmt die Prognose durch die hierfür definierten Qualitätsindikatoren überein, für 19% stimmt die Prognose nicht mit der Bewertung durch den G-BA überein.
Diskussion: Die hier herausgefilterten Qualitätsindikatoren ergeben einen Hinweis auf die letztendlich vom G-BA beschlossene Höhe der JTK und der Zielpopulation. Dennoch scheint es weitere Faktoren zu geben, welche den G BA in seiner Entscheidung beeinflussen und zu einem abweichenden Ergebnis führen. Eine sichere Prognose mit Hilfe der definierten Faktoren ist damit nicht möglich.
Praktische Implikation: Eine hohe Qualität der Ableitung der JTK und der Zielpopulation und eine Zustimmung seitens des G-BA sollte in jedem Nutzendossier angestrebt werden. Neben den aufgeführten Indikatoren haben weitere nicht identifizierbare Faktoren Einfluss bei der Bewertung des G-BA. Daher erscheint eine Analyse weiterer bisher nicht eingeschlossener Indikatoren in Folgeprojekten notwendig.
Hintergrund: Das Potential ‚Lokaler Gesundheitszentren für die Primär- und Langzeitversorgung’ (SVR 2014) wird in Deutschland erst seit wenigen Jahren intensiv diskutiert. Die Zentren sollen eine wohnortnahe Versorgung auch in schwer zu versorgenden Regionen ermöglichen und regionalen Schieflagen durch eine bedarfsorientierte Angebotsplanung entgegenwirken. Als Planungsgrundlage für die regional differenzierte Angebotsentwicklung und Versorgungsgestaltung in den Zentren werden empirisch gestützte Daten benötigt. Vor diese Herausforderung sind auch die Kooperationspartner des von der Stiftung Wohlfahrtspflege des Landes NRW geförderten Modellversuchs „Pflege stationär – Weitdenken!“ gestellt. Ihre Intention ist eine bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung älterer, chronisch kranker, hilfe- und pflegebedürftiger Menschen im Stadtteil und Quartier durch die Weiterentwicklung stationärer Pflegeeinrichtungen hin zu sektorenübergreifenden, multiprofessionellen Gesundheits- und Pflegezentren in vier unterschiedlichen städtischen Quartieren. Im Rahmen der Evaluation des Modellprojekts wurden Community Health Assessments durchgeführt; die Methodik und die Ergebnisse werden in der Präsentation vorgestellt.
Fragestellung: In dem Beitrag werden die Möglichkeiten wie auch die methodischen Herausforderungen von Community Health Assessments als Planungsgrundlage für die Entwicklung lokaler Gesundheits- und Pflegezentren betrachtet.
Methode: Für die Durchführung der Community Health Assesements wurde ein mehrperspektivischer Zugriff erprobt. Er umfasste a) die Aufbereitung von Daten zur demografischen, sozio-ökonomischen und gesundheitlichen Situation der Bevölkerung, b) die Erhebung vorhandener Versorgungsangebote und Ableitung von Indikatoren der ‚Versorgungsdichte’, sowie c) leitfadengestützte Interviews mit regionalen Expert/inn/en und potentiellen Nutzer/inne/n der Zentren in den Quartieren. Die Auswertung der Interviews erfolgte inhaltsanalytisch, mit dem Ziel, relevante Themen standortspezifisch zu kondensieren und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Ergebnisse: Während Daten zur Gesundheitssituation der Bevölkerung auf kleinräumiger Ebene kaum verfügbar waren, ermöglichte die unterschiedliche demografische und sozio-ökonomische Situation in den Quartieren erste Rückschlüsse auf unterschiedliche Bedarfslagen in den Quartieren. Die Verfügbarkeit von Versorgungsangeboten folgt dem Bedarf nur bedingt, allerdings erlaubt sie keine Gewissheit darüber, ob fehlende Angebote im Quartier durch Nutzung externer Anbieter kompensiert werden. Die Interviewaussagen geben wichtige Aufschlüsse, wie sich Versorgungsprobleme darstellen. Sie bestätigen teils anfängliche Hinweise zu Versorgungsschieflagen, verdeutlichen aber darüber hinaus auch spezifische Hürden der Inanspruchnahme in Quartieren mit hoher Angebotsdichte, insbesondere ein aus Nutzersicht unübersichtliche Angebotslandschaft und räumliche Barrieren der Inanspruchnahme für ältere, mobilitätseingeschränkte Menschen im Quartier. Empfehlungen für eine regional differenzierte Angebotsplanung an den Modellstandorten und die verstärkte Ansprache vulnerabler Zielgruppen können abgeleitet werden.
Diskussion: Die Studie stand vor der Herausforderung, angesichts einer unzureichenden Datenlage auf kleinräumiger Ebene aussagekräftige Daten für die Versorgungsplanung zu liefern. Durch das multiperspektivische Vorgehen konnte dennoch die Versorgungssituation in den Quartieren charakterisiert werden. Ein wichtiger Schritt, um den Transfer der empirisch gestützten Handlungsempfehlungen in die Praxis zu ermöglichen, war die anschließende Diskussion mit den Entscheidungsträgern im Modellvorhaben. Dieser Prozess sollte als integraler, methodischer Bestandteil von Verfahren des Community Health Assessments angesehen werden.
Praktische Implikationen: Datengrundlagen für eine regional differenzierte Versorgungsplanung sind dringend erforderlich. Hierfür sind geeignete Methoden zu entwickeln. Community Health Assessments bieten großes Potential. Damit sie es entfalten können empfiehlt sich, Instrumente und Verfahren für ihren Einsatz in Deutschland weiterzuentwickeln.
Hintergrund: Die Versorgung tracheotomierter Patienten mit intensivem außerklinischen Versorgungsbedarf soll mittels einer regional verankerten, integrierten fachärztlichen Betreuung mit Unterstützung durch ein Case Management modellhaft leitlinienorientiert optimiert und standardisiert werden. Dazu wird auf Basis von § 140a Abs. 1 SGB V ein Modellprojekt von der AOK Nordost, der IKK Berlin-Brandenburg sowie der Techniker Krankenkasse gefördert und von Dezember 2016 bis Juni 2019 in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Flankiert wird das Vorhaben durch eine externe wissenschaftliche Begleitforschung und inhaltliche Evaluation (CeTiCo – Care for Tracheotomised Patients in the Community).
Fragestellungen und Methoden: In diesem Forschungsprojekt werden in Form eines Mixed Methods Designs drei Arbeitspakete mit je unterschiedlichen Fragestellungen und methodischen Zugängen umgesetzt:
(1) Im Rahmen einer Ausgangsanalyse wird gefragt, von welcher Situation die Modellinitiative ausgeht. Hierfür wird in Form eines Health Care Mappings zum einen die regionale Bedarfs- und Angebotsstruktur zur Versorgung der hier interessierenden Patienten in den drei benannten Bundesländern erfasst, beschrieben, analysiert und kartografisch aufbereitet. Zum anderen wird auf Grundlage von Dokumentenanalysen, nicht-teilnehmenden Beobachtungen und Gruppeninterviews nach der inhaltlich-konzeptionellen und organisatorisch-strukturellen Basis des Modellprojekts gefragt.
(2) In der Prozess- und Ergebnisanalyse wird vor dem Hintergrund der zuvor skizzierten Ausgangssituation nach den im Rahmen des Modellprojekts durchgeführten Aktivitäten und den dabei beobachtbaren nutzer- und systemseitigen Wirkungen gefragt. Hierfür werden mittels Sekundärdatenanalysen quantitative Dimensionen der Versorgung von mind. 230 Patienten analysiert. Qualitative Versorgungsdimensionen werden über die leitfadengestützte Befragung ausgewählter professioneller Akteure im Versorgungsfeld (N=18) sowie über die Erkundung der Erfahrungen von im Modellprojekt versorgten Patienten und ihren Angehörigen erfasst. Diese Daten werden in Form von Fallporträts (N=12) aufbereitet.
(3) In einer summativen Analyse wird schließlich nach dem Outcome des Modellprojekts, seiner Übertragbarkeit und möglicherweise nachhaltigen Effekten auf die Versorgung tracheotomierter Patienten gefragt. Hierfür werden die Teilergebnisse gebündelt und in Expertenforen mit Vertretern aus Praxis und Wissenschaft reflektiert.
Antizipierte Ergebnisse: Erwartet werden empirisch gestützte Aussagen über die Bedarfsgerechtigkeit und das Bedingungsgefüge anspruchsvoller Behandlungs- und Versorgungsprozesse im ambulanten Sektor, mögliche Optimierungserfolge und Best Practice-Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Versorgungsmodells und schließlich Hinweise auf die Übertragbarkeit des Modells auf andere Kontexte und Regionen.
Diskussion: Die Begleitforschung nimmt neben den genannten Aktivitäten zugleich die Funktion einer externen Steuerungshilfe und Beratungsinstanz für die unmittelbar mit der Modellprojektumsetzung betrauten Akteure wahr. Sie folgt dabei konzeptionell den Ideen einer partizipativ angelegten Evaluationsforschung und Qualitätsentwicklung. Zugleich orientiert sie sich am Phasenmodell zur Entwicklung und Bewertung komplexer Innovationen in der Gesundheitsversorgung (Voigt-Radloff et al. 2013). Es wird kritisch zu diskutieren sein, inwiefern diese Herangehensweise die Zielerreichung unterstützen, eine Anpassung von Konzepten und Interventionen anregen und die gewünschten Versorgungsinnovationen befördern kann.
Praktische Implikationen: Das Forschungsprojekt CeTiCo kann dazu beitragen, dass zum Ende des begleiteten und untersuchten Modellprojekts ein unter Alltagsbedingungen des deutschen Gesundheitssystems umsetzbares und anhand definierter und validierter Qualitätsparameter in seinen Wirkungen überprüfbares Konzept für die ambulante Versorgung tracheotomierter Patienten mit intensivem Versorgungsbedarf vorliegt.
Background
Shared decision-making (SDM) is poorly implemented in routine care, despite its inclusion in many clinical practice guidelines and health policy. To date, no studies have synthesized the literature around organizational- and system-level factors that influence the implementation of SDM in routine care. Such a synthesis would be important, allowing exploration of potential interventions addressing these factors.
Aims
The aim of this study is to compile a comprehensive overview on organizational-level factors (i.e. characteristics of a healthcare organization) and system-level factors (i.e. characteristics of a healthcare system) that influence the implementation of SDM in routine care.
Method
We conducted a scoping review using the Arksey & O’Malley framework: 1) identifying the research question, 2) identifying relevant studies, 3) selecting studies, 4) charting the data, and 5) collating, summarizing and reporting results. The search strategy included an electronic search in three databases (Pubmed, Web of Science, CINAHL). We included publications in English and German that reported on a project or study that aimed to promote implementation of SDM or other decision support interventions in routine health care. Titles and abstracts were screened and full texts were assessed for eligibility by the review team. An ongoing secondary search includes books, grey literature, and reference tracking of key publications.
Results
After screening 7,624 records and assessing 275 full texts for eligibility, 29 publications on 24 distinct implementation projects were included and subject to data extraction. Most of the implementation projects (N=16) were conducted in the US. Nineteen projects focused on the implementation of SDM through decision aids or other forms of decision support (e.g. via phone) and 5 had a broader focus on implementing SDM in routine practice. Several organizational-level factors were described to influence the implementation of SDM in the different studies. They comprise organizational leadership, culture, resources, and priorities, as well as teams and networks, and workflows. System-level factors identified to influence the implementation of SDM in routine care included aspects of incentivization, policies, and guidelines. Some of the included papers discussed approaches to changing identified organizational- and system-level factors, including reorganization of workflows, implementation of multidisciplinary teams, a push for culture change, a push for new legislation, as well as financial incentives. Secondary search results will be available at the time of the conference.
Discussion
A broad range of organizational- and system-level characteristics are found to influence implementation of SDM in routine care. However, more work is needed to undertake a gap analysis in the identified characteristics and to evaluate the impact of potential interventions.
Practice implications
Health care organizations that plan to implement SDM should carefully consider the role of organizational-level characteristics that promote or impede implementation. Using implementation and organizational theory could be a useful way of complementing and addressing the identified factors. Health policy could foster SDM implementation by designing legislation that supports the use of a SDM process, as well as by expediting payment reforms that incentivize SDM performance.
Hintergrund
In Österreich zeigt sich, ähnlich wie in vielen Ländern der Welt, dass ein Großteil der Versicherten keine bis sehr wenige Leistungen in einem Jahr in Anspruch nehmen, es einen kleinen Anteil der Versicherten gibt, die einen Großteil der Ressourcen benötigen. Diese behandlungsintensiven Populationen oder Hochnutzer liegen aufgrund des hohen Ressourcenverbrauchs immer wieder im Forschungsinteresse.
Fragestellung
Diese Studie untersucht die Gruppe dieser behandungsintensiven Populationen in Österreich. Im Rahmen der Studie wurde analysiert, welche Charakteristika (Alter, Geschlecht, Sozioökonomik, Diagnosen) diese Personen ausmachen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Hochnutzer langfristig behandlungsintensiv bleiben oder ob es sich eher um kürzere Episoden handelt.
Methode
Es handelt sich um eine deskriptive Längsschnittstudie.
Datengrundlagen und Forschungspopulation
Für die Analyse wurde ein Forschungsdatensatz des Hauptverbands (GAP-DRG) genutzt, der Abrechnungsdaten aus den Jahren 2006 bis 2011 für Versicherte einer Gebietskrankenkasse in pseudonymisierter Form beinhaltet. Als Forschungspopulation für die vorliegende Analyse werden jene Pseudonyme herangezogen, die von 2006 bis 2011 durchgehend in der Datenbank vorhanden sind (n=723.426 Personen).
Identifikation der behandlungsintensiven Populationen
In jedem untersuchten Jahr werden diejenigen Personen als behandlungsintensiv identifiziert, die zumindest bei zwei der folgenden drei Kriterien statistische Ausreißer (in dieser Studie: in der Verteilung außerhalb von eineinhalb Interquartilsabständen) waren:
1. Anzahl an Kontakten im niedergelassenen Bereich.
2. Aufenthaltstage in einer Krankenanstalt.
3. Anzahl an erhaltenen Leistungen im niedergelassenen Bereich.
Es wird bewusst eine Methode zur Identifikation der Hochnutzer auf Basis der Inanspruchnahme und nicht auf Basis der entstehenden Kosten gewählt.
Ergebnisse
In jedem Jahr wurden etwa 4,5% der Forschungspopulation als behandlungsintensiv identifiziert, über den Zeitraum von 6 Jahren waren über 11% der Forschungspopulation zumindest in einem Jahr behandlungsintensiv. Diese behandlungsintensiven Populationen hatten 7 mal mehr Arztkontakte und erhielten bei diesen Kontakten ca. 6 mal mehr Leistungen als die nicht-behandlungsintensiven Populationen. Nicht-behanldungsintensive Personen hatten im Median keinen stationären Aufenthalt, während behandlungsintensive Personen im Median 5-6 Tage im Krankenhaus verbrachten.
Personencharakteristika
Die behandlungsintensiven Populationen unterschieden sich signifikant von den nicht-behandlungsintensiven. Sie waren älter, tendenziell weiblicher und sozioökonomisch schlechter gestellt.
Diagnosen
Die Art der Diagnose hängt deutlich stärker von Alter und Geschlecht ab als von der Tatsache, ob eine Person Hochnutzer ist oder nicht. Häufige Diagnosen der Nicht-Hochnutzer finden sich ebenso häufig bei den Hochnutzern. Es zeigt sich jedoch, dass Hochnutzer deutlich häufiger unter Multimorbidität leiden. Nicht-Hochnutzer lagen im Schnitt zwischen einer und drei, Hochnutzer bei drei bis fünf Diagnosen.
Dauer der hohen Behandlungsintensität
Nur 5% aller behandlungsintensiven Personen war über den gesamten Untersuchungszeitraum behandlungsintensiv. Demgegenüber stehen knapp 40%, welche lediglich in einem Jahr behandlungsintensiv waren. Die verbleibende zweite Hälfte der Hochnutzer war zwar in mindestens zwei Jahren behandlungsintensiv aber nicht durchgehend über den gesamten Forschungszeitraum.
Diskussion
Wie in vielen vorangegangenen Studien konnte erneut gezeigt werden, dass ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung für einen relativ großen Teil der Inanspruchnahme im Gesundheitswesen verantwortlich ist. Während die meisten Erkenntnisse den Erwartungen entsprechen, ist es insbesondere erwähnenswert, dass die identifizierten Personen nicht unter besonders ausgefallenen Krankheiten leiden, sondern dass der Unterschied zu Nicht-Hochnutzern viel häufiger in einer vorliegenden Multimorbidität erkennbar war.
Praktische Implikationen
Die Studie kann keinen Hinweis darauf geben, ob die Inanspruchnahme bedarfsgerecht erfolgt ist oder ob es zu Über-/Unter-/Fehlversorgung gekommen ist. Bei einem fragmentierten Gesundheitssystem, wie es das österreichische ist, liegt jedoch die Vermutung nahe, dass die Kontinuität der Versorgung insbesondere bei Hochnutzern leidet. Es sollte daher die Diskussion gestartet werden, wie konkret Betreuungsmodelle für diese vulnerablen Personen entwickelt und umgesetzt werden können.
Hintergrund
Ein Kernelement der 2013 beschlossenen Gesundheitsreform in Österreich stellt die Modernisierung des kompetenzrechtlich stark fragmentierten österreichischen Gesundheitssystems dar. Ziel ist es, dass die medizinische Behandlung von PatientInnen am „Best Point of Service“ stattfindet. Voraussetzung dafür ist jedoch eine klare Festlegung von Versorgungsaufträgen (VSA) für alle Ebenen und AkteurInnen des Gesundheitssystems. Für den ambulanten Bereich wurden in Österreich erstmals solche VSA definiert. Diese werden einerseits in Form eines Aufgabenprofils beschrieben und andererseits in der sogenannten ambulanten Leistungsmatrix (LMamb), die auf dem „Katalog ambulanter Leistungen“ (KAL) basiert, abgebildet. In der LMamb werden einzelne Leistungen den jeweils relevanten Versorgungsebenen sowie Fachgruppen zugeordnet.
Als Voraussetzung für die Umsetzung der VSA haben die AutorInnen eine Ist-Analyse der aktuellen Versorgungssituation durchgeführt. Datenbasis dazu waren die im niedergelassenen Bereich in Österreich erbrachten medizinischen Leistungen im Bereich der Allgemeinmedizin (AM). Darauf aufbauend wurde ein Modell zur Erhebung der Leistungsdichte und Versorgungswirksamkeit in Hinblick auf die VSA erstellt.
Fragestellung
- Welche Leistungen des KAL wurden im Jahr 2014 insgesamt erbracht und wie verteilten sich diese?
- Welche Versorgungsaufträge wurden für die Fachgruppe Allgemeinmedizin definiert und sind im Jahr 2014 im Ist-Stand tatsächlich abgebildet?
- Wie versorgungswirksam sind die AllgemeinmedizInner?
Methode
Grundlage für diese deskriptive, quantitative Ist-Analyse aus Routinedaten bilden die Abrechnungsdaten der sozialen Krankenversicherungsträger des Kalenderjahres 2014, die im bundesweit einheitlichen KAL zusammengefasst werden. Die Datenauswertung erfolgte im November 2016 „zielbezogen“, d.h. hinsichtlich des Standorts der LeistungserbringerInnen. Die Daten liegen in pseudonymisierter Form vor, sodass ein direkter Personenbezug zu den Anspruchsberechtigten oder LeistungserbringerInnen ausgeschlossen ist. Für die Darstellung der VSA wurde die LMamb herangezogen.
Ergebnisse
In den Abrechnungsdaten der österreichischen sozialen Krankenversicherung des Jahres 2014 finden sich insgesamt 464 verschiedene KAL-Codes. Über alle abrechnenden Fachgruppen hinweg wurden im Jahr 2014 rund 316.879.844 Leistungen abgerechnet. Dabei zeigt sich, dass der KAL-Code „Kontakt in der Ordination während der Öffnungszeit“ mit rund 75,5 Millionen am häufigsten abgerechnet wurde. Insgesamt sind die häufigsten 20 KAL-Codes für rund 65% aller abgerechneten Leistungen verantwortlich. Differenziert nach Fachgruppe rangieren die ÄrztInnen für AM mit über 100 Millionen abgerechneten Leistungspositionen, das entspricht rund 32% des erbrachten Leistungsvolumens, an oberster Stelle.
Bei näherer Betrachtung der Fachgruppe AM zeigt sich, dass von dieser Fachgruppe insgesamt 247 verschiedene KAL-Codes abgerechnet wurden. Die Leistung „Kontakt in der Ordination während der Öffnungszeit“ dominiert auch in der AM. Bei rund der Hälfte aller Leistungspositionen aus den Top 20 im Bereich der AM handelt es sich um Laborpositionen. Insgesamt wurden für die AM 73 KAL-Codes als VSA definiert. Für 26 dieser Leistungspositionen schienen in den Daten des Jahres 2014 keine Frequenzen auf. Eine qualitative Untersuchung zeigte, dass dies auf Änderungen der KAL-Codes oder die fehlende Leistungszuständigkeit der SV zurückzuführen ist.
Für weitere detaillierte und regionale Analysen wurden 4.121 von insgesamt 5.284 AllgemeinmedizinerInnen als versorgungswirksam definiert.
Diskussion
Bei der Entwicklung des Modells zur Bewertung der Leistungsdichte und Versorgungswirksamkeit in Hinblick auf die VSA zeigte sich, dass eine Darstellung des Leistungsgeschehens anhand der KAL-Daten über den Zeitverlauf neben einer quantitativen Analyse stets auch eine qualitative Untersuchung erfordert. Nur so können Leistungsänderungen, die durch die jährliche KAL-Wartung bedingt sind, Berücksichtigung finden.
Die Festlegung der Kriterien für eine Zuordnung hinsichtlich dessen, welche AllgemeinmedizinerInnen als versorgungswirksam gelten erfolgte durch die AutorInnen. Auf Basis der Datenanalyse wurden diverse Charakteristika definiert, welche als Mindeststandards für versorgungswirksame AllgemeinmedizinerInnen festgelegt wurden. Diese mussten eine regionale Zuordnung aufweisen, eine ausreichende Anzahl an Leistungen im Jahr 2014 abgerechnet haben, Hausbesuche durchführen und ein gewisses Leistungsspektrum aufweisen.
Praktische Implikationen
Die vorliegenden Daten zeigen strukturelle Unterschiede in der Versorgungslandschaft auf. Bezugnehmend auf die Erfüllung der definierten VSA wäre eine weiterführende Betrachtung und Analyse einzelner Fachgruppen sinnvoll. Auch eine regionale, quellbezogene Auswertung der Daten, d.h. hinsichtlich des Wohnortes der PatientInnen, könnte ergänzende Informationen zur Versorgungssituation und Leistungsdichte im niedergelassenen Bereich bringen.
Background: Accessing the mitral valve for MitraClip implantation requires creation of an atrial septum defect (ASD). MC itself is considered being a palliation only as mitral insufficiency remains. A proportion of patients after MitraClip require consecutive surgical measures because of technical failure or inappropriate clinical improvement. The recent studies report an immediate relief of the left atrial pressure (LAP) and also a mid- and long-term increase in LAP due to iASD.
We hypothesize that the ASD in combination with the remaining mitral insufficiency plays a role in altering the postinterventional course of the patients. Thus, we analyzed those patients receiving consecutive surgery after MC regarding necessary measures for consequences of right heart burden.
Methods: 26 patients were retrospectively analyzed after Mitral valve replacement following MitraClip (MC) between 2010 and 2016. In a matched pair analysis 26 patients with corresponding demographic data and risk profile from the same period receiving primary mitral valve repair (MVP) were collected. Development of pulmonary hypertension as well as necessity of tricuspid repair (TR) and iASD closure (iASDC) was analyzed. Statistical analysis was performed using SPSS®.
Results: Mean age was 70 ±12.4 years in both groups, mean log. EuroSCORE was 22.24% ± 15.95 in MC and 22.09% ± 15.7 in MVP group. Mean left ventricular ejection fraction was 43% preoperatively, and 48% postoperatively in both groups. Postoperatively, an improvement of around I classes was observed in both groups. Compared with the MVP group, an increase in mean pulmonary artery pressure, a dilatation of the left atrium, and increased tricuspid regurgitation were observed in MC group. Thirty day mortality was 26.92% in MC whereas it was 11.54% in MVP. The overall survival was 50% in MC and 84.61% in MVP (Wilcoxon: p=0.015, Log Rank p=0.009).
Conclusions: Patients who required surgical MVR after previous MC fared worse than a matched cohort receiving primary MVP. It was indeed shown that patients after MC developed significantly higher PAP and required significantly more TR and iASDC than MVP patients. It can be speculated that in contrast to current believe the ASD as well as the remaining mitral insufficiency lead to right heart burden and pulmonary hypertension thereby resulting in an increase of tricuspid insufficiency.
In view of the obviously adverse influence on the right heart primary indication for MitraClip should not be too liberally made.
Background: MitraClip is propagated for those high risk patients with mitral insufficiency, considered not qualifying for surgical repair. However, it is a palliative option only. A proportion of patients require consecutive surgical measures because of technical failure or inappropriate clinical improvement. Furthermore, surgical reconstruction of the valve is impossible in almost all patients after MitraClip implantation. Consequently, these patients end up with a mere replacement although repair may have been possible in the first place. We thus looked at the outcome of those patients compared with patients receiving primary mitral valve replacement (MVR) or mitral valve repair (MVP).
Methods: 23 patients were retrospectively analyzed after MVR following MitraClip between 2010 and 2016. 46 patients with corresponding demographic data and risk profile from the same period receiving primary MVR (23 patients) or MVP (23 patients) were retrieved for a matched pair analysis. Statistical analysis including Kaplan-Meyer survival was performed.
Results: Mean age was 70 ±13.1 years in all groups, log. EuroSCORE was 23% ±17.3 in all groups. Preoperative LV-EF was 44% in MC, 48% in MVR, and 44% in MVP. Postop LV-EF was 48% in all groups. 30 day mortality was 21.7% in the MitraClip group whereas it was 4.3% in the MVR and 13.0% in the MVP group. 1-year survival was 56.5% in the MitraClip group while it was 95.6% in the MVR group and 82.6% in the MVP group (Wilcoxon Test all groups: p=0.007; Chi² Test: p=0.001 MitraClip vs. MVR; p=0.054 MitraClip vs. MVP).
Conclusions: Patients who required surgical MVR after previous MitraClip fared worse than matched cohorts receiving primary MVR or MVP. Indication for MitraClip should therefore be made very cautiously in view of the excellent results gained with primary conventional surgery.
*für die Impfen60+ Studiengruppe
Hintergrund
Niedrige Quoten bei den Influenza- und Pneumokokken-Impfungen bei über 60 Jährigen Menschen in Deutschland waren der Auslöser, eine Kommunikationskampagne in Thüringen ins Leben zu rufen. Ziel der Kampagne ist es, durch spezifische Informationen das Wissen bei über 60 Jährigen hinsichtlich des Impfens und den Folgen des Nicht-Impfens zu verbessern und so die Impfquoten zu steigern. Einen Teil der Projektevaluation bildet die gesundheitsökonomische Analyse der Versorgungskosten bei Impfung bzw. Nicht Impfung. Für die Definition von Versicherteneinschluss und Beobachtungszeiträumen ist festzulegen, auf welche Weise frühere Impfungen, Auffrischungs- bzw. saisonale Impfungen, saisonale Einflüsse auf Erkrankungs- und Kostenverläufe und weitere methodische Aspekte des Studiendesigns (Implikationen der zu erwartenden Fallzahlen) Berücksichtigung finden.
Fragestellung
Ziel des Beitrags ist es, verschiedene Einschluss- und Nachbeobachtungsmodelle vorzustellen und die Entscheidung für das gewählte Modell zu diskutieren.
Methode
Die gesundheitsökonomische Analyse wird als retrospektive Fall Kontroll-Studie auf Basis der Abrechnungsdaten von Versicherten der AOK PLUS in Thüringen durchgeführt. Eingeschlossen werden Versicherte, die älter als 60 Jahre sind, seit 2009 durchgängig bei der AOK PLUS versichert und wohnhaft in Thüringen sind. Die Interventionsgruppe der Geimpften umfasst Pneumokokken- und/oder Influenza Geimpfte, so dass hier verschiedene Subgruppen (z.B. die Subgruppe der Pneumokokken- und Influenza Geimpften) separat betrachtet werden können. Die aus Nicht Geimpften bestehende Kontrollgruppe zu den Geimpften soll mittels Propensity-Score-Matching gebildet werden. Versicherte der Kontrollgruppe dürfen weder gegen Influenza, noch gegen Pneumokokken geimpft worden sein. Der Aufgriff erfolgt über die relevanten Abrechnungsziffern für Pneumokokken Impfungen im Jahr 2014 und Influenza Impfungen im dritten und vierten Quartal 2014. Die Nachbeobachtungszeit beträgt zwei Jahre.
Ergebnisse
Wir erwarten einen Einschluss von ca. 10.000 Versicherten der AOK PLUS im Alter von 60 Jahren oder mehr, die im Jahr 2014 gegen Pneumokokken geimpft wurden. Eine valide Schätzung der Anzahl gegen Pneumokokken- und/oder Influenza Geimpften kann zum Kongress vorliegen.
Diskussion
Diskutiert werden sollen die Implikationen verschiedener Versicherteneinschluss- und Nachbeobachtungsmodelle. Die Wahl des Einschlusszeitraums ist abhängig von saisonalen Aspekten wie der saisonal unterschiedlichen Effektivität von Influenza-Impfstoffen. Die Wahl der Nachbeobachtungszeit ist ihrerseits abhängig von der Wahl des Einschlusszeitraums für die Impfungen: Vermischungseffekte sind zu vermeiden (Folgeerkrankungen treten vor dem Eintritt des Impfschutzes auf; individuelle versus quartals- bzw. jahresbezogene Nachbeobachtungszeiträume). Die Notwendigkeit der Bedingung einer jährlichen Influenza-Impfung vor und/oder nach dem Aufgriffzeitraum ist zu prüfen.
Praktische Implikationen
Die Erkenntnisse dieser Untersuchung können für die Gestaltung zukünftiger Konzepte für Routinedatenstudien zu saisonalen Impfungen hilfreich sein.
Hintergrund
Häufig tritt in der statistischen Praxis das Problem auf, die Wirkung einer Intervention im Rahmen eines Experimental-Kontrollgruppen-Designs statistisch nachzuweisen. Hierbei gilt das randomisierte Experiment als der Goldstandard, da dieses beobachtete sowie unbeobachtete Confounder innerhalb der Gruppen zumindest in Erwartung balanciert. Leider sind randomisierten Experimente oft nicht praktikabel. Um dennoch eine Vergleichbarkeit beider Gruppen zu gewährleisten und Selektionsbias zu vermeiden, möchte man für beobachtete Confounder adjustieren. Neben der gewöhnlichen Regressionsadjustierung wird häufig die Propensity Score Methode angewandt, die gewisse Nachteile der Regressionsadjustierung vermeiden möchte. In jüngster Zeit wurden weitere Verfahren zum Umgang mit Selektionsbias entwickelt. Diese haben zum Ziel, die Performance der Propensity Score Methode zu verbessern und somit genauere Schätzungen von Interventionseffekten zu ermöglichen.
Fragestellung
Zielsetzung ist die Beantwortung der Frage, welche statistischen Methoden verfügbar sind, um im genannten Setting Selektionsbias zu minimieren, unter besonderer Berücksichtigung neu entwickelter Methoden. Weiterhin stellt sich die Aufgabe, die Vor- und Nachteile der verfügbaren Verfahren gegenüberzustellen. Ergänzend ist zu beantworten, inwieweit diese neu entwickelten Methoden in der Versorgungsforschung genutzt werden.
Methode
Im Rahmen eines narrativen Reviews wurde eine Literaturrecherche zu existierenden Methoden zur Korrektur von Selektionsbias durchgeführt. Es wurden Methoden eingeschlossen, die darauf abzielen, einen kausalen Behandlungseffekt im Experimental-Kontrollgruppen Design zu quantifizieren, mit besonderem Augenmerk auf Verfahren, die die bisherige Propensity Score Technik weiterentwickeln. Gesucht wurde bei Google Scholar und Science.gov. Desweiteren wurde eine Cross-Reference Suche durchgeführt. Bisherige Ergebnisse zur Performance der gefundenen Methoden wurden begutachtet. Weiter wurden verschieden Eigenschaften der Verfahren verglichen, um eine Einschätzung ihrer Vor- und Nachteile zu ermöglichen.
Ergebnisse
Im Rahmen der Literaturrecherche wurden 8 Methoden gefunden. Neben der gewöhnlichen Regressionsadjustierung und der bekannten Gruppe der Propensity Score Verfahren fanden sich neue Methoden zur Korrektur von Selektionsbias. Diese lassen im Allgemeinen in Monte Carlo Studien eine Überlegenheit zur gewöhnlichen Propensity Score Technik erkennen. Zudem sind sie meist einfacher zu handhaben, da die bisher notwendige Iteration zwischen der Spezifikation des Propensity Scores und der Überprüfung der erzielten Balance vermieden wird. Diese Methoden werden jedoch in der Versorgungsforschung bislang wenig genutzt. Zusätzlich fanden sich aktuelle Forschungsergebnisse zur richtigen Durchführung unterstützender Analysen wie zum Beispiel die Evaluation der erzielten Balance, die korrekte Auswahl der zu adjustierenden Variablen oder die Durchführung einer Sensitivitätsanalyse. Diese werden in der Praxis ebenfalls häufig nicht angemessen beachtet.
Diskussion
Die gefundenen neuen Methoden beinhalten zusammen mit einer adäquaten Durchführung unterstützender Analysen die Möglichkeit, genauere Forschungsergebnisse in der Versorgungsforschung zu erhalten. Diese sind jedoch hinsichtlich ihrer Performance nur durch wenige empirische Studien untersucht, sodass hierzu zusätzliche Forschung notwendig ist. Außerdem ist es möglich, das daneben noch weitere für die Versorgungsforschung relevante Verfahren existieren, welche durch die Literaturrecherche nicht gefunden wurden.
Um weitere Erkenntnisse zur Performance der gefundenen Methoden zu erlangen, werden im Rahmen einer Doktorarbeit die vielversprechenden Verfahren Covariate Balancing Propensity Scores und das noch wenig untersuchte Kernel Balancing durch eine Monte Carlo Studie miteinander verglichen, zusammen mit der Propensity Score Gewichtung und der normalen Regressionsadjustierung. Besonderes Augenmerk liegt auf der bislang nicht empirisch untersuchten Frage, wie für die beiden neuen Verfahren korrekte Konfidenzintervalle berechnet werden können. Abschließend werden die untersuchten Methoden auf zwei hochrelevante Studien der Versorgungsforschung angewandt.
Praktische Implikationen
Es ist von großer Wichtigkeit, angewandte Forscher bei der Auswertung von nichtrandomisierten Interventionsstudien für eine angemessene Methodik zu sensibilisieren. Auch neuere Verfahren sollten hierbei in Erwägung gezogen werden, wodurch bei versorgungswissenschaftlichen Studien möglicherweise ein höherer Evidenzgrad erzielt werden kann.
Hintergrund/ Fragestellung: Es wird geschätzt, dass der globale Markt für genetische Direct-to-Consumer Tests (DTC) im Jahr 2018 ein Markvolumen von 230 $ US-Dollar erreichen wird. Während die Kosten für derartige Tests beim Verbraucher liegen, können Folgekosten entstehen, welche von der Solidargemeinschaft getragen werden müssen. In einem ersten Schritt wurde das aktuell verfügbare Angebot im deutschen Setting analysiert.
Methode: Hierfür wurde im April 2016 eine systematische Internetrecherche mit der Suchmaschine Google durchgeführt. Es konnte eine Übersicht zu den Punkten: Firmensitz, Sprache, Arten der gesundheitsbezogenen Tests, zusätzliches Angebot von nicht-gesundheitsbezogenen Tests, Informationen über Sensitivität und Spezifität, Akkreditierung, Kosten und Verweis auf das Deutsche Gendiagnostikgesetz erstellt werden.
Ergebnisse: 35 Homepages wurden in die finale Übersicht eingeschlossen. Eine Vielzahl an prädiktiven genetischen Tests konnte identifiziert werden, wobei nicht alle Anbieter Preisinformationen zur Verfügung stellen. Die Kosten für eine prädiktive Analyse können bspw. zwischen 90 € und 990 €, für mehrere Dispositionsanalysen zwischen 232, 18 € und 375 € und für eine genetische Lifestyle-Analyse zwischen 84,55€ und 570, 20 € variieren.
Diskussion und praktische Implikationen: Genetische Informationen können zu Unsicherheit und Angst führen, welche zusätzliche Kosten für das Gesundheitssystem bedingen. Grundsätzlich können genetische DTC-Tests Auswirkungen auf unterschiedliche Akteure der Mikro-, Meso,- und Makroebene des Gesundheitssystems haben, welche kostensteigernde oder –senkende Effekte auf die Gesundheitsausgaben haben können. Das gestiegene Interesse an genetischen Analysen und der weltweite Zugang erfordert eine bevölkerungsweite Aufklärung hinsichtlich der Chancen und Risiken von genetischen Informationen.
Backround
By causing slight symptoms in the early stages persons suffering from some forms of skin cancer often run into high stages of illness. Delayed medical attention in higher stages demand a more invasive and cost-intensive therapy. Also patients undergo losses in their quality of life from symptoms and invasive therapy. Despite continually increasing incidences in skin cancer entities like malignant melanoma (MM), basal cell carcinoma (BCC), and squamous cell carcinoma (SCC) most people are still misunderstanding the hazards for skin cancer. Preventing strategies in each stage, primary, secondary, and tertiary are in high demand. But interventions like skin cancer screening are still missing the evidence for effectiveness and therefore are criticised. A prerequisite should be the critical dealing of utilised parameter that are defined as measures for effectiveness. Characterized as complex interventions prevention strategies have to be handled with approaches that include more study designs besides RCTs and similar controlled designs. Furthermore, the context of prevention strategies and its causalities has to be evaluated not only quantitatively but also qualitatively to extract caused effects and further point out consecutive endpoints for the prove of effectiveness and cost-effectiveness.
Research question
This review seeks to outline existing and practised interventions in prevention and their experienced effects and furthermore display possibility for inferred effectiveness within following research questions:
What effects can display effectiveness considering time horizon, perspective and organizational level?
What are essential and sufficient conditions to prove effectiveness and cost-effectiveness in skin cancer prevention strategies?
Method
A systematic review is performed to spot studies from any design and assess the data quantitatively and qualitatively. Included studies from each key question will be summarized by characteristics like population, intervention, comparison, outcomes, study design, endpoints, effect estimator, etc. Beside statistical relevancies for a systematic review the qualitative method of qualitative comparative analysis (QCA) will be performed. This approach is employed to combine quantitative to qualitative research methods and therefore to aid a new perspective in HSR. The review protocol is registered in PROSPERO with the registration number CRD42017053859.
Outcomes
The review is ongoing and outcomes will be available and presented in October 2017.
Studies in the systematic review will be filed by prevention level: primary, secondary, tertiary. The estimated outcomes from this review and QCA are the accomplishment and absence of effects that are appropriate for application in effectiveness assessments and further cost-effectiveness assessment. Estimated effects are for example reduced UV-exposure, reduced numbers of sunburns and reduced use of tanning beds induced by knowledge enhancement from enlightenment campaigns and education, and municipally provided sun screen facilities in primary prevention. In secondary prevention e.g. increased numbers of detected skin cancers, stage shifts to early stages, metal burden from screening tests, or false positive or negative screenings are expected. In tertiary prevention milder disease processes, less invasive therapeutic strategies (e.g. less prescribed chemotherapies), a smaller impairment of quality of life in patients, and decreased numbers of recurrences are estimated to show up. Further the conditions for the accomplishment and absence of effects and thus effectiveness and cost-effectiveness are expected to become apparent.
Discussion and practical implications
The expected outcomes from the systematic review and related QCA offer an appropriate method to reveal experienced interventions, their context, and effects. This is performed not only quantitatively for the purpose of evidence-based medicine but also qualitatively with regard to underlying conditions for the attainability of effects or their absence. This is an indispensable groundwork in order to frame also suitable endpoints for effectiveness measures and furthermore cost-effectiveness.
Background
Proteins encoded by BRCA1 and BRCA2 are involved in the repair of DNA double strand breaks by homologous recombination repair. Mutations in BRCA1/2 (BRCAm+) can result in defective repair of double-stranded DNA breaks and are a risk factor for ovarian cancer. The poly (ADP-ribose) polymerase (PARP) inhibitor olaparib can exploit homologous recombination repair deficiencies in BRCAm+ cells to induce synthetic lethality. Olaparib was approved in Europe in December 2014 for the maintenance treatment of patients with platinum-sensitive relapsed BRCAm+ (germline or somatic) ovarian cancer who are in response to platinum-based chemotherapy (400 mg taken twice daily, equivalent to a total daily dose of 800 mg, capsules formulation).
Research question
Within clinical trials (NCT00753545), olaparib leads to a statistically and clinically significant increase in progression-free survival (PFS) compared to placebo, improved survival and was shown to be well tolerated. So far, no systematic outcome research on olaparib treatment in daily routine practice has been initiated.
Method
The non-interventional study C•Patrol (NCT02503436 on ClinicalTrials.gov) analyses various outcome data (PFS, PFS2, overall survival (OS), time to first and time to second subsequent therapy (TFST, TSST)), the patient-reported health-related quality of life (assessed by FACT-O, FACIT-Fatigue, and FLIE questionnaires), and the safety and tolerability of ovarian cancer patients treated with olaparib under real-life medical conditions in Germany.
Results
Starting in October 2015, 121 patients are currently enrolled at 53 study sites (status March 2017).
Conclusion and Implications
An Amendment will introduce, in addition to the German version, patient-questionnaires in English, Turkish, and Arabic language. An interim analysis focusing on risk minimization activities with regard to olaparib treatment will start soon. The interim analysis will involve the first 75 patients with a documented observational period ≥ 3 months.
Hintergrund: Durch Beschleunigung der koronaren Reperfusion und verbesserte medikamentöse Begleittherapie ist es in den vergangenen zwei Jahrzehnten gelungen, die Krankenhaussterblichkeit bei akutem Herzinfarkt deutlich zu senken. Die prästationäre Sterblichkeit hat sich nicht in gleichem Ausmaß günstig beeinflussen lassen. Diese Studie hat zum Ziel, aktuell die an einem Herzinfarkt in Berlin während eines Jahres Verstorbenen zu beschreiben und hierbei insbesondere prästationär und stationär Verstorbene vergleichend zu charakterisieren.
Methoden: Anhand der Daten der zentral archivierten Leichenschauscheine wurden die zwischen Juli 2014 und Juni 2015 an einem Herzinfarkt in Berlin Verstorbenen anhand von ICD-Codes (I21, I22, I23) und einer Stichwortsuche (nach „Herzinfarkt“, „Infarkt“, „Myokardinfarkt“, „Myocardinfarkt“, „NSTEMI“, „STEMI“, „Herzmuskel“) identifiziert. Die gefundenen Fälle wurden einzeln auf Plausibilität überprüft. Bei der so konsolidierten Kohorte wurden Sterbeort, Alter, Geschlecht und Sterbezeitpunkt erhoben.
Ergebnisse: Im Untersuchungszeitraum wurden 1094 Herzinfarkttote identifiziert. Hiervon waren 722 (66%) prästationär und 392 (34%) stationär verstorben. Prästationär im Vergleich zu stationär Verstorbene waren jünger (74,3±13,5 vs. 77,4±12,3J; p<0,001). Das Überwiegen prästationärer Sterblichkeit war über alle Altersklassen nachweisbar, in den Altersklassen < 65J aber deutlicher ausgeprägt (Abb.1). Die Geschlechterverteilung unterschied sich nicht (weiblich prästationär 39,0% vs. stationär 40,4%; p=0,671), obwohl in der Gesamtkohorte weibliche vs. männliche Verstorbene durchschnittlich älter waren (80,7± 13 vs. 71,7±13J). Für den jahreszeitlich bezogenen Todeszeitpunkt war die Verteilung prästationär vs. stationär unterschiedlich (Abb.2). Im Sommer verstarben absolut weniger Patienten als im Frühling, Herbst und Winter. Zugleich kehrte sich aber das Verhältnis zwischen prästationärer und stationärer Mortalität in den Monaten Juli – Oktober um.
Schlussfolgerung: Im Untersuchungszeitraum verstarben zwei Drittel der Herzinfarkttoten in Berlin prästationär. Der prästationäre Herzinfarkttod betraf bevorzugt Jüngere und variierte jahreszeitlich im Vergleich zur stationären Sterblichkeit. Das hohe Ausmaß prästationärer Herzinfarktsterblichkeit sollte Anstrengungen zu wissenschaftlich begleiteter verbesserter Prävention und Versorgung stimulieren.
Hintergrund
Aufgrund der steigenden Kaiserschnittrate und der angespannten beruflichen Situation für Hebammen initiierte das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter in Nordrhein-Westfalen (NRW) im Jahr 2014 den Runden Tisch Geburtshilfe. Dieser sprach in seinem Abschlussbericht die Empfehlung aus, Hebammen und Frauen in NRW zur Versorgungssituation mit Hebammenhilfe zu befragen [1]. Diese Empfehlung wird unter finanzieller Förderung durch das Landeszentrum Gesundheit NRW (Förderkennzeichen LZG TG 72 001/2016) und mit einer Laufzeit von drei Jahren mit dem hier beschriebenen Vorhaben umgesetzt. Das Vorhaben stellt die bisher größte und umfassendste einer Reihe aktuell laufender Studien zur Versorgungssituation mit Hebammenhilfe in Deutschland dar, um ggf. Maßnahmen zur Verbesserung der wohnortnahen und flächendeckenden Versorgung mit Hebammenhilfe ableiten zu können.
Fragestellung
Dargestellt werden soll die Versorgung von Frauen in der Lebensphase von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und früher Elternschaft mit Hebammenhilfe in NRW aus Sicht der Frauen. Gleichzeitig werden in NRW wohnende und/oder arbeitende Hebammen unter anderem zu ihren Tätigkeitsfeldern befragt. Dabei wird das Angebot mit Hebammenhilfe, die Inanspruchnahme von und der Bedarf nach Hebammenhilfe, regionale Unterschiede in der Versorgung und mögliche Qualitätsmerkmale untersucht.
Methode
Das Forschungsvorhaben wird in zwei Teilprojekten umgesetzt. Im Teilprojekt A werden in einer retrospektiven Kohortenstudie 3.000 junge Mütter vier Monate nach der Geburt ihres Kindes zur Inanspruchnahme von Hebammenhilfe, Aspekten wie dem Zugang zur Hebammenhilfe, der Kontinuität in der Betreuung, der Zufriedenheit mit der Betreuung, der Nutzung von informationstechnologischen Medien sowie dem subjektiven Gesundheitsstatus befragt. In diesem Zusammenhang wird insbesondere die singuläre Frage nach der subjektiven Gesundheit fokussiert, da ihre prädiktive Kraft in Bezug auf Mortalität und Morbidität in Studien bereits gezeigt wurde [2,3]. Als Zugang dienen randomisiert ausgewählte geburtshilfliche Fachabteilungen in NRW, alle Geburtshäuser, sowie freiberuflich tätige Hebammen in NRW. Entsprechend der Auswertung des BQS-Instituts zu den Herkunftsländern von Frauen, die in NRW geboren haben [4], wird der Fragebogen in den häufigsten in NRW gesprochenen Sprachen bereitgestellt, um ein möglichst repräsentatives Bild junger Mütter gewinnen zu können. Die Auswertung erfolgt sowohl deskriptiv als auch analytisch in Hinblick auf Faktoren, die z.B. zur Nicht-Inanspruchnahme von Hebammenhilfe führen.
Das Teilprojekt B stellt ein exploratives Survey dar. Auch wenn die Grundgesamtheit unbekannt ist [5], sollen alle in NRW wohnhaften bzw. tätigen Hebammen identifiziert und erfasst werden. Der Zugang zu den Hebammen erfolgt über alle bekannten Datenhalter. Auch nicht berufstätige Hebammen sollen erfasst werden, damit eine Gegenüberstellung von einer absoluten Zahl von Hebammen und der tatsächlich eingesetzten Arbeitskraft dargestellt werden kann. Das Erhebungsinstrument ist ein Fragebogen, welcher auf Grundlage von internationalen Standards der Hebammenregistrierung [6] entwickelt wird. Von zentralem Interesse sind Umfang, Ort und Art der Berufsausübung. Als ein Aspekt der Versorgungsqualität wird ebenfalls der Grad der Vernetzung mit anderen Gesundheitsfachberufen erfragt.
Zur Erhöhung der Rücklaufquoten ist für beide Erhebungen eine Hybridbefragung (online, postalisch, telefonisch) geplant. Die Software SPSS (Version 24) [6] und R [7] werden maßgeblich zur Auswertung der Daten genutzt. Das Ethikvotum wird zur Begutachtung der Ethikkommission der Hochschule für Gesundheit vorgelegt.
Ergebnisse
Es wird erwartet, die allgemeine und regionsbezogene Hebammenversorgung in NRW sowie Faktoren der Hebammenversorgung mit Bezug zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität aus der Perspektive der Hebammen und aus der Perspektive der Frauen darstellen zu können. Darüber hinaus wird die erbrachte Hebammenversorgung den gesetzlichen Grundlagen und dem Bedarf der Frauen gegenüber gestellt.
Diskussion
Die parallele Befragung von Frauen und Hebammen ist ein Novum. Ein repräsentatives Versorgungsbild wird durch das Forschungsdesign generiert, welches auch Frauen in besonderen Lebenslagen mit anderen Herkunftsländern einbezieht. Darüber hinaus wird Frauen, die das geschriebene Wort nicht lesen können, über die telefonische Befragung die Möglichkeit gegeben, an der Studie teilzunehmen. Das Forschungsprojekt bietet einerseits die Möglichkeit, einen detaillierten Einblick in die geburtshilfliche Versorgungslage von Frauen in der reproduktiven Lebensphase und andererseits in das Spektrum der Hebammenarbeit in NRW zu erlangen.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes bieten eine Grundlage für Diskussionen, von der aus gesundheitspolitische Maßnahmen initiiert werden, welche die geburtshilfliche Versorgung durch Hebammen zukünftig sichern und verbessern können.
Hintergrund:
In der „lidA- (leben in der Arbeit) Studie“ (BMBF-Förderkennzeichen: 01ER0826), einer Kohortenstudie zu Arbeit, Alter, Gesundheit und Erwerbsteilhabe, wurden Erwerbstätige der Jahrgänge 1959 und 1965 u.a. zu Aspekten der Arbeit und Gesundheit in zwei Wellen (2011 und 2014) mittels computerassistiertem persönlichen Interview (CAPI) befragt. Während der Befragung wurden sie um ein schriftliches Einverständnis gebeten, die Befragungsdaten mit individuellen Krankenkassendaten (KK-Daten) verknüpfen zu dürfen (informed consent). Lag das schriftliche Einverständnis vor, wurde die entsprechende gesetzliche Krankenkasse kontaktiert. Insgesamt konnte in der lidA-Studie mit zehn Krankenkassen kooperiert werden.
Rückenschmerz ist die häufigste Diagnose bei den Muskel-Skeletterkrankungen, die zu Arbeitsunfähigkeit führt. Rund 80% der Deutschen sind im Laufe des Lebens von Rückenleiden betroffen, ein erheblicher Teil davon leidet sogar längerfristig unter Rückenproblemen. Beeinflussbare Risikofaktoren für Rückenschmerz bieten eine große Chance für Präventionsmaßnahmen.
Fragestellung/Methoden:
Ziel der Analyse ist die Abbildung der Prävalenz von chronischem Rückenschmerz bei Erwerbstätigen durch die Verknüpfung von Befragungs- mit Krankenkassendaten. Dabei soll die Übereinstimmung der subjektiven Angaben mit denen der KK-Daten überprüft werden und in Folge dessen die selbstberichtete Prävalenz um die sog. administrative Prävalenz ergänzt werden. Eingeschlossen werden alle Befragten, von denen Angaben zu beiden Befragungswellen vorliegen (n = 4.244). Rückenschmerz wurde über die Frage nach Schmerzen im oberen sowie im unteren Rücken in den letzten zwölf Monaten operationalisiert. Als chronisch wird der Rückenschmerz definiert, wenn die Befragten ihn sowohl in der ersten als auch in der zweiten Welle angeben. Für 1.031 Befragte können zudem die individuellen Krankenkassendaten der Jahre 2009 – 2013 mit den Befragungsdaten verknüpft werden. Rückenschmerz wird in den stationären (Haupt- und Nebendiagnose), ambulanten (Diagnose gesichert und Zustand nach) und Arbeitsunfähigkeitsdaten über den ICD10-Code M54 (‚Rückenschmerzen‘) abgebildet. Die administrative Prävalenz wird anhand der KK-Daten über alle drei Sektoren mittels zwei unterschiedlicher Definitionen gebildet. Def1: Chronischer Rückenschmerz liegt vor bei mindestens einer Nennung M54 in einem der Sektoren im gesamten Zeitraum. Def2: Chronischer Rückenschmerz liegt vor, wenn zwei Diagnosen in mindestens zwei Quartalen innerhalb von vier aufeinanderfolgenden Quartalen sektorenübergreifend vorkommen. Die Übereinstimmung der Angaben in den Primär- und Sekundärdaten wird mit Cohen‘s Kappa bestimmt. Auf Grund des fehlenden Goldstandards wird die Gesamtprävalenz als Summe aus der berichteten und der administrativen Prävalenz berechnet. Um mögliche Unterschiede zwischen den beiden Kohorten und Männern und Frauen auszuschließen, wird Kappa anschließend differenziert nach Kohortenzugehörigkeit und Geschlecht berechnet.
Ergebnisse:
Die berichtete Prävalenz des chronischen Rückenschmerzes beträgt 55,4 % (n = 2.350). In den KK-Daten zeigt sich eine administrative Prävalenz von 14,2 % (n = 601) (Def1) bzw. 8,4 % (n = 357) (Def2). Cohen‘s Kappa ergibt eine geringe Übereinstimmung beider Datenquellen mit Werten von 0,233 (Def1) bzw. 0,184 (Def2). Durch das individuelle Datenlinkage können insgesamt 195 Personen (Def1) bzw. 101 Personen (Def2) zusätzlich zur berichteten Prävalenz bzgl. eines chronischen Rückenschmerzes identifiziert werden. Dagegen zeigt sich eine berichtete Prävalenz bei 190 Personen (Def1) bzw. 340 Personen (Def2), bei denen selbst keine Diagnose Rückenschmerz vorliegt. Die Gesamtprävalenz des chronischen Rückenschmerzes beträgt daher 60,0 % (n = 2.545) (Def1) bzw. 57,8 % (n = 2.451) (Def2). Differenziert nach Kohortenzugehörigkeit und Geschlecht unterscheiden sich die Kappawerte nur geringfügig.
Diskussion/praktische Implikationen:
Die berichtete Prävalenz unterscheidet sich bei chronischem Rückenschmerz gravierend von der in KK-Daten abgebildeten Prävalenz. Die ärztliche Dokumentation von Rückenschmerz und das subjektive Empfinden zeigen bei niedrigen Werten von Cohen‘s Kappa nur minimale Übereinstimmungen. Zum einen berichten Personen von Rückenschmerz, auch ohne ihn von einem Arzt diagnostiziert bekommen zu haben oder er möglicherweise Folge anderer Krankheiten ist und daher nur als Nebendiagnose gestellt wird. Zum anderen bekommen Personen die Diagnose M54 gestellt, geben Rückenschmerz aber in der Primärerhebung nicht an, weil hier möglicherweise der Erinnerungsbias eine Rolle spielt oder andere Krankheiten präsenter sind. Die minimale Übereinstimmung weist auf einen Mehrgewinn durch ein Linkage von Primär- und Krankenkassendaten hin. Daher werden für weitere inhaltliche Analysen bezüglich chronischen Rückenschmerzes bei Erwerbstätigen die verknüpften Daten, die die Zielgruppe für spezifische Präventionsangebote klarer beschreiben, verwendet.
Hintergrund: Brustkrebs ist die häufigste onkologische Erkrankung bei Frauen weltweit mit einer Inzidenz von etwa 1,67 Millionen neuen Fällen pro Jahr. In Deutschland werden jährlich 70.000 neue Fälle diagnostiziert. Zielgruppe des EndoPredict-Tests sind Brustkrebspatientinnen mit mittlerem Metastasenrisiko nach der „Interdisziplinären S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms“ 2008. Mittels EndoPredict sollen diejenigen Patientinnen identifiziert werden, die unter alleiniger antihormoneller Behandlung ein Metastasen-freies Überleben nach 10 Jahren von über 90% haben.
Fragestellung: Ziel des Projektes ist die gesundheitsökonomische Evaluation des EndoPredict-Tests zur Feststellung der Chemotherapie-Indikation bei Patientinnen mit primärem Östrogenrezeptor-positiven, HER2-negativen Mamma-Karzinom.
Methode: Die Analyse basiert auf Patientendaten eines deutschen Brustzentrums aus den Jahren 2008-2011. Daten zur EndoPredict‐Klassifikation wurden durch retrospektive Analysen in archivierten Tumor-Proben erhoben. Die in der Studienkohorte angefallenen direkten-medizinischen Kosten (stationäre Versorgung, ambulant-ärztliche Versorgung, Arzneimittel (Chemotherapeutika, Begleitmedikation)) wurden für ein Jahr ab der Entfernung des Tumors bestimmt. Darüber hinaus wurden die hypothetischen direkten Kosten für die Kohorte unter Einsatz des EndoPredicts ermittelt.
Ergebnisse: Von insgesamt 82 Patientinnen (62±10 Jahre), von denen 50% eine Chemotherapie erhielten, hatte die retrospektive Verwendung von EndoPredict bei 52 keine Änderung der Chemotherapie-Indikation zur Folge. Bei 23 hätte auf die Chemotherapie verzichtet werden können und bei 7 Patientinnen hätte es eine zusätzliche Chemotherapie gegeben. Somit hätten im Vergleich zum Szenario ohne EndoPredict insgesamt 16 Patientinnen weniger eine Chemotherapie erhalten. Die errechneten Durchschnittskosten einer ambulanten Chemotherapie betragen 14.835€, die Kosten des EndoPredict 1.811€. Die Kosten der medizinischen Versorgung der Studienkohorte betrugen insgesamt 1.081.782€ (stationäre Versorgung: 472.513€, ambulante Versorgung inkl. Arzneimittel: 609.269€). Im hypothetischen Szenario mit EndoPredict resultierten Gesamtkosten von 968.273€ (stationär: 447.524€, ambulant: 372.247€, EndoPredict: 148.502€), entsprechend einer Einsparung von 1.384€/Test.
Diskussion: Es handelt sich bei der vorliegenden Analyse um eine unizentrische retrospektive Kostenanalyse, deren Follow-Up Zeitraum auf das erste Jahr nach der Diagnose begrenzt ist. Fahrtkosten, Kosten für Hilfsmittel (z.B. Perücken) sowie indirekte Kosten konnten keine Berücksichtigung finden. Dennoch liefert die Kostenanalyse wichtige Informationen über die direkten medizinischen Kosten der aktuellen Brustkrebsbehandlung von Patienten mit mittlerem Metastasenrisiko in Deutschland. Hauptkosten-Treiber in der ambulanten Versorgung ist die Chemotherapie. Die retrospektive Analyse zeigt mögliche Kosteneinsparungen in direkten medizinischen Kosten durch die Anwendung des EndoPredict bei der Behandlungsentscheidung auf.
Praktische Implikation: Die vorliegende retrospektive Analyse zeigte bei der Anwendung des EndoPredict als unterstützende Stratifizierungsmethode ein Einsparpotenzial bei den direkten Behandlungskosten von 10,5%, entsprechend 1.384€ pro durchgeführtem Test.
Hintergrund: Weißer Hautkrebs (non-melanoma skin cancer = NMSC) ist das am häufigsten diagnostizierte Karzinom weltweit. Die Inzidenz ist seit Jahrzehnten steigend, wobei in Deutschland schätzungsweise jährlich 213.000 Personen an NMSC erkranken. Der Hauptrisikofaktor für die Entwicklung von NMSC ist die UV-Strahlung der Sonne. In Deutschland sind etwa 2,5 bis 3 Millionen Arbeitnehmer beruflich gegenüber der Sonne exponiert und somit einem erhöhten Hautkrebsrisiko ausgesetzt. Seit 2015 ist NMSC eine anerkannte Berufskrankheit für Außenberufsgruppen (BK Nr. 5103).
Bisherige Studien zur Prävalenz von NMSC beruhen meist auf Krankenkassendaten. Allerdings gibt es kaum Studien, die Daten zur Inzidenz im „echten“ Leben erheben.
Fragestellung: Ziel der Studie war es, die Punktprävalenz von NMSC außerhalb eines medizinischen Settings zu ermitteln und das Bewusstsein der Teilnehmer hinsichtlich NMSC und dem Risikoverhalten zu verbessern.
Methode: Es wurde eine Querschnittstudie auf dem Bayerischen Zentral-Landwirtschaftsfest (ZLF), das alle 4 Jahre zeitgleich zum Oktoberfest stattfindet, durchgeführt. Anhand eines Fragebogens wurden die Teilnehmer zu ihrem Risikoverhalten für NMSC befragt und anschließend erfolgte ein Hautkrebsscreening durch einen erfahrenen Dermatologen.
Ergebnisse An 9 Tagen des ZLF im September 2016 nahmen 2701 Personen (1445 Frauen, 1248 Männer; 51,9 ± 15,3 Jahre) an der Studie teil. 19,8% der Befragten gaben an weder eine Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor noch eine andere Sonnenschutzmaßnahme während der Arbeitszeit zu verwenden.
Das Hautkrebsscreening zeigte bei 683 Probanden (25,3%) mindestens eine aktinische Keratose. Zudem wurden 63 Basalzellkarzinome (2,3%) und 17 spinozelluläre Karzinome (0,6%) klinisch identifiziert. Von allen Personen, bei den NMSC diagnostiziert wurde, waren 386 Personen (55,2%) noch nie zuvor bei einer Hautkrebsvorsorge.
Diskussion: Die Studie zeigt eine hohe Prävalenz von NMSC und dessen Vorstufen bei Besuchern der Landwirtschaftsmesse. Außerdem deuten die Ergebnisse auf ein unzureichendes Sonnenschutzverhalten von vielen Probanden hin.
Praktische Implikationen: Die Prävalenz von NMSC ist höher als bislang in der Literatur angenommen. Dies deutet darauf hin, dass der Versorgungsbedarf bislang nicht richtig erfasst wurde und weitere Informations- und Präventionskampagne erforderlich sind.
Background
Radioactive material and ionizing radiation are playing a central role in medical diagnostics and therapy. In contrast to radiographic examinations which are associated with a low level of radiation exposure angiographic or computed tomographic (CT) examinations are considerably associated with higher exposure. The benefit of ionizing radiation is opposed by the risk of irreparable damage of the human organism.
Situations in which the expected benefits do not outweigh the risks for paediatric patients being particular vulnerable should be determined very carefully.
Objective
Our aim was to review and critically appraise the best available evidence concerning the risk of computed tomography scanning for causing malign neoplasms in exposed children in their life course.
Methods
We conducted a systematic literature search for publications in English and German using the databases MEDLINE, Cochrane Central Register of Controlled Trails, Cochrane Database of Systematic Reviews, DAHTA-Datenbank, Database of Abstracts of Reviews of Effects, Health Technology Assessment Database, NHS Economic Evaluation Database, EMBASE, BIOSIS Previews, EMBASE Alert, SciSearch via user interface ClassicSearch and EBSCO (CINAHL Complete, Health Business Elite, SocINDEX) via user interface EBSCOhost in March 2016. Retrievals were screened by two independent reviewers. We included children up to 16 years examined by CT and with a diagnosis of malign neoplasm. The assessment of methodological quality was done by two independent reviewers concerning representativeness, risk of bias, and further limitations. Reporting quality was assessed using the RECORD checklist.
Results
The systematic searches identified four cohort studies. An increased risk of brain tumors in children after exposition to head CTs and by an increase of the number of examinations was shown. For children with predisposing factors an increased risk of tumors of the central nerve system, leukemia, and lymphoma was found. Furthermore, a general risk of malign neoplasms, and a specific risk of lymphoma after CT examinations of different parts of the body could be observed.
Discussion
Taking into consideration an unclear or high risk of bias as well as lack of comparability due to different research questions, the validity of results is limited.
Conclusion
To further examine the risk from CT-induced radiation exposure of children, additional studies with a follow-up of at least 10 years are necessary including documentation of each CT examination and its individual dosage, the body part examined, and eventually applicated contrast media. A verification of indication should be also reported stratified for the medical discipline of the indicating physician.
Hintergrund: Im Jahr 2015 waren 18,3% der österreichischen Gesamtbevölkerung armuts- oder ausgrenzungsgefährdet – davon waren rund 211.000 Frauen im Alter von 20-39 Jahren betroffen (20%). Internationale Studien berichten, dass Armut zu einem erhöhten Risiko für Komplikationen und Pathologien in der Schwangerschaft führen kann und Kinder, die in Armut aufwachsen häufig langfristig schlechtere Gesundheits-Outcomes aufweisen.
Fragestellung: Welche Screening-Empfehlungen lassen sich hinsichtlich sozioökonomischer Benachteiligung aus internationalen evidenzbasierten Leitlinien für die Schwangerschaft ableiten?
Methode: Zur Identifizierung rezenter Leitlinien (2011-2016) wurde eine umfassende Handsuche in den Guideline-Datenbanken NGC (National Guideline Clearinghouse) und GIN (Guidelines International Network) durchgeführt. Diese wurde durch eine Handsuche nach Übersichtsarbeiten und Primärstudien in PubMed ergänzt.
Ergebnisse: Zum aktuellen Zeitpunkt konnte keine evidenzbasierte Leitlinie zum Screening auf Armut in der Schwangerschaft identifiziert werden. In 2 Leitlinien, der britischen NICE (National Institute for Health and Clinical Excellence) Guideline „Pregnancy and complex social factors“, sowie der australischen AHMAC (Australian Health Ministers’ Advisory Council) Guideline „Antenatal Care“, wird die sozioökonomische Benachteiligung im Rahmen der Schwangerenbetreuung thematisiert. Die Empfehlung der AHMAC lautet, dass eine Schwangerschaftsvorsorge allen Schwangeren angeboten werden sollte. Darüber hinaus soll ein individueller Ansatz dabei helfen, spezifisch auf sozioökonomische Faktoren zu achten und diese in die Routine-Untersuchungen miteinzubeziehen. NICE empfiehlt in seiner Guideline, betroffene Frauen zu unterstützen, damit eine adäquate pränatale Versorgung gewährleistet werden kann. Des Weiteren definiert NICE Kriterien, welche zur Identifizierung Schwangerer mit von der Routine abweichendem Betreuungsbedarf dienen. Die einzige zusätzlich identifizierte Studie entwickelte und testete ein Tool zur Identifikation von Armut betroffener PatientInnen im niedergelassenen Bereich. Die AutorInnen der kanadischen Pilotstudie kamen zum Schluss, dass die definierten Fragen dabei halfen, im Rahmen der Anamnese sozioökonomisch benachteiligte Personen zu identifizieren.
Diskussion: Es konnte keine spezifische Leitlinie zum Screening auf Armut identifiziert und damit auch keine empfohlenen Screening-Instrumente benannt werden. Dass armutsgefährdete bzw. von Armut betroffene Schwangere jedoch eine wichtige Risikogruppe darstellen, wird zumindest in zwei Leitlinien zur Schwangerenbetreuung thematisiert. Laut AutorInnen der kanadischen Pilotstudie gilt die dort entwickelte Screening-Methode als einfach umsetzbar, da nur einzelne Fragen in die psychosoziale Anamnese integriert werden müssten.
Praktische Implikationen: Durch den erwiesenen Zusammenhang von Armut und Gesundheitsgefährdung ist sozioökonomisch benachteiligten Schwangeren besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Einen hohen Stellenwert hat dabei die Erforschung von nicht-stigmatisierenden Instrumenten, welche gefährdete Frauen identifizieren können. Zusätzlich ist neben gesellschaftspolitischen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass niederschwellige Angebote für sozioökonomisch-benachteiligte Frauen und deren Kinder verfügbar sind.
Hintergrund: Nosokomiale Infektionen gehören zu den häufigsten Komplikationen in deutschen Krankenhäusern. Ein steigender Anteil wird durch multiresistente Erreger (MRE) verursacht. Eine zentrale Maßnahme zur Vermeidung von Übertragungen und Infektionen mit MRE ist die frühe Erkennung von Trägern (Screening), um angemessene Infektionsschutzmaßnahmen, Dekolonisierungs-/ Suppressions-therapien oder eine adäquate Antibiotikatherapie einzuleiten. Bisher sind Sektorengrenzen zwischen den Gesundheitsversorgern ein wesentliches Hemmnis für effiziente Screening-Lösungen. So erfolgt bisher keine Erkennung von MRE-Trägern als Vorbereitung eines geplanten Krankenhausaufenthaltes, da die nötigen Strukturen fehlen und die Effekte nicht ausreichend wissenschaftlich belegt sind.
Fragestellung: Wie kann ein prästationäres MRE-Screening in der Regelversorgung umgesetzt werden? Welche Innovationsbarrieren lassen sich dabei identifizieren und wie können diese überwunden werden? Welche Schnittstellenprobleme und welche Lösungsstrategien zwischen ambulantem und stationärem Sektor gibt es? Wie lassen sich die medizinischen, diagnostischen, logistischen und kommunikativen Prozesse optimal gestalten? Wie erfolgt eine effiziente und rechtssichere sektorenübergreifende Informationsweiterleitung? Wie hoch sind die Kosten für ein prästationäres MRSA-Screening im Vergleich zur bisherigen Praxis? Wie kann die Vergütung des prästationären Screenings in der Regelversorgung abgebildet werden? Wie kann die Arbeit der MRE-Netzwerke und der Praxisnetze wirksam zusammengeführt werden?
Methode: Das MRE-Netzwerk KOMPASS e.V. plant das prästationäre Screening elektiver Patienten auf multiresistente nosokomiale Pathogene am Beispiel von MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) ausgehend vom ambulanten Sektor modellhaft in der Region Vorpommern-Greifswald einzuführen.
Die nötigen Prozesse werden ausgehend vom ambulanten MRSA-Screening des Patienten, der vor einem geplanten stationären Aufenthalt steht, über die Labordiagnostik, die Übermittlung der Informationen zwischen den Akteuren bis hin zur elektiven stationären Aufnahme des Patienten ausführlich beschrieben, in Ablaufdiagrammen visualisiert und analysiert.
Über ein Stufenmodell von der Einbindung ausgewählter Zuweiser einzelner Kliniken zu einer breiten regionalen Umsetzung sollen die Forschungsfragen und Umsetzungsbarrieren schrittweise beantwortet bzw. überwunden werden. Dazu werden vorhandene Strukturen wie der „Runde Tisch Gesundheit“ des Landkreises Vorpommern-Greifswald und das Grypsnet Ärztenetz e.V. aktiv eingebunden.
Ergebnisse: Bisher wurden im Projekt die bisherigen Prozesse und zukünftigen Prozesse idealtypisch beschrieben, mögliche Projektpartner identifiziert und faire Vergütungen basierend auf den derzeitig bekannten Daten erarbeitet und abgestimmt (Plan-Phase). Wesentliche Innovationsbarrieren ergaben sich dabei aus der Frage nach einem fairen Leistungsaustausch, Verantwortlichkeiten, Informationsweitergaben zwischen den Akteuren und der Umsetzung des Vorhabens in Verträge. Zum Vortragszeitpunkt erwarten die Autoren Ergebnisse aus der aktuell anlaufenden Phase der Einführung bei ausgewählten Zuweisern und Kliniken (Do-Phase).
Diskussion: Das prästationäre MRE-Screening hat in der Theorie das Potential erheblich zur Erhöhung der Patientensicherheit beitragen und die Aufwendungen für die Behandlung von MRE-Patienten zu senken. In der Projektumsetzung zeigen sich alle Hindernisse, die der Realisierung in der Praxis bisher entgegengestanden haben. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es unklar, ob durch das prästationäre MRE-Screening die erwünschten Effekte erzielt werden können. Wesentliche Innovationsbarrieren konnten jedoch bereits durchbrochen werden.
Praktische Implikationen:
Vorangegangene Studien zeigen, dass sich für das stationäre Screening von Risikopatienten und die Behandlung von MRSA-positiven Patienten zusätzliche Kosten ergeben. Wichtigster Kostenfaktor ist die Isolierung von MRSA-Patienten. Sollte sich im Projekt zeigen, dass das Screening skalierbar in in die prästationäre Phase vorverlagert werden kann und dabei zumindest kostenneutral ist, würde dies zu einer erheblichen Entlastung der Patienten, Verbesserung der Patientensicherheit und Effizienzsteigerung führen und die Möglichkeiten zur Bekämpfung von MRE verbessern.
Hintergrund
Seit Einführung des DRG-Systems wurden deutliche Anstiege stationärer Behandlungen bei Erkrankungen der Wirbelsäule beobachtet. Der Gesetzgeber hat auf diese Entwicklung reagiert und mit dem Krankenhausstrukturgesetz eine gezielte Absenkung der Vergütung für Leistungen, „bei denen es Anhaltspunkte für im erhöhten Maße wirtschaftlich begründete Fallzahlsteigerungen gibt“, vorgesehen. Im Jahr 2017 kommt eine Absenkung der Vergütung bei fünf DRGs für operative Eingriffe an der Wirbelsäule und zwei DRGs für nicht-operative Behandlungsfälle im Wirbelsäulenbereich zum Tragen.
Fragestellung
Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, die Entwicklung der stationären Behandlungen wegen Wirbelsäulenerkrankungen medizinisch differenziert zu analysieren, um damit auch eine bessere empirische Grundlage für die Anwendung des Krankenhausstrukturgesetzes bezüglich Fallzahlentwicklungen zu schaffen. Auf der Grundlage einer differenzierten Falldefinition wurde analysiert, wie sich die Fallzahlen operativer sowie auch nicht-operativer Behandlungen der Wirbelsäule zwischen 2005 und 2014 verändert haben, in welchen Altersgruppen Anstiege zu verzeichnen sind und welcher Anteil der Fallzahlentwicklung auf demografische Faktoren zurückzuführen ist.
Methode
Die Mikrodaten der fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik von 2005 bis 2014 wurden im Wege der kontrollierten Datenfernverarbeitung analysiert.
Anhand der Diagnosen- und Prozedurenkodes wurden alle Krankenhausfälle mit einer operativ oder nicht-operativ behandelten Wirbelsäulenerkrankung hierarchisiert, um Mehrfachzählungen auszuschließen.
Für jede Eingriffs- bzw. Behandlungsart wurden anhand der jährlichen Fallzahlen alters- und geschlechtsspezifische Raten sowie Raten pro 100 000 Personen berechnet. Zur Analyse der nicht-demografisch bedingten Mengenentwicklung wurden die Fallzahlen bezogen auf die Bevölkerungsstruktur des Jahres 2005 nach Alter und Geschlecht standardisiert und standardisierte Raten pro 100 000 Personen dargestellt. Das standardisierte Ratenverhältnis wurde als Quotient der standardisierten Rate 2014 und der rohen Rate 2005 berechnet.
Ergebnisse
Die Zahl der Behandlungsfälle mit Operationen an der Wirbelsäule stieg von 177 097 Eingriffen im Jahr 2005 auf 289 407 Eingriffe im Jahr 2014. Das mediane Alter stieg von 56 auf 62 Jahre. Nach Standardisierung auf die Bevölkerungsstruktur 2005 lagen die Raten pro 100 000 Einwohner bei 215 (2005) bzw. 324 (2014) Fällen. Das standardisierte Ratenverhältnis betrug 1,51. Je nach Art des Eingriffs wurden unterschiedliche Zunahmen beobachtet. So hat sich beispielsweise die Anzahl der Bandscheibenoperationen demografiebereinigt von 2005 bis 2014 nur um 4% erhöht während sich Wirbelkörperversteifungs- und ersatzeingriffe sowie Kypho- und Vertebroplastien mehr als verdoppelt und Dekompressionen mehr als verdreifacht haben.
Die Zahl der nicht-operativ versorgten Behandlungsfälle bei Wirbelsäulenerkrankungen ist von 287 202 im Jahr 2005 auf 463 189 im Jahr 2014 angestiegen. Das mediane Alter stieg von 60 auf 62 Jahre. Nach Standardisierung auf die Bevölkerungsstruktur 2005 lagen die Raten pro 100 000 Einwohner bei 348 (2005) bzw. 518 (2014) Fällen. Das standardisierte Ratenverhältnis betrug 1,49. Hier ist die Fallzahlzunahme insbesondere auf Behandlungen mit lokaler Schmerztherapie zurückzuführen, die um das 2,4-fache zugenommen haben. Dagegen hat sich die Anzahl der rein konservativen Behandlungen nur um 21% erhöht.
Diskussion
Unabhängig von der demografischen Entwicklung wurden bei Operationen an der Wirbelsäule und bei nicht-operativen Behandlungen von Wirbelsäulenerkrankungen Fallzahlanstiege um jeweils ca. 50% beobachtet. Nur jeweils ein Fünftel der beobachteten Fallzahlanstiege ist durch die demografische Entwicklung erklärbar. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der nichtdemographische Anstieg durch wirtschaftliche Interessen oder durch verbesserte medizinische Versorgungsmöglichkeiten bedingt ist. Dabei ist zu beachten, dass die Effektivität chirurgischer Maßnahmen bei degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen nicht sicher belegt ist. Die vorliegende Untersuchung ermöglicht eine wesentlich gezieltere Diskussion der Indikationsqualität.
Praktische Implikationen
Die sehr differenten Entwicklungen in den Untergruppen zeigen, dass die Diskussion um eine mögliche Über- oder Fehlversorgung vor dem Hintergrund der mit dem Krankenhausstrukturgesetz eingeführten Mechanismen zur Mengensteuerung zielgerichteter als bisher geführt werden muss.
Background:
Multiple sclerosis (MS) is a common chronic inflammatory and neurodegenerative disease that normally begins in young adulthood, typically affecting patient quality of life and leading to high rates of early retirement. Impairment of gait and balance are major factors that restrict daily activity and may occur as early as after a first clinical episode.
After 5-years disease duration, about 30% of patients name walking and postural stability as their major concern, along with reported falls and fear of falling. About 80% of MS patients develop poor postural stability within 10–15 years after diagnosis.
In current clinical practice, balance and gait impairment are quantified using a combination of clinical examination and patients’ reported maximum walking distance: The Kurtzke‘s Functional Systems and Expanded Disability Status Scale (EDSS) are widely used both in clinical practice and for clinical trials. The EDSS provides a good overview of current neurologic status, gait impairment and mobility dysfunction, but it has limitations. It is a relatively subjective measure with high intra- and inter-rater variability and quantifying mild symptoms and symptom progression is challenging.
Instrumental motor assessment has been proposed to increase objectivity, but most current systems are time and cost intensive. We here propose the use of commercially available depth sensors along with customized software as a clinically applicable tool for instrumental motor assessment in MS.
Research Objective:
The development and validation of a comprehensive test battery for assessment of motor dysfunction in multiple sclerosis (MS) based on visuo-perceptive computing using commercially available depth sensors.
Methods:
We compiled a short motor assessment battery including 10 different tasks (stance with open and closed eyes, dual task stance with open and closed eyes, stepping in place, short walk with comfortable speed, short walk with maximum speed, tandem walk, stand up and sit down test, pronator drift test, finger-nose test, finger tapping test) for recording with a Microsoft Kinect V2 depth sensor. We used custom-written software (Motognosis Labs) to record kinematic data, Matlab R2015a for post processing and parameter quantification, and SPSS 22.0 for statistical analysis. EDSS was scored during clinical examination.
Results:
Interim analysis of an ongoing cross-sectional study demonstrated good applicability and protocol compliance in 72 patients with MS (PwMS), 79 patients with clinical isolated syndrome (PwCIS) and 76 healthy controls (HCs), as well as suitability of a range of kinematic parameters to describe postural imbalance and impairment of gait and fine motor skills. Student’s t-test shows significant differentiation (p<0.05) between HCs and PwMS for POCO, SMSW, SLW, PDT and FNAC. Inclusion criteria were diagnosis of MS according to the revised McDonald Criteria 2010 and EDSS between 0.0 and 8.0.
Discussion:
Motor system assessment using Microsoft Kinect V2 proved to be well tolerated by study subjects. Repeated measurement reliability can be refined in the future by improved parameter extraction. Our data suggests video-based motor assessment to be a fast, non-invasive, feasible and well-tolerated method to detect clinical alterations in gait, posture, trunk and extremity coordination.
Practical Implications:
Visuo-perceptive computing allows for fast and reliable motor diagnostics at the point of care. As a comparably inexpensive method and due to its simple usage, it has the potential to effectively complement neurological examination and establish instrumental assessment of motor symptoms in clinical routine.
Hintergrund: Im Rahmen des demographischen Wandels der westlichen Gesellschaft werden auch herzchirugische Patienten älter und kränker. Die Gebrechlichkeit steigt mit dem Alter deutlich an und beeinflusst das Outcome und damit die Therapiemöglichkeiten herzchirurgischer Eingriffe. Frailty oder auch Gebrechlichkeit wurde erstmals präzise durch Linda Fried et al definiert, wird aber im klinischen Alltag mangels Ressourcen oft abgeschätzt.
Fragestellung: Im Rahmen der Versorgungsforschung möchte diese Studie weitere metrische Parameter der Gebrechlichkeit untersuchen und spezifizieren, ob diese im klinischen Alltag einsetzbar sind. Es können sich neue metrische Parameter ergeben, die eine präzise Einschätzung der Frailty und des biologischen Alters erlauben. Wir hoffen, dadurch unseren Patienten besser die passenden Therapien zuordnen zu können.
Methode: Dies ist eine prospektive monozentrische Kohortenstudie. Es werden validierte klinische Frailtyparameter von 200 Patienten mit modernen und gängigen laborchemischen Werten wie Advanced Glycation Endproducts, Proteincarbonylen, CRP, Vitamin D, Albumin in Korrelation gesetzt. Hierbei stehen nach jetziger Erkenntnis bislang 1- und 3-Methylhistidin Marker für den Muskelstatus, Proteincarbonyle und 3-Nitrotyrosin für oxidativen Stress durch Proteinoxidation, Carotinoide und fettlösliche Vitamine (Retinol und Tocopherole) für den Ernährungsstatus, Advanced Glycation Endproducts (AGEs) für Glykierung und oxidativen Stress. Unveröffentlichte Ergebnisse zeigen jeweils eine Assoziation zur Frailty-Diagnose. Auch der neue AGE-Reader, eine nichtinvasive Messung per Hautautofloureszenz wird mit den klinischen Frailty-Scores verglichen.
Diskussion: Klinische Frailty ist auch bei herzkranken Patienten ein Prädiktor für das Outcome, wie beispielsweise Sündermann et al. Zeigten. Ausserdem sind Patienten mit koronarer Herzkrankheit oft frail, wie Chin et al zeigten. Proteinschäden in Zellen entstehen während des Zellstoffwechsels oder durch pathologische Veränderungen, wie bspw. bei der Hyperglykämie, sowie während der Alterung. Es gibt erste Hinweise, dass die genannten experimentellen Laborchemischen Marker Gebrechlichkeit zeigen, bei herzchirurgischen Patienten wurde dies bislang nicht untersucht. Gerade hier ist Frailty wichtig, und metrische Scores wären ein Zugewinn, da zB für den Aortenklappenersatz weniger invasive Maßnahmen wie der Transkatheter-Aortenklappenersatz zum Einsatz kommen können.
Hintergrund:
Die Anwendung der intraoperativen Radiotherapie (IORT) zielt nach der chirurgischen Resektion des Tumors auf die Eliminierung der potenziell verbleibenden Tumorzellen im umliegenden Tumorbettgewebe ab. Bislang publizierte randomisierte Studien zeigen eine Nichtunterlegenheit des Verfahrens im Vergleich zur Standardstrahlentherapie. Die IORT mindert die Notwendigkeit für zahlreiche Besuche in der Strahlentherapie, ist kosteneffizient, minimiert die Strahlungsexposition gesunder Gewebe und Organe und wird anhand von Patientinnen-Befragungen als Mittel der Wahl präferiert.
Fragestellung:
Um den Einfluss der DRG - Erstattung im Entgeltsystem auf den Einsatz der IORT der Brustkrebsbehandlung zu ermitteln und die Auswirkungen für das Gesundheitswesen zu bewerten, wurde eine Fallzahlenanalyse nach OP-Schlüsseln durchgeführt. Dem gegenüber gestellt soll die Evidenz- und Leitlinienentwicklung untersucht werden.
Methodik:
Grundlage der Analyse bilden die Daten aus der fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) des Statistischen Bundesamtes (Destatis) für die Jahre 2008 bis 2015. Für die Fallzahlenanalyse wurden die 2008 - 2012 genutzten OPS-Schlüssel zur Verschlüsselung der IORT als „Hochvoltstrahlentherapie“, „Oberflächenstrahlentherapie“ sowie als „Orthovoltstrahlentherapie“ herangezogen, nach 2013 der spezifische OPS 8-52.d „Intraoperative Strahlentherapie mit Röntgenstrahlung“. Die respektive Erstattungshöhe wurden aus dem DRG Fallpauschalenkatalog ermittelt. Die Evidenzentwicklung wurde mittels PubMed - Recherche und die Entwicklung in den Leitlinien wurden nach S3, AGO und DEGRO nachverfolgt.
Ergebnis:
Die genutzten OP-Schlüssel 2008 – 2012 weisen eine Steigerung auf knapp 3000 Fälle/Jahr auf. Eine Verschiebung von 960 Fällen hat zu Gunsten des OPS 8-52.d im Jahr 2013 stattgefunden. Der spezifische OP-Schlüssel 8-52.d wurde im Jahr 2013 in 1.341, 2014 in 1.282 und 2015 in 1.125 Fällen angewandt. 2008 wurden 157 Publikationen, ab dem Jahr 2012 pro Kalenderjahr über 200 Publikationen zur IORT in PubMed gelistet und die IORT wurde in den deutschen Leitlinien S3 und AGO bzw. DEGRO zunehmend etabliert. Zwei randomisierte Studien wurden im Jahr 2014 veröffentlicht. Im Gegensatz dazu wurde der DRG - Erlös seit dem Jahr 2010 mit ca. 3000 € pro Fall auf ca. 1000 € im Jahr 2016 abgewertet.
Diskussion:
Trotz Evidenz- und Leitlinien Etablierung der IORT hat eine Minderung von Fällen stattgefunden. Möglicherweise ist diese Entwicklung auf eine DRG Absenkung aber auch auf Veränderungen der Strahlentherapievergütung zurückzuführen.
Schlussfolgerung:
Die Anzahl der IORT Fälle hat in den vergangenen Jahren bei Brustkrebspatientinnen abgenommen, obwohl eine zunehmende Evidenz die Methode in den Leitlinien abgebildet hat und Patientenpräferenzstudien eine Nachfrage der Modalität hervorheben. Die Auswirkungen der DRG Absenkung auf die IORT-Therapieentscheidung gehen über diese statistischen Ergebnisse hinaus, da gemäß einer Budgetimpactanalyse im GKV System Kosten für die Gesundheitsversorgung reduziert werden können und Patientinnen die Behandlung wegen verbesserter Lebensqualität präferieren.
Background
Practice guidelines can significantly contribute to the quality and impact of care. However, lack of resources may preclude successful implementation in primary care. Thus it is of interest to examine the costs of guideline implementation.
Aim
To estimate the costs of guideline implementation in primary care.
Method
Electronic search was conducted on 31.01.2017 within Medline and Embase, applying the search query referring to terms covering primary health care, practice guidelines, and implementation. The hits were restricted to studies published in the previous 7 years about non-communicable diseases of adult (≥18 years) population in English or German language, the interventions targeting the primary care provider (PCP). Further, for comparability, only studies from developed countries according to the categorisation of the United Nations Statistics Division were considered. Data extraction was performed by two independent reviewers with the help of a Microsoft Access-based form. Consensus was achieved by discussion.
Results
After removing duplicates, 1043 studies were assessed based on title or abstract, from which 200 qualified for full text reading. Among these, 31 studies fitted to the inclusion criteria, and ten reported costs: six randomised controlled trials, two controlled before-after studies, and two cohort studies.
Reporting of costs varied widely: four studies provided no in-depth information. One study using consensus processes and educational meetings reported that the effects were achieved without any additional cost by optimizing the use of existing resources. One study using educational meetings for improving hypertension medication reported that “intervention costs were the equivalent of twice the savings“. One study using educational meetings for improving the use of lipid lowering medication reported implementation costs of 2% of the medication costs. One study in diabetes care reported costs of 210 USD per patient for educational meetings and benchmarking, and 261 USD per patient for patient empowerment.
Three studies reported favourable cost-benefit ratios. A study on asthma management reported costs of 501 USD per patient for intervention development and 290 USD per patient for intervention maintenance; these implementation costs were contrasted with estimated savings of 321 USD due to decreased use of emergency services, and savings of 281 USD due to decreased sickness absence. One study using audit and feedback for improving the utilization of lipid lowering medication found intervention costs of 33 USD per practice and estimated savings of 813 USD per patient for medication in two years. A study on chronic kidney disease management using audit and financial intervention reported costs of 30,713 USD per practice; they estimated that a reduction of referrals into secondary care would result in 71,453 USD savings per year.
Three studies reported incremental cost-effectiveness ratios (ICER), two of them reported ICER favourable towards implementation, one simulation study reported unfavourable ICER.
Discussion
Only a minor proportion of studies reporting guideline implementation effectiveness included some type of economic evaluation, a fact repeatedly confirmed in the literature. Input cost metrics referred to the intervention development or maintenance; outcome metrics covered a wide range of indicators from estimated savings to ICER; preventing comparable evaluation of efficiency. In consensus with the literature findings, the general quality of economic evaluation was low.
Practical implications
More rigorous and standardized economic evaluation should complete the reporting of the effectiveness of guideline implementation interventions, supporting decision-making through comparability.
Background: General practitioners are among the first contact for a broad range of health problems for most elderly people. However, a small proportion of patients produces a disproportionate amount of their workload by frequently attending primary health care practices. Frequent attenders are patients who consume large amounts of health care resources and present the primary health care setting with a costly phenomenon. While frequent attendance has been broadly studied across age groups, aspects of this utilizing behavior by elderly individuals have not been investigated in detail.
Objectives: The aim of this work is to provide a systematic review of frequent attendance in primary care among elderly people.
Methods: A systematic literature search in 5 databases (PubMed, PsycINFO, Web of Science, PubPsych, Cochrane Library) was conducted in November 2016. Electronic databases were searched for published papers addressing frequent attendance in primary health care among elderly individuals. Quality of studies was assessed using established criteria for evaluating methodical quality.
Results: Ten studies met inclusion criteria and were included for detailed analysis. The average number of patients frequently utilizing primary care services varied across studies from 10% to 33% of the elderly samples or subsamples. The criteria for the definition of frequent attendance across studies differed substantially. Most consistent associations of frequent attendance among elderly patients were found for presence and severity of physical illness. Results on mental disorders and frequent attendance were more heterogeneous. Few studies assessed frequent attendance in association with factors such as drug use, social support or sociodemographic aspects and results seem to be more inconsistent.
Discussion: Severe ill health and the need for treatment serve as main drivers for frequent attendance in older adults. However, studies on frequent attendance among elderly primary health care patients were scarce and diversified. Furthermore, inconsistencies in the understanding of what constitutes frequent attendance hampered comparison across studies.
Practical implications: Future studies are needed to provide more information on further mediating aspects of older adults needs for frequent doctor consultations. Longitudinal approaches may be preferable to assessing only a snapshot of this service use behaviour.
Hintergrund: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind mit über 300.000 Betroffenen die wichtigsten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in Deutschland. Die Arzneimitteltherapie erfolgt zumeist abgestuft, wobei Biologika am Ende des Arzneimittelspektrums stehen und bei Nicht-Ansprechen oder Versagen die Dosis erhöht oder auf ein anderes Biologikum umgestellt werden kann. Es finden sich Hinweise, dass Patienten je nach Vortherapie unterschiedlich auf Biologika ansprechen. Bisher wurden keine Analysen von Therapieverlauf und Kosten für verschiedene Biologika im deutschen Versorgungskontext durchgeführt.
Fragestellung: Ziel dieser Studie ist eine Gegenüberstellung von Verweildauer, Biologika-Dosierung, Begleitmedikation und Arzneimittelkosten von Fällen, die mit Vedolizumab (VDZ), Adalimumab (ADA) oder Infliximab (IFX) behandelt werden.
Methode: Die Analyse basiert auf anonymisierten Einzeldaten aus Apothekenrechenzentren mit einer Abdeckung von 65% der Verordnungen. Eingeschlossen in die Studie werden Fälle mit einer erstmaligen Verordnung von VDZ, ADA oder IFX (Originalpräparat und Biosimilars) zwischen Juli und Dezember 2015 sowie einer Therapiedauer von mind. 12 Monaten, wobei mind. eine Verordnung durch einen Gastroenterologen erfolgt sein muss. Die Analyse von Therapieverlauf und Kosten erfolgt sowohl stratifiziert nach der mittleren Biologikadosierung in 10 Gruppen, als auch für die gesamte Kohorte. Ein Therapieabbruch ist definiert als keine weitere Verordnung innerhalb von 12 Monaten. Die Biologikadosierung wird deskriptiv in mg über 12 Monate berichtet. Begleitmedikation mit Glukokortikoiden, Azathioprin und Methotrexat wird als Fallanteil und DDD ausgewiesen. Arzneimittelkosten der Biologikatherapie und Begleitmedikation basieren auf dem Apothekenverkaufspreis. Stratifizierte Analysen nach Vortherapie werden in den Gruppen Bio-erfahren und Bio-naiv (entsprechend Biologikaverordnungen 12 Monate vor Neueinstellung) dargestellt.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 963 Fälle in die Studie eingeschlossen, davon 713 Bio-naiv und 250 Bio-erfahren. 203 (Bio-naiv:76/ Bio-erfahren:127) Fälle wurden neu auf VDZ eingestellt, 382 (331/51) auf ADA und 378 (306/72) auf IFX. Die Verweildauer auf den Wirkstoffen ist in den Gesamtkohorten mit 52% - 54% vergleichbar. Die höchste Verweildauer nach 12 Monaten weist die Bio-naive VDZ-Population mit 59% auf. In der Gesamtkohorte bekommen VDZ-Fälle im Mittel 2.535mg in 12 Monaten verordnet (Median: 2.400mg, Minimum: 600mg, Maximum: 4.200mg). ADA wird mit einer mittleren Jahresdosis von 1.194mg (1.200mg, 80mg,3.360mg) verordnet und IFX in Höhe von 3.121mg (3.000mg, 300mg, 9.800mg). Ähnlich zur Gesamtkohorte beträgt die mittlere Jahresdosis von VDZ 2.522mg bei Bio-naiven, 1.187mg bei ADA und 3.082mg bei IFX mit vergleichbaren Verteilungsparametern. 53% der Fälle in der Gesamtkohorte erhalten begleitend zur Therapie mit VDZ Glukokortikoide, Azathioprin und/oder Methotrexat. Für 47% der Fälle unter ADA und 60% unter IFX ist eine Begleitmedikation dokumentiert; in den Bio-naiven Kohorten findet sich eine verordnete Begleitmedikation in jeweils 54%, 46% und 59% der Fälle. Die mittleren Jahrestherapiekosten schwanken zwischen 22.763€ und 28.526€, wobei die IFX Biosimilars und VDZ die geringsten Kosten aufweisen und das IFX Originalpräparat die höchsten.
Diskussion: Die Studienkohorte weist mit 74% einen hohen Anteil an Bio-naiven Fällen auf, wobei der deutliche Unterschied zwischen VDZ (38%) und ADA (87%) bzw. IFX (81%) auffällt.
Basierend auf den Angaben der Fachinformationen kann auf die Anteile an Fällen geschlossenen werden, die eine von der Standardempfehlung abweichende Dosierung erhalten. So erhalten 33% der Fälle unter ADA sowie 38% unter VDZ und IFX eine erhöhte Jahresdosis. Insgesamt geht ein Anstieg der Gesamtdosis Biologika mit steigender Begleitmedikation einher. Dies ist am steigenden Anteil der Fälle mit Glukokortikoiden und an der steigenden Dosierung dieser zu erkennen. Über alle Gruppen hinweg zeigt sich, dass eine höhere Jahresgesamtdosis Biologika mit höheren Jahrestherapiekosten einhergeht, da diese vor allem von den Kosten der Biologikatherapie bestimmt werden. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Preisdiskussion im Zusammenhang mit einer Biologikatherapie ist zu erwähnen, dass die Kosten von IFX trotz eines biosimilaren Anteils von 56% insgesamt nicht geringer als die der anderen Wirkstoffe sind.
Diese Studie zeichnet sich durch eine große Fallzahl aus, die eine hohe regionale Abdeckung und Repräsentativität ermöglicht. Dem Fehlen von Diagnoseangaben wird dadurch begegnet, dass mindestens eine Verordnung von einem Gastroenterologen stammt. Es sind keine Angaben zu Therapie-relevanten Patientencharakteristika, wie Alter, Geschlecht, Gewicht oder Krankheitsschwere im Datensatz enthalten. Vergleichbarkeit der Gruppen wird insoweit geschaffen, dass nur Neueinstellungen auf einen Wirkstoff im gleichen Zeitraum und mit gleicher Follow-up-Dauer betrachtet werden.
Background
Chronic postsurgical pain (CPSP) is a frequent postoperative complication with an incidence of 10–50% after general surgery. The development of chronic postsurgical pain (CPSP) is influenced by various factors. In order to identify patients at high risk for CPSP, the risk index for chronic pain (RICP) was developed.
Objective
The aim of this study was the external validation and update of the RICP.
Methods
To validate and update the RICP, we performed a prospective cohort study. Participants who underwent orthopedic surgery, general surgery, visceral surgery, and neurosurgery were included. The study was performed at two German centers. The outcome was CPSP at 6 months after surgery.
We validated the original RICP externally and performed a model update. Analysis was performed using logistic regression. We analyzed the discrimination and calibration of the model. Furthermore, the updated model was internally validated.
Results
We included 205 patients undergoing general, abdominal, thoracic, neuro, or orthopedic surgery as well as trauma patients. The mean age of participants was 51 years. CPSP was reported by 53.9% of participants.
The original RICP (preoperative pain in operating field, other CPSP, postoperative acute pain, capacity overload, and convalescence) showed a sensitivity of 0.708 and a specificity of 0.727.
The updated RICP (preoperative pain in operating field, other pain, postoperative acute pain, sex, marital status) yielded a sensitivity of 0.746 and a specificity of 0.726. The results were confirmed by the internal validation. In particular the pre- and postoperative pain measures showed high predictive ability all models.
Discussion
The original RICP is externally valid. The updated RICP showed high predictive ability and is internally valid. The results are limited by the small sample size and the large amount of missing outcome data.
Implications for practice
Precise information on the risk of CPSP can support early identification of patients with a high-risk of developing CPSP. This is important information for achieving timely and tailored pain management that might prevent chronification. A next step should be further external validation and the development of a Clinical Decision Support Tool as an application for modern technical devices (smartphones, tablets) that enables calculating the patients’ individual risk of developing chronic post-surgical pain easily but more precisely.
Title: Study design classification of registry-based studies
Background
The classifications of epidemiological study designs (e.g. cohort studies) in medical research are usually based on inherent design features (e.g. number of groups, sampling method, measurements before and after intervention). In a broad definition, a “registry is a collection—for one or more purposes—of standardized information about a group of patients who share a condition or experience”. Considering these definition shows that registries have no inherent design features and consequently these cannot be used to classify the study design.
Objective
The objective was to propose a classification for registry-based studies, which is based on features of the statistical analysis and features of the registry.
Methods
We systematically analyzed existing schemes for the classification of study designs. We critical assessed the applicability of usual classification criteria (e.g. temporariness of groups, measurement time points).
All criteria that were not fully applicable because a registry has no inherent design features were adapted. The development of the criteria had two premises. Firstly, the criteria must be completely based on the analysis features (e.g. selection of patients, incorporation of time points in the analysis) and characteristics of the registry (e.g. process of data collection) to ensure universal applicability to all registry data. Secondly, the classification criteria had to result in the common epidemiological study designs.
Results
The following analysis features were developed:
- Concurrency of exposure/intervention and outcome (assessment at same time points)
- Comparative vs noncomparative (same exposure/intervention in all participants)
- Allocation of intervention/exposure
- Exposure-based or outcome based sampling
- Collection of exposure/intervention and outcome data (exposure/intervention data collected prior to outcome data)
- Measurements before and measurements after the intervention incorporated in the analysis
- Number of measurements before and after the intervention incorporated in the analysis
- Comparison in the same participants (repeated measures)
The distinction between retrospective and prospective can be applied to different parts of a study (e.g. data collection, planning of analysis). Some parts might be performed prospectively, and other parts might be performed retrospectively. Registries are prospective regarding the collection of data on exposure/intervention and outcomes. In contrast, details of the analysis of registry data are mostly planned retrospectively (e.g. patients included in the analysis, analysis method). Therefore we did not use retrospective and prospective for classification.
The criteria lead to a classification algorithm that includes the following study designs.
- Cross-sectional study
- (non-concurrent) Cohort study
- Controlled-before-after study
- (nested) Case-control study
- Before after study
- Interrupted-time-series
- Non-randomized trial
- (cluster) Randomized controlled trial
Discussion
We suggest a classification of registry-based studies that results in designs in accordance with the classical epidemiologic study designs. The key element of this is that the study designs are classified based on analysis and registry features.
Practical implications
Our classification can contribute to the harmonization of labeling of registry based studies. Thus, it can avoid misinterpretation of study results and increase the utility and acceptance of registry based studies in evidence based health care. Furthermore, it can support the identification of the best analysis method/study design that can be prepared with the available data in the registry. For example, if it is possible to prepare a controlled before-after study to prove the effect of an intervention, the data should not be analysed as cohort study.
Hintergrund
Das deutsche Psoriasisregister PsoBest beobachtet seit 2008 Patienten mit mittelschwerer und schwerer Psoriasis mit oder ohne Psoriasis-Arthritis über 10 Jahre unter Routinebedingungen. Das Register dient der Gewinnung von Langzeiterkenntnissen hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit der eingesetzten systemischen Therapien. Die Datenerhebung erfolgt in dermatologischen Praxen und Kliniken, sowie in postalischen Zwischenerhebungen. Dargestellt werden Eigenschaften registrierter Zentren und deren Beitrag am Erfolg des größten Patientenregisters in der deutschen Dermatologie.
Fragestellung und Methoden
Dermatologen aus Deutschland können sich jederzeit bei PsoBest registrieren lassen und Patienten melden. Die Meldung mittels standardisierter Fragebögen wird honoriert. Alle bis September 2016 registrierten Zentren erhielten einen Fragebogen zu den Gegebenheiten vor Ort. Diese Zentren wurden hinsichtlich Ihrer Angaben und der bis dahin erfolgten Meldungen an das Register analysiert.
Ergebnisse
Von insgesamt 773 registrierten Zentren haben bisher 295 aktiv Patienten eingeschlossen. Im Mittel meldeten die Zentren 13,7 Patienten an das Register (Range 1-311) und sendeten 70,1 Visiten an die Studienzentrale (Range 1-1658). Im ersten Jahr der Teilnahme eines Zentrums wurden durchschnittlich 4,8 Patienten in das Register eingeschlossen und 8,7 Folgevisiten versendet. 56 der registrierten Zentren schließen bereits im achten Jahr der Teilnahme neue Patienten ein. 92% der registrierten Dermatologen stammen aus dem niedergelassenen Bereich. Sie meldeten mit 77% auch einen Großteil der Patienten. Durchschnittlich waren in den Registerzentren 8,9 Mitarbeiter angestellt (Range 2-50), ein Großteil der meldenden Dermatologen war weiblich (61,3%). Die registrierten Zentren erstreckten sich dabei über das gesamte Bundesgebiet, von 3 aktiven Zentren im Saarland bis zu 82 Zentren in Nordrhein-Westfalen. Die Zentren meldeten gemeinsam bereits über 6.000 Patienten und über 20.000 Visiten.
Diskussion und praktische Implikationen
Bundesweit engagieren sich zahlreiche Dermatologen, insbesondere im niedergelassenen Bereich, für das PsoBest-Register. Dabei reichen die teilnehmenden Zentren von kleinen Praxen mit wenigen, aber dauerhaft dokumentierten Patienten bis hin zu Hochleistungszentren mit mehreren hundert Patienten. Zusammen schaffen sie eine wichtige Datenquelle zur Abbildung der Versorgung der Psoriasis und machen PsoBest zum bis heute größten Patientenregister in der deutschen Dermatologie.
Hintergrund
Das Spektrum verfügbarer antipsoriatischer Systemtherapien verändert sich stetig. Wirksamkeit und Sicherheit der verschiedenen Therapien sind in kontrollierten Studien nachgewiesen. Das deutsche Psoriasisregister PsoBest dient der Gewinnung von Langzeiterkenntnissen hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit in der Routineversorgung. Dargestellt wird die Beurteilung der Langzeitsicherheit.
Fragestellung und Methoden
Das nicht-interventionelle deutsche Psoriasisregister PsoBest beobachtet seit 2008 Patienten mit mittelschwerer und schwerer Psoriasis mit oder ohne Psoriasis-Arthritis über 10 Jahre unter Routinebedingungen. Das Register dient der Gewinnung von Langzeiterkenntnissen hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit der eingesetzten systemischen Therapien unter Alltagsbedingungen. Die Datenerhebung erfolgt in dermatologischen Praxen und Kliniken, sowie in postalischen Zwischenerhebungen. Präsentiert werden auf 100 Patientenjahre standardisierte Patientenraten unter Exposition nach System-Organ-Klassen nach MedDRA (Medical Dictionary for Regulatory Activities).
Ergebnisse
Von allen bis Juni 2016 an das Register gemeldeten Patienten, wurden 4.650 (41% weiblich, 47,5 Jahre, 17,2% Psoriasis-Arthritis) in die Analyse eingeschlossen. Insgesamt wurden seit Registerbeginn 3901 Patientenjahre unter Biologika bzw. 5490 Patientenjahre unter konventioneller Systemtherapie beobachtet. Für Todesfälle, Maligne Neubildungen und andere schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SUE) zeigten sich keine Unterschiede in den Therapieformen. Nicht schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (UE) der System-Organ-Klassen Haut, Nieren, Blut- und Lymphsystem sowie Gastrointestinaltrakt und Nervensystem traten unter Biologika seltener auf als bei konventioneller Systemtherapie (2,1 vs. 5,7 bzw. 0,3 vs. 0,8 bzw. 0,4 vs. 2,3 bzw. 2,4 vs. 11,4 bzw. 1,3 vs. 2,5 Patienten /100 Patientenjahre). Nicht-schwerwiegende Infektionen zeigten sich unter Biologikatherapie hingegen häufiger als unter konventioneller Systemtherapie (7,3 vs. 4,8 Patienten /100 Patientenjahre). Für die neu zugelassenen Therapeutika Secukinumab und Apremilast wurden 48 respektive 23 Patientenjahre beobachtet. Sie zeigten keine Abweichungen vom bisher beobachteten Sicherheitsprofil anderer systemischer Therapien.
Diskussion und praktische Implikationen
Im allgemeinen Sicherheitsprofil zeigten sich keine erhöhten Risiken in der Behandlung mit Biologika oder konventioneller Systemtherapien. Die aufgezeigten therapiespezifischen Unterschiede bei nicht schwerwiegenden Ereignissen sowie die Beurteilung neuer Therapeutika erfordern zur klinischen Einordnung weitere Beobachtungszeit.
Hintergrund
Für die Behandlung mittelschwerer und schwerer Psoriasis und Psoriasis- Arthritis ist eine immer größere Anzahl von Biologikatherapien verfügbar, wobei evidenzbasierte Daten zur Langzeitsicherheit und -wirksamkeit nur begrenzt vorliegen. Ziel dieser Analyse ist die Evidenzgenerierung für Therapiedauer und Ansprechen unter Routinebedingungen.
Fragestellung und Methoden
Das nicht-interventionelle Patientenregister PsoBest beobachtet seit 2008 Patienten mit mittelschwerer und schwerer Psoriasis mit oder ohne Psoriasis- Arthritis bei Ersteinstellung auf ein bestimmtes Systemtherapeutikum über 10 Jahre unter Routinebedingungen. Präsentiert werden vergleichende, nicht adjustierte und explorative Analysen der Patienteneigenschaften zur Baseline, Kaplan-Meier Überlebenszeitanalysen sowie Prädiktorenanalysen für Ansprechen und Therapiebeendigung von Adalimumab, Etanercept, Infliximab und Ustekinumab.
Ergebnisse
559 Patienten mit mind. einem Jahr Beobachtungszeit wurden in die Analyse aufgenommen (Adalimumab n=227, Etanercept n=118, Infliximab n=48, Ustekinumab n=166). Sie waren überwiegend männlich (63,9%), im Mittel 47,7 Jahre alt und in allen Therapiegruppen übergewichtig (BMI 29.0). Überlebensraten der Therapien nach 6 Monaten waren 86,3% für Adalimumab, 79,7% für Etanercept, 77,1% für Infliximab und 92,8% für Ustekinumab. Die mittlere Therapiezeit betrug 50,3 - 30,1 - 29,4 - 55,8 Monate. Ustekinumab und Adalimumab zeigten dabei signifikant längere Therapiezeiten als Etanercept und Infliximab. Die Ansprechraten nach 12 Monaten (Erreichen von PASI75 oder PASI≤3) waren 64,7% für Adalimumab, 47,4% für Etanercept, 56,3% für Infliximab und 64,4% für Ustekinumab. 20,1% aller Patienten führten ihre Therapie nach 12 Monaten trotz mangelndem Ansprechen fort. Logistische Regressionen des Ansprechens zu Monat 12 in Abhängigkeit von Baselineeigenschaften zeigten keine signifikanten Ergebnisse. Cox-Regressionen der Therapiebeendigung bei (Nicht-) Ansprechen mit zeitveränderlichen klinischen und patientenbezogenen Charakteristika zeigten Prädiktoren für die Therapiebeendigung bei nicht-Ansprechen, wobei insbesondere die Anzahl der nicht-schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse mit einem erhöhten Risiko der Therapiebeendigung einher ging. Neben der Anzahl nicht schwerwiegender unerwünschter Ereignisse, zeigten sich keine einheitlichen Prädiktorenmuster für Therapiebeendigung bei Ansprechen. Die Cox-Regressionen zeigten signifikante Vorhersagen, aber auch eine vergleichsweise geringe Modellgüte, die R²=0,199 nicht überstieg.
Diskussion und praktische Implikationen
Die Therapiedauer der verschiedenen Biologika zeigte deutliche Unterschiede in der Routineversorgung. Ustekinumab, gefolgt von Adalimumab, ist das Biologikum mit der längsten Therapiedauer in Deutschland. Auch die beobachteten Ansprechraten waren unter Adalimumab und Ustekinumab am höchsten. Dabei zeigte sich die Entscheidung für das Fortführen oder Beenden einer Therapie als komplex. Sie ist nicht nur vom reinen PASI-Ansprechen, sondern vielmehr von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, die auch patientenberichtete Endpunkte und Aspekte der Medikamentensicherheit umfassen.
Hintergrund
In Mecklenburg-Vorpommern sind seit den 90er Jahren vier flächendeckende, regionale Klinische Krebsregister (KKR) etabliert. Für die digitale Tumordokumentation wird in allen vier KKR das Gießender Tumordokumentationssystem (GTDS) eingesetzt, welches individuelle Anpassungen, u.a. an die Datenerfassung und die Tabellenstruktur zulässt. Das neue Gesetz über die Krebsregistrierung in Mecklenburg-Vorpommern vom 11. Juli 2016 sieht vor, zum Zweck der Harmonisierung und Qualitätsverbesserung der Datenerfassung und zur Erhöhung der Effizienz und Qualität der klinischen Krebsregistrierung und Krebsbehandlung im Land Mecklenburg-Vorpommern, die Tumordokumentation landesweit in nur noch einer Datenbank zu erfassen.
Fragestellung
Für den Betrieb einer gemeinsamen zentralen GTDS-Datenbank musste die Zusammenführung (Integration) mehrerer zuvor separater Tumordokumentationsdatenbanken (mit insgesamt mehr als 245.000 Patientendatensätzen) unterschiedlicher KKR gelingen.
Methode
Für die Umsetzung der Integration wurde ein mehrstufiger Prozess konzipiert: In einer ersten Stufe (Migration) wurden die Datenbanken auf zentrale Server migriert und die KKR sicher daran angebunden. Für die zweite Stufe (die eigentliche Integration) wurden die GTDS-Datenbanken zunächst genau analysiert. Anschließend wurde ein Konzept für den Integrationsvorgang unter Berücksichtigung der besonderen Herausforderungen erarbeitet und umgesetzt. Die KKR wurden durch die Teilnahme an zwei Testphasen und durch die abschließende Durchführung eines detaillierten Testprotokolls an den Integrationsvorbereitungen intensiv beteiligt.
Ergebnisse
Im Analyseschritt wurden folgende Herausforderungen identifiziert:
- mindestens zwei der KKR betrieben zum Zeitpunkt der Integration unterschiedliche GTDS-Versionen. In jedem KKR lagen individuelle Anpassungen des GTDS und/oder ausgelassene Updates in der Vergangenheit vor,
- vorhandene aber nicht mehr benötigte Tabellen aufgrund der Entwicklungshistorie (>20 Jahre) des GTDS,
- eine große Anzahl an DB-Tabellen (>400 mit insgesamt mehr als 7.000 Variablen), die sich zwischen den KKR unterschieden (404, 426, 489 und 519 Tabellen),
- das DB-Schema (fehlende Schlüsselbeziehungen, Redundanzen, Inkonsistenzen, stark variierende Schlüsselbezeichnung innerhalb derselben GTDS-Instanzen),
- unterschiedliche Routinen der Tumordokumentation der KKR mit dem GTDS (z.B. unterschiedliche Auswahllisten oder Unterschiede in den Masken durch andere GTDS-Einstellungen),
- eine unterschiedliche Konfiguration des GTDS mit über 1000 Parametern,
- und das Vorhandensein einer großen Anzahl von mehrfach dokumentierten Patienten (Doppler), die im Zuge der Integration zusammengeführt werden müssen.
Es wurde ein Integrationskonzept erstellt, in dem das umfangreiche Datenbank-ID-Mapping und das Rechtemanagement wesentliche Rollen spielen. Parallel zu dem zweistufigen Prozess (aus Migration und Integration) wurden mit den KKR Dokumentationsvereinheitlichungs-Workshops durchgeführt, um die bisherige Vorgehensweise bei der Dokumentation zu verstehen und die zukünftige Praxis der Tumordokumentation zu vereinheitlichen. Hier wurde u.a. auf den ADT/GEKID-Basisdatensatz und die standardisierten Auswahllisten sowie viele weitere Themen eingegangen.
Auf Grundlage des Integrationskonzeptes wurde für die datentechnische Zusammenführung ein Integrations-Skript programmiert. Dieses Skript
- überführt die Daten aus den unterschiedlichen GTDS-DBs der KKR in die zentrale GTDS-DB,
- passt mehr als 240 DB-IDs durch jeweils einen ID-Versatz an,
- importiert eine Vielzahl (>20) vereinheitlichte Listen,
- bereinigt Daten wie beispielsweise leere Datenzeilen und defekte Verweise,
- und konfiguriert das gemeinsame GTDS neu – unter Berücksichtigung der Parameter-Settings in den vier separaten Instanzen.
Ein Fehlerlogging während des Integrationsprozesses hilft dabei, aufgetretene Probleme zu erkennen und zu beheben. Die durch die Unabhängige Treuhandstelle ermittelten Doppler werden in der zentralen GTDS-DB farblich hervorgehoben und miteinander in Beziehung gesetzt.
Diskussion
Durch den zweistufigen Prozess konnte der Aufwand und die Ausfallzeit der KKR minimiert werden. Aufgrund der Migration war eine umfangreichere Analyse der unterschiedlichen GTDS-Datenbanken möglich. Es wurde ein umfangreiches Integrations-Skript erstellt werden, welches reproduzierbar alle Schritte der Vereinheitlichung transparent abbildet. Die notwendigen Strukturen und Prozesse, sowie die technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Sicherstellung des Datenschutzes und der IT-Sicherheit wurden geschaffen und damit der Betrieb einer gemeinsamen harmonisierten GTDS-Datenbank zum Zwecke der Qualitätssicherung ermöglicht.
praktische Implikationen
Im Hinblick auf ähnliche Vorhaben in anderen Bundesländern, kann das Vorgehen bei der Integration mehrerer Tumordokumentationsdatenbanken eine Hilfe sein.
Hintergrund
Bis 2011 existierte in Greifswald eine heterogene Forschungsdatenlandschaft mit unterschiedlichen Softwarelösungen für jede einzelne Fakultät. Um den stetig wachsenden und komplexer werdenden Anforderungen einer zentralen Erfassung, Auswertung, Berichterstellung und Präsentation forschungsrelevanter Daten gerecht zu werden, wurde ein integriertes Forschungsinformationssystem (FIS) aufgebaut. Das FIS hilft den Wissenschaftlern bei der Erfassung und Verwaltung von Projekten, Kooperationen und Publikationen und der Erstellung von fakultätsübergreifenden dynamischen Datenansichten und Berichten. Das FIS bildet auch die zentrale Grundlage für verwaltungsseitige Publikations- und Projektauswertungen bspw. im Kontext der Leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM), unterstützt die Drittmittelverwaltung und erhöht wesentlich die Transparenz von Forschungsaktivitäten gegenüber Förderern, Gutachtern und den zuständigen Ministerien. Das FIS enthält einen Großteil der Daten, die der Wissenschaftsrat für einen „Kerndatensatz Forschung“ empfiehlt und hat die erfolgreiche Umsetzung durch exemplarische Bereitstellungen im geforderten Format unter Beweis gestellt.
Fragestellung
Wie lassen sich Publikationen, Projekte, Personen, Kooperationen, Instituten etc. miteinander ohne externe Strukturvorgaben so vernetzen, dass Einzelforscher, Arbeitsgruppen, Abteilungs-, instituts-, fakultäts- und auch universitätsübergreifende Strukturen uneingeschränkt abgebildet werden können? Welche Herausforderungen kommen auf Forschungsinformationssysteme in den nächsten Jahren zu?
Methoden
Der Grundgedanke des FIS ist eine innovative Matrixstruktur mit einer vollständig flexiblen Vernetzung verschiedenartiger Entitäten, wie z.B. Publikationen, Einzel- und Verbundprojekten, Einrichtungen, Forschungsverbünden und Personen. Die Forschungsdaten der einzelnen Fakultäten der Universität Greifswald wurden im Zeitraum 2011-2014 schrittweise in diese neue Struktur integriert. Aus dieser Informationsvernetzung ergeben sich vielfältige Möglichkeiten der Datennutzung. So können z.B. Außendarstellungen von Mitarbeitern, Kooperationen, Forschungsverbünden und Instituten durch individuell gefilterte interaktive Publikations-, Projekt- oder Mitarbeiterübersichten unterstützt und verschiedene textuelle sowie Excel-basierte Berichtsformate mit individuell gefilterten Daten generiert werden. Die Eingabe und Verwaltung der Daten wird durch verschiedene Schnittstellen (z.B. Endnote, BIBTEX und Reference Manager) unterstützt. Eine Schnittstelle zur PubMed Datenbank ermöglicht die direkte Übernahme der Publikations-Daten aus MEDLINE ins FIS. Die Impact Factor Werte werden regelmäßig aus den Journal Citation Reports in die FIS-Datenbank importiert.
Ergebnisse
Derzeit werden etwa 2.000 Projekte, 40.000 Publikationen und viele andere Informationen zu wissenschaftlichen Aktivitäten der Universität Greifswald im FIS bereitgestellt (https://www.fis.med.uni-greifswald.de). Durch die Anbindung an das Mitarbeiterverwaltungs-System hat jeder in der Forschung tätige Mitarbeiter einen individuellen Zugang zum FIS und kann sein persönliches Profil eingeben und den Datenbestand ständig mit aktualisieren und damit zu einem validen und umfassenden System beitragen. Es besteht die Möglichkeit der Vernetzung mit der Homepage einer Einrichtung, eines Forschungsverbundes, Institutes oder einzelnen Wissenschaftlers, sodass ein individueller Nutzen zur Außendarstellung aus dem gespeicherten Datenbestand gezogen werden kann (Beispiel www.community-medicine.de). Durch dynamische Webexporte, Generierung von Publikations-, Projekt- oder Mitarbeiterübersichten und verschiedener Berichtsformate bietet das FIS einen hohen Nutzwert für die Darstellung der Leistungsfähigkeit der Universität Greifswald sowohl für interne Auswertungen, als auch nach außen.
Diskussion
Für die qualitative Bewertung wissenschaftlicher Publikationen werden oft Impact Factor und h-Index herangezogen. Solche einseitigen Bewertungskriterien können zu Fehlentwicklungen führen, die teilweise auch an der Universität Greifswald zu beobachten sind (Anzahl der Co-Autoren bei einzelnen Publikationen > 500). Zur besseren Evaluation medizinischer Forschungsleistungen wurde 2015 die Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) samt Richtlinie nach den Empfehlungen der DFG angepasst. Neben den „üblichen“ Leistungsindikatoren wie Journal Impact Factor und der (im Forschungsinformations-system komplett erfassten) Drittmitteldaten fließen nun auch Autorentyp-abhängige Anteile in die Berechnung des LOM-Index ein. Die Anzeige alternativer bibliometrischer Indikatoren (z.B. Altmetrics) wurde 2016 ins FIS integriert und wird durch die enge Zusammenarbeit von IT-Spezialisten und leitenden Personen der UMG in einer strategischen Kommission permanent aktuellen Anforderungen flexibel angepasst und erweitert.
Hintergrund
Die Frage, ob und wenn ja, welche Leistungen an medizinische Fachangestellte (MFAs) delegiert werden können, ist seit vielen Jahren Thema im Gesundheitswesen und deren Rechtsprechung. Nachdem der Bundesgerichtshof bereits 1975 entschieden hat, dass der Arzt an qualifiziertes, nichtärztliches Personal delegieren kann, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung 2013 eine Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal in der ambulanten Versorgung geschlossen, und darin die Rahmenbedingung solcher Delegationen klar festgelegt.
Fragestellung
Ziel des Projektes war es im Zuge einer Befragung von Haus- und KinderärztInnen Einstellungen zur und Erwartungen an die Delegation von ärztlichen Leistungen an MFAs zu ermitteln.
Methode
Seit über 10 Jahren führt der Commonwealth Fund (CMWF) den „International Health Policy (IHP)-Survey“ durch und befragt darin auch ÄrztInnen und PatientInnen in Deutschland. In diesem Zuge wurden im Frühjahr 2015 -durchgeführt durch das BQS Institut für Qualität- Patientensicherheit (BQS)- 3000 Haus- und KinderärztInnen zur Beantwortung eines postalischen Fragebogens eingeladen. Neben den Fragen der internationalen Erhebung wurden in hierbei auch Fragen zur Delegation von ärztlichen Leistungen an speziell weitergebildete MFAs inkludiert. Deren Beantwortung wurde deskriptiv analysiert.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 559 Fragebögen zurückgeschickt, was einer Response-Rate von 18,7% entspricht. 57% der Antwortbögen wurden von Männern zurückgesendet, 43% von Frauen. 80% der Teilnehmer waren AllgemeinärztInnen, 12% waren KinderärztInnen.
67% der Befragten gaben an, es gäbe geeignete Weiterbildungsangebote für die Qualifizierung von MFAs. 28% hielten die finanziellen Anreize, ärztliche Leistungen zu delegieren für ausreichend. Die Beantwortung dieser Frage zeigte sich im Test als abhängig von der Zufriedenheit mit dem eigenen Verdienst. Bei der Frage welche ärztlichen Tätigkeiten speziell weitergebildete MFAs selbständig ausführen können, fanden 4 der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten zwischen 65% und 81% Zustimmung („Definierte Untersuchungen (z.B. Fußuntersuchungen)“/“Selbständige Durchführung von Injektionen und Impfungen“/“Selbständige Durchführung von Verbandswechseln“/“Beratung und Schulung von Patienten und Angehörigen“). Zwei Antwort-Items „Durchführung von Routinehausbesuchen bei chronisch Kranken“ und „Medikamentenanamnese einschließlich der Befragung zu Nebenwirkungen“ fanden nur um die 50% Zustimmung. Als besondere Erfordernisse, die die Delegation von ärztlichen Leistungen erfordert, wurden vor allem „hochwertige Weiterbildungsangebote“ (85%), „finanzielle Anreize“ (78%) und eine „Neuausrichtung der Aufgabenverteilung im Praxisteam“ (63%) bejaht. Weniger Zustimmung fand die „Einführung einer neuen Versorgungsebene für nichtärztliche Gesundheitsberufe mit der Zuweisung neuer Rollen“ (54%). Die überwiegende Mehrheit der Befragten war der Meinung, die Delegation wirke sich positiv („Man hat mehr Zeit für die ärztlichen Tätigkeiten“, 70%) oder neutral („Man hat unverändert viel Zeit…“, 22%) auf das Zeitmanagement als Arzt aus, nur 8% gingen von einem negativen Effekt aus. Einen positiven Effekt auf Aspekte der Versorgungsqualität nahmen zwischen 42% und 58% der Befragten an, wobei bis einem Drittel der Befragten hier weder zustimmen noch verneinen wollten.
Diskussion
Die Befragung gibt einen Eindruck, in welchen Bereichen sich ÄrztInnen die Delegation von ärztlichen Leistungen vorstellen können und in welchen Bereichen sie noch Raum zur Verbesserung sehen. Besonders der Aspekt der zeitlichen Entlastung durch MFAs ist ÄrztInnen bereits jetzt bewusst. Die Auswirkungen auf die Behandlungsqualität und –sicherheit der PatientInnen werden von den ÄrztInnen noch kritisch angesehen, hier sind weitere Aufklärung der ÄrztInnen und weitere Forschung nötig. Neben der Überzeugung von ÄrztInnen sollten auch die Überzeugungen von MFAs und PatientInnen Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.
Praktische Implikationen
Befragungen dieser Art helfen mögliche Probleme mit und Vorbehalte gegenüber der Delegation ärztlicher Leistungen aufzudecken. Ebenso kann so ermittelt werden, welche Aspekte weiterer Anreize bedürfen.
Hintergrund: Delegationsmodelle für Medizinische Fachangestellte (MFA) wurden in den letzten Jahren in Deutschland mit dem Ziel eingeführt, Ärzte zu entlasten und Versorgung vor allen in ländlichen Regionen sicherzustellen. Diese Delegation bringt Vorteile für die Versorgung und führt zu einer Reduzierung der Arbeitslast von Ärzten (1). MFA sind durchaus auch bereit mehr Verantwortung bei entsprechender Anerkennung zu übernehmen (2). Allerdings existieren bisher kaum Daten darüber, welche Aufgaben bereits delegiert werden und wie die MFA diesen Aufgaben gegenübersteht. Dieser Themenbereich stellt auch aus internationaler Perspektive eine gewisse Grauzone dar (3).
Fragestellung: Wie können Delegationsbereitschaft und Delegationspotentiale aus Perspektive der MFA standardisiert mittels Fragebogen erfasst werden?
Methode: Zur Beantwortung der Frage wurde ein qualitativ-quantitatives Vorgehen gewählt. Es wurden MFA über den Verteiler der Landesärztekammer Schleswig-Holstein für Interviews rekrutiert. Der Interviewleitfaden basierte auf den verschiedenen Fortbildungscurricula für MFA, eigenen Vorarbeiten sowie einer Literaturrecherche (Lit.). Im Frühjahr 2016 fanden die Interviews statt und wurden inhaltsanalytisch ausgewertet. Auf Basis der Vorarbeiten und der Auswertung wurde ein Fragebogen konzipiert und im weiteren Schritt mit vier MFA im kognitiven Interview auf Sinnhaftigkeit und Praktikabilität überprüft. Die Validierung des Fragebogens erfolgt online-basiert im Mai 2017 und soll deutschlandweit durchgeführt werden.
Ergebnisse: Insgesamt nahmen von 15 interessierten, 11 MFA an den Interviews teil, die im Durchschnitt seit 20 Jahren als MFA tätig waren. Bei der Auswertung der qualitativen Daten kristallisierten sich vier Themenbereiche heraus: „Patientenversorgung“, „Fachkompetenz“, „Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit“ und Sicherheit vs. Unsicherheit bei zu delegierenden Aufgabe“. Aus diesen vier Themenbereichen wurde der Fragebogen konzipiert. Der Fragebogen besteht aus drei Seiten zuzüglich demographischer Angaben. Derzeit erfolgen die kognitiven Interviews. Die Ergebnisse der Validierung des Fragebogens sowie der Fragebogen selbst können auf dem Kongress präsentiert werden.
Diskussion: MFA spielen in der Versorgung eine wichtige Rolle. Vor allem MFA mit Berufserfahrung übernehmen Delegationsaufgaben. Der Fragebogen greift sowohl Aspekte der Sicherheit und Unsicherheit, die mit delegierten Leistungen verbunden sind als auch Bedenken gegenüber der Delegation auf, die insbesondere Haftungsfragen aber auch die fehlende Akzeptanz auf Seiten der Patienten betreffen, auf.
Praktische Implikationen: Der Fragebogen ermöglicht eine standardisierte Erfassung von delegierbaren Leistungen und mit ihm lässt sich abbilden, mit welchen Aufgaben Herausforderung für MFAs verbunden sind. Der Einbezug der MFA in die Debatte, was an Leistungen bei welcher Anerkennung delegierbar ist, ist bei der derzeitigen Versorgungsausgestaltung von hoher Priorität. Gleichzeitig kann mit dem Fragebogen evaluiert werden, ob Fortbildungsinhalte insbesondere zu bestimmte Aufgaben, wie Medikamentenmanagement, Wundmanagement oder Durchführung von Hausbesuchen noch weiter vertieft werden müssen.
Literatur:
(1) van den Berg N, Heymann R, Meinke C, Baumeister S, Fleßa S, Hoffmann W. Effect of the delegation of GP-home visits on the development of the number of patients in an ambulatory healthcare centre in Germany. BMC Health Serv Res 2012; 12: 355.
(2) Mergenthal K, Beyer M, Gerlach FM, Guethlin C. Sharing Responsibilities within the General Practice Team – A Cross-Sectional Study of Task Delegation in Germany. PLoS One 2016; 11: e0157248.
(3) Maier CD, Aiken LH. Task shifting from physician to nurses in primary care in 39 countries: a cross-country comparative study. Eur J Public Health 2016; doi:10.1093/eurpub/ckw098.
Hintergrund
Die Alterung der Bevölkerung in Deutschland führt zu einem Anstieg der Prävalenzen altersassoziierter Erkrankungen und einem steigenden Bedarf an medizinisch-pflegerischen Versorgungsleistungen. Zur Deckung der Versorgungsbedarfe sind innovative Versorgungskonzepte erforderlich, die sich u.a. durch eine multiprofessionelle Versorgung und einer verstärkten Teamorientierung kennzeichnen. Pflegefachpersonen sollen dabei erweiterte Aufgaben mit größerer Eigenverantwortung und im Sinne der Heilkunde übernehmen. Diese Veränderungen erfordern eine Anpassung der pflegerischen Ausbildungsstrukturen an den Hochschulen. Daher untersuchte die Care-N Study M-V (Cooperative academical regional evidence-based-Nursing Study in Mecklenburg-Vorpommern) die künftige veränderte Arbeitsteilung von Pflege und Medizin einschließlich der Aufgabenübertragung i.S. der Delegation und Substitution sowie die daraus resultierenden Anpassungserfordernisse für die pflegerische Ausbildung. Dies erfolgte in fünf Befragungsdimensionen: (1) Tätigkeitsspektrum von Bachelor- und Masterabsolventen der Pflege, (2) Pflegefachliche Weiterentwicklung der akademischen Pflegeausbildung, (3) Qualifikationsinhalte von Pflegestudierenden im Bachelor- und Masterstudiengang, (4) Gemeinsame Ausbildungssequenzen von Pflege und Medizin sowie die (5) Berufspolitische Dimension. Die zweite Befragungsdimension beschäftigte sich dabei u.a. mit der künftigen heilkundlichen Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten an Pflegefachpersonen.
Fragestellung
Folgende Fragestellungen wurden untersucht: Welche Aufgabenbereiche und Tätigkeiten sind für die heilkundliche Aufgabenübertragung geeignet? und (2) Welches akademische Qualifikationsniveau ist zur Aufgabenübernahme erforderlich? Ziel war es, potentielle Aufgabenbereiche i.S. der Heilkunde zu beschreiben und damit einen Beitrag zur Spezifikation der bestehenden Richtlinie für die heilkundliche Aufgabenübertragung an Pflegefachpersonen gemäß §63 Abs. 3c SGBV zu leisten.
Methode
Die Care-N Study M-V erfolgte mittels Delphi-Befragung des Typs Ideenaggregation und umfasste zwei schriftliche Befragungsrunden sowie eine Gruppendiskussion. Für die Beantwortung der insgesamt 25 Forschungsfragen in den fünf Befragungsdimensionen erfolgte die Rekrutierung von Experten gemäß Häder, der pro Sachverhalt bzw. Argument einen Experten vorschlägt. Daher wurden 25 Experten einbezogen. Weitere Einschlusskriterien waren: (a) Interdisziplinarität, (b) Nachhaltigkeit, und (c) Status der Person. Die erhobenen Daten der schriftlichen Befragungen wurden mit Cardiff TeleForm (Version 10.2, Electric Paper Informationssysteme GmbH, Lüneburg) digitalisiert. Die Gruppendiskussion wurde audiotechnisch erfasst und mit der f4transkript Software (dr. dresing & pehl GmbH, Marburg) transkribiert. Die Datenanalyse erfolgter mittels inhaltlich strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse gemäß Kuckartz und der Software MAXQDA (VERBI GmbH, Berlin).
Ergebnisse
Die Experten geben insgesamt fünf Aufgabenbereiche an, die von Ärzten an Pflegefachpersonen i.S. der Heilkunde übertragen werden können: (1) Assessment/Untersuchungen/Diagnose, (2) Koordination der Behandlungsabläufe, (3) Verschreibung von Hilfsmitteln/therapeutischen Maßnahmen und Medikamenten, (4) Beratung und Betreuung sowie (5) Erstellung von Gutachten. Diese fünf Bereiche werden mit einzelnen Tätigkeiten spezifiziert. So geben die Experten bspw. für den Aufgabenbereich (3) u.a. an, dass Pflegefachpersonen künftig Pflege- und Hilfsmittel für Menschen mit Dekubitus verschreiben sollten, Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung (z.B. Prophylaxen) verordnen könnten oder die Wiederverschreibungen von Medikamenten bei Patienten mit Schmerzen vornehmen sollen. Während Tätigkeiten wie Wundmanagement, Anlegen von Infusionen und das Monitoring von inkontinenten Patienten von Bachelorabsolventen übernommen werden können, erfordert nach Ansicht der Experten die pflegerische Langzeitversorgung, die Verschreibung von Medikamenten sowie die Anordnung von therapeutischen Maßnahmen eine Ausbildung auf Masterniveau.
Diskussion
Die Spezifikation des Aufgabenfeldes einer akademisch ausgebildeten Pflegefachperson einschließlich der Beschreibung von erweiterten Pflegerollen i.S. der heilkundlichen Aufgabenübertragung ist eine wichtige Voraussetzung für den deutschlandweiten Ausbau von akademischen Pflegeausbildungsstrukturen. Die Abstufung von Aufgaben in einzelne Qualifikationsstufen (dreijährige Ausbildung vs. Bachelor vs. Master vs. Doktor) ist ein erster Schritt, um künftig eine international anschlussfähige Beschreibung des Anforderungs- und Qualifikationsprofils von Pflegefachpersonen entwickeln zu können.
Praktische Implikationen
Die künftige Aufgaben- und Rollenverteilung der Gesundheitsberufe wird dabei insbesondere durch regionale Gegebenheiten beeinflusst werden, um eine bedarfsgerechte und adäquate medizinisch-pflegerische Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können.
Titel:
„interprof ACT“: Effekte von Strategien zur Verbesserung ärztlich-pflegerischer Zusammenarbeit auf Krankenhausaufnahmen von Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern: Studiendesign der clusterrandomisierten, kontrollierten Studie
Hintergrund:
Krankenhausaufnahmen sind für Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner belastendende Ereignisse mit unklarem Nutzen für den weiteren gesundheitlichen Verlauf. In Deutschland werden rund 30 bis 60 Prozent der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner mindestens einmal pro Jahr in ein Krankenhaus verlegt, wobei bis zu 40 Prozent der Einweisungen als vermeidbar gelten. Eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und Hausärztinnen und Hausärzten gilt als möglicher Ansatzpunkt, um Krankenhausaufnahmen zu vermeiden.
Das diesem Abstract zugrundeliegende Projekt wird mit Mitteln des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss unter dem Förderkennzeichen 01VSF16029 gefördert.
Fragestellung:
Ziel der Studie ist die Evaluation der Effekte eines speziell für die Verbesserung der Kooperation zwischen Hausärztinnen/-ärzten und Pflegenden in Pflegeheimen entwickelten Maßnahmenpakets interprof ACT. Untersucht werden soll, ob sich durch Einführung von interprof ACT die kumulative Inzidenz von Krankenhausaufnahmen bei Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern über 12 Monate von 50% auf 35% absolut reduzieren lässt. Untersucht werden weiterhin die Effekte auf die Lebensqualität und die Rate gesundheitlicher Komplikationen, sowie auf prozessbezogene Parameter wie die Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner und die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Hausärztinnen/-ärzten, Pflegekräften und Pflegedienstleitungen.
Methode:
Studiendesign: Die multizentrische clusterrandomisierte, kontrollierte Interventionsstudie wird mit insgesamt 680 Bewohnerinnen und Bewohnern in 34 Einrichtungen durchgeführt. Die Randomisierung erfolgt auf der Ebene der Pflegeeinrichtungen. Die Kontrollgruppe erhält die Standardversorgung mit Kurzinformationen zur ärztlich-pflegerischen Versorgung. In der Interventionsgruppe wählen Heime und Hausärztinnen/-ärzte gemeinsam die passenden Maßnahmen aus interprof ACT aus. Diese werden dann über 12 Monate implementiert.
Primäre Zielgröße ist die kumulative Inzidenz von Krankenhausaufnahmen über 12 Monate, sekundäre Zielgrößen sind auf Bewohnerebene u. a. die Anzahl der Krankenhausaufnahmen und Krankenhaustage sowie weitere Kennzahlen der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung, die Prävalenz inadäquater Medikation und die Lebensqualität. In einer ergänzenden Prozessevaluation werden die Einführung und Umsetzung der ausgewählten Maßnahmen und die Veränderungen in der interprofessionellen Zusammenarbeit analysiert. Daneben umfasst die Studie eine gesundheitsökonomischen Evaluation der Implementierung des Maßnahmenpakets interprof ACT .
Datenerhebung: Die Datenerhebung erfolgt zu drei Messzeitpunkten: zu Baseline, nach 6 Monaten und nach 12 Monaten. Die Daten werden aus der Bewohnerdokumentation und in standardisierten Befragungen von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Hausärztinnen/-ärzten und Pflegekräften erhoben. Für die Prozessevaluation finden zudem Einzel- und Fokusgruppeninterviews mit den Akteuren sowie nicht-teilnehmende Beobachtungen von Pflegeheimvisiten statt.
Auswertung: Die primäre Zielgröße wird in einem generalisierten linearen Modell mit gemischten Effekten modelliert. Die Effekte auf die weiteren quantitativen Endpunkte werden durch hierarchische Modelle geprüft. Die Daten der Prozessevaluation werden deskriptiv analysiert und mittels „mixed methods“-Verfahren zusammengeführt. Assoziationen mit den Zielgrößen werden explorativ analysiert, und es werden förderliche Implementierungsvoraussetzungen und -strategien identifiziert. Die ökonomische Evaluation erfolgt mittels Bestimmung der inkrementellen Kosten-Effektivitäts-Relation und einer Kostenvergleichsanalyse.
Ergebnisse:
Da die Erhebungen in den Heimen zeitgleich zu diesem Kongress beginnen, werden keine Ergebnisse vorgestellt.
Diskussion:
Das Vorhaben wird während der Veranstaltung mit den Kongressteilnehmern diskutiert.
Praktische Implikationen:
Aufgrund der systematischen Entwicklung und des flexiblen Charakters wird davon ausgegangen, dass interprof ACT unabhängig von lokalen Organisationsformen und mithilfe üblicherweise verfügbarer Ressourcen in die Regelversorgung umsetzbar ist. Basierend auf der abschließenden Gesamtbewertung werden Empfehlungen für die weitere Gestaltung der hausärztlichen Versorgung von Pflegeheimbewohnerinnen und –bewohnern gegeben. Darüber hinaus können die Ergebnisse Ausgangspunkt für die Entwicklung von ähnlichen Strategien für die fachärztliche Versorgung von Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern oder die interprofessionelle Zusammenarbeit in der ambulanten Versorgung pflegebedürftiger Menschen sein.
Hintergrund: Medizinischer Fortschritt und Veränderungen in den ärztlichen Versorgungsstrukturen ziehen eine veränderte Arbeitsteilung zwischen niedergelassenen Ärzten und akutstationären Krankenhäusern nach sich. Zunehmend erbringen auch ambulant tätige Ärzte medizinische Leistungen, die bisher einen stationären Aufenthalt erforderten – etwa die Dialyse oder Linsenoperationen am Auge. Hieraus resultiert eine Verlagerung von Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Versorgungssektor, der „neue“ Leistungen im ambulanten Bereich generiert.
Fragestellung: Neben einer Darstellung des Volumens und der Art stationsersetzender Leistungen im Zeitverlauf soll darüber hinaus analysiert werden, ob mit zunehmendem Volumen stationsersetzender Leistungen auch eine Abnahme von stationären Leistungsmengen erkennbar ist.
Methode: Aus dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab wurden 4234 Gebührenordnungspositionen (GOP) als stationsersetzende Leistungen ausgewählt. Dies sind zum einen a-priori ab Beginn des Untersuchungszeitraums neu eingeführte Leistungen im EBM sowie ambulant durchführbare Operationen und sonstige stationsersetzende Eingriffe gemäß §115b SGB V und darüber hinaus auf Basis einer theoretischen Erörterung als potentiell stationsersetzend deklarierte Leistungen. Der Umfang stationsersetzender vertragsärztlicher Leistungen wird berechnet aus dem Leistungsbedarf, also der Honoraranforderung der Praxen an die Kassenärztliche Vereinigung. Die Korrelation zwischen dem ambulanten Leistungsbedarf stationsersetzender/neuer GOPs und stationären Belegungstagen ambulant sensitiver Krankenhausfälle gibt Hinweise auf Verlagerungseffekte, wenn ein Rückgang von Belegungstagen ambulant sensitiver Krankenhausfälle gefunden wird bei gleichzeitig ansteigendem Leistungsbedarf stationsersetzender/neuer GOPs.
Ergebnisse: Die Zahl der Behandlungen, die ambulant statt stationär durchgeführt werden, ist im Untersuchungszeitraum messbar und deutlich angestiegen. Vergleicht man die Jahre 2011 und 2013 ergeben sich Veränderungen beim Leistungsvolumen insofern, als Leistungsbedarf aus stationsersetzenden/neuen Leistungen in allen vertragsärztlichen Praxen demografiebereinigt ansteigt und Belegungstage ambulant-sensitiver Krankenhausfälle entsprechend leicht rückläufig sind. Ohne Demografiebereinigung steigen sowohl Leistungsbedarf aus stationsersetzenden/neuen Leistungen in vertragsärztlichen Praxen als auch Belegungstage ambulant-sensitiver Krankenhausfälle.
Die ausgewählten ambulant abgerechneten GOP sind im engeren Sinn stationsersetzend anzusehen, wie GOP zu Dialysepauschalen, Hausärztlich-geriatrischer Betreuungskomplex, Zusatzpauschale Koloskopie, sowie intraoculare oder dermatochirurgische Eingriffe wie auch humangenetische Leistungen.
Der ambulante Leistungsbedarf dieser GOP für die Jahre 2011 und 2013 steigt im Mittel aller Kreise rund 4 % an bei einem Anstieg der Belegungstage ambulant sensitiver Krankenhausfälle von 3,5 % (rohe Rate). Ein Trend, der als Hinweis auf einen Verlagerungseffekt angesehen wird, wird bei demografiebereinigten Raten gefunden. Bei einem 2,6 % höheren ambulanten Leistungsbedarf stationsersetzender/neuer GOP ergibt sich im gleichen Zeitraum ein Rückgang der Belegungstage ambulant sensitiver Krankenhausfälle von 0,2 %.
In rund einem Drittel der Kreise wird demografiebereinigt eine steigende Rate des ambulanten Leistungsbedarfs im engeren Sinn stationsersetzender GOP bei rückläufigen Belegungstagen ambulant sensitiver Krankenhausfälle von 2011 bis 2013 berechnet.
Die Korrelation mittelbar stationsersetzender Leistungen in Form der Pauschalen fachärztlicher Grundversorgung im Vergleich zum Trend stationärer Belegungstage als Konstellation „mittlerer ambulanter Leistungsbedarf je Einwohner aus Pauschalen fachärztlicher Grundversorgung überdurchschnittlich hoch und Belegungstage je Einwohner unterdurchschnittlich“ wird lediglich in 33 von 402 Kreisen gefunden.
Diskussion: Von dem entwickelten Studienplan sind hier die Ergebnisse zum Fachgruppenmittel der ausgewählten Leistungen dargestellt. Eine Fortführung könnte darin bestehen, den mittleren Leistungsbedarf der Behandlungsfälle je Fachgruppe darzustellen, für den mindestens eine der ausgewählten Leistungen abgerechnet wurde, der sich somit aus dem Leistungsbedarf der ausgewählten GOP sowie allen übrigen GOP zusammensetzt, die für diese Fälle abgerechnet wurden. Der mittlere Leistungsbedarf stationsersetzender Fälle (ggf. mit neuen Leistungen) könnte mit dem mittleren Leistungsbedarf aller Fälle je Fachgruppe verglichen werden, um zu erkennen, ob dieser relevant abweicht. Diese Fortführung wäre in einer zukünftigen Arbeit zu leisten.
Praktische Implikationen: Die hier definierte Auswahl stationsersetzender und neu eingeführter Gebührenordnungspositionen könnte verwendet werden, um davon ausgehend in anderen Datenbasen deren Umfang und zeitlichen Verlauf des Leistungsbedarfs aus diesen GOP darzustellen.
Hintergrund
Forderungen nach transparenter und effizienter Versorgung, Qualität und Evidenzbasierung sowie verstärkter nationaler Forschung dringen auf eine höhere Qualifizierung der medizinisch-technischen Dienste (MTD) (Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Diätologen, Radiologietechnologen, Biomedizinische Analytiker, Orthoptisten) (1-3). Aktuell werden die MTD in Österreich auf Bachelorniveau an Fachhochschulen ausgebildet (4).
Fragestellung
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten werden gegenwärtig für Bachelorabsolventen der MTD an Fachhochschulen und Universitäten in Österreich angeboten? Besteht, besonders aus Expertensicht, ein Bedarf an bundesfinanzierten Master- und PhD-Programmen für die MTD in Österreich?
Methode
Die Studie wurde mit einem Mixed-Methods-Design durchgeführt, bestehend aus einer umfassenden Literaturrecherche und einem qualitativen Teil. Mittels Literaturrecherche erfolgte eine Erhebung der Weiterbildungsangebote für MTD in Österreich. Acht Experteninterviews wurden zum Bedarf an MTD auf Master- und PhD-Niveau sowie dem Mehrwert von bundesfinanzierten Master- und PhD-Studienprogrammen geführt. Die Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (5).
Ergebnisse
In Österreich wird zwischen selbstfinanzierten Lehrgängen und bundesfinanzierten Studiengängen unterschieden. Die Ergebnisse zeigten ein vielfältiges Angebot an Masterprogrammen bezüglich Inhalte, Abschlüsse und Organisationsformen. Alle facheinschlägigen Weiterbildungen sind selbstfinanzierte Lehrgänge. Nicht-facheinschlägige Programme (z.B. Gesundheitsmanagement) werden auch bundesfinanziert (Studiengänge). Dadurch sind PhD-Studienprogramme an österreichischen Universitäten nur begrenzt für MTD-Berufe zugänglich (6, 7). Der Bedarf an medizinisch-technischen Master- und PhD- Absolventen wird von den Experten als groß erachtet.
Diskussion
Einerseits werden bundesfinanzierte Masterstudiengänge von Experten gefordert. Andererseits ist die Erhebung eines leistbaren Selbstkostenbeitrages von den Studierenden nach Expertenmeinung zur Wertschätzung der Weiterbildung sinnvoll.
Die Methode bietet lediglich die Generierung von Hypothesen zur Professionalisierung der MTD-Berufe. Weitere Studien aus Sicht der Studierenden und der Arbeitgeber könnten die Forschung zur Professionalisierung der MTD-Berufe vertiefen.
Praktische Implikation
Die Attraktivität von Masterprogrammen sollte gesteigert werden, um eine höhere Zahl an Master- und PhD-Absolventen zu erzielen und die Professionalisierung der MTD-Berufe in Österreich entscheidend voranzutreiben.
Mit höherer Qualifizierung der MTD-Berufe wird das Berufsbild attraktiviert und die Herausforderungen des Gesundheitssystems können besser bewältigt werden. Dazu braucht es jedoch entsprechende Karrieremodelle von Arbeitgebern sowie ein verändertes Rollenverständnis.
Sozialer (Soft Skills) sowie fachlicher Kompetenzzuwachs ist für die Erweiterung der Berufsprofile sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit – besonders in den in Österreich derzeit geplanten Primärversorgungseinheiten – (entspricht in etwa den deutschen medizinischen Versorgungszentren) vorteilhaft.
Literatur
1. Robert Bosch Stiftung GmbH. Gesundheitsberufe neu denken, Gesundheitsberufe neu regeln. Grundsätze und Perspektiven – Eine Denkschrift der Robert Bosch Stiftung. Stuttgart: Robert Bosch Stiftung GmbH; 2013. Available from: http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/downloads/2013_Gesundheitsberufe_Online_Einzelseiten.pdf [Zugriff 02.10.2015].
2. Panfil EM, Sottas B. Woher kommen die Besten?: globaler Wettbewerb in der Ausbildung - wer bildet zukunftsfähige Health Professionals aus? Zürich: Schweiz: Careum-Verlag; 2009.
3. Sottas B, Höppner H, Kickbusch I, Pelikan J, Probst J. Umrisse einer neuen Gesundheitsbildungspolitik. Zürich: Schweiz: Careum Verlag; 2010.
4. Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz), BGBl. Nr. 460/1992 MTD-Gesetz(1992).
5. Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim: Deutschland: Julius Beltz GmbH; 2015.
6. plus Media GmbH. Masterportal Österreich Wien plus Media GmbH; 1995-2015 [Available from: http://www.postgraduate.at/Master/Oesterreich/Pflege_Gesundheit_Sport.htm [Zugriff 3.12.2015].
7. Augner C, Tomicek-Gründl K. Akademisierung als Perspektive für die Personalentwicklung: Das Karrieremodell MTD+ in Salzburg. Biomed Austria. 2015;1/15:9-10.
8. Seper U. Bildung in den Gesundheitsberufen weiter denken: weiterbilden weiterdenken weiterkommen. Graz: Leykam; 2017. 168 p.
Hintergrund:
Die Inanspruchnahme und das Interesse an Komplementärer und Integrativer Medizin (KIM) ist in der Allgemeinbevölkerung und insbesondere bei chronisch kranken Patienten erkennbar angestiegen. So ergänzt beispielsweise mindestens jede zweite onkologisch erkrankte Frau ihre konventionelle Therapie vom Zeitpunkt der Diagnosestellung bis hin zur Nachsorgephase durch KIM. In der Gesundheitsversorgung werden allerdings oftmals nicht alle Bedürfnisse der Patienten adressiert und es mangelt an entsprechenden Versorgungsstrukturen sowie an dazugehörigen Ausbildungsmöglichkeiten für alle Beteiligte an der gesundheitlichen Versorgung.
Im Rahmen des InterKIM Projektes wird an der Medizinischen Fakultät Heidelberg ein interprofessionelles Lehrmodul zur komplementärmedizinischen Versorgung entwickelt, welches sich explizit an Medizinstudenten sowie andere Gesundheitsberufe aus dem Studiengang Interprofessionelle Gesundheitsversorgung (B.Sc.) richtet. Interprofessionelle Dozenten-Tandems werden das präsente Thema KIM evidenzbasiert sowie auch praktisch anhand von interaktionsfördernden Fallbeispielen lehren. Somit werden Möglichkeiten zum langfristigen und nachhaltigen Einsatz in der interprofessionellen Patientenversorgung aufgezeigt, welche sich alltagsnah an den patientenorientierten Bedürfnissen ausrichten sollen
Fragestellung:
Das aktuelle Lehrvorhaben zielt darauf ab, den Studierenden der medizinischen Fakultät Heidelberg eine interprofessionelle Lernplattform ab dem Wintersemester 2017/18 anbieten zu können. Das übergreifende Ziel beschäftigt sich mit der Forschungsfrage, wie das dazugehörige Wahlmodul kompetenzorientiert entwickelt und langfristig in den jeweiligen Curricula implementiert werden kann.
Methode:
Basierend auf den Four Core Competencies (Values/Ethics for Interprofessional Practice, Roles/Responsibilities, Interprofessional Communication, Teams and Teamwork) der Interprofessional Collaborative Practice werden versorgungsrelevante Kompetenzen und Lernziele für das interprofessionelle Lehrmodul entwickelt und im Curriculum adressiert. Durch den frühen Einbezug der Dozenten-Tandems und den Studiengangsleitern an der Medizinischen Fakultät wird sichergestellt, dass das Lehrmodul bestmöglich integriert wird und entsprechende didaktische Methoden zum Lehren über komplementärmedizinische interprofessionelle Patientenversorgungsinhalte ausgewählt werden. Zudem wird ein begleitendes Evaluationskonzept erarbeitet, welches darauf abzielt den Entwicklungsprozess zu optimieren und so die Qualität der Lehre sicherzustellen.
Ergebnisse:
Das Lehrvorhaben befindet sich kurz nach dem Zeitpunkt der Förderungsbewilligung der Karl und Veronica Carstens-Stiftung in der Entwicklungsphase. Auf dem Kongress wird das erste Konzept des Curriculums sowie das dazugehörige Evaluationskonzept vorgestellt.
Diskussion:
Im Rahmen der frühen Entwicklungsphase des Lehrmoduls war ein verstärkter Austausch über komplementärmedizinische Lehrinhalte an der Medizinischen Fakultät zu verzeichnen. Das Thema KIM wird in unterschiedlichen medizinischen Fachdisziplinen bislang unterschiedlich betrachtet und adressiert, von daher wird es im weiteren Verlauf umso wichtiger sein den Mehrwert des interprofessionellen Versorgungsaspektes bei indikationsbasierten und evidenzbasierten komplementärmedizinischen Anwendungen deutlich zu machen.
Praktische Implikationen:
Das zu entwickelnde Lehrmodul InterKIM besitzt das Potential den komplementärmedizinischen Wissensstand und die jeweiligen beruflichen Handlungsmöglichkeiten bei den Studierenden zu erweitern und diese kritisch zu reflektieren. Ob es trotz aller unterschiedlichen Sichtweisen und medizinischen Interessen möglich sein wird, das Lehrmodul langfristig zu implementieren, wird von der Aktualität, Attraktivität und Akzeptanz des Curriculums abhängig sein.
Titel
Das Modellprojekt „AzuBiss - Ausbildungsübergreifende Zusammenarbeit für mehr Mundgesundheit im Pflegeheim“ - ist eine Konzeption zur Förderung der Zahn- und Mundgesundheit im Alter.
Hintergrund
Verschiedene Projekte, die im Rahmen der Gesundheitsziele Sachsen- Anhalt durchgeführt werden, befassen sich mit der Lebensqualität und Allgemeingesundheit der Bewohner in Altenpflegeheimen. Die Lebensqualität wird entscheidend davon bestimmt, wie man auch im Alter noch Lachen, in Gemeinschaft essen und sich artikulieren kann und dazu gehören gesunde und funktionsfähige Zähne. Die Zahngesundheit hat einen wesentlichen Einfluss auf die Allgemeingesundheit. Ein funktionstüchtiges Kauorgan ist wichtig für die Aufnahme und Zerkleinerung der Nahrung und damit für die Sicherung einer vielseitigen, ausgewogenen Ernährung. Kauen regt den Speichelfluss an und bereitet die Verdauung vor. Aus vielen Studien geht hervor, dass Bewohner in Altenpflegeheimen mit einer gepflegten Mundhöhle weniger Fiebertage im Jahr haben, dass das Risiko, an einer Lungenentzündung zu erkranken fällt, wenn Zahnfleisch und Zähne gesund sind.
All dies sind Argumente, um als Zahnarzt bzw. Zahnärztin ein Altenpflegeheim regelmäßig zu betreuen. Die Betreuung soll sich nicht auf die Behandlung der Bewohner beschränken, sondern es geht auch darum präventiv tätig zu sein, d.h. Durchführung regelmäßiger Kontrollen, Schulung des Pflegepersonals, Organisieren von Angehörigenabenden.
Fragestellung
Bei der Kooperation mit einem Altenpflegeheim über viele Jahre wurde klar – das zahnmedizinische Personal braucht mehr Informationen zur Seniorenzahnmedizin und im Umgang mit multimorbiden Menschen und das Pflegepersonal muss in Sachen Mund- und Zahnpflege im Alter besser geschult werden.
Zahn- und Mundhygiene sollte von Anfang an in Fleisch und Blut übergehen, d.h. schon in der Ausbildung müssen die werdende Altenpflegerin und der werdende Altenpfleger nicht nur was von Parotisprophylaxe und Soorprävention – so steht es im Ausbildungsplan der examinierten Altenpfleger/innen – hören, sondern ein fundiertes Wissen über Ursachen von Karies und Parodontopathien erlangen, sollten wissen, welche Arten von Zahnersatz von den Zahnärzten eingesetzt wird, welche Möglichkeiten der Zahn- und Zahnersatzreinigung es gibt und sollten Erkrankungen im Mundraum erkennen.
Methode
Von 2014 bis 2016 wurde das Projekt „AzuBiss“ in einer Betriebsberufsschule durchgeführt. Vor Projektbeginn erhielten die Auszubildenden der Altenpflege des 3. Lehrjahres und die Auszubildenden Zahnmedizinische Fachangestellte des 3. Lehrjahres einen Fragebogen zu Themen rund um die Zahn- und Mundgesundheit im Alter. Die Fragebögen wurden ausgewertet und danach wurde das Schulungsprogramm erarbeitet. An einem Theorietag wurden beide Ausbildungszweige gemeinsam geschult, mussten gemeinsam Arbeitsblätter erarbeiten und wurden dann zu Tandems zusammengebracht – je ein Azubi der Altenpflege und ein Azubi der Zahnmedizinischen Fachangestellten.
Nach dem die theoretischen Grundlagen geschaffen worden waren, erhielten die Tandems ihre Arbeitsanweisungen und verbrachten einen Tag in der Zahnarztpraxis. Hier war es uns wichtig, dass die Auszubildenden der Altenpflege bei einer professionellen Zahnreinigung zusehen, zuhören, wie Patienten zur Zahnreinigung angeleitet werden und bei zahnärztlichen Behandlungen zu hospitieren, speziell bei Zahnersatzeingliederung. Die Altenpflegeauszubildenden sollten das zahnärztliche Personal im Umgang mit älteren Menschen unterstützen.
Der zweite Praktikumstag sollte unseren Zahnmedizinischen Fachangestellten in spe zeigen wie wichtig es ist, sich auch um alte Menschen zu kümmern. Sie sollten Berührungsängste abbauen, hausinterne Pflegestandards kennen lernen und bei der Zahn- und Mundpflege helfen und Tipps geben.
Am Ende der beiden Praktikumstage sollten alle Teilnehmer einen schriftlichen Bericht verfassen, in dem sie das Erlebte schildern sollten. Ein abschließender Fragebogen sollte uns helfen, eine Auswertung zu erstellen und Rückschlüsse zu ziehen, wie das Projekt angenommen wurde und welche Verbesserungen wir vornehmen können.
Ergebnisse und Diskussion
Die ZFA- Auszubildenden wurden so von Anfang in der Alterszahnmedizin geschult, auch wenn in der Ausbildungspraxis nur junge Menschen betreut werden, sie sollen lernen respektvoll mit dem Beruf des Altenpflegers umzugehen und sollen Berührungsängste verlieren im Umgang mit alten Menschen. Eventuell können sie es schaffen, ihre Chefs von einer Kooperation mit einem Altenpflegeheim zu überzeugen.
Für die Altenpflegeausbildung ist es wichtig, dass tatsächlich von Beginn an auf die Zahn- und Mundhygiene geachtet wird, die Bedeutung der Mundgesundheit für das allgemeine Befinden, für die Lebensqualität ihrer zu betreuenden Senioren muss ihnen bewusst sein.
Praktische Implikationen
Das Projekt wird jetzt flächendeckend umgesetzt.
BACKGROUND:
Although the burden of a cancer diagnosis for patients is profound, healthcare systems often fail to address patients' and families' psychosocial, information and care coordination needs. The Oncology Nurse Navigator Education Program (ONNEP) was initiated to address these missing links in the healthcare system in a pro-active way. The nurse navigator’s roles are clinical roles held by experienced nurses with expert clinical knowledge and in-depth understanding of the health system. Therefore, further education for health care professionals as oncology nurse navigators is urgently needed. The goal of the education program is to further train and qualify the nursing staff in a comprehensive training program comprising 130 teaching units (e.g. in case management, psycho-oncology, coaching and conversational skills, decision support and problem solution, physical activity and nutrition in cancer).
QUESTION:
Despite the growing interest among health policy decision makers, there remains hesitation in widespread adoption of nurse navigation services for German cancer patients or for providing reimbursement due to a lack of data regarding value and resource use. Here we describe the study design implemented to evaluate the effect of nurse navigation on hospitalization, health outcomes, health care utilization and health care costs in the German health care system.
METHODS:
A prospective evaluation design using a randomized longitudinal and cross-sectional multi-center design will be used. The program will be implemented at three hospitals and will include their network-partners (outpatient physicians). Approximately of 350 patients will be randomized at study center level, using a stratified 1:1 randomization into intervention (IG) and control group (CG). Patients with breast cancer or melanoma will be randomized according to disease stage, age group and gender (melanoma only). The planned study duration is 12 months. Data will be collected from the patients of the IG and the CG after receiving informed consent of the patients during their hospital stay (t1), as well as 3 months (t2) and 12 month later (t3). Furthermore, data will be collected from their treating in- and outpatient physicians, patients´ relatives, and the oncology nurse navigator (only IG).
For primary endpoint, the difference in numbers of hospitalizations is chosen. For testing the differences between the IG and CG in a cross-sectional way, student t-tests will be calculated at each measuring time point (t1, t2, t3) with a p-value < 0.05 as the criterion for statistical significance. Changes in the numbers of hospitalizations will be calculated compared to t1 and compared to patients in the CG at t1, t2 and t3.
The secondary endpoint is defined as the change of the psychological burden of the patients. Descriptive statistics will be calculated on HADS-D scores at t1, t2 and t3, for the IG and the CG. Changes of the psychological burden will be calculated and compared to t1 as well as in the CG at t1, t2 and t3.
The exploratory analyses will provide insights into the impact of the Oncology Nurse Navigator Education Program on different variables: The quality of life of patients as measured by EORTC QLQ-C30, quality of life of relatives (EQ-5D), psychological burden of relatives (HADS), health status/ general perceived health (WHO). Measures of social support / resources of patients, patients´ health literacy, shared decision making , days of incapacity for work, waiting time for necessary treatments, adherence to treatment, duplicate examinations, satisfaction with intervention, workflow/ operational procedures, pharmacotherapy, use of health care services, and health care costs will also be collected and analyzed.
RESULTS & DISCUSSION:
To better allocate the resources in the German health care system, further information on the economic impact and sustainability of new interventions is needed.
Patient navigation is a promising intervention for cancer patients. Implementation of such programs in other health care systems, such as the US, is rather advanced. Evaluation of the ONNEP is complex since other patient navigation services are not completely comparable. Also, settings in which such a service is offered may differ. Nevertheless, initial investigations in the US have shown significant increases in several components of quality of life and satisfaction with care. Moreover, it has been shown that hospital stay days can be reduced compared to the control group through such programs.
PRACTICAL IMPLICATIONS:
Oncology nurse navigation programs can be easily integrated in physicians’ routines and thus may be effective outside the framework of clinical research. However, there is a paucity of economic and value information related to establishing, sustaining, or determining the viability of an ONNEP in Germany. The design of the prospective randomized evaluation described aims to allow for informed decision making.
Hintergrund
Die Bedeutung des Themas Multimorbidität nimmt sowohl in der Versorgungsforschung wie auch in der Diskussion um die Weiterentwicklung klinischer Behandlungsleitlinien in jüngerer Zeit einen zunehmend breiteren Raum ein. Studien haben gezeigt, dass ein großer Teil der älteren, hausärztlich betreuten Patienten multimorbid ist. Hierbei bestehen auch Zusammenhänge mit der sozialen Deprivation der Patienten und es ließ sich feststellen, dass sich eine Kombination mehrerer Erkrankungen, vor allem wenn hierbei neben körperlichen auch psychische Erkrankungen eine Rolle spielen, negativ auf Outcome-Indikatoren ebenso wie auf das Selbstmanagement der Patienten auswirkt. Daneben ist das unmittelbar mit der Multimorbidität verbundene Problem der Polypharmazie in den Fokus gerückt, was sich auch bereits in einer entsprechenden hausärztlichen Behandlungsleitlinie zur Multimedikation erwachsener bzw. geriatrischer Patienten niedergeschlagen hat. In diesem Zusammenhang ist auch innerhalb der implementierten DMP für chronische Erkrankungen festzustellen, dass der Anteil mehrfach betreuter Patienten bereits jetzt hoch ist. Vor dem Hintergrund der zukünftigen Weiterentwicklung der DMP und der Einführung neuer indikationsspezifischer Programme ist von einem weiteren Wachstum dieser Patientengruppe auszugehen.
Fragestellung
Untersucht wurde, wie groß die Patientengruppe ist, die gleichzeitig in den DMP Diabetes mellitus Typ 2, Koronare Herzkrankheit und COPD betreut werden. Abhängig von der Mehrfachbetreuung sollten außerdem die beiden Fragen beantwortet werden, welche besonderen Erkrankungsmerkmale solche Patienten aufweisen und in welchem Ausmaß sich eine Mehrfachbetreuung als ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten kardiovaskulärer erweist.
Methode
Alle, im Jahr 2015 in der Region Nordrhein parallel in den DMP Diabetes mellitus Typ 2 (D2), Koronare Herzkrankheit (KH) und COPD (CO) betreuten Patienten wurden hinsichtlich ihrer soziodemografischen Merkmale, ihrer Befundindikatoren, der Prävalenz von Begleiterkrankungen sowie der dokumentierten Verordnungsraten der jeweiligen indikationsspezifischen Medikationen querschnittlich deskriptiv-statistisch untersucht. Für das Auftreten eines nicht tödlichen Herzinfarkts oder Schlaganfalls in dem Zeitraum seit 2011 wurde innerhalb separater, multivariater logistischer Regressionsmodelle die Bedeutung der genannten Indikatoren als Risikofaktoren geschätzt.
Ergebnisse
Fast ein Fünftel (19,5 %) der 528.064, im DMP D2 betreuten Patienten wurden zeitgleich auch im DMP KH betreut und 7 % parallel in den DMP D2 und CO. Eine Teilgruppe von insgesamt 13.313 (2,5 %) Patienten wurde in allen drei DMP betreut. Gegenüber ausschließlich im DMP D2 betreuten Patienten wiesen die mehrfach betreuten Patienten ein deutlich höheres Durchschnittsalter auf (D2: 67,4; D2+KH: 73,2; D2+KH+CO: 72,5 Jahre), wurden deutlich seltener in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis betreut (D2: 8 %; D2+KH: 5,9 %; D2+KH+CO: 4,6 %) und häufiger stationär eingewiesen (D2: 1,6 %; D2+KH: 2,2 %; D2+KH+CO: 2,4 %). Mehrfachbetreute Patienten litten zudem wesentlich häufiger unter diabetischen Folgekomplikationen wie einer Neuro-, Nephro- oder Retinopathie (D2: 30,7 %; D2+KH: 40,7 %; D2+KH+CO: 39,7 %), einer arteriellen Hypertonie (D2: 80,9 %; D2+KH: 93,4 %; D2+KH+CO: 92,9 %) bzw. weiteren kardiovaskulären Begleiterkrankungen, z. B. einer chronischen Herzinsuffizienz (D2: 5,3 %; D2+KH: 19,3 %; D2+KH+CO: 26,7 %) oder einer arteriellen Verschlusskrankheit (D2: 6,8 %; D2+KH: 17,1 %; D2+KH+CO: 20,5 %). Während hinsichtlich der Verordnung von Antidiabetika bzw. Insulin nur vergleichsweise geringe Unterschiede zwischen diesen Patientengruppen bestanden, waren die Raten der verordneten Thrombozyten-Aggregationshemmer / oralen Antikoagulanzien, Beta-Blocker, ACE-Hemmer / Sartane, Diuretika und Statine teilweise bei den mehrfach betreuten Patienten mehr als doppelt so hoch wie bei den Patienten, die nur im DMP D2 betreut wurden. Das Risikoverhältnis für einen neuen Herzinfarkt (D2+KH: OR 7,9 (7,4–8,4); D2+KH+CO: OR 6,7 (6,0–7,6) oder Schlaganfall (D2+KH: OR 1,4 (1,3–1,5); D2+KH+CO: OR 1,5 (1,4–1,7) seit 2011 war gegenüber D2-Patienten stark erhöht.
Diskussion
In mehreren DMP betreute Patienten sind im Vergleich mit den nur im DMP D2 betreuten Patienten älter und leiden in beträchtlich höherem Ausmaß an diabetischen Folgekomplikationen, gleichzeitig werden sie häufiger hausärztlich betreut. Infolge des nachweisbaren hohen Grades an Multimorbidität zeigen sich auch im Hinblick auf die Begleitmedikation sehr hohe Verordnungsraten, was in vielen dieser Fälle zu Polypharmazie führt. Mehrfach betreute Patienten weisen zudem ein erhöhtes Risiko für einen neu auftretenden Herzinfarkt oder Schlaganfall auf.
Praktische Implikationen
Sowohl auf Ebene der zukünftigen DMP-Ausgestaltung als auch hinsichtlich der Weiterentwicklung nationaler Versorgungsleitlinien ist diese wachsende Patientengruppe stärker zu berücksichtigen.
Background
Shared decision-making (SDM) is especially important in oncology, where in many cases there is a high level of preference-sensitivity of treatment options, and where treatments often have a considerable impact on the patient’s quality of life. Many cancer patients wish to be well informed and to be actively engaged in the decision making regarding their treatment. Despite scientific evidence and a prominent position on the health policy agenda, implementation of SDM in routine practice continues to lag. As outlined in the Consolidated Framework for Implementation Research [1], it is important to first assess current practice as well as needs of different stakeholders in a pre-implementation phase. We conducted such a pilot study in 2013/2014 and identified important aspects that need to be considered for the development and evaluation of an implementation program of SDM in cancer care.
Aim
The main aim of this study is to evaluate the process and outcome of this theoretically and empirically grounded complex intervention program designed to foster implementation of SDM into routine practice.
Methods
The study will be carried out in cooperation with several clinics at a comprehensive cancer center in Germany. A stepped wedge design, a variant of the cluster randomized controlled trial feasible to evaluate interventions in routine implementation, will be used. Participating clinics will be randomized through time-delayed implementation of the multifaceted program, which will consist of the following strategies: a) SDM trainings for clinicians, b) audit & feedback, c) patient empowerment intervention, d) patient information material and decision aids, e) revision of the clinics quality management documents, and f) re-organization of multidisciplinary team meetings. A mixed methods evaluation including qualitative and quantitative process and outcome evaluation will be carried out. The process of implementation will be evaluated using qualitative methods such as interviews with stakeholders and field notes. This will allow adapting interventions if necessary. The outcome evaluation will consist of several measurement points. The primary outcome will be adoption of SDM, as measured by the 9-item Shared Decision Making Questionnaire (SDM-Q-9). Furthermore, a range of other implementation outcomes will be assessed (acceptability, readiness for implementing change, appropriateness, and penetration).
Discussion
This study is the first large study on routine implementation of SDM conducted in German cancer care. We expect to foster implementation of SDM at the enrolled clinics of the comprehensive cancer center.
Practice implication
Insights gained from this study, using a theoretically and empirically grounded approach can be used to inform other SDM implementation studies, both nationally and internationally.
Reference:
1. Damschroder LJ, Aron DC, Keith RE, Kirsh SR, Alexander JA, Lowery JC. Fostering implementation of health services research findings into practice: A consolidated framework for advancing implementation science. Implement Sci. 2009;4:50. doi: 10.1186/1748-5908-4-50. PubMed PMID: doi:10.1186/1748-5908-4-50.
Objectives:
To assess the association between the number of radiotherapy centres (RTC) in the population and incidence adjusted cancer mortality on a global scale.
Methods:
Data on cancer incidence and mortality were obtained from the GLOBOCAN projects, while we extracted country-specific information on number of RTC from the DIRAC database. The World Bank database was taken into account for remaining data used.
We used linear regression models to assess the association between RTC per 10,000,000 inhabitants (logarithmized) and the log-transformed mortality/incidence ratio considering also cubic splines to model non- linearity (only used when superior based on information criteria and visual assessment).
Models were adjusted for health care expenditure, number of surgical procedures, neonatal mortality rate and GDP per capita. To assess bias due to unobserved confounders, mortality from kidney cancer was considered as a negative control. A sensitivity analysis considered only high quality data (C3 or higher). A significance level of 5% was assumed.
Results:
We found an inverse linear relation between RT centres in the population and the cancer mortality to incidence ratio for prostate cancer (9% per log(RTC per 10,000,000 inhabitants), 95% CI: 5%-14%), female breast (5%, 95% CI: 2%-8%) and colorectal cancer (5%, 95% CI: 2%-7%). No bias was apparent after covariate adjustment. Results were robust when only countries with high quality data were considered.
Conclusion:
The country-specific number of RTC seems a considerable predictor of cancer mortality. The absence of a low plateau (non-linear relation) indicates no oversupply with RTC.
Background: Chronic diseases account for a substantial amount in annual medical expenditures. One such disease characterised by high levels of mortality is coronary heart disease (CHD; Pagidipati and Gaziano, 2013); the majority of CHD related-deaths being linked to myocardial infarct. Structured health programs such as disease-management-programs (DMPs) targeting CHD aim specifically at reducing mortality.
Aim: Here, we aim at investigating risk and resilience factors that impact on survival time after myocardial infarct using DMP-generated health records in a subsample of CHD patients.
Methods: We use data from 1402 patients suffering from coronary heart disease who have experienced a myocardial infarct and participate in CHD-DMPs in North Rhine-Westphalia in Germany (total of N=242.931 patients). Survival analyses using Kaplan-Meier estimators were employed to determine factors influencing post-myocardial infarct survival time; estimation was evaluated using log rank tests.
Results: Preliminary results showed trend-level significant differences in post-myocardial infarct survival times for CHD patients for the length of stay within the CHD disease-management-program (<= 11.5 vs. > 11.5 years in CHD-DMP): chi2(1)=3.605, p=.058.
Discussion: We present tentative evidence indicating beneficial effects of structured health programs such as disease-management-programs to survival times after myocardial infarct. These analyses will be extended to include known pre-existing factors as priors into survival analyses.
Implications: Our findings aim to elucidate on risk and resilience factors that impact on survival time after myocardial infarct. These findings can impact on the way CHD care is delivered and thereby help to reduce myocardial infarct linked mortality.
Hintergrund
Chronische Rückenschmerzen stellen aufgrund ihrer hohen Prävalenz und der damit verbundenen Krankheitskosten ein großes Problem für das Gesundheitssystem dar. Aufgrund des demografischen Wandels werden die Ausgaben im Gesundheitssystem in Zukunft weiter steigen. Rehabilitation kann dazu beitragen, diese Kosten zu senken und die Betroffenen länger im Erwerbsleben zu integrieren.
Fragestellung
Die vorliegende Arbeit ging der Frage nach, inwiefern Kriterien aus Routinedaten einen möglichen Rehabilitationsbedarf abbilden können und welche Versichertengruppen eine Rehabilitation in Anspruch nehmen.
Methodik
Grundlage für die Sekundärdatenanalyse waren Routinedaten der Deutschen Rentenversicherungen Bund und Baden-Württemberg sowie der AOK Baden-Württemberg.
Für die Auswertungen wurden 18- bis 63-jährige AOK-Versicherte ausgewählt, die zwischen 2005 und 2010 über mindestens drei Quartale aufgrund von Rückenschmerz behandelt wurden.
Die Behandlungsverläufe von Rehabilitanden und Versicherten mit abgelehnten Rehabilitationsanträgen (Grund für die Ablehnung: Rehabilitation nicht notwendig) wurden mit einem Hidden Markov Modell (HMM) untersucht. Das HMM teilte die Verläufe anhand Arbeitsunfähigkeitsdauer (AU-Dauer), der Anzahl Behandlungen sowie der Anzahl Verordnungen von Heil- und Hilfsmitteln und Medikamenten in zwei Gruppen ein. Daraus wurden anschließend Kriterien für einen potentiellen Rehabilitationsbedarf abgeleitet. Versicherte, die diese Kriterien erfüllten und keinen Rehabilitationsantrag stellten, werden als Unterinanspruchnehmer definiert. Zur Validierung der Kriterien, wurde überprüft, wie häufig Rehabilitanden und Versicherte mit abgelehnten Rehabilitationsanträgen die Kriterien für Rehabilitationsbedarf erfüllten.
Mit einer logistischen Regression (Backward-Selection) wurden Merkmale identifiziert, die die Inanspruchnahme von Rehabilitationen (Rehabilitanden vs. Unterinanspruchnehmer) beeinflussten.
Ergebnisse
Insgesamt erfüllten 30.553 Versicherte die Ein- und Ausschlusskriterien. Davon stellten 13,6% einen Rehabilitationsantrag, der zu 95,8% bewilligt wurde.
Das HMM nahm eine Einteilung in eine hohe und niedrige Behandlungsintensität vor. Rehabilitanden hatten vom Quartal vor der Rehabilitation bis zum Quartal nach der Rehabilitation sehr häufig eine hohe Behandlungsintensität, während Versicherte mit abgelehnten Rehabilitationsanträgen überwiegend eine niedrige Behandlungsintensität aufwiesen. Anhand dieser Einteilung wurde ein möglicher Rehabilitationsbedarf bei einem Versicherten definiert, falls dieser in jeweils zwei aufeinanderfolgende Quartale mindestens 20 Tage arbeitsunfähig war, 8 mal behandelt wurde und 1 Medikament verordnet bekam. Diese Kriterien wurden von 769 Versicherten, die keinen Rehabilitationsantrag stellten, erfüllt. Die Validierung der Kriterien ergab eine Sensitivität von 0,91 und eine Spezifizität von 0,65.
Mit steigendem Alter oder einer ausländischen Staatangehörigkeit nahmen die Versicherten seltener Rehabilitationsmaßnahmen in Anspruch. Degenerative Gelenkerkrankungen, eine längere Erkrankungsdauer, eine längere AU-Dauer sowie mehr Behandlungen bei chronischen Schmerzen und höhere Kosten für Heil- und Hilfsmittel im Quartal vor der Rehabilitation führten zu einer vermehrten Inanspruchnahme. Dagegen wirkten sich die Komorbiditäten Diabetes mellitus, somatoforme Störungen, höhere Kosten für schwache Opioide, mehr Behandlungen beim Hausarzt und eine höhere Anzahl psychotherapeutischer/psychosomatischer Behandlungen im Quartal vor der Rehabilitation hemmend auf die Inanspruchnahme aus.
Diskussion und praktische Implikationen
Versicherten mit abgelehnten und bewilligten Rehabilitationsanträgen unterscheiden sich in ihrer Behandlungsintensität deutlich voneinander. Dadurch lassen sich Kriterien für einen möglichen Rehabilitationsbedarf ableiten. Die Inanspruchnahme einer Anschlussrehabilitation wird sowohl von soziodemografischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit) als auch von Komorbiditäten, Behandlungen sowie Medikamentenverordnungen beeinflusst. Mögliche Gründe für die geringere Rehabilitationsinanspruchnahme durch ausländische Patienten könnten u.a. Informationsdefizite oder Sprachbarrieren sein. Die höhere Anzahl psychosomatischer Behandlungen könnte einer Chronifizierung der Rückenschmerzen entgegen wirken oder den Umgang mit der Erkrankung verbessern, dadurch würde sich die geringere Inanspruchnahme erklären. Auf der anderen Seite könnte sich die psychische Komorbidität negativ auf die Antragsstellung auswirken.
Die Ergebnisse von Rehabilitanden und Unterinanspruchnehmern sollten verglichen werden, um die Auswirkungen der Nicht-Inanspruchnahme zu erörtern.
Einschränkend ist zu beachten, dass subjektive Angaben z.B. Motivation nicht in den Routinedaten enthalten sind.
Die sektorenübergreifende Analyse liefert wertvolle Hinweise, welche Patientengruppen den Weg in die Rehabilitation finden.
Background: Hypnotics and sedatives, such as benzodiazepines, are still regularly prescribed in the hospital setting for patients with sleeping problems—in spite of well-known safety concerns, such as craving, withdrawal symptoms upon discontinuation and increased falls, especially in older and geriatric patients. While the prevalence of benzodiazepine use in hospitals is well studied and there are calls to reduce the use of benzodiazepines, there is a lack of evidence-based recommendations about how to reach this aim. We know only little about the reasons for benzodiazepine use from the prescriber perspective, especially in hospitals, with different professional groups being responsible for the patient. Underlying beliefs and values, as well as perceptions of innovation and an individual prescriber’s global risk-benefit ratio of drugs (the benefits outweigh the risks, the risks outweigh the benefits, benefits and risks are equal) influence prescribing.
Research questions: To reduce the use of benzodiazepines in hospitals, we wanted to know which benefits and risks doctors and nurses consider strongest. In addition, we wanted to know if certain benefits and risks are significantly related to the global risk-benefit ratio.
Methods: All doctors and nurses in a German hospital were asked about their global risk-benefit ratio, i.e. whether they think the risks of benzodiazepines outweigh their benefits or vice versa. We determined which individually-rated risks and benefits of benzodiazepines influenced the global risk-benefit ratio most, with adjusted odds ratios (ORs) and 95% confidence intervals (CI).
Results: Sixty-five doctors (56%) and 73 nurses (30%) participated. More than 60% reported strong benefits for ‘reduced fear or agitation’. Twenty (27%) nurses and 30 (48%) doctors perceived the risks of benzodiazepines to outweigh the benefits. Nearly 80% of doctors who rated ‘falls’ to happen often, perceived the risks of benzodiazepines to outweigh the benefits, compared to 34% of those who did not rate ‘falls’ to happen often (OR: 12.04; 95% CI: 1.72 to 84.54). ‘Craving’ was a similarly strong predictor. For nurses, ‘confusion’ and ‘increased sleep’ had the largest effect on the individual risk-benefit ratio (with ORs>12).
Conclusions: Doctors rated benzodiazepines as strong drugs—both in benefits, such as ‘reduced fear or agitation’, and risks, such as ‘craving’. Nurses estimated the benefits and risks of benzodiazepines to be somewhat weaker than doctors did. For many doctors, the risks of benzodiazepines outweighed the benefits if they rated ‘falls’ or ‘craving’ as a frequent risk; for nurses, it was ‘confusion’ and if they did not consider 'increased sleep’ a benefit.
Implications for practice: A strategy to increase patient safety by reducing benzodiazepine use in the hospital setting should take especially two factors into account: (1) Doctors and nurses perceive the reduction of fear or agitation to be the strongest benefit of benzodiazepines. If benzodiazepines are to be reduced, effective non-pharmacological alternatives to curb fear or agitation must in turn be made available and implemented in the hospital setting. (2) Educating personnel about the risks and benefits of benzodiazepines should focus upon the perception of ‘falls’ and ‘craving’ (in the case of doctors) or ‘confusion’ and ‘sleep’ (in the case of nurses) in order to have a strong impact on the global risk-benefit ratio. It will be important (and challenging) to tone down the benefit of increased sleep. A hospital policy may be helpful that informs patients that sleeping problems in stressful new environments are normal. Moreover, nurses should know that doctors and the hospital administration do not expect that every patient must sleep in the hospital like they do at home. Stressing other typical risks of benzodiazepines, such as ‘tolerance’ and ‘withdrawal’ would—according to our data—most likely be ineffective in altering benzodiazepine use, because doctors already know this and neither they nor nurses are influenced in their global risk-benefit ratio by this knowledge.
Ventavis is an effective therapy for patients with PAH, improving exercise capacity and symptoms. Ventavis nebuliser solution for inhalation is available as 10 µg/mL (V10) and 20 µg/mL (V20) formulations, administered using the I-Neb nebulizer. Some patients experience extended inhalation times using V10 and are at risk of incomplete inhalation and reduced inhalation frequency.
VENTASWITCH (NCT02826252) was a local, observational, case-crossover study of inhalation behaviour in 64 PAH patients enrolled in the German Ventavis patient support programme maintained on a 5 μg dose and switched from V10 to V20.
Primary outcomes were mean daily proportion of complete inhalations and inhalation frequency. Secondary outcomes were mean daily inhalation duration per session and safety. Data were collected using digital recording in the device and compared for
V10 (3 months retrospectively) and V20 formulations (3 months prospectively).
Using V20 there were significant increases in mean daily proportion of complete inhalations and inhalation frequency, and a significant decrease in mean daily inhalation duration per session (Table).
Switching PAH patients from the Ventavis V10 to V20 formulation resulted in significant improvements in all primary and secondary outcomes without increasing AEs, suggesting a positive impact on inhalation behaviour which may improve adherence to therapy.
Please add the table (refer to my Email) at this place. Thank you.
Hintergrund: Hormonale Kontrazeptiva sind seit den 1960er Jahren verfügbar und bestehen in der Regel aus einem Östrogen und einem Gestagen (= kombinierte hormonale Kontrazeptiva – combined hormonal contraceptives, CHC). Änderungen in der Zusammensetzung wurden mit dem Ziel vorgenommen, Nebenwirkungen, insbesondere kardiovaskuläre und thromboembolische Ereignisse (VTE) zu verringern. Da verschiedene Studien jedoch bei neueren Kombinationen (3./4. Generation) erhöhte Risiken zeigten, wurde auf Initiative der französischen Arzneimittelbehörde ein europäisches Risikobewertungsverfahren (Referralverfahren) eingeleitet. Hierbei wurde das erhöhte Risiko für die Gestagene der 3. Generation sowie für Drospirenon bestätigt, für Chlormadinon, Dienogest und Nomegestrol konnten aufgrund der vorliegenden Daten keine Aussagen getroffen werden. Die Hersteller der CHC der 3. und 4. Generation erhielten die Auflage, auf die Risiken in der Packungsbeilage hinzuweisen. Erwartet wurde ein Rückgang in der Verordnungshäufigkeit dieser Präparate. Inzwischen wird eine Einteilung in Risikoklassen vorgenommen. Die im Referral genannten CHC entfallen auf die Risikoklasse I (Norgestimat), III (Desogestrel, Gestoden, Drospirenon) und X (Nomegestrol, Chlormadinon, Dienogest). Risikoklasse III weist ein höheres VTE-Risiko als Klasse I auf. Für die Risikoklasse X liegt noch keine abschließende Bewertung zum VTE-Risiko vor.
Fragestellung: Führte das Referralverfahren und der darauf folgenden Umsetzungsbeschluss zu einer Änderung in der Verordnungsweise der CHC?
Material und Methode: Daten: bundesweite anonymisierte Versichertendaten der AOK (Actrapid®). (1,1 Millionen Frauen,. 10 bis unter 20 Jahre; Erstattung der Kontrazeptiva nur bis zum vollendeten 20. Lebensjahr).
Die Analyse erfolgt für die folgenden vier Phasen:
A 01.01.2011-31.12.2012: Interventionsfreie Phase
B 01.01.2013-31.12.2013: Referral-Phase
C 01.01.2014-31.12.2014: Umsetzung der Auflagen der Europäischen Arzneimittelbehörde
D 01.01.2015-31.10.2015: Nachbeobachtungsphase
Die Daten wurden mittels deskriptiver Statistik beschrieben. Für die Auswirkung der Interventionen wurden Zeitreihen mit auf ARIMA beruhenden Modellen untersucht und mögliche Einflussfaktoren durch logistische Regression bewertet. Für die statistische Analyse wurden NCSS 9 und R3.3.2 benutzt
Ergebnisse
Der Anteil der CHC- Empfängerinnen mit Risikoklasse I an allen CHC-Empf. nimmt von 2011 bis 2013 und danach nochmals ab 2014 deutlich zu (+11%), hingegen zeigt der Anteil derer mit Risikoklasse III an allen CHC-Empfängerinnen seit Beginn der Beobachtung einen kontinuierlichen Rückgang (–64%). Der Anteil der Empfängerinnen mit Risikoklasse X zeigt ebenfalls eine deutliche Zunahme (+54%). Die Analyse für den zeitlichen Trend weist für die Risikoklasse III im ersten Monat der Referral-Phase einen gegenüber dem Vormonat signifikanten Rückgang auf. Es konnte nachgewiesen werden, dass der schon bestehende Rückgang noch durch das Referralverfahren (hier als Einflussfaktor betrachtet) etwas verstärkt wird. Die zweite hier betrachtete Intervention (die Umsetzung der Auflagen in der Packungsbeilage) zeigte auf den Verbrauch keinen statistisch signifikanten Effekt. Für die Präparate der Risikoklasse X zeigt sich ein geringer, jedoch statistisch signifikanter Effekt des Referralverfahrens auf die Verbrauchsentwicklung – allerdings gegenteilig, d. h. durch das Referral stieg die Verordnung stärker als zuvor. Wie bei Risikoklasse III kann kein Effekt des Umsetzungsverfahrens gezeigt werden.
Diskussion
Die Fragestellung wurde in verschiedenen Ländern mit divergierenden Ergebnissen untersucht. Der vor Beginn des Referrals zu beobachtende Rückgang lässt sich mit der schon zuvor bestehenden Diskussion zur Sicherheit der CHC erklären. Vor diesem Hintergrund sind durch das Einleiten des Referrals wie auch durch die Umsetzung der Empfehlungen keine „schlagartigen“ Änderungen zu erwarten. Dennoch konnte gezeigt werden, dass bei Risikoklasse III (hier findet sich ein Teil der Wirkstoffe der 3. Generation) der schon bestehende Rückgang der Verordnung durch das Referral noch etwas verstärkt wurde. Umgekehrt wurde der schon vor dem Referralverfahren zu beobachtende Verordnungsanstieg der CHC der Risikoklasse X noch verstärkt, was nicht intendiert war. Dass ein eigener Effekt der zweiten Intervention (Umsetzung der Auflagen) statistisch nicht erbracht werden kann, ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass diese Intervention relativ schnell auf die erste folgte.
Praktische Implikationen: Mittels Routinedaten lassen sich Impactanalysen durchführen, jedoch sind nur indirekt Rückschlüsse auf einen Zusammenhang zwischen Anlass und Änderung der Verordnungsweise möglich, da andere Einflussfaktoren nicht erfasst werden können. Dennoch ist ein Monitoring der Verordnungsweise als Feedback auf ordnungspolitische Maßnahmen zu empfehlen.
Die Studie wurde vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukt gefördert (Förderkennzeichen V16770/68605/2016-2017)
Berufliche Pläne hessischer Absolventen der Ärztlichen Prüfung von 2009 bis 2016
Hintergrund
Bereits seit mehreren Jahren werden in Deutschland kontroverse Diskussionen um einen drohenden Ärztemangel durch Abwanderung und Nachwuchsmangel junger Mediziner geführt.
Fragestellung
In den Absolventenbefragungen der Jahre 2009-2016 untersuchten wir, welche Pläne die Medizinabsolventen nach Beendigung ihres Studiums tatsächlich haben und ob die Befürchtungen einer sinkenden Zahl an Jungmedizinern, die nach Abschluss des Studiums den ärztlichen Beruf ergreifen möchten, berechtigt sind. Ferner soll festgestellt werden, welche Tendenzen bezüglich einer Tätigkeit im ambulanten oder stationären Berufsfeld zu erwarten sind und ob unterschiedliche Eigenschaften in den jeweiligen Subgruppen festzustellen sind.
Methode
Als Erhebungsinstrument dient ein von uns entwickelter teilstandardisierter Fragebogen, der kontinuierlich weiterentwickelt wird. Die Zielgruppe der seit Herbst 2009 laufenden Befragungen sind alle Absolventen der ärztlichen Prüfung der drei medizinischen Fakultäten in Hessen. Zusammen mit ihren Examensergebnissen erhalten sie unseren Fragebogen und schicken diesen ausgefüllt zurück. Die Fragebögen werden eingescannt, die Daten mithilfe der Software Teleform eingelesen, geprüft und in Microsoft Excel übertragen. Mittels des Statistikprogrammes Sphinx werden Datenauswertung und -analyse durchgeführt. Bisher konnten 15 Befragungswellen durchgeführt werden. Aus dieser Längsschnittstudie können bislang Daten von 3.077 Absolventen der Ärztlichen Prüfung ausgewertet werden. Die sowohl retrospektiven als auch prospektiv gerichteten Fragestellungen des Fragebogens beziehen sich auf Motive und Pläne der Medizinabsolventen bezüglich Ihrer ärztlichen Berufstätigkeit.
Ergebnisse
Fast alle Absolventen der ärztlichen Prüfung in Hessen (98%) wollen im Anschluss an das Medizinstudium auch Arzt werden. Das beliebteste angestrebte Weiterbildungsgebiet ist die Innere Medizin (21%), gefolgt von den chirurgischen Fachgebieten (16%) und der Anästhesiologie (10%). Unmittelbar nach Abschluss des Studiums sehen die jungen Ärzte ihre berufliche Perspektive eher in der stationären Versorgung (40%) als im ambulanten Bereich (37%). Von denen, die eine ambulante Tätigkeit anstreben, wollen mehr fachärztlich (72%) als hausärztlich (28%) tätig werden. Eine Niederlassung im ambulanten Bereich können sich 74% und eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis 26% vorstellen. Unter den Absolventen, die eine stationäre Tätigkeit in Zukunft aufnehmen möchten, plant die Mehrheit (81%) Oberarzt zu werden, ein kleiner Teil strebt die Stellung Chefarzt an (12%) und der geringste Teil möchte Arzt ohne Leitungsfunktion werden (7%). Betrachtet man die Antworten bezüglich der beruflichen Vorstellungen untergruppenspezifisch, so lassen sich je nach beruflicher Präferenz Unterschiede bezüglich der Motive und Einstellungen zur beruflichen Tätigkeit sowie den soziodemografischen Hintergründen feststellen. Trends, die sich im Laufe der Jahre herauskristallisieren, lassen sich bisher nur punktuell vermuten.
Diskussion
Die heutige Arbeitsmarktsituation und Vielfalt von Arbeitsmodellen erlaubt den Absolventen neue Pläne und Prioritäten für ihre zukünftige Tätigkeit und deren Rahmenbedingungen zu setzen. Die Befürchtung, dass die Motivation für den Arztberuf nachlässt und deshalb eine hohe Zahl an jungen Ärzten das deutsche Gesundheitssystem verlassen will, wird durch unsere Ergebnisse nicht bestätigt. Allerdings verändern sich die Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf den ärztlichen Beruf.
Praktische Implikationen
Um auch in Zukunft die ärztliche Versorgung zu sichern, müssen eventuelle Veränderungen und spezifische Bedürfnisse erkannt werden. Diesen Veränderungen muss Rechnung getragen werden – nicht nur in den Krankenhäusern, sondern auch mit neuen Strukturen und verbesserten Möglichkeiten ärztlicher Weiterbildung und angestellter Berufsausübung in der ambulanten Versorgung.
Im Zeitraum von 2014 bis 2016 wurden in Deutschland 1.337.341 Asyl-Erstanträge gestellt. Seit 2017 sind diese Zahlen stark rückläufig. Das zugangsstärkste Herkunftsland war im betrachteten Zeitraum mit Abstand Syrien (464.239 Erstanträge), gefolgt von Afghanistan (167.509), Irak (131.245) und Albanien (76.523). Trotz der Relevanz für das öffentliche Gesundheitswesen gibt es bisher keine systematischen wissenschaftlichen Untersuchungen über den Gesundheitszustand und zur Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden in Deutschland. Zur Prävalenz psychischer Störungen bei Asylsuchenden und Flüchtlingen sind selbst international nur wenige Untersuchungen durchgeführt worden und die Prävalenzraten variieren erheblich, z.B. für Depression zwischen 3% und 80% und für Posttraumatische Belastungsstörungen zwischen 4,4% und 86% (Sieberer/Machleidt 2015).
Bei der medizinischen Versorgung liegt ein strukturelles Hauptproblem in den Limitationen des Asylbewerberleistungsgesetzes. So beschränkt sich die medizinische Versorgung von Asylsuchenden ausschließlich auf akute Erkrankungen, Schmerzzustände oder lebensbedrohliche Gesundheitsstörungen. Der Erhalt einer angemessenen psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung ist damit besonders schwierig. Aufgrund mangelnder bzw. fehlender Kostenübernahmen von Dolmetschern und Kulturmittlern kommen zusätzlich erschwerend Sprach- und Verständigungsprobleme hinzu.
Da Deutschland eines der bevorzugten Zielländer von Asylsuchenden und Flüchtlingen ist, sind sowohl Länder, Städte und Kommunen als auch das gesamte Gesundheitssystem mit dem Thema einer angemessenen Gesundheitsversorgung konfrontiert, selbst dann, wenn der Zustrom wie aktuell gegeben eher rückläufig ist. Eine besondere Herausforderung im Bereich der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung liegt in der kultursensiblen Arbeit und dem Einsatz von Dolmetschern sowie Sprach- bzw. Kulturmittlern. Hierbei leisten verschiedene Maßnahmen und Angebote von kultursensibler Arbeit und der Einsatz von Dolmetscherdiensten per Telefon wichtige Unterstützungsleistungen für die adäquate Versorgung. Im Beitrag soll zunächst die Frage beantwortet werden, welche Patientenstruktur Asylsuchende und Flüchtlinge in einer psychiatrischen Einrichtung aufweisen. Anschließend soll die Frage beantwortet werden, wie sich die Nachfrage nach telefonischen Dolmetscherdiensten entwickelt, wenn diese in einer psychiatrischen Einrichtung mit geringem Verwaltungsaufwand zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere die Frage nach der Anzahl der Gesprächszahlen und -einheiten, angeforderten Sprachen und Gesprächszahlen nach Sprachen soll detailliert erläutert werden.
Im ersten Teil der Untersuchung wird unter Verwendung von administrativen Daten zunächst ein Überblick über die absolute Gesamtzahl und den relativen Anteil der Gruppe an der Gesamtpatientenzahl gegeben. Weiterhin werden Informationen zur Herkunft, dem Geschlecht, Alter und der durchschnittlichen Verweildauer aufbereitet. Im nächsten Schritt werden die Hauptdiagnosen im Bereich der psychiatrischen Erkrankungen analysiert. Ein Hauptaugenmerk liegt hier auf den Posttraumatischen Belastungsstörungen. Im zweiten Teil des Beitrags steht der Einsatz eines telefonischen Dolmetscherdienstes im Mittelpunkt. Es werden Daten zur Anzahl der Gespräche und Gesprächseinheiten, angeforderten Sprachen und Gesprächszahlen nach Sprachen aufbereitet.
Im Rahmen der Analyse wird deutlich, dass die Gruppe der Asylsuchenden und Flüchtlinge überaus heterogen ist. Ähnlich der steigenden Zahl von Erstanträgen ist auch in den psychiatrischen Einrichtungen eine absolute Zunahme der Gruppe zu verzeichnen (2015: 1.178 und 2016: 1.438 Aufnahmen von Erwachsenen nach AsylbLG). Ihr Anteil an der Gesamtpatientenzahl ist ebenfalls gestiegen (2015: 1,3%, 2016: 1,6%). Die Analyse der Herkunftsländer ist nur zum Teil deckungsgleich mit den Antragszahlen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (am weitaus häufigsten werden Patienten aus Afghanistan versorgt). Der Männeranteil unter den Patienten überwiegt signifikant, das Durchschnittsalter der behandelten Männer und Frauen ist ähnlich, die Patienten sind allerdings eher jünger. Die Verweildauer ist im Vergleich zur durchschnittlichen Verweildauer in psychiatrischen Einrichtungen eher niedrig. Die Hauptdiagnosen finden sich überwiegend im Bereich der Suchterkrankungen, psychotischen und affektiven Störungen sowie im Bereich von Belastungsstörungen. Der Anteil der Posttraumatischen Belastungsstörungen ist vergleichsweise gering. Die Nachfrage nach Dolmetscherdiensten ist hoch, die mit Abstand am häufigsten nachgefragte Sprache ist Farsi/Dari (49,5% der Gesprächseinheiten).
Die Ergebnisse liefern eine fundierte Grundlage für die Debatte um eine angemessene psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Deutschland. Zum Abbau von Sprachbarrieren sind Dolmetscherdienste ein wichtiges Instrument.
Hintergrund:
2015 wurden in Deutschland 17,1 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund (MH) gezählt. Zusätzlich suchten in den letzten beiden Jahren mehr als eine Million Menschen Zuflucht in Deutschland. Neben der Akutversorgung stellt auch die Zunahme der chronischen Erkrankungen in der Gesamtbevölkerung und entsprechend auch in der Gruppe der Migranten eine Herausforderung für das deutsche Gesundheitssystem dar. Es ist absehbar, dass der Bedarf an kulturübergreifenden Kompetenzen bei der medizinischen Versorgung wächst.
In der ambulanten Versorgung sind Medizinische Fachangestellte (MFA) eine wichtige Berufsgruppe. Ob und wie Fachkräfte mit MH spezifische Potentiale in den Berufsalltag einbringen, wurde in Deutschland bislang kaum untersucht. Die wenigen Studienergebnisse zeigten, dass MFA mit MH Sprachbarrieren und kulturellen Hindernissen ausländischer Patienten unter anderem durch muttersprachliche Kompetenz kulturintegrierend begegnen können. Dies ist nicht auf Patienten aus dem gleichen Kulturkreis der MFA begrenzt, sondern bezieht sich auf ausländische Patienten im Allgemeinen. Bevor über eine spezifische Stärkung dieser Potentiale nachgedacht werden kann, muss zunächst identifiziert werden, wie hoch der Anteil an MFA mit MH ist und aus welchen Kulturkreisen diese kommen.
Fragestellung: Wie hoch ist der Anteil an Auszubildenden zur Medizinischen Fachangestellten mit Migrationshintergrund in den Ausbildungskohorten an 20 Berufsschulen in Hessen und aus welchen Kulturkreisen kommen diese Auszubildenden?
Methode: In einer quantitativen Querschnittstudie wurden 2011 an 20 (83%) der 24 Berufsschulen in Hessen alle Auszubildenden zum Beruf der Medizinischen Fachangestellten mit einem Fragebogen befragt. Die Befragung fand in den Berufsschulen statt, den Auszubildenden wurde während der Unterrichtseinheiten Zeit für das Ausfüllen der Fragebogen zur Verfügung gestellt.
Zum Einsatz kam ein selbst entwickelter Fragebogen, in dem neben der Erhebung von soziodemographischen Daten (u. a. der Migrationsstatus und Religionszugehörigkeit), die Motivation zur Ausbildung zur MFA, sowie die Zufriedenheit mit der Berufswahl im Fokus stand.
Die Auswertung der Daten erfolgte deskriptiv unter Angabe von prozentualen Anteilen, Mittelwerten und Standardabweichungen.
Ergebnisse: Von 931 MFA lagen Datensätze vor; der Rücklauf betrug je nach Klasse 81% bis 92%. 89 % (n=826) der MFA hatten die deutsche Staatsangehörigkeit, in Deutschland geboren waren 84 % (n=781). Insgesamt hatten 38 % (n=350) einen Migrationshintergrund. Am häufigsten bestand ein türkischer MH bei 21 % (n=74). Es folgte die Herkunft aus Kasachstan mit 18 % (n=62) und Russland (11 %; n=37) vor Polen mit 7 % (n=23), Italien mit 5 % (n=18) und Marokko mit 3 % (n=11).
Von den 350 MFA mit Migrationshintergrund gehörten 34 % (n=116) der muslimischen Glaubensgemeinschaft an, je ca. ein Viertel waren evangelisch oder katholisch. Einer orthodoxen Religionsgemeinschaft gehörten 8 % (n=26) der MFA an.
30 % (n=282) der MFA gaben an, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache sei. Davon schätzten 80% (n=213) ihre muttersprachlichen Kenntnisse und 88 % (n=239) ihre deutschsprachlichen Kenntnisse als sehr gut bis gut ein.
In städtischen Praxen war der Anteil der MFA mit Migrationshintergrund mit 61 % (n=210) besonders hoch.
Diskussion:
In den drei Ausbildungsjahrgängen der 20 hessischen Berufsschulen zeigte sich, dass vier von zehn Auszubildende einen Migrationshintergrund hatten, d. h. in einem Praxisteam mit fünf MFA hatten statistisch gesehen zwei MFA einen MH. Man kann also davon ausgehen, dass es in vielen Praxen eine MFA mit MH gibt. Etwa ein Drittel der MFA mit MH kam aus einer muslimischen Glaubensgemeinschaft. Geht man davon aus, dass diesen MFA die kulturellen Gepflogenheiten aus beiden Kulturkreisen bekannt sind und sie sich sowohl in ihrer Muttersprache als auch der deutschen Sprache sehr gut zurechtfinden, können sie einen wichtigen Beitrag bei der Vermittlung von kulturspezifischen Werten und Herausforderungen leisten.
Mit einem hohen Anteil an MFA in städtischen Praxen liegt das Ergebnis noch über der Verteilung von Personen mit MH in der städtischen Gesamtbevölkerung in Frankfurt am Main (Anteil an Personen mit MH bei 43%).
Praktische Implikation:
Angesichts eines absehbaren Versorgungsbedarfes erscheint es empfehlenswert, die kulturintegrierenden Kompetenzen der MFA mit MH als mögliche Ressource zu fördern. Kulturvermittelnde Tätigkeiten werden bisher im Alltag genützt, ohne dass diese Potentiale Beachtung finden und ohne dass die MFA, die sich für kulturvermittelnde Tätigkeiten interessieren, (etwa in der Berufsschule) entsprechend qualifiziert werden. Bisher kann man davon ausgehen, dass ein MH vermutlich ad hoc in der Praxis adressiert wird, ohne dass die MFA entsprechende Unterstützung und Beachtung erfährt.
Hintergrund: Der von der OECD verfolgte „Ageing in Place“-Ansatz stellt eine Lösungsstrategie zum Umgang mit den Herausforderungen des demografischen Wandels sowie des Fachkräftemangels dar. Ein Schlüssel zur Umsetzung dieses Ansatzes ist die adäquate Qualifizierung von Ärzte und Pflegefachkräften. Durch flächendeckende Bildungs- und Weiterbildungsangebote könnten die professionellen Akteure in die Lage versetzt werden, der zunehmenden Versorgung multimorbider, älterer chronisch- und demenziell erkrankter Menschen zu begegnen. Das Erlernen des Umgangs und der Möglichkeiten zur sinnvollen Integration technologiebasierter Assistenzsysteme bilden dazu das Fundament.
Fragestellungen: Mit welchen technologiebasierten und robotischen Assistenzsystemen sind Ärzte und Pflegefachkräfte vertraut? Welche Barrieren und Potentiale sind in Hinblick der praktischen Umsetzbarkeit zu identifizieren und welche Akzeptanz lässt sich bei Ärzten und Pflegefachkräften bzgl. neuer, medial-unterstützter didaktischer Konzepte, wie z.B. die Integration von Virtual Realitiy und e- bzw. blended learning Lernformen, im Bereich der Weiterbildungen eruieren?
Methode: Auf der Grundlage einer systematischen Literaturanalyse sind dazu in einem ersten Schritt Ansprechpartner in der professionellen Versorgung (u.a. Hausärzte und Pflegeheime) in Sachsen-Anhalt eingeladen worden, die mithilfe von qualitativen, leitfadenstrukturierten Fokusgruppen befragt werden. Die Auswertung der Erhebung erfolgt nach qualitativen und inhaltsanalytischen Gesichtspunkten (Flick, 2010).
Ergebnisse: Die ersten Ergebnisse der Literaturanalyse und der Vorerhebungen geben Hinweise auf allgemein hohe Technikaffinität von Ärzten und Pflegefachkräften. Im Versorgungssetting werden bekannte – im Heilmittelkatalog verzeichnete – technische Unterstützungen aktiv eingesetzt (u.a. Diagnostik und Medizinprodukte). Neuartige technische Unterstützungsmöglichkeiten, z.B. im Bereich Sicherheit, Haustechnik, Mobilität und der vernetzten Kommunikation – im Sinne einer interprofessionellen Versorgung – sind hingegen in der Wahrnehmung der Ärzte und Pflegefachkräften unterrepräsentiert und spielen sowohl im Versorgungskontext als auch in der didaktischen Gestaltung von Bildungsangeboten eine untergeordnete Rolle. Der Bedarf an einer breiteren Teilhabe an Informationen und entsprechenden Anwendungsmöglichkeiten in den Versorgungsalltag wird dabei von Ärzten und Pflegefachkräften expliziert kommuniziert.
Diskussion: Es sind Standards zur Integration von Pflegeassistenztechnik in multimodalen Bildungsangeboten Ärzte und Pflegefachkräfte– die auf interprofessionellem und kompetenzorientiertem Fundament fußen– zu entwickeln und vernetzend im System zu implementieren. Dazu ist das Potential universitärer und hochschulischer Einbettung stärker hervorzuheben und gezielter zwischen allen beteiligten Akteuren (Bildungsträger, Pflegeinstitutionen etc.) zu kommunizieren. Durch die forschungsbasierte Entwicklung von Bildungsangeboten und deren fortlaufende Evaluation können dazu Ableitungen für die Bundesrepublik erzielt werden.
Praktische Implikation: Zentrale Zielsetzung des gesamten Forschungsprozesses stellt die praktische Anschlussfähigkeit dar. Aus diesem Grund fließen die aus den Gatekeeper- und Fokusgruppenbefragungen eruierten alltäglichen Bedarfe und Bedürfnisse der Ärzte und Pflegefachkräfte unmittelbar in die Konzeption von interprofessionellen Bildungsangeboten ein. Diese Weiterbildungsangebote werden langfristig in die sich im Aufbau befindliche Weiterbildungsakademie „Halle School of Health“ (HSHC) mit universitärer Anbindung verstetigt. Zusätzlich zu dem Zugang für Akteure im Versorgungsprozess werden somit anschließende edukative Interventionsforschungen ermöglicht.
Hintergrund
Das deutsche Gesundheitswesen ist ebenso wie das gesamte Sozialsystem sektoral aufgebaut. Integrative Komponenten innerhalb und zwischen den Systemen sind selten, für eine patienten- bzw. bürgerzentrierte Versorgung jedoch unverzichtbar. Gleichwohl fehlen erprobte Strukturen und Instrumente, die diesem Anspruch gerecht werden. Dies gilt insbesondere für die intersektorale Kommunikation und aufgabenorientierte Kooperation im Umfeld eines integrativen, soziale und gesundheitliche Komponenten berücksichtigenden Sozialraummanagements.
Fragestellung
Im Mittelpunkt des EU- und landesministeriell geförderten empirischen Projektes standen
die Konzeptionierung und Entwicklung eines webbasierten, handlungs- und klientenbezogenen Unterstützungssystems für ein integratives, wohnortnahes Sozial- und Gesundheitsmanagement.
dessen konkrete Erprobung in der praktischen Anwendung.
Methode
Entwicklung und Erprobung des GesundheitsManagementSystems [GMS] folgten als komplexe Intervention den Empfehlungen des Medical Research Council und gliederten sich in fünf Schritte: Literaturrecherche und Marktanalyse, Erstellung Konzept und Pflichtenheft, Konsentierung in Fokusgruppen, Festlegung Prototyp sowie Erprobung, Justierung und Implementierung.
Bei der empirischen Arbeit standen die Kriterien Akzeptanz und Machbarkeit im Mittelpunkt. Die deskriptive Bewertung bediente sich qualitativer Methodik. Die Anwenderzufriedenheit wurde fragebogengestützt jeweils 2 Wochen nach dem Anwendungsstart sowie nach dem dritten Update per Fragebogen erfasst.
Ergebnisse
Die digitale Durchdringung des deutschen Gesundheitswesens ist fortgeschritten, deren Ausrichtung in der Regel jedoch monosektoral sowie leistungs- bzw. abrechnungsbezogen. Die hieraus inhaltlich und technisch resultierenden Anforderungen an das zu entwickelnde IT-Systems bestanden darin, die Funktionsbreite einer integrativen Schaltstelle abzubilden, die dort tätigen Case Manager in ihrer klientenzentrierten Arbeit zu unterstützen und eine auf den Gesamtprozess bezogene Qualitätssicherung zu gewährleisten. Hierzu konnte auf ein CaseManagementSystem [CMS] für ein indikationsbezogenes Versorgungsmanagement zurückgegriffen und dessen medizingewichtete Grundstruktur modular erweitert werden. Die Ergänzungen betrafen die flexible Einbindbarkeit bedarfsabhängiger Kooperationsebenen in der Klientenbetreuung, die Vorhaltung quartiers- und netzwerkrelevanter Portalebenen sowie die Konnektion zu sozialen Medien. Das entsprechende Pflichtenheft wurde um die Aspekte Datenhoheit, Datenschutz, Clientmodalität und alternative Datenaustauschmodus sowie Rollen/Rechte-Systematik ergänzt.
Zur Prüfung der grundsätzlichen Machbarkeit und Akzeptanz wurden im Pilotkonzept zunächst nur die Bereiche Klinik (Überleitungsprozess stationär/ ambulant), Hausärzte (Beauftragung Case Management), ambulante Pflege (Pflegedokumentation) sowie Pflege- und Sozialberatung (Beratungsdokumentation) berücksichtigt. Dabei wurde so weit möglich auf vorhandene Routinen zurückgegriffen, diese zielorientiert ergänzt und durch ein obligates feedback vervollständigt. Das entsprechende Erstkonzept wurde in insgesamt fünf multidisziplinär besetzte Fokusgruppen vorgestellt, erörtert, angepasst und konsentiert.
Der Praxistest erfolgte über insgesamt 15 Monate. In die Erprobung und Weiterentwicklung eingebunden waren die Case Manager zweier integrativer Quartierszentralen, ein klinischer Sozialdienst, ein Ärztenetz, ambulante Pflegedienste, Sozialberatungen und zwei Ehrenamtler*innen. Neben technischen Anpassungen wurden v.a. deren Anregungen in insgesamt 3 Updates umgesetzt. Im Erprobungszeitraum wurden im GMSTM 1.303 Klientenkontakte dokumentiert, davon ein Drittel mit komplexem Unterstützungsbedarf (Vermittlung, Koordination, Fallmanagement). Nach dem 3. Update waren 90% (18/20) der Nutzer mit Funktionalität und Handling der GMS zufrieden.
Diskussion
Software ist nicht die Lösung. Sie kann jedoch eine unverzichtbare Hilfe dabei sein, überfällige strukturelle Anpassungen der Sozialarchitektur in die Praxis zu übersetzen und diese machbar zu gestalten. Dies gilt in besonderem Maße für den präventiven und kurativen Bereich der gesundheitlich-sozialen Versorgung, in deren sektoralen Sichten und Routinen das Gesamtwohl des Klienten/Patienten nicht selten verschwindet. Bei einem bürger- und quartiersnahen Koordinationsansatz arbeitsteiliger Versorgungsfunktionen ermöglicht die GMS nachweislich eine übergeordnete, disziplinübergreifende sowie klienten- und zielorientierte Steuerung. Gleichzeitig stellt die GMS erstmals auch eine belastbare Grundlage für ein den gesamten Versorgungskontext erfassendes Qualitätsmanagement.
Praktische Implikationen
Integratives, gesundheitliche und soziale Aspekte verbindendes Sozialraummanagement ist nach aktuellen Erfahrungen sinnvoll und mit konzeptionell angepasster IT-Unterstützung auch logistisch machbar. Man muss es nur wollen…
HINTERGRUND
Im Forschungsprojekt MeSiB wird ein umfassendes
Sicherheits- und Schutzkonzept für Pflegebedürftige, infor-
mell Pflegende und professionell Pflegende (Fachpflege) in
der Heimbeatmung entwickelt. Mit Hilfe des Sensorsystems werden
kritische Situationen antizipiert und frühzeitig Hinweise an
die Pflegenden oder die Hausnotrufzentrale übermittelt.
Das System umfasst die angeschlossenen Medizingeräte, Haustechnik
sowie die ambiente Raumsensorik. Zur
Bewertung der Situation wird neben ambienter Raumsenso-
rik der Status des Beatmungsgeräts genutzt, da Fehler beim
Beatmungsgerät zum Tod des Patienten führen können [1].
Viele Beatmungsgeräte verfügen jedoch über keine oder nicht
einheitliche Schnittstellen über die zudem unterschiedliche
Informationen verfügbar sind [2] [3] [4]. Alternativ kann der
Zustand der Beatmungsgeräte durch zentral verbaute Strom-
zähler erkannt werden. Dadurch werden Informationen ohne
Veränderung der Geräte erfasst und es sind keine zusätzlichen
Geräte im Wohnbereich notwendig, die versehentlich entfernt
werden könnten.
FRAGESTELLUNG
Es wird evaluiert,ob und wie der Status von Beatmungsgeräten
im Stromsignal erkannt werden kann und ob Schaltsignale
des Beatmungsgeräts von anderen Geräten im Haushalt unterscheidbar sind.
Zusätzlich wird geprüft ob klassische Verfahren der Geräteerkennung,
die überwiegend ereignisbasiert
(Identifikation der Geräte im Schaltmoment) sind [5], zur
Erkennung von Beatmungsgeräten genügen.
METHODE
Im Living Lab IdeAAL-Raum [6], eine 48 m²
große Testwohnung für AAL Technologien, wird ein Beatmungsgerät
betrieben. Dessen Stromsignal wird über einen Stromzähler
aufgezeichnet. Das Beatmungsgerät wird zunächst separat
betrieben und anschließend in Kombination mit anderen Verbrauchern geschaltet.
Die Daten werden qualitativ, durch Betrachtung der resultierenden Stromsignale, analysiert.
ERGEBNISSE
Der erste Test zeigt, dass der Stromverbrauch in einer Beatmungsphase
stetig steigt und am Ende aprubt abfällt. Außerdem ist der
Ein- und Auschaltvorgang des Geräts deutlich zu erkennen.
Im zweiten Test wird Stromverbrauch des Beatmungsgeräts
in Überlagerung mit zwei weiteren Geräten (Toaster und
Staubsauger) gemessen. In der ersten Phase sind alle
Geräte eingeschaltet. Der charakteristische Anstieg der Amplitude
des Stromsignals ist trotz der Überlagerung weiterhin meßbar. Anschließend
wird das Beatmungsgerät aus- und wieder
eingeschaltet. Das Schaltverhalten ist weiterhin deutlich zu erkennen.
Der Abfall der Amplitude am Ende einer Beatmungsphase ist auch in der Überlagerung
mit weiteren Geräten sichtbar.
DISKUSSION
Die Zustandserkennung des Beatmungsgeräts durch einen
zentralen Stromsensor ist möglich. Insbesondere die steigende
Amplitude in den Beatmungsphasen, deren Dauer und der
abrupte Abfall der Amplitude sind identifizierende Merkmale.
Die Schaltsignale des Beatmungsgeräts sind ebenfalls erkennbar.
Eine rein ereignisbasierte Geräteerkennung würde die prägendste
Charakteristik des Beatmungsgeräts, das Ansteigen der
Amplitude in den Beatmungsphasen, nicht berücksichtigen.
Daher ist eine kontinuierliche Überwachung des Stromsignals
notwendig. Dazu muss sowohl die Extraktion von Informationen
aus dem Stromsignal als auch die Verarbeitung dieser
Informationen angepasst werden. Außerdem sind Zeitfenster
für die Zustandserkennung zu definieren, wobei der Sicherheitsaspekt,
dass Notfälle möglichst frühzeitig an die
Hausnotrufzentrale gemeldet werden müssen, mit den technischen
Anforderungen zu vereinbaren ist.
PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN
Im Forschungsprojekt MeSiB, mit einer Laufzeit von 3
Jahren (bis Februar 2020), sollen Algorithmen der Geräteerkennung
in zentralen Stromzählern für die kontinuierliche
Überwachung von Beatmungsgeräten realisiert werden. Diese
Arbeit bietet eine Grundlage für die weitere Entwicklung.
DANKSAGUNG
Diese Arbeit wurde vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung und vom GKV Spitzenverband im Rahmen
der Forschungsprojekte MeSiB (Fördernr: 16SV7723) und
QuoVadis finanziert.
LITERATUR
[1] CIRS medical: Ein reanimationspflichtiger Patient wird akzidentell nicht
beatmet, weil das Beatmungsgerät unbemerkt wieder in den Standby-
Modus schaltet, Fallnr. 152526 (Zugriff 23.03.2017)
[2] ResMed: Stellar 150, Gebrauchsanweisung, 248542/1, 2011-09
[3] Hamilton Medical : HAMILTON-C1, Technische Daten, 689344.05, 2016
[4] TNI medical: TNI soft Flow 50 Homecare-System, Gebrauchsanweisung,
30221000, 03.11.2015
[5] Zoha, A. et al.: Non-Intrusive Load Monitoring Approaches for Disag-
gregated Energy Sensing: A Survey, Sensors 2012, Seite. 12, ISSN 1424-
8220
[6] Kroeger, T. et al.: IDEAAL - Der Mensch im Mittelpunkt. Ambient
Assisted Living-AAL, 2011.
Hintergrund
Die Inanspruchnahme von Notaufnahmen, insbesondere durch Patienten mit niedriger Dringlichkeit, steigt stetig und Versorgungskonzepte müssen diesem Trend angepasst werden. Aktuelle Gutachten fordern, Patienten mit niedriger Dringlichkeit in den Notaufnahmen zu identifizieren und an alternative Versorgungsstrukturen im ambulanten, niedergelassenen Bereich zu verweisen. Bisher fehlen geeignete Konzepte zur Identifikation solcher Patienten. Die im Rahmen der Notfallversorgung erfolgende Ersteinschätzung der Dringlichkeit des Behandlungsbedarfes erfolgt anhand verschiedener Triagesysteme und wäre ein mögliches Instrument zur Identifikation von Patienten, welche an alternative Versorgungsstrukturen verwiesen werden könnten.
Fragestellung
Welche Diagnosen haben Notaufnahmepatienten mit niedriger Behandlungsdringlichkeit nach Manchester Triage System (MTS)? Wie ist der Krankenhausverlauf und die 1-Jahres Mortalität dieser Patienten?
Methode
Es wurden Daten von 1.152 konsentierten, volljährigen Patienten ausgewertet, welche sich zwischen Dezember 2010 und November 2011 in der internistischen Notaufnahme eines Universitätsklinikums vorstellten. Sekundärdaten der Patienten wurden automatisiert aus dem Krankenhausinformationssystem extrahiert und enthielten Informationen zu Patientencharakteristika, Aufnahme, Ersteinschätzung, Vitalparameter und Diagnosen in der Notaufnahme sowie zum weiteren klinischen Verlauf bei stationärer Aufnahme. Die 1-Jahres Mortalität wurde durch die Abfrage des Einwohnermelderegisters erfasst. Die vorliegende deskriptive Auswertung der Daten erfolgte mit SPSS Version 23 (IBM). Eine niedrige Dringlichkeit wurde als Manchester Triage Kategorie grün und blau definiert. Diese impliziert maximale Wartezeit bis zum Erstkontakt mit einem Arzt von 90 bzw. 120 Minuten. Diagnosen wurden als 3-Stellige ICD-10 Codes ausgewertet.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 1.152 Patienten analysiert, davon waren 52,1% männlichen Geschlechts (n=600) und 47,9% weiblichen Geschlechts (n=552). Das mediane Alter der Patienten war 59 Jahre (IQR: 43-71 Jahre). Die 1-Jahresmortalität betrug 9,8% (n=102) bei fehlenden Angaben zu 9,3% der Patienten (n=107). Von allen Patienten mit Ersteinschätzung anhand MTS (n=1.122) erhielten 30,4% (n=341) eine grüne Dringlichkeitsstufe und 1,5% (n=17) eine blaue Dringlichkeitsstufe. Von diesen Patienten waren 52,0% (n=186) weiblichen und dementsprechend 48,0% (n=172) männlichen Geschlechts. Das mediane Alter betrug 56 Jahre (IQR: 35-71 Jahre). Klinische Daten der Patienten sind in Tabelle 1 dargestellt. Die 1-Jahresmortalität betrug 7,9% (n=26).
Diskussion
Anhand erster Notaufnahmedaten konnte gezeigt werden, dass Patienten mit niedrigerer Dringlichkeit nach MTS jünger und häufiger weiblichen Geschlechts sind. Weiterhing zeigte sich ein hoher Anteil von Notaufnahmepatienten mit gastrointestinalen Beschwerden. Der Anteil von Patienten mit niedriger Dringlichkeit, welche stationär aufgenommen wurden war unerwartet hoch. Die häufigsten 5 Diagnosen dieser stationären Patienten waren jedoch schwerwiegende und akut behandlungsbedürftige Krankheitsbilder, welche im niedergelassenen Sektor nicht adäquat versorgt werden können. Die hohe 1-Jahresmortalität von 7,9% könnte als ein weiterer Indikator dafür gewertet werden, dass es sich um teilweise schwerwiegend erkrankte Patienten handelt. Zukünftige Projekte sollten Sekundärdaten aus Notaufnahmen in größerem Umfang nutzen um vergleichbare Analysen an einer größeren Patientenzahl durchführen zu können.
Praktische Implikationen
Der hohe Anteil stationärer Aufnahmen mit überwiegend schwerwiegenden Diagnosen unter Patienten mit niedriger Behandlungsdringlichkeit nach MTS, sowie eine relevante 1-Jahresmortalität zeigen, dass die klinische Ersteinschätzung von Notaufnahmepatienten nicht geeignet ist um Patienten mit ambulantem Behandlungsbedarf zu identifizieren und diese ggf. an alternative Versorgungsstrukturen weiterzuleiten.
Krankenhausverlauf aller Patienten mit niedriger Dringlichkeit (n=358)
Stationäre Aufnahme 29,6% (106)
Behandlung auf Intensivstation 2,8% (10)
Krankenhausmortalität 0,8% (3)
Top 5 Diagnosen Notaufnahme (n=358)
Gastroenteritis/Kolitis (A09) 7,0% (25)
Schwindel und Taumel (R42) 3,1% (11)
Primäre Hypertonie (I10) 3,1% (11)
Angina Pectoris (I20) 2,8% (10)
Gastroenteritis/Duodenitis (K29) 2,2% (8)
Top 5 Diagnosen stationärer Patienten (n=106)
Angina Pectoris (I20) 2,8% (10)
Akuter Myokardinfarkt (I21) 2,0% (7)
Herzinsuffizienz (I50) 1,4% (5)
Schlaganfall (I63) 1,4% (5)
Akutes Nierenversagen (N17) 1,1% (4)
Tabelle 1: Krankenhausverlauf und Diagnosen von Patienten mit niedriger
Dringlichkeit nach MTS.
Der Zugang für dementiell erkrankte Menschen mit türkischem Migrationshintergrund zum Gesundheitssystem ist durch verschiedene Barrieren wie beispielsweise mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache, Unwissenheit über vorhandene Gesundheitsleistungen und bürokratische Hindernisse, insbesondere bei Inanspruchnahme von Pflegeleistungen erschwert. Hausärztinnen und Hausärzte spielen eine wichtige Rolle in der Versorgung von Demenzkranken. Sofern die Möglichkeit besteht suchen Menschen mit Migrationshintergrund Ärztinnen und Ärzte mit gleicher Herkunft auf, da diese Sprache, Denkweisen, Lebensumstände und die Kultur verstehen.
Die vorliegende Bachelorarbeit geht der Frage nach, wie Hausärztinnen und Hausärzte mit türkischem Migrationshintergrund ihre Bedeutung in der Versorgung von dementiell erkrankten Menschen mit Migrationshintergrund einschätzen. Zur Bearbeitung dieser Forschungsfrage wurde ein qualitatives Forschungsdesign gewählt und drei leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt.
Ein wichtiges Ergebnis dieser empirischen Arbeit ist, dass die befragten Hausärzte mit türkischem Migrationshintergrund neben der hausärztlichen Tätigkeit die Unterstützung der fokussierten Gruppe bei Anträgen und dem Ausfüllen von Formularen ihrem Zuständigkeitsbereich zuordnen und sich als Experten in der Versorgung von Migrantinnen wahrgenommen fühlen. Somit könnte eine Erklärung für die Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs sein, dass die befragten Hausärzte um die schwierige Versorgungssituation und die Barrieren zu gesundheitlicher Versorgung wissen und deshalb besondere Verantwortung übernehmen.
Ärztinnen und Ärzte mit Migrationshintergrund stellen mit ihrem Expertenwissen in der Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund eine wichtige Ressource für eine qualitativ hochwertige Behandlung von Menschen mit Migrationshintergrund dar.
Hintergrund
In Deutschland leben zahlreiche Menschen ohne Krankenversicherung. Dies betrifft in einem überproportionalen Maße Migrantinnen und Migranten. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung dieser Menschen ist eingeschränkt. Eine Medizinische Grundversorgung für diese Bevölkerungsgruppe wird regional häufig durch zivilgesellschaftliche Organisationen sichergestellt. Diese Parallelstrukturen haben sich zu einem festen, wenn auch informellen Bestandteil des Sozial- und Gesundheitssystems entwickelt. Versorgungsbezogene Informationen zu medizinischen Beratungsanlässen, zur Inanspruchnahme und zum Versorgungsbedarf sowie zu Art und Ausmaß der Zugangsbarrieren zum formellen System bleiben aufgrund des informellen Charakters des Parallelsystems weitestgehend verborgen. Die verfügbaren Berichte sind meist organisations- oder regionsbezogen und die berichteten Daten sind kaum vergleichbar. Das Vorhaben MONITORaccess hat zum Ziel, ein Monitoring und eine organisations- und regionsübergreifenden Berichterstattung der gesundheitlichen Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherungsschutz im Parallelsystem zu entwickeln und zu implementieren. Das Projekt ist gefördert im Rahmen der Nachwuchsakademie Versorgungsforschung des Landes Baden-Württemberg.
Fragestellung
Welche sozialen und organisationsbezogenen Herausforderungen bestehen hinsichtlich einer Implementierung eines Monitoring-Systems und welche Lösungen sind umsetzbar?
Methode
Ausgehend von einem partizipativen Mixed-Method Studiendesign wurde eine qualitative Anforderungsanalyse durchgeführt und gemeinsam mit vier zivilgesellschaftlichen Organisationen ein Konzept für ein organisationsübergreifendes Monitoring entwickelt. Die Datenerhebung erfolgte durch teilnehmenden Beobachtungen und Experteninterviews. Die Daten wurden mit Blick auf organisationsbezogene Herausforderungen und Ressourcen qualitativ inhaltsanalytisch und hermeneutisch ausgewertet, an die Organisationen zurückgespiegelt und gemeinsam diskutiert. Auf dieser Grundlage erfolgten eine gemeinsame Zieldefinition und die Konsentierung eines Indikatorensatzes. Hauptzielkriterien des Monitoring sind der Beratungsanlass, klassifiziert nach der International Classification of Primary Care (ICPC), und die selbstberichteten Zugangsbarrieren zur Gesundheitsversorgung, in Anlehnung an die Items der European Union Statistics on Income and Living Conditions (EU-SILC).
Ergebnisse
Die Versorgungsorganisationen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Organisationszweckes und der Organisationskultur. Damit gehen unterschiedliche Implementierungsbedingungen eines organisationsübergreifenden Monitoring einher, die entlang folgender Dimensionen kategorisiert werden: 1) Erwartungen und Ziele, 2) Organisationsroutinen, 3) Dokumentation und Ressourcen zur strukturierten Zusammenführung der Daten, 4) Partizipation und Datennutzung. Trotz einiger Barrieren stellen die Netzwerkbildung und der gemeinsame Infrastrukturaufbau wichtige Vorteile aus Sicht der beteiligten Organisationen dar. Eine förderliche Perspektive ist auch der mögliche Beitrag zur Gestaltung regionaler und nationaler Versorgungsplanung und Gesundheitspolitik durch eine gemeinsame Statistik. Der Indikatorensatz, der unter Berücksichtigung dieser Erwartungen und Anforderungen partizipativ konsentiert wurde, umfasst soziodemografische sowie gesundheits- und versorgungsbezogene Daten. Zur Datenerhebung für das Monitoring wurden ein standardisierter Dokumentationsbogen für Versorgende und ein Patientenfragebogen entwickelt. Der Patientenfragebogen wurde in unterschiedliche Sprachen übersetzt.
Diskussion
Im Rahmen dieser Studie wurde ein inhaltliches Konzept eines Monitoring partizipativ mit zivilgesellschaftlichen Organisationen entwickelt. Die partizipative Entwicklung ist dabei eine notwendige, wenngleich keine hinreichende Bedingung für das Funktionieren. Das Versorgungssetting im Parallelsystem zeichnet sich durch Datensensibilität und Heterogenität der Versorgungsorganisationen aus. Im nächsten Schritt einer achtwöchigen Pilotierung muss sich das Konzept im Versorgungsalltag bewähren und daraufhin können Perspektiven einer weiteren Dissemination diskutiert werden.
Praktische Implikationen
Die hohe Anzahl nichtversicherter Menschen in Deutschland wird angesichts der aktuellen Migrationsströme steigen. In der Versorgungsforschung besteht eine Forschungslücke zur Gesundheit und zur Versorgungssituation dieser heterogenen Population. Erstmalig steht ein Konzept zur Verfügung, das ein organisationsübergreifendes Monitoring zur Versorgung nichtversicherter Menschen im Parallelsystem ermöglicht, welches als Informationsgrundlage für zielgerichtete Entscheidungen zur Versorgungsplanung und Gesundheitspolitik genutzt werden kann.
Hintergrund
Ausgangspunkt des Projektes sind das im Juli 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz und die Realisierung eines Modellvorhabens nach § 20g SGB V unter Berücksichtigung des nationalen Gesundheitsziels „Gesund leben und arbeiten“, formuliert in den Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionskonferenz (NPK) vom 19. Februar 2016, entsprechend § 20d Abs. 3 SGB V.
Fragestellung
Wie lassen sich die Qualität, Effizienz und Akzeptanz von Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) und zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) in ländlichen und strukturschwächeren Regionen langfristig und nachhaltig verbessern?
Methode
Ziel des Projektes ist die Entwicklung von arbeitsmedizinischen Angeboten und Maßnahmen, die an die spezifischen Rahmenbedingungen von KMU und deren Beschäftigte in ländlichen und strukturschwächeren Regionen angepasst sind und eine qualitativ hochwertige, umfassende und nachhaltige (arbeitsmedizinische) Versorgung an der Schnittstelle zwischen Arbeitsschutz und kurativer Medizin gewährleisten.
In einem ersten Schritt wird über Dokumentenanalyse, Gespräche und Interviews eine Datenbank aller relevanten Akteure der BGF und des BGM in einem Flächen-Bundesland mit ausgeprägter KMU-Struktur erstellt.
Diese Datenbank dient als Basis für die Erhebung und Analyse des Ist-Zustandes der BGF und des BGM in diesem Bundesland. Mit Hilfe von standardisierten (gruppenspezifischen) Fragebögen und semi-strukturierten Experteninterviews werden die betroffenen Akteure und die Anbieter von BGF-/BGM-Maßnahmen sowohl über das bestehende Angebot als auch die Kooperationsmuster zwischen den unterschiedlichen Akteuren und deren Bedarfsvorstellungen befragt.
Zeitgleich erfolgt eine Auswertung der aktuellen Forschungsliteratur, wobei zunächst insbesondere zwei Bereiche abgedeckt werden:
(1) spezifische Analysen zum Bundesland
- Analysen zur Unternehmens- und Betriebsstruktur
- Untersuchungen zur BGF und zum BGM
(2) Untersuchungen, Analysen, Modelle zur regionalen Versorgung
- eHealth: telemedizinische Versorgungswege und internetgestützte Kommunikationsansätze
- interorganisationale Netzwerke im Bereich BGF und BGM (Formen, Umfang, Effizienz)
Auf der Basis der quantitativen und qualitativen Datenerhebung und der Dokumenten- und Literaturauswertung werden Modelle und Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit (Vernetzung) erarbeitet
- zwischen den Akteuren des betrieblichen Arbeitsschutzes und der BGF
- zwischen betrieblicher Versorgung und kurativ-medizinischer Versorgung in der Region zur Gestaltung eines ganzheitlichen Betrieblichen Gesundheitsmanagements
Ergebnisse
Liegen aktuell noch nicht vor.
Diskussion
In den vergleichenden Studien des Commonwealth Fund (2011, 2016) zeigt sich ein hoher Anteil an Erwachsenen in Deutschland, die Koordinationsprobleme bei ihrer medizinischen Betreuung und Versorgung wahrnehmen. In der Literatur werden auch Defizite im Informationsfluss, im kommunikativen Datenaustausch und in der (engen) Verzahnung und intensivierten Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten (Moßhammer et. al. 2012) oder zwischen Rehabilitationsmedizinern und Betriebsärzten (Völter-Mahlknecht/Rieger 2014) diskutiert. Die Studie soll einen Beitrag dazu leisten, an der Schnittstelle zwischen Arbeitsschutz, BMF und kurativer Medizin unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungsprofile im Feld von KMU und deren Beschäftigten in ländlichen und strukturschwächeren Regionen die medizinische Versorgung und Betreuung durch neue Versorgungswege und eine intensivere Vernetzung zu verbessern.
Praktische Implikationen
Das Modellprojekt trägt zur Verbesserung der BGF an der Schnittstelle zwischen Arbeitsschutz und kurativer Medizin, insbesondere für KMU in ländlichen und strukturschwächeren Regionen, bei. Bestehende Möglichkeiten zur Prävention und Gesundheitsförderung werden bekannter und vorhandene Strukturen stärker vernetzt.
Literatur
Bönisch, Sebastian 2017: Was bringt Vernetzung im Gesundheitswesen. Eine wirkungsorientierte Betrachtung interorganisationaler, Springer VS.
Commonwealth Fund 2011: International Health Policy Survey of Sicker Adults in Eleven Countries, November 2011.
Commonwealth Fund 2016: International Health Policy Survey of Adults in Eleven Countries, November 2016.
Moßhammer, Dirk/Natanzon, Iris/Manske, Ira/Grutschkowski, Philipp/Rieger, Monika A. 2012: Die Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten in Deutschland: Wo befinden sich Defizite und Barrieren?: Eine qualitative Analyse anhand von Fokusgruppeninterviews, Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 106: 9, 639–648.
NPK 2016: Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionskonferenz nach § 20d Abs. 3 SGB V.
Völter-Mahlknecht, Susanne/Rieger, Monika 2014: Patientenversorgung an der Schnittstelle von Rehabilitation und Betriebsärzten. Systematische Literaturübersicht zur Versorgungsgestaltung, Deutsche Medizinische Wochenschrift, 1390, 1609–1614.
Hintergrund: Im Hinblick auf die Versorgung einer alternden Gesellschaft und die steigenden Kosten der kurativen Medizin rücken Maßnahmen zur Primär- aber auch Sekundärprävention stärker in den Vordergrund. Im Rahmen des neuen Präventionsgesetzes ist es Ärztinnen und Ärzten in der Funktion eines Präventionslotsen möglich, gezielte Empfehlungen zu Präventionsleistungen in Form einer ärztlichen Bescheinigung auszusprechen und Versicherte zur Inanspruchnahme von primärpräventiven zertifizierten Angeboten zu motivieren. Zentrale Handlungsfelder sind Bewegungsgewohnheiten, Ernährung, Stressmanagement und Suchtmittelkonsum. Hinzu kommen der Ausbau von Früherkennungsmaßnahmen und die Stärkung der Rolle des Betriebsarztes.
Fragestellung: Wird Präventive Medizin als eigenständiges fächerübergreifendes Lehrfach von Studierenden angenommen und erfolgreich absolviert?
Methode: Im Rahmen eines Reformstudienganges erhalten Medizinstudierende erstmals die Möglichkeit, Präventive Medizin als eigenständiges Wahlpflichtmodul über 9 Semester zu belegen und mit einer Studienarbeit sowie gegebenenfalls einer Dissertation abzuschließen. Zu den tragenden Basisdisziplinen des Angebotes zählen die Ernährungsmedizin, die Sportmedizin, die Arbeitsmedizin, die Suchtprävention und die Gesundheitspsychologie. Neben evidenzbasierten Maßnahmen zur individualisierten Prävention geht es um die Gesundheitsförderung in speziellen Zielgruppen und im Setting. Darüber hinaus werden soziale und gesundheitsökonomische Aspekte thematisiert und die zahlreichen präventiven Teilgebiete wie z.B. u.a. Dermatologie, Pädiatrie, Onkologie, Kardiologie und Osteologie vernetzt. Die Studierenden erhalten Einblick in das interprofessionelle Arbeiten in der Prävention im ambulanten und stationären Bereich.
Ergebnisse: Die hohe Bewerbungsquote für den Wahlpflichtbereich spiegelt die Attraktivität bezüglich der Thematik Prävention wider. Evaluationsergebnisse weisen auf eine große Zufriedenheit der Studierenden mit den Lehrinhalten hin. Das geht mit einer hohen Nachfrage nach Studienarbeiten und Promotionen in der ersten Kohorte der Studierenden einher.
Diskussion: Neben einer besseren Verankerung der Prävention als Querschnittsfach im Medizinstudium könnte die Möglichkeit einer gezielten zusätzlichen Spezialisierung Studierender einen Beitrag dazu leisten, Maßnahmen zur Etablierung der Prävention in der medizinischen Versorgung besser zu verankern. Hierzu bedarf es allerdings auch geeigneter Anreize u.a. einer eigenen Abrechnungsziffer zur Integration in die Praxisabläufe und die Routineversorgung.
Praktische Implikation: Ein höherer Stellenwert der Prävention in der zukünftigen medizinischen Ausbildung kann einen Beitrag dazu leisten, Ärztinnen und Ärzte stärker in die Gesundheitsförderung einzubinden und dadurch Patienten mit gesundheitsbezogenen Risiken zur Inanspruchnahme von präventiven Angeboten zu motivieren.
Hintergrund: Arthrose zählt zu den häufigsten muskuloskelettalen Erkrankungen (MSKE) und verursacht mehr Einschränkungen und Behinderungen in der Bevölkerung der westlichen Industrienationen als jede andere Erkrankung. Von Arthrose betroffene Patienten gehören in Deutschland zu den häufigsten Nutzern des Gesundheitssystems (RKI 2013). Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Die Gesamtlebenszeitprävalenz der Arthrose ist für Frauen (27,1%) signifikant höher als für Männer (17,9%). In der Gruppe der über 65 jährigen sind etwa die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer betroffen (RKI 2012). Während für einige bedeutende chronische Erkrankungen klare Zusammenhänge mit Risikofaktoren aufgezeigt werden konnten, besteht für Arthrose noch in vielen Punkten Unklarheit, deshalb geht diese Arbeit der Frage nach :
1. Ist körperliche Inaktivität von Frauen im mittleren Lebensalter ein Risikofaktor für das Entstehen von Hüft- und Kniegelenharthrose?
2. Welche anderen Risikofaktoren können aus der Literatur erschlossen werden?
Methode: Es wurde eine systematische Literatursuche in den relevanten medizinischen Datenbanken durchgeführt. Vier Kohortenstudien wurden identifiziert, die den Einfluss von körperlicher Aktivität auf die Entstehung von symptomatischer Arthrose untersuchten. Die Studien wurden anhand des STROBE Statements bewertet.
Ergebnis: Allen Studien liegt die Hypothese zu Grunde, dass körperliche Aktivität ein Risikofaktor für das Entstehen von Arthrose ist. Diese Hypothese konnte widerlegt werden. Obwohl alle Studien körperliche Aktivität unterschiedlich operationalisieren, kommen sie zu dem Ergebnis, dass weder ein hohes Maß an körperlicher Aktivität noch körperliche Inaktivität einen Risikofaktor für die Entstehung von Arthrose bei Frauen darstellt. Dieses Ergebnis lässt sich auf übergewichtige und adipöse Personen übertragen. Übergewicht und psychischen Erkrankungen können als unabhängige Risikofaktoren für die Entstehung von Arthrose belegt werden.
Diskussion: Es ist allgemein anerkannt, dass körperliche Aktivität einen positiven Einfluss auf die physische und psychische Gesundheit hat. Körperliche Aktivität ist ein fester Bestandteil von Prävention und in der Rehabilitation chronischer Krankheiten. Ein aktiver Lebensstil reduziert das Risiko von Übergewicht und psychischen Erkrankungen.
Frauen im späten mittleren Lebensalter erfahren mit dem Eintritt der Menopause um das fünfzigste Lebensjahr körperliche Veränderungen. In dieser Lebensphase erhöht sich das Risiko für die Entstehung von Arthrose und anderen chronischen Erkrankungen. Durch gezielte geschlechtersensible Präventionsmaßnahmen lässt sich die Zahl der chronisch behandlungsbedürftigen Hüft- und Kniegelenksarthrosen reduzieren.
Praktische Implikationen: Entwicklung einer Hüft- bzw. Knieschule unter Einbeziehung neuester Erkenntnisse aus der Medizin, Therapie, Psychologie sowie mit partizipativer Patientenbeteiligung.
Hintergrund: Abdominale Adipositas steht in direktem Zusammenhang mit den meisten nicht übertragbaren Krankheiten (NCDs), der mittlerweile führenden Todesursache weltweit. Dazu zählen in erster Linie die von der WHO als Haupttypen postulierten kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes, Krebs und chronisch-respiratorische Erkrankungen. Die Identifikation effektiver Therapieoptionen für abdominale Adipositas ist daher von besonderer Bedeutung, um sowohl der Zunahme ihrer Prävalenz als auch dem weiteren Ansteigen der assoziierten NCDs präventiv entgegenzutreten. Der hier vorgestellte systematische Review soll die vorliegende Fragestellung untersuchen und wurde im März 2017 im internationalen prospektiven Register für Protokolle systematischer Reviews PROSPERO registriert: CRD42017057898.
Fragestellung: Welche therapeutischen Optionen zur Behandlung abdominaler Adipositas im Erwachsenenalter stehen zur Verfügung? Erstellung eines Überblicks über Verhaltens-, Lebensstil und pharmazeutische Interventionen sowie kombinierte Ansätze, deren Wirksamkeit und potenzielle Nebenwirkungen.
Methode: Systematische Literaturrecherche in Medline, Embase und dem Cochrane Central Register of Controlled Trials (CCRCT) sowie den Referenzlisten der eingeschlossenen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs). Zwei Wissenschaftler führen unabhängig voneinander einen Title-Abstract Scan der Trefferlisten der Literaturrecherche nach vorher festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien durch. Konflikte werden durch einen dritten Wissenschaftler gelöst. Die so identifizierten Studien werden in einem weiteren Schritt im Volltext erneut anhand der Ein- und Ausschlusskriterien nach demselben Schema geprüft. Die Datenextraktion erfolgt wiederum durch zwei Wissenschaftler und wird jeweils gegengeprüft. Für die Datenextraktion werden spezielle Tabellen erstellt, die den Anforderungen für den abschließenden Bericht entsprechen. Alle wichtigen Informationen bezüglich der Studiendetails werden erfasst, wie Setting, Anzahl der Teilnehmer, Beschreibung und Komponenten der Intervention und Kontrolle, Basischarakteristika der Teilnehmer (z.B. Altersgruppe, Geschlecht, Gesundheitszustand), Dauer der Intervention und des Follow-Up, berichtete (stetige) Ergebnismaße zusammen mit dem jeweiligen Delta (Δ) und der prozentualen Veränderung, sowie berichtete Nebenwirkungen. Alle eingeschlossenen RCTs erhalten ein Rating anhand des „Cochrane Collaboration’s tool for risk of bias assessment (SCORE)“. Der Bericht erfolgt aufgrund der erwarteten Vielfalt an unterschiedlichen Zielgrößen, bedingt durch die nicht einheitlichen Mess- und Definitionsverfahren der abdominale Adipositas, in narrativer Form basierend auf der Leitlinie des “Economic and Social Research Council (ESRC) Methods Programme”.
Diskussion: Ein bereits existierender Review zu Therapieoptionen für abdominale Adipositas konnte bei Vorrecherchen in einschlägigen Datenbanken nicht gefunden werden. Wirksame Therapieoptionen für abdominale Adipositas können sich allerdings deutlich von den Therapieoptionen für allgemeine Adipositas unterscheiden, da für den Abbau von abdominalem Fett nicht zwangsläufig eine Gewichtsabnahme erforderlich ist.
Praktische Implikationen: Abdominale Adipositas ist ein bisher in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung vernachlässigter Risikofaktor. Zwar gibt es eine S3 Leitlinie zu allgemeiner Adipositas, nicht jedoch zu der eigentlichen Hochrisikovariante der abdominalen Adipositas, auf die in der Leitlinie nur sehr kursorisch eingegangen wird. Die Identifikation wirksamer Therapien ist von besonderer Bedeutung für eine umfassende Patientenversorgung. Da abdominale Adipositas ein bedeutsamer Risikofaktor für NCDs ist, ist nicht nur die Therapie von großer Bedeutung, sondern vor allem die damit verbundene Präventionsleistung.
Hintergrund: Übergewicht und Adipositas im Kindesalter sind in Deutschland und weltweit omnipräsent, mit steigender Tendenz. Sie haben vielseitige und weitreichende Folgen für das Kind, dessen Familie und letztendlich auch für das Gesundheitssystem. Untersuchungen zur Zahlungsbereitschaft für Verbesserungen der Gesundheit im Allgemeinen, und speziell für die Reduktion von Übergewicht und Adipositas bei Kindern, sind selten. Diese können jedoch für Kosten-Effektivitätsanalysen von Präventions- und Gesundheitsförderprogrammen im Kindesalter genutzt werden. Zusammenhänge zwischen Gesundheitseinstellungen und Gesundheitsverhalten der Eltern und deren Zahlungsbereitschaft können gezielt Implikationen für Maßnahmen liefern.
Fragestellung: Wie hängt die elterliche Zahlungsbereitschaft für die Prävention von Übergewicht und Adipositas bei Kindern mit den Gesundheitseinstellungen und dem Gesundheitsverhalten der Eltern zusammen?
Methode: Daten der cluster-randomisierten Interventionsstudie mit Wartekontrollgruppendesign zur Evaluation des schulbasierten Gesundheitsförderprogramms „Komm mit in das gesunde Boot“ bei Grundschülern und ihren Eltern in ganz Baden-Württemberg wurden ausgewertet. Geschultes Personal erhob standardisiert anthropometrische Parameter der Kinder. Elternfragebögen erfassten Angaben der Väter und Mütter zur eigenen Anthropometrie, soziodemographischen Faktoren, verschiedenen Gesundheitseinstellungen (Körperbild, allgemeine Gesundheit) sowie dem eigenen Gesundheitsverhalten, gemessen an Medienkonsum (Fernsehsendungen und Videofilme, Computernutzung), körperlicher Aktivität und dem Rauchverhalten. Die Zahlungsbereitschaft für eine Halbierung der Inzidenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern wurde mit ja/nein erfragt. Um Unterschiede für zahlungsbereite und nicht-zahlungsbereite Eltern zu untersuchen, wurden Fisher´s exakte Tests berechnet, mit einem Signifikanzniveau für zweiseitige Tests von α < 0.05.
Ergebnisse: Daten zur generellen Zahlungsbereitschaft ihrer Eltern lagen für 1451 Kinder vor, wobei knapp die Hälfte (48,9%, n=710) der Eltern grundsätzlich zahlungsbereit waren. Zahlungsbereite Eltern empfanden Übergewicht und Adipositas signifikant häufiger als Gesundheitsproblem und hatten ein signifikant höheres Familieneinkommen (p<0.001) als nicht-zahlungsbereiten Eltern. Kinder von zahlungsbereiten Eltern waren signifikant häufiger übergewichtig (p<0.05), adipös und abdominal adipös (p<0.01). Zahlungsbereite Mütter waren signifikant häufiger übergewichtig (p<0.01), adipös (p<0.001) und schätzten sich selbst als zu dick ein (p<0.001). Zahlungsbereite Väter und Mütter waren signifikant häufiger der Meinung, dass es wichtig ist dünn zu sein, um attraktiv zu sein (p<0.01), fanden ihr Kind häufiger zu dick (p<0.001), fanden Ihr Kind sollte abnehmen (p<0.001) und ermahnten ihr Kind häufiger, auf sein Gewicht zu achten (p<0.01). Medienkonsum, körperliche Aktivität sowie das Rauchverhalten beider Eltern zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen zahlungsbereiten und nicht-zahlungsbereiten Eltern.
Diskussion: Etwa die Hälfte der Eltern war bereit, etwas für die Reduktion der Inzidenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern zu bezahlen. Die Übergewichtsprävalenz der Kinder und Mütter sowie die Gesundheitseinstellungen, besonders das Körperbild und das Bewusstsein beider Eltern, dass Übergewicht und Adipositas negative Auswirkungen haben, zeigen sich in einer höheren Zahlungsbereitschaft. Das elterliche Gesundheitsverhalten hängt nicht mit der Zahlungsbereitschaft zusammen. Dies sind wichtige Erkenntnisse für die Planung von zukünftige Studien und Maßnahmen. Aufgrund der geringen Präsenz von ähnlichen Studien ist eine Einordnung der Ergebnisse schwierig. Längsschnittuntersuchungen sind notwendig. Die Zahlungsbereitschaft kann jedoch ein wichtiges Maß für Kosten-Effektivitätsanalysen bieten.
Praktische Implikationen: Die größere elterliche Zahlungsbereitschaft für von Übergewicht und Adipositas betroffene Familien und deren damit zusammenhängende Gesundheitseinstellungen reflektieren das Bewusstsein der Problematik und die Bereitschaft, etwas dagegen zu tun. Politische Entscheidungsträger sollten dies in landesweite Maßnahmen umsetzen. Gesundheitsfördernde Interventionen für Kinder sollten demnach neben deren Verhaltensänderung, die bekanntermaßen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit hat, auch auf eine Veränderung der Gesundheitseinstellungen der Eltern zielen.
Hintergrund: Nach Schätzung des Bundesgesundheitsministeriums werden rund ein Drittel aller Kosten im Gesundheitswesen durch Krankheiten verursacht, die direkt oder indirekt durch die Ernährung beeinflusst werden [1]. Dazu zählen Adipositas, Diabetes mellitus II, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Allergien; einige Formen von Krebs sowie chronische Entzündungsprozesse werden durch bestimmte Nährstoffe beeinflusst. HIer ist die Ernährungsberatung (EB) ein wichtiger Baustein in der Prävention und der Therapie. Entsprechend sind EB und Ernährungstherapie (ET) in zahlreichen Leitlinien verankert. Bei einigen Erkrankungen, wie Zöliakie ist die ET die einzig mögliche Therapieform.
Im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ist die Kostenerstattung für EB im SGB V §20 (Primäre Prävention und Gesundheits¬förderung) und für ET im SGB V §43 SGB V (Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation) geregelt. Für die privaten Krankenversicherungen (PKV) gibt es bezüglich der EB und ET keine gesetzlichen Regeln. In der Praxis unterliegt die Kostenübernahme der individuellen Ausgestaltung der Verträge wodurch ein sehr uneinheitliches Bild entsteht.
Fragestellung: Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es einen Überblick der Kostenerstattung ausgewählter Krankenkassen und -versicherungen zu geben.
Methodik: Es wurden online Fragebögen zur Kostenerstattungspraxis von Beratungsleistungen erstellt und mittels EvaSys versandt. Der Fragebogen für die GKV umfasste 32 Fragen, der Fragebogen für die PKVs 23 Fragen. Im Allgemeinen Teil wurden Fragen zur Kostenübernahme und dem Vorhandensein von Ansprechpartnern, im zweiten Teil Fragen im Bereich der Prävention und im dritten Teil mit zu Leistungen für die ET gestellt.
Kriterien bei der Auswahl der GKV und PKV waren die Anzahl der Versicherten, der Marktanteil der Versicherungen sowie Erfahrungswerte aus der praktischen Arbeit von Ernährungsfachkräften. Von den insgesamt 123 in Deutschland existierenden GKV (Stand 2015, [2]) wurden 25 angeschrieben. Hiervon beteiligten sich 12 GKV (48 %) an der Befragung. Von den 49 existierenden PKV [3] erhielten 10 den Fragebogen. Davon antwortete eine inhaltlich, ohne den Fragebogen auszufüllen.
Ergebnisse: Aufgrund der relativ klaren gesetzlichen Vorgaben, ergab sich eine weitgehende Übereinstim¬mung zwischen den unterschiedlichen GKV hinsichtlich der Umsetzung im Bereich der Prävention. Die Erstattung im Rahmen der ET ist heterogen geregelt und von Einzelfallentscheidungen mit teilweise hohem bürokratischem Aufwand geprägt. Die Honorarhöhe unterscheidet sich zwischen den Kassen und ist bei einem Stundesatz zwischen 35,- und 53,- € insgesamt als unbefriedigend zu bewerten.
PKV sind nicht zur Prävention verpflichtet. Lediglich eine PKV nahm in einer E-Mail Stellung zur Problematik. Diese bezuschusst sowohl präventive EB als auch ET nach Einzelfallprüfung und verweist auf die Leistungen durch die Beihilfe. Für Leistungen, die von einem Arzt erbracht werden, besteht, unabhängig von seiner Qualifikation, ein tariflicher Leistungsanspruch.
Diskussion: Aufgrund der mangelnden Teilnahme der PKVs ist eine vergleichende Darstellung ihrer Leistungen mit denen der GKVs nicht möglich. Insgesamt sind die Angebote und die damit verbundenen Rahmenbedingungen primärpräventiver Maßnahmen für unbeteiligte Privatpersonen nahezu unüberschaubar. Das könnte dazu führen, dass sich viele Betroffene nicht über bestehende Möglichkeiten bewusst sind oder nicht ausreichend darüber informiert werden. Zudem ist davon auszugehen, dass die notwendige Bürokratie und die erforderlichen Vorausleistungen einige Betroffene abschreckt. In der Regel stehen keine festen Ansprechpartner für Fragen zur EB zur Verfügung. Hierdurch wird der Zugang zu ernährungstherapeutischen Leistungen erschwert – dies gilt nicht nur für die Patienten, sondern auch für die verschiedenen Berufsgruppen, welche die Leistung erbringen.
Praktische Implikationen: Für gesetzlich Versicherte besteht die Möglichkeit einer Leistungserstattung für die primärpräventive EB, die ET unterliegt Einzelfallentscheidungen. Bei privat Versicherten ist die Kostenübernahme nicht geregelt. Aus Sicht der Patienten wäre es wünschenswert, die Versorgung mit EB und ET einheitlich zu regeln. Es ist zu prüfen, wie Leistungen im Bereich der EB und -therapie im Leistungskatalog der GKV und PKV verankert werden können.
Literatur:
[1] Bundesministerium für Bildung und Forschung (2017): Ernährung http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/ernaehrung.php ( 30.04.2017)
[2] Gottfried M, Schild M (2016): vdek-Basisdaten des Gesundheitswesens 2015 / 2016. Hg. v. Verband der Ersatzkassen e.V. Berlin. URL: https://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2016/basisdaten-2016.html (02.03.2017)
[3] PKV (2014): Zahlenbericht der Privaten Krankenversicherung 2013. URL: https://www.pkv.de/service/broschueren/daten-und-zahlen/zahlenbericht-2013/ (02.03.2017)
Hintergrund:
Die deutsche Studienreihe “PsoHealth” hat in den letzten Jahren die Qualität der Versorgung der Schuppenflechte (Psoriasis) untersucht. Dabei wurde herausgefunden, dass ein bedeutender Anteil nicht gemäß der nationalen Leitlinie behandelt wird, was auch in weiteren Studien belegt wurde. Eine ähnliche Unterversorgung konnte auch in anderen Ländern festgestellt werden, was sich unter anderem auch durch eine Unzufriedenheit der Patienten mit ihrer Versorgung zeigt.
Fragestellung:
Diese Studie zielt darauf ab, Barrieren leitliniengerechter Versorgung bei Psoriasis in fünf europäischen Ländern zu identifizieren.
Methode:
Anhand einer multizentrischen Querschnittsstudie werden Barrieren und Qualität der Psoriasisversorgung erfasst. Die fünf Länder (Dänemark, Polen, Spanien, Großbritannien und Deutschland), in denen Daten erhoben werden, stehen repräsentativ für das jeweilige Gesundheitssystem und der dortigen ambulanten dermatologischen Versorgung. In jedem Land sollen 500 Patienten in die Studie eingeschlossen werden, was zu einer Gesamtpopulation von 2.500 Patienten mit Psoriasis führt. Die Datenerhebung wurde im Januar 2016 gestartet und soll Ende 2017 abgeschlossen werden. Der vorliegende Beitrag zeigt Zwischenergebnisse der in Deutschland befragten Patienten. Die Daten werden zunächst deskriptiv und im weiteren Verlauf der Studie multivariat mittels SPSS ausgewertet.
Ergebnisse:
Bis Januar 2017 konnten in Deutschland n = 327 Patienten in die Studie aufgenommen werden. Das mittlere Alter lag bei 50 Jahren, 42,3 % waren weiblich. Der mittlere Schweregrad, gemessen mit dem Psoriasis Area and Severity Index auf einer Skala von 0-72 (PASI) lag bei 7,2. 24 % hatten einen PASI über 10, was gemäß der Leitlinie einer mittleren bis schweren Psoriasis entspricht und eine medikamentöse (systemische) Therapie erfordert. Die mittlere Beeinträchtigung der Lebensqualität, gemessen mit dem Dermatology Life Quality Index (DLQI, Skala 0-30) betrug 5,6. 63,5 % der Patienten wurden mit systemischen Medikamenten behandelt, 28,8 % erhielten Biologika. Seit Feststellung der Diagnose haben die Patienten im Durchschnitt 3 verschiedene Dermatologen aufgesucht (min 0, max 27) und haben 4 mal die Therapie gewechselt. 10 % gaben an, dass ihre Kasse schon mal eine Therapie abgelehnt hat, die durch einen Arzt empfohlen wurde.
Diskussion:
Die Zwischenergebnisse der in Deutschland erhobenen Daten zeigen erste Trends und erweitern Erkenntnisse aus den vorangegangenen Studien zur Versorgungssituation der Psoriasis. Die hohe Zahl an aufgesuchten Ärzten und Therapiewechseln zeigen, dass sich die Behandlung der Psoriasis sehr komplex gestalten kann. Derartige Wechsel können durch ein sich veränderndes Krankheitsbild oder auch durch Unzufriedenheit des Patienten mit der eigenen Behandlung begründet sein. Dies und die verwehrten Therapien geben Hinweis auf mögliche Barrieren der leitliniengerechten Versorgung der Psoriasis in Deutschland. Der europäische Vergleich ermöglicht zum ersten Mal die direkte Beschreibung der Versorgungssituation (inklusive Herausforderungen und Zugangsbarrieren im Laufe des Patientenpfads) für ein breites Spektrum europäischer Länder.
Praktische Implikationen:
Die laufende Studie wird die Implementierung der Nationalen Versorgungsziele für Psoriasis 2010-2020 sowie die Ergreifung von Maßnahmen zum verbesserten Zugang zu systemischen Medikamenten und Biologika fördern. Die Verknüpfung von patientenberichteten Endpunkten mit Daten des Gesundheitssystems und Barrieren aus Sicht des Arztes sind ein weltweites Novum und werden dazu beitragen, Strategien zur Überwindung dieser Barrieren zu entwickeln.
Hintergrund
Sexuell übertragbare Infektionen (sexual transmitted infections, STI) sind ein globales Gesundheitsproblem und auch in Deutschland sind seit einigen Jahren deutlich steigende STI-Inzidenzen zu beobachten. Das Ausmaß des Nichtwissens um STI und deren Verbreitung ist in der deutschen Bevölkerung groß. Auf Versorgerseite besteht ebenso Optimierungsbedarf: Die wenigen vorliegenden empirischen Studien zu hausärztlichem Beratungsverhalten bei STI verweisen auf große Unsicherheiten, welche Patientengruppen aufgrund erhöhter Risiken verstärkt zu STI-Prävention/-Früherkennung beraten werden sollten und bei welchen Symptomen STI-Testung von therapierelevantem Nutzen wären (1-4). Hausärzte (als häufig erste Ansprechpartner) berichten Kommunikationsprobleme bzgl. Sexualitäts- und STI-Themen, die zur Vermeidung der STI-Patientenberatung in der Hausarztpraxis führen (3). In Deutschland fehlen bislang valide Daten zu STI-Versorgungsabläufen.
Fragestellung
Wie schätzen Hausärzte ihre Kompetenz hinsichtlich Prävention, (Früh-) Erkennung und Beratung von STI ein? Welche STI-Tests werden in Hausarztpraxen durchgeführt?
Methode
Im Rahmen einer explorativen Pilotstudie erfolgte eine schriftliche Befragung bei hausärztlich tätigen Teilnehmern auf einem regionalen Jahreskongresses einer allgemeinmedizinischen Fachgesellschaft im Juni 2016. Der verwendete vierseitige Fragebogen fokussierte auf die Selbsteinschätzungen der STI-Beratungskompetenz, des STI-Beratungsverhaltens und des STI-Testungsverhaltens. Die Daten wurden mit SPSS 23.0 erfasst und mittels deskriptiver Analyseverfahren ausgewertet.
Ergebnisse
47 (62 % Frauen) von insgesamt 63 hausärztlich tätigen Kongressteilnehmern beteiligten sich an der Befragung. Fast alle Befragten (98 %) bestätigten, Patienten präventiv zum Thema Sexualverhalten/STI zu beraten, wobei 43 % sich dafür als unzureichend ausgebildet einschätzten. 36 % gaben an, mehr als die Hälfte der Patienten mit STI-Diagnose oder -Verdacht an spezialfachärztliche Kollegen oder den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu verweisen. In den letzten 12 Monaten führten 74 % der Hausärzte mind. einen HIV-Test, 64 % mind. einen Chlamydien-Test, 30 % mind. einen Gonorrhö-Test und 11 % mind. einen Syphilis-Test durch.
Diskussion
Gemessen an der Häufigkeit der Testungen war bei den Hausärzten für HIV eine höhere Sensibilität im Vergleich zu anderen STI zu beobachten, die wesentlich höhere Prävalenzen in der Bevölkerung aufweisen. Das STI-Testungsverhalten der Hausärzte muss im Kontext gegenwärtiger Versorgungsstrukturen (z.B. fehlende hausärztliche Abrechnungsmodalitäten für STI-Screenings oder für STI-Test bei Risikoverhalten und keinen berichteten Symptomen) betrachtet werden. Weiterhin verweisen die mit anderen Studien vergleichbaren Ergebnisse unserer Pilotstudie auf bestehende Kommunikationsprobleme (Angst, Scham) im Umgang mit Patienten mit STI oder STI-Verdacht.
Praktische Implikationen
Bei Hausärzten besteht Bedarf an speziellen Fortbildungen zum Thema Sexualverhalten/STI, die auf fachliche, aber auch kommunikative Beratungskompetenzen sowie auf patienten- und arztseitige Enttabuisierung und Entstigmatisierung fokussieren sollte. Hinsichtlich Versorgungsstrukturen sollten risikogruppenbezogene Testung- und Screeningmaßnahmen für häufige STI (z.B. Chlamydien) in den hausärztlichen Leistungskatalog aufgenommen werden.
Literatur
(1) Cedzich DA, Bosinski HA. Sexualmedizin in der hausärztlichen Praxis: Gewachsenes Problembewusstsein bei nach wie vor unzureichenden Kenntnissen. Sexuologie. 2010; 17: 135-47
(2) Markham WA, Bullock AD, Matthews P, Firmstone VR, Kelly S, Field SJ. Sexual health care training needs of general practitioner trainers: a regional survey. The journal of family planning and reproductive health care / Faculty of Family Planning & Reproductive Health Care, Royal College of Obstetricians & Gynaecologists. 2005; 31: 213-8
(3) Verhoeven V, Bovijn K, Helder A, Peremans L, Hermann I, Van Royen P, et al. Discussing STIs: doctors are from Mars, patients from Venus. Family practice. 2003; 20: 11-5
(4) Matthews P, Fletcher J. Sexually transmitted infections in primary care: a need for education. The British journal of general practice : the journal of the Royal College of General Practitioners. 2001; 51: 52-6
Hintergrund
Künftig werden im deutschen Gesundheitssystem zusätzliche Mittel zur Finanzierung von Präventionsmaßnahmen verfügbar sein, die im direkten Lebensumfeld der Menschen ansetzen. Stürze und die resultierenden Frakturen stellen ein bedeutendes Gesundheitsrisiko für ältere Menschen dar. In dieser Arbeit wird unter-sucht, ob Sturzprävention durch eine Optimierung der häuslichen Sicherheit gegenüber dem Verzicht auf Prävention bei älteren Pflegebedürftigen in einem nicht-institutionalisierten Umfeld kosteneffektiv ist.
Methoden
Die Fragestellung wird mithilfe einer Kosten-Nutzwert-Analyse aus der Perspektive der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflegeversicherung unter-sucht, die auf einem Markov-Modell beruht. Die Modellierung konzentriert sich auf die Entwicklung der Lebensqualität und die ökonomischen Konsequenzen der Intervention durch die Verringerung der Inzidenz sturzbedingter Hüftfrakturen. Die Robustheit der Ergebnisse wird in einer deterministischen und einer probabilistischen Sensitivitätsanalyse überprüft.
Ergebnisse
Die Präventionsmaßnahme ist für eine weibliche Kohorte dominant gegenüber dem Verzicht auf Prävention. Für eine männliche Kohorte resultiert eine inkrementelle Kosten-Nutzen-Relation von 23.896 Euro pro qualitätsadjustiertem Lebensjahr. Die Sensitivitätsanalyse deutet auf robuste Ergebnisse hin. Eine Budget-Impact-Analyse zeigt mögliche Einsparungen von 335.000 Euro im Jahr.
Diskussion
Die Analyse spricht für die Kosten-Effektivität der Präventionsmaßnahme im betrachteten Kontext – insbesondere für den weiblichen Teil der Zielpopulation. Die Ergebnisse sind vorsichtig zu interpretieren. Der Interventionseffekt bezieht sich auf einen Surrogatparameter und besteht für den gesamten Zeithorizont des Modells. Kosten gewonnener Lebensjahre finden keine Berücksichtigung und möglicherweise wird das Einsparpotenzial für Pflegekosten unterschätzt.
Demographic ageing and working as 1. general practioner, 2. pharmacist or 3. nursery means being involved in management of polypharmacy in geriatric patients. Within this vulnerable patient group drug safety requires more educated and interprofessional engagement of all health professionals.
To obtain intense and precise cooperation, communication and networking with regard to polypharmacy SAPREMO was designed addressing all three health professions equally. Operating as a team is the fundamental idea of this interprofessional project involving the three groups treating the same patient at different yet confluencing stages. The innovative aspect is to identify new symptoms that might result from drug effects or side effects and adapt as early as possible. Interprofessional round table educating workshops as well as interprofessional educative lectures are implemented throughout the German federal state Saxony Anhalt as the project´s baseline. SAPREMO aims to leave the most critically universalized step up treatment with further drug therapy to cope with drug induced new symptoms as observed by the author´s more than 8680 detailed medication reviews of geriatric patients in traumatology, intensive care units as well as nursing homes. In consequence the worldwide public health‘s challenge esp. concerning manifestation of cognitive dysfunction and falls and fractures in the elderly people imperatively requires prevention instead of the overall and most expensive attempt to iron out manifestations of undetected because disregarded drug related problems.
Cooperation partners are the Medical Council, Pharmacists‘ Chamber, General Practioners‘ Association and Association of Statutory Health Insurance Saxony Anhalt. The challenging project has started with great resonance striking a significant chord and is promoted by the Robert Bosch Foundation.
Hintergrund: Peergestützte Selbstmanagementprogramme können für chronisch Erkrankte unterstützend im Umgang mit der Erkrankung wirken und dabei auch die Gesundheitskompetenz sowie das Empowerment fördern und Auswirkungen auf die Versorgung haben.
Fragestellung: Führt die Steigerung von Gesundheitskompetenz und Selbstmanagement zu einer angemesseneren Inanspruchnahme gesundheitlicher Leistungen? Dabei meint eine angemessene Inanspruchnahme sowohl eine Reduktion der Über- als auch eine Reduktion der Unter- und Fehlversorgung. Außerdem untersuchen wir, welche Änderungen der gesundheitlichen Inanspruchnahme sich in der Literatur zeigen.
Methodik: Durchgeführt wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken - Cochrane Library und Medline über Pubmed, im März 2017. Verwendet wurde eine Kombination aus MESH-Terms und Keywords, wie bespielsweise „self-management“, „self care“, „peer*“, „lay-led“, „chronic disease“, „long term disease“, „healthcare use“ und „patient acceptance of health care“. Je Datenbank wurde die Suchstrategie angepasst. Aus dem Titel oder Abstract der Treffer musste hervorgehen, dass quantitative oder qualitative Daten zur Wirksamkeit hinsichtlich der Änderung der gesundheitlichen Inanspruchnahme (Arztbesuche, Besuche in der Notaufnahme, Hospitalisierungen, Krankenhausaufenthalte) durch peer-gestützte Selbstmanagementprogramme für chronisch Erkrankte ein wesentlicher Bestandteil der Publikation sind. Berücksichtigt wurden Reviews, Meta- Analysen und HTA Berichte zwischen 2006 und 2017. Alle Titel und Abstracts der identifizierten Übersichtsarbeiten wurden unabhängig voneinander von zwei Personen auf Ihre Relevanz hin überprüft. Zusätzlich erfolgte die Durchsicht der Referenzlisten der identifizierten Reviews, um eventuelle Lücken zu schließen und die Suchstrategie zu bestätigen. Eine Person extrahierte die Charakteristika der Reviews, die Outcomes zur gesundheitlichen Inanspruchnahme und die methodische Qualität der Quellen mit Hilfe der AMSTAR Kriterien.
Ergebnisse: Insgesamt können wir 742 Treffer mit der Suchstrategie identifizieren. 44 Volltexte verbleiben nach Titel und Abstract Screening, neun Volltexte verbleiben für die qualitative Zusammenfassung. In diesen neun Übersichtsarbeiten werden insgesamt 41 Studien eingeschlossen, die das Outcome der gesundheitlichen Inanspruchnahme berücksichtigen. Etwa in der Hälfte der Reviews wird das standardisierte Chronic Disease Self-Management Programm als Intervention betrachtet. Eine Übersichtsarbeit beschreibt nicht nur Selbstmanagementprogramme die von Laien, sondern auch von Experten im Gesundheitswesen, durchgeführt werden. Die methodische Qualität der identifizierten Reviews ist sehr unterschiedlich (4/11 bis 11/11 auf der AMSTAR Skala). Problematisch ist hier hauptsächlich, dass vorab kein Protokoll oder Ethikvotum veröffentlicht und keine Liste mit den ausgeschlossenen Studien zur Verfügung gestellt wurde. Die neun Reviews berücksichtigen unterschiedliche Fragestellungen und schließen damit auch unterschiedliche Parameter der gesundheitlichen Inanspruchnahme ein. Die Literatur veranschaulicht ein heterogenes Bild. Deutlich wird aber, dass sich durch die Verbesserung des Selbstmanagements eher bei Erkrankungen wie, Herzerkrankungen, Lungenerkrankungen, Arthrose, Diabetes und Schlaganfall Änderungen in der gesundheitlichen Inanspruchnahme zeigen. Untersuchte Outcomeparameter waren hier die Anzahl der Arztbesuche, Anzahl der Besuche in der Notaufnahme und die Dauer der Krankenhausaufenthalte.
Diskussion: Durch die Förderung des Selbstmanagements der Patient*innen kann die Nutzung des Gesundheitssystems positiv beeinflusst werden. Deshalb lohnt es sich weiter in Interventionen zu investieren, die das Selbstmanagement und auch die Gesundheitskompetenz der Patient*innen fördern.
Praktische Implikationen: Mit dem Wissen, welche Erkrankungen durch eine bessere Selbstmanagementfähigkeit auf Seiten der Patient*innen eine angemessene Nutzung des Gesundheitswesens ermöglichen, können Patient*innen gezielt angesprochen, unterstützt und motiviert werden, ihre eigene Versorgung aktiv mitzugestalten und zu steuern.
Hintergrund: Psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten chronischen Krankheiten der westlichen Gesellschaft, die mit erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität einhergehen. Sie sind mit einer hohen individuellen und gesellschaftlichen Krankheitslast verbunden. Psychische und physische Gesundheit sind dabei eng miteinander verknüpft; somatische und psychiatrische Komorbidität ist bei Menschen mit psychischen Erkrankungen besonders häufig. Bundesweite epidemiologische Studien zeigen, dass 28% der deutschen Bevölkerung in einem Zeitraum von zwölf Monaten von mindestens einer psychischen Erkrankung betroffen waren (Jacobi et al. 2015).
Gesundheitskompetenz (GK) wird als Schlüsselkonzept für gesundheitsrelevantes Verhalten verstanden. Sørensen et al. (2012) unterscheiden in einer integrierten Definition der GK vier Schritte im Prozess der Verarbeitung von Gesundheitsinformationen: sie zu finden, zu verstehen, zu bewerten und in gesundheitsförderliches Verhalten umzusetzen.
Fragestellung: Ziel dieser empirischen Studie ist es, die GK von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen zu untersuchen.
Methode: Die Analyse basiert auf Zwischenergebnissen einer Querschnittserhebung in einer Population von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen (N=153), die sich hilfesuchend an ein Früherkennungszentrum für psychische Erkrankungen in Köln oder München wenden. Die Erhebung erfolgte mittels standardisierter Fragebögen und umfasst selbsteingeschätzte GK (HLS-EU-Q47), gesundheitsbezogenes Verhalten und Folgen sowie soziodemographische Daten. Psychopathologische Angaben der Patienten wurden separat von Mitarbeitern der Früherkennungszentren erfasst. Es wurden Zusammenhänge zwischen soziodemographischen sowie psychopathologischen Charakteristika und Einschränkungen im Bereich der GK analysiert. Eine differenzierte Betrachtung erfolgt im Hinblick auf Limitationen innerhalb der vier Schritte des Informationsverarbeitungsprozesses. Die vorliegenden Daten werden mit einem repräsentativen Deutschlandsample verglichen (Schäfer et al. 2016).
Ergebnisse: In einer Population von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen zeigen 63,6% eine problematische GK. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ist die GK damit deutlich niedriger, obwohl bekannte Risikofaktoren für eine niedrige GK einschließlich niedrigem Bildungsstatus und hohem Alter deutlich unterrepräsentiert sind. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Psychopathologie einen relevanten Prädiktor für die GK darstellt. Zwischen klinischen Diagnosen lassen sich Unterschiede feststellen, wobei Menschen mit affektiven Störungen und Angststörungen eine besonders problematische GK aufzeigen. Darüber hinaus scheint das Level der GK mit steigender depressiver Symptomatik zu sinken.
Einschränkungen der GK gehen mit einem schlechteren subjektiven Gesundheitszustand, vermehrten Angaben über chronische Erkrankungen sowie psychischer Komorbidität einher.
Eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass die Limitation vor allem durch die Prozessschritte der Bewertung und Umsetzung erklärt wird. Im Vergleich zum deutschen Sample wird insbesondere die Umsetzung gesundheitsrelevanter Informationen als schwierig empfunden. Gleichzeitig weisen die Daten darauf hin, dass dieser Prozessschritt den größten Einfluss auf Gesundheitsverhalten und -folgen, wie z.B. Alkoholkonsum, Bewegungsverhaltung und der Häufigkeit chronischer Erkrankungen, hat.
Diskussion und praktische Implikationen: Menschen mit psychischen Erkrankungen könnten von einer hohen Gesundheitskompetenz voraussichtlich sehr profitieren, wobei zugleich ihre Krankheit eine potentielle Barriere für den Informationsverarbeitungsprozess darstellt. Bislang fokussierte die Forschung im Kontext der GK psychisch Erkrankter vorwiegend auf Literalität sowie die Fähigkeit, gesundheitsrelevante Informationen zu verstehen. Die vorliegende Analyse legt jedoch nahe, dass die Prozessschritte der Bewertung und Umsetzung in dieser Population von besonders kritischer Bedeutung sind.
Die vorläufigen Ergebnisse dieser Studie werden durch die Erkenntnis gestützt, dass psychische Erkrankungen nachteilige Auswirkungen auf Motivation, Selbstwirksamkeit und exekutive Funktionen haben können. Wir nehmen an, dass die motivationale Komponente in dieser Population die Fähigkeit beeinflusst, gesundheitsrelevante Entscheidungen umzusetzen. Gefühle von Angst und Unsicherheit, die durch (erstmalige) psychische Probleme hervorgerufen werden, könnten zudem die subjektiven Bewertungsfähigkeiten einschränken.
Im Hinblick auf eine Implementierung von Fördermaßnahmen zur Stärkung der GK sind zunächst die Fähigkeiten und Kompetenzen der Individuen in den Blick zu nehmen. Erste Forschungsergebnisse implizieren, dass der Bedarf in einer Population von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen insbesondere in einer Stärkung der Bewertungs- und Umsetzungskompetenz liegt.
Hintergrund: Eine ausreichende Gesundheitskompetenz ist insbesondere in komplexen Versorgungsstrukturen wie der Onkologie bedeutsam. In Deutschland mangelt es bislang an Erkenntnissen zu den Gesundheitskompetenzen von Krebspatienten und ihren Determinanten. Insbesondere Wissen darüber, ob und inwiefern die Ausprägung einzelner Dimensionen der Gesundheitskompetenz zwischen verschiedenen Patientengruppen variiert, kann wichtige Ansatzpunkte für einen gezielten Einsatz von edukativen Maßnahmen zu ihrer Förderung liefern.
Fragestellung: Welche soziodemographischen und klinischen Patientenmerkmale determinieren die Gesundheitskompetenzen von Patientinnen und Patienten (nachfolgend Patientinnen) mit erstmalig diagnostiziertem primärem Mammakarzinom?
Methode: Im Rahmen einer multizentrischen Querschnittsstudie wurden im Jahr 2015 erstmalig an einem Mammakarzinom erkrankte Patientinnen (N=4460) im Anschluss an ihren Aufenthalt in nordrheinwestfälischen Brustkrebszentren (N=86) schriftlich befragt. Mit Hilfe des Health Literacy Questionnaires (HLQ) von Osborne et al. 2013 wurden insgesamt vier ausgewählte Dimensionen der Gesundheitskompetenz erhoben: „Fähigkeit zum aktiven Umgang mit Gesundheitsdienstleistern“, „Fähigkeit gute Gesundheitsinformationen zu finden“, „Gesundheitsinformationen ausreichend zu verstehen, um zu wissen, was zu tun ist“ sowie „Bewertung von Gesundheitsinformationen“. Mit Hilfe multivariater Regressionsmodelle wurden soziodemographische und klinische Determinanten für jede dieser vier Dimensionen ermittelt.
Ergebnisse: Vorläufige Ergebnisse deuten auf teils einheitliche und teils unterschiedliche Determinanten für die einzelnen Dimensionen der Gesundheitskompetenz hin. Einheitlichkeit zeigt sich insofern, als dass ältere Patientinnen, Patientinnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch und Patientinnen mit einem gesetzlichen Versicherungsstatus (verglichen mit einem privaten Versicherungsstatus) in allen Dimensionen über eine geringere Gesundheitskompetenz verfügen. Unterschiede zwischen den Gesundheitskompetenzdimensionen zeigen sich für die Variablen Bildung, Beziehungsstatus sowie Gesundheitszustand. So gehen ein geringerer Bildungsstand, das Leben ohne einen Partner sowie ein schlechterer Gesundheitszustand lediglich mit einer geringeren Gesundheitskompetenz in einzelnen Dimensionen einher, während sich für andere Dimensionen keine Zusammenhänge feststellen lassen.
Diskussion: Die Ausprägung einzelner Dimensionen der Gesundheitskompetenz von Brustkrebspatientinnen mit Ersterkrankung wird von soziodemographischen und klinischen Merkmalen der Patientinnen determiniert.
Praktische Implikationen: Die Ergebnisse liefern wichtige Anhaltspunkte für die Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz, die an die individuellen Bedürfnisse von Brustkrebspatientinnen angepasst sind.
Hintergrund: Die Einbindung von Patientenvertretern in Forschungsprojekte ist wichtig, weil sie die Bedeutung der Forschungsprojekte erhöht und die Implementierung der Ergebnisse in den Versorgungsalltag erleichtert. Seit dem Jahr 2009 sind Patientenvertreter aktiv involviert in Forschungsprojekte der Europäischen Rheumaliga (EULAR). Seit 2010 wurden seitens der EULAR die ersten Trainingskurse für Betroffene durchgeführt, in denen diese auf die Aufgaben eines Patientenvertreters vorbereitet wurden.
Fragestellung: Ziel war es, einen Trainingskurs für Rheumapatienten in Deutschland zu entwickeln, der die Betätigungsfelder von Patientenvertretern in Forschungsprojekten darstellt und auf die Aufgaben vorbereitet. Das Wissen um die Existenz geschulter Patientenvertreter soll die Bereitschaft von Projektleitern erhöhen, Patientenvertreter in ihre Forschungsprojekte einzubinden und somit die Verbreitung partizipativer Forschung fördern. Der Trainingskurs soll bei den Patienten die Scheu vor dem Engagement in dem für sie fremden Bereich der wissenschaftlichen Forschung mindern und ihr Selbstvertrauen stärken.
Methode: Der interaktive Trainingskurs läuft über zwei Tage. Zur Evaluation des Kurses füllen alle Teilnehmer anonym einen Evaluationsbogen mit 14 Fragen aus.
Ergebnisse: Der Trainingskurs besteht aus sieben Modulen. Im ersten Modul (I) werden die Historie der Einbindung von Patientenvertretern in EULAR-Forschungsprojekte und mögliche zukünftige Aufgabenbereiche der geschulten Rheumapatienten als sogenannte „Forschungspartner“ dargestellt. In den anschließenden Modulen werden die unterschiedlichen Gebiete in der Forschung (II), die Entwicklung von Forschungsfragen und Hypothesen (III), verschiedene Forschungsmethoden (IV), generalisierte Abläufe von Forschungsprojekten (V), Literaturrecherchen (VI) und die Erstellung von Gutachten im Rahmen von Förderausschreibungen (VII) erläutert. Jedes Modul ist unterteilt in einen einleitenden Teil, einen Aufgabenteil und einen Diskussionsteil.
Seit Ende 2014 wurden zwei Kurse mit 13 Teilnehmern durchgeführt. Der Kurs wurde ausschließlich als „sehr gut“ (77%) und gut (23%) bewertet. Bisher waren die Forschungspartner an neun Projekten beteiligt. Diejenigen Forschungspartner, die bereits aktiv in Forschungsprojekte eingebunden waren, beschrieben die Tätigkeit als interessant und bereichernd.
Diskussion und praktische Implikationen: Der Trainingskurs wurde von den Teilnehmern sehr gut bewertet. In zukünftigen Auffrischungstreffen, wird die Relevanz der unterschiedlichen Module mit den Forschungspartnern diskutiert werden. Außerdem sollen fehlende Elemente identifiziert werden. Auf Basis dieser Erkenntnis wird der Trainingskurs ständig weiterentwickelt. Die Deutsche Rheuma-Liga strebt an, dass in allen von ihr geförderten Projekten Forschungsansätze der partizipativen Forschung genutzt werden.
Titel:
Stand der Forschung zur Teilhabe- und Patientenorientierung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der GKV
Hintergrund:
Im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes wurde eine systematische Literaturrecherche und -bewertung zum aktuellen Stand der Forschung zur Teilhabeorientierung in der Rehabilitation durchgeführt. Im Mittelpunkt stand die besondere Zielgruppe der nicht mehr im Erwerbsleben stehenden älteren Versicherten und ihrer Förderung von Teilhabe im Kontext der medizinischen Rehabilitation der GKV. Damit müssen viele unterschiedliche Teilhabebedarfe Älterer in den Blick genommen werden, was sich nicht zuletzt auch dadurch bedingt, dass sich die Lebensphase Alter ausdifferenziert und sich ältere Menschen immer mehr Teilhabemöglichkeiten erschließen. Bei der Literaturrecherche zeigte sich zunächst die Notwendigkeit, den Begriff der Teilhabe zu operationalisieren und seine unterschiedlichen Facetten zu spezifizieren, was aufgrund der zu berücksichtigenden Mehrdimensionalität der Zielgruppe als auch unterschiedlich existierender Teilhabeverständnisse eine Herausforderung darstellte. Für das Poster wird auf diese Operationalisierung und Systematisierung spezifischer Teilhabefelder für ältere Menschen mit Beeinträchtigungen fokussiert.
Fragestellung:
Um eine Suchstrategie für die Literaturrecherche mit präzisen Suchbegriffen entwickeln zu können, wurde in einem ersten Schritt eine inhaltlich-konzeptionelle Grundlage erarbeitet, womit hier die Frage nach der theoretischen Operationalisierung des Begriffs der Teilhabe fokussiert wird.
Methode:
Das Teilhabekonzept der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) stellt die Grundlage der formulierten Teilhabefelder dar. Allerdings erschien eine ausschließliche Orientierung an der ICF nicht sinnvoll, da in der Literatur vorhandene Spezifika von Teilhabefeldern für ältere Menschen mit Beeinträchtigungen in der ICF nur bedingt abgebildet werden. Somit erfolgte die Operationalisierung zudem auf der Grundlage weiterer (nationaler wie internationaler) Bezugsliteratur, wie z.B. der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Durch Definition sowie Differenzierung in Subaspekte wurde eine Abgrenzung der sich abzeichnenden Teilhabefelder vorgenommen. Letztlich konnten sieben inhaltlich-theoretisch begründete Teilhabefelder resp. Teilhabecluster entwickelt werden.
Ergebnisse:
Das Ergebnis stellt eine fundierte Systematisierung von Teilhabefeldern dar, sie umfassen die Felder:
1. Alltag, Pflegebedarf und Wohnen
2. Mobilität, öffentlicher Raum, Sicherheit und Schutz
3. Übergang in den Ruhestand, Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit und Freizeitgestaltung
4. Familie und weitere soziale Beziehungen
5. Materielle Lage und materielle Rahmenbedingungen
6. Gesellschaftliches Leben und Zugang zu Lernfeldern
7. Kommunikation und Mediengebrauch
Jedes dieser Teilhabefelder differenziert sich in weitere Teilhabeaspekte auf.
Diskussion:
Die Operationalisierung der Dimensionen von Teilhabe hat sich in diesem inhaltlich sehr weiten und wenig spezifizierten Feld der Teilhabe als aufwändig und äußerst notwendig gezeigt. Sie wird als theoretischer Beitrag und Anregung zur Diskussion über die theoretische Bündelung verschiedener Teilhabefacetten in Dimensionen verstanden.
Praktische Implikationen:
Mit der Operationalisierung und Systematisierung des Teilhabebegriffs wird eine theoretisch-konzeptionelle Auseinandersetzung mit dem Thema Teilhabe im Kontext der medizinischen Rehabilitation bei älteren, nicht mehr im Erwerbsleben stehenden Menschen vorgeschlagen. Sie kann als heuristisches Werkzeug für aktuelle vertiefende Recherchen im Zusammenhang mit dem Thema Teilhabe genutzt werden.
Evaluation von Qualitäts- und Bewertungsportalen im Internet – Relevanz und Nutzen im Hinblick auf die Patientenorientierung
Hintergrund:
Das Internet ist ein wichtiges Medium zur Beschaffung von Gesundheitsinformationen und gibt in vielerlei Hinsicht Auskunft über die Leistungen stationärer Einrichtungen. Zahlreiche Internetportale informieren auf unterschiedliche Weise über Krankenhäuser und deren medizinische Qualität. Eigenen Begutachtungen zu Folge scheinen die Portale nicht niederschwellig genug und dadurch unverständlich. Es ist somit zu hinterfragen, inwieweit die Portale der Öffentlichkeit eine Orientierung geben und damit bei der Krankenhaussuche helfen. Eine Evaluation des Nutzungsverhaltens soll helfen, mögliche Verbesserungspotentiale aufzudecken und Strategien zu entwickeln, die der Patientenorientierung dienen.
Fragestellung:
Wie ist das Nutzungsverhalten gegenüber Qualitätsportalen im Internet und inwiefern trägt die Nutzung zur selbstbestimmten Entscheidungen bei der Krankenhauswahl bei?
Methode:
Um das Nutzungsverhalten zu ermitteln erfolgten zunächst eine Internet- und eine Literaturrecherche über medline und SpringerLink. Die anschließend geführten explorativen Interviews mit Patienten einer Uniklinik sollen ein erstes Sampling bilden. Hinsichtlich der befragten Personen wurden wenige Einschränkungen gesetzt. Insgesamt wurden bislang 16 elektiv einbestellte Patienten im Alter zw. 18 und 63 J. befragt.
Ergebnisse:
Die Internetrecherche ergab, dass derzeit 15 Portale online sind. Die Bewertung der Inhalte nach deren Verständlichkeit, Vergleichbarkeit, der Herkunft der Informationen und Ziele ergab eine Einteilung in drei Kategorien: Bewertungsportale (6), Qualitätsportale (3) und Krankenhausfinder (6). Bewertungsportale basieren hauptsächlich auf Patientenbewertungen und Erfahrungen, die wie in Foren ausgetauscht werden. Qualitätsportale sollen die medizinische Qualität der Krankenhäuser objektiv darstellen. Basis dieser Portale sind die Qualitätsberichte. Krankenhausfinder ziehen für die Darstellung der Krankenhäuser sowohl Empfehlungen von Patienten, als auch Qualitätsberichte heran und ermöglichen die konkrete Suche mithilfe verschiedener Kriterien, wie der Diagnose, dem Standort und der medizinischen Ausstattung. Die reine Existenz dieser Portale gibt jedoch noch keine Auskunft darüber, inwiefern die gebotenen Informationen genutzt werden, ob sie ausreichend und verständlich sind und wie hilfreich sie für die Wahl eines Krankenhauses sind. Dieser Thematik scheint bislang eher wenig Beachtung geschenkt worden zu sein, denn auch die Literaturrecherche lieferte keine ausführlichen Ergebnisse zur Nutzung der Portale. Häufig wurden nur die Wichtigkeit des Mediums Internet und die Informationsbedürfnisse von Patienten betont.
Die Interviews ergaben, dass fast alle Befragten hinsichtlich der Wahl des Krankenhauses am Ehesten auf die Empfehlung des einweisenden Arztes vertrauen. Die Existenz der Qualitäts- und Bewertungsportale war nur einer geringen Anzahl der Interviewten bekannt. Oft schienen die Patienten gegenüber dem Internet als Informationsquelle für den bevorstehenden Krankenhausaufenthalt skeptisch zu sein, da Unsicherheiten bzgl. des Wahrheitsgehaltes der dargestellten Informationen existieren. Das Internet wird eher als Quelle für Zusatzinformationen, wie die Ausstattung der Stationen, die behandelnden Ärzte oder die Erkrankung selbst genutzt. Besonders negativ fiel die Beurteilung der Bewertungsportale aus, die Freitextangaben zulassen. Nach Aussage einiger Interviewpartner würden rein subjektive Erfahrungen präsentiert, die häufig nicht dem medizinischen Standard und der Behandlungsqualität entsprechen.
Diskussion:
Die Relevanz des Vorhabens ergibt sich daraus, dass vielen Menschen das Wissen über die Existenz der Internetportale zur Darstellung der medizinischen Versorgungsqualität in stationären Einrichtungen fehlt. Dies verhindert die eigenständige Recherche. Genau damit verfehlen die Portale aber ihr Ziel. Deshalb erscheint es wichtig, (potentielle) Patienten darüber aufzuklären, welche Portale es gibt und welche unterstützend bei der Wahl des Krankenhauses wirken können, da anzunehmen ist, dass ein aufgeklärter und selbstbestimmter Patient auch die Effizienz der Behandlung beeinflusst. Oder man muss die Intention Qualitätsmerkmale und -defizite transparent darstellen zu wollen grundsätzlich überdenken, da ein enormer Fundus an Informationen ungenutzt bleibt.
Praktische Implikation:
Es werden zunächst noch weitere Interviews geführt und diese qualitativ ausgewertet. Aus den bisherigen Ergebnissen wird bereits ersichtlich, dass es im Hinblick auf eine vermeintliche Steigerung des Nutzens von Bewertungsportalen auch zu einer Steigerung der Patienteninformation über die Existenz und die Sinnhaftigkeit der Portale kommen muss. Zu diesem Zweck wurden bereits aufklärende und wegweisende Materialien entwickelt, welche den Patienten als Orientierungs- und Kommunikationshilfe dienen könnten.
Mit freundlicher Unterstützung des Gesundheitswissenschaftlichen Instituts Nordost (GeWINO) der AOK Nordost
Mit freundlicher Unterstützung des Gesundheitswissenschaftlichen Instituts Nordost (GeWINO) der AOK Nordost
Das Land Mecklenburg-Vorpommern (M-V) übernimmt die Länderpartnerschaft des 16. DKVF. M-V gilt als Modellregion
für die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Alterszusammensetzung der Bevölkerung und die Veränderungen
der Morbidität.
In dieser Landes-Session werden ausgewählte Projekte aus der
Region M-V und Lösungen, die dort entwickelt werden, vorgestellt.
Gesundheitskompetenz ist einer der zentralen Themen der Versorgungsforschung geworden. Trotz hohem Bildungsstand haben auch diese Patienten Schwierigkeiten mit ihrer Gesundheitsversorgung. Damit Patienten informierte Entscheidungen treffen können, sollten sowohl eine Leitlinie zu evidenzbasierter Gesundheitsinformation als auch Strategien zur Gesundheitskompetenzförderung in Deutschland entwickelt werden. Denn eine unterschiedlich ausgeprägte Gesundheitskompetenz hängt auch mit einer unausgeglichenen Versorgungsnutzung zusammen. Insbesondere vulnerable Gruppen und chronisch kranke Menschen brauchen ein angemessenes Maß an Gesundheitskompetenz um den Umgang mit ihrem Risiko bzw. ihrer Krankheit umgehen zu können. Mögliche Interventionsansätze um die Gesundheitskompetenz bei vulnerablen Gruppen und chronisch kranken Patienten zu steigern sind beispielsweise Selbsthilfegruppen.
Hintergrund: Leitlinien sind wesentliche Instrumente zur Förderung der Qualität medizinischer Versorgung. Sie enthalten klare Handlungsempfehlungen und unterstützen somit die Anwenderinnen und Anwender in Entscheidungsprozessen. Auch evidenzbasierte Gesundheitsinformationen (EBGI) zielen auf die Verbesserung der Versorgung ab. Sie sind eine Voraussetzung für informierte Entscheidungen. Bürgerinnen und Bürger wollen mehr und vor allem glaubwürdigere Informationen und eine größere Beteiligung an der Entscheidungsfindung.
Fragestellung: Ziel des Projektes war die Entwicklung einer Leitlinie zur Erstellung von evidenzbasierten Gesundheitsinformationen und eines Schulungsprogramms zur Unterstützung der Implementierung.
Methode: Der methodischen Planung liegen zum einen das Leitlinien Manual von AWMF und ÄZQ zur Entwicklung von S3 Leitlinien, das Guideline Developer's Handbook des Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN), AGREE II, GRADE sowie der aktuelle Diskurs zu Reformansätzen für die Entwicklung von Leitlinien, die auf die Minimierung von Bias abzielen, zugrunde. Die Evidenz wurde von einem unabhängigen Zentrum für evidenzbasierte Medizin aufbereitet. Für alle einbezogenen Studien wurden Zusammenfassungen (study fact sheets) bereitgestellt. Zu jeder Fragestellung wurden Evidenztabellen erstellt. Die Konsentierung der Leitlinienempfehlungen erfolgte in Adobe Connect Konferenzen. Ergänzend zur Leitlinie wurde theoriegeleitet ein Schulungsprogramm entwickelt und pilotiert.
Ergebnisse: Leitlinie: Es wurden kognitive (Verstehen, Risikoeinschätzung) und affektive (Akzeptanz, Attraktivität) Ergebnisparameter definiert, hierarchisiert und konsentiert. Zudem wurden Endpunkte, die auf einen möglichen Schaden hinweisen, einbezogen (z.B. persuasiveness).
Aus 30 Fragen zu Inhalten, Darstellungen und dem Erstellungsprozess wurden 20 Empfehlungen konsentiert. Die übrigen Fragen zu ethischen Ansprüchen wurden, ohne Aufbereitung von Evidenz als obligate Bestandteile von Gesundheitsinformationen konsentiert.
Die 20 Empfehlungen beziehen sich auf folgende Themenbereiche: Darstellung von Häufigkeiten (n=5); Einsatz von Grafiken (n=6); Einsatz von Bildern und Zeichnungen (n=5); Einsatz von Narrativen (n=1); Klärung persönlicher Präferenzen (n=0); Formate (n=2); Einbeziehung der Zielgruppe (n=1).
Das insgesamt fünftägige Schulungsprogramm beinhaltet zwei Module. Das erste Modul, ein EbM Trainingsmodul, umfasst fünf Teilmodule zu Methoden der evidenzbasierten Medizin (Kohortenstudien und randomisiert-kontrollierte Studien, Fragestellung und Literaturrecherche, systematische Übersichtsarbeiten, diagnostische Tests und evidenzbasierte Gesundheitsinformation). Das zweite Modul beinhaltet die Nutzung der Leitlinie. Das Programm soll die Implementierung unterstützen.
Diskussion: Die etablierte Methodik für qualitativ hochwertige Leitlinien ist übertragbar auf die medizinische Intervention Informationsmaterial. In einem nächsten Schritt soll geprüft werden, inwieweit die Leitlinie die Qualität von Gesundheitsinformationen verbessern kann. Im Erstellungsprozess der Leitlinie wurde Forschungsbedarf für diverse Themen identifiziert, z.B. Sprache, Narrative, Bilder- und Zeichnungen.
Praktische Implikationen: Die Leitlinie kann den Erstellungsprozess von Gesundheitsinformationen strukturieren und über die Definition und Präsentation der Inhalte informieren. Die Leitlinie wird über die Homepage der Leitlinie (http://www.leitlinie-gesundheitsinformation.de/) sowie über das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin zur Verfügung gestellt.
Hintergrund: Der HLS-GER als erste repräsentative Studie zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland zeigt, dass ein großer Teil der Bevölkerung in Deutschland Schwierigkeiten hat, mit gesundheitsbezogenen Informationen umzugehen. Sie sind mit erheblichen Herausforderungen im Erhalt ihrer Gesundheit, der Prävention von Krankheiten und der Nutzung des Gesundheitssystems konfrontiert. Solche Ergebnisse veranschaulichen, wie wichtig die Förderung der Gesundheitskompetenz und wie groß der politische Handlungsbedarf in Deutschland ist. Um die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu verbessern, ist eine gesamtgesellschaftliche Strategie erforderlich.
Fragestellung: In welchen Bereichen besteht primärer Handlungsbedarf, und wie kann Gesundheitskompetenz in Deutschland gestärkt werden?
Methode: Basierend auf den empirischen Ergebnissen der repräsentativen Befragung zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland (HLS-GER) wurden durch ein 15-köpfiges Expertengremium bestehende Defizite und primäre Handlungsfelder identifiziert. In sechs Expertengremiumssitzungen wurden Empfehlungen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz in Deutschland erarbeitet.
Ergebnisse: Niedrige Gesundheitskompetenz betrifft mehr als die Hälfte (54,3%) der Bevölkerung in Deutschland und folgt einem sozialen Gefälle. Zudem zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen: Bei Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit niedrigem Bildungsniveau, Menschen mit fragiler Gesundheit und Menschen im höheren Lebensalter ist der Anteil niedriger Gesundheitskompetenz höher als in der Allgemeinbevölkerung. Deshalb müssen gesamtgesellschaftliche Strategien mit zielgruppenspezifischen Maßnahmen kombiniert werden. Durch drei primäre Handlungsfelder sollte Gesundheitskompetenz gestärkt werden: (i) durch die Förderung und Erhaltung von Gesundheit, (ii) durch eine gesundheitskompetente und nutzerfreundliche Gestaltung des Gesundheitssystems, und (iii) durch das Ermöglichen eines guten Lebens mit chronischer Krankheit. Im Hinblick auf die Umsetzung eines Konzeptes zur Förderung von Gesundheitskompetenz ist die Zusammenarbeit von Akteuren, die Berücksichtigung gesundheitlicher Ungleichheit, die Einbeziehung der Nutzer und die Evidenzbasierung essentiell.
Diskussion: Gesundheitskompetenz ist sozial ungleich verteilt. Maßnahmen, die allein auf Informationsbereitstellung fokussieren, können gesundheitliche Ungleichheit verstärken. Deshalb muss die Förderung von Gesundheitskompetenz den Prinzipien des proportionalen Universalismus und der Verhältnisprävention folgen. Bedeutender Handlungsbedarf besteht im Bereich der medizinischen Versorgung und der Veränderung von systemischen und organisationalen Bedingungen, die es Menschen erschweren, gesundheitsrelevante Information zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden.
Praktische Implikationen: Um die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland nachhaltig zu stärken und Selbstbestimmung und Teilhabe in der gesundheitlichen Versorgung zu ermöglichen, sind umfangreiche Veränderungen in der Gesundheitsförderung, der Gestaltung der gesundheitlichen Versorgung und der Versorgung chronisch Kranker nötig. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit verschiedener gesellschaftspolitischer Handlungsträger kann dazu beitragen, eine gesamtgesellschaftliche Strategie zur Stärkung von Gesundheitskompetenz in Deutschland umzusetzen.
Titel: Gesundheitskompetenz im Lebensverlauf und Nutzung des Gesundheitssystems
Hintergrund: Gesundheitskompetenz ist im englischsprachigen Raum ein seit vielen Jahren diskutiertes Konzept, zu dem bereits eine Reihe an empirischen Daten vorliegt. Internationale Studien deuten an, dass Menschen mit niedriger Gesundheitskompetenz häufiger Dienste der Akutversorgung in Anspruch nehmen. Bislang ist das empirische Wissen über die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland noch gering.
Fragestellung: Wie ist die Gesundheitskompetenz verschiedener Altersgruppen in Deutschland mit der Versorgungsnutzung verknüpft?
Methode: Die Ergebnisse basieren auf der repräsentativen Querschnitterhebung zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland (HLS-GER), bei der 2000 Personen ab 15 Jahren mit Hilfe computer-assistierter-persönlicher Interviews befragt wurden. Zur Messung der Gesundheitskompetenz wurde die Langversion des HLS-EU-Q47 eingesetzt, der die Schwierigkeit bei der Durchführung ausgewählter gesundheitsrelevanter Aufgaben oder Tätigkeiten erfragt. Der Zusammenhang zwischen Gesundheitskompetenz und Arztkontakten in den letzten 12 Monaten sowie Nutzung des ärztlichen Notfalldienstes in den letzten 2 Jahren in verschiedenen Altersgruppen wurde mittels chi-quadrat Tests und logistischen Regressionen erfasst. Die multivariaten logistischen Regressionen berücksichtigen die soziodemografischen Faktoren selbsteingeschätzter Sozialstatus, Geschlecht, Bildung, Migrationshintergrund und funktionale gesundheitliche Literalität.
Ergebnisse: 54,3 Prozent der Deutschen verfügen über eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz. Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung unterliegt einem deutlichen Altersgefälle. Während etwa 47 Prozent der Befragten im Alter von 15 bis 29 und 30 bis 45 Jahren eine eingeschränkte Health Literacy haben, sind es bei Personen im Alter von 46 bis 64 Jahren bereits 55,2 Prozent. Menschen ab 65 Jahren weisen zu 66,5 Prozent eine geringe Gesundheitskompetenz auf. In der jüngsten Altersgruppe weisen über 60 Prozent der Befragten mit mehr als drei Arztkontakten im Jahr eine geringe Gesundheitskompetenz auf. Befragte mit maximal zwei Arztkontakten haben zu 43 Prozent eine geringe Gesundheitskompetenz. Der ärztliche Notfalldienst wird von 72,7 Prozent der Befragten im Alter von 46 bis 64 Jahren mit limitierter Gesundheitskompetenz genutzt, dagegen nur von 52,2 Prozent der Befragten mit ausreichender Health Literacy. Diese Tendenzen ziehen sich durch alle Altersgruppen. Dabei zeigen die Ergebnisse multivariater Regressionen unter Berücksichtigung soziodemografischer Variablen, dass eine geringe Gesundheitskompetenz in allen Altersgruppen mit einer hohen Anzahl an Arztbesuchen assoziiert ist. Befragte aller Altersgruppen mit mehr als zwei Arztbesuchen haben eine mindestens 2-mal so hohe Chance für geringe Gesundheitskompetenz als Befragte mit maximal zwei Arztbesuchen im Jahr. Personen in der Altersgruppe 46 bis 64 Jahre, die in den letzten 2 Jahren den ärztlichen Notfalldienst genutzt haben, weisen – unabhängig von soziodemografischen Faktoren – eine 2-mal so Chance auf eine limitierte Gesundheitskompetenz zu haben als Personen, die keinen Notfalldienst aufsuchen.
Diskussion: Health Literacy wurde anhand der selbsteingeschätzten Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen erfragt. Ein Grund für den Zusammenhang zwischen geringer Gesundheitskompetenz und häufigerer Nutzung des Versorgungssystems könnte daher sein, dass Befragte, die mit Entscheidungen zu Gesundheit und Gesundheitsversorgung konfrontiert sind, mehr Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Gesundheitsinformationen empfinden als Befragte die nur hypothetisch über Anforderungen im Umgang mit Informationen nachdenken. Ein anderer Grund könnte sein, dass Befragte mit geringer Health Literacy häufiger Hilfe und Leistungen in Anspruch nehmen als Befragte mit ausreichender Gesundheitskompetenz. Die Ergebnisse könnten zudem durch den Gesundheitszustand beeinflusst sein, der nicht in die Analyse eingeschlossen werden konnte. Dass die Ergebnisse für den ärztlichen Notfalldienst keinen deutlichen Zusammenhang in der multivariaten logistischen Regression zeigen, könnte der geringen Fallzahl geschuldet sein. Jedoch könnte auch die Kontrolle für beispielsweise den Migrationshintergrund den Effekt der Gesundheitskompetenz überlagern, denn es ist bekannt, dass sie ärztliche Notfalldienste häufig nutzen und zugleich eine geringe Health Literacy aufweisen.
Praktische Implikationen: Die Ergebnisse zeigen, dass geringe Gesundheitskompetenz in allen Altersgruppen eng mit der Versorgungsnutzung verknüpft ist. Interventionen sollten daher zum einen auf der individuellen Ebene ansetzen und die persönliche Gesundheitskompetenz in allen Altersgruppen fördern. Zum anderen sind strukturelle Interventionen erforderlich, die auf die Verbesserung kommunikativer Kompetenzen der Gesundheitsprofessionen und der Nutzerfreundlichkeit des Versorgungssystems zielen.
Hintergrund: Aufgrund des wachsenden Erkenntnisstands und des technischen Fortschritts auf dem Gebiet der prädiktiven Diagnostik lassen sich immer genauere und frühzeitigere Aussagen über individuelle Erkrankungsrisiken treffen. Verstärkt wird dieser Trend durch die Entwicklung holistischer Ansätze der Früherkennung wie z.B. der systemmedizinischen Risikoprofilanalysen. Individualisierte Risikoprofile versprechen immer zuverlässigere Vorhersagen zu Wahrscheinlichkeiten des Ausbruchs und Verlaufs zukünftiger Krankheiten und ermöglichen die Entwicklung immer früher ansetzender Präventionsangebote.
Personen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko wie auch Leistungserbringer sind aufgrund dieser Entwicklungen mit einer stetig zunehmenden Menge an komplexen Informationen und sich hieraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten konfrontiert. Die Betroffenen müssen diese kennen, verstehen, bewerten und nachhaltig umzusetzen wissen. Hierdurch werden besondere Anforderungen an die Gesundheitskompetenz im Sinne individueller Fähigkeiten wie auch eines gesundheitskompetenten Umfelds gestellt. Systematische Erkenntnisse hinsichtlich der Rolle der Gesundheitskompetenz bei Menschen mit (potenziell) erhöhtem Krankheitsrisiko fehlen jedoch bisher.
Fragestellung: Das vorliegende Projekt richtet sich an Menschen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Erkrankung oder einen ungünstigen Krankheitsverlauf. Übergeordnetes Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz dieser Personen in unterschiedlichen medizinischen Bereichen besser zu verstehen, konzeptionell aufzuarbeiten und für die Gesundheitsversorgung fruchtbar zu machen. Spezifische Zielsetzungen sind (1) die Identifizierung von Einflussfaktoren auf die Gesundheitskompetenz im Umgang mit einem erhöhten Krankheitsrisiko; (2) die Entwicklung integrativer und kontextsensitiver Kommunikationskonzepte unter Einbeziehung der betroffenen Personen sowie unterschiedlicher Berufsgruppen; und (3) der Aufbau von Strukturen zur nachhaltigen und effizienten Unterstützung individueller sowie systemischer Gesundheitskompetenz.
Methode: Das Projekt ist entlang der ersten drei Phasen des Modells zur Entwicklung und Evaluation komplexer Interventionen (Theoriebildung, Modellierung, exploratorische Studien) konzipiert und sieht ein mehrstufiges multimethodisches Forschungsdesign vor. Anhand ausgewählter Krankheitsbilder aus der Onkologie, Kardiologie, Psychiatrie und Neuropsychiatrie soll der gesamte Weg vom Zugang zu risikobezogenen Gesundheitsinformationen über deren Verständnis und Bewertung bis hin zur Entscheidung und deren Umsetzung in gesundheitsbezogenes Handeln analysiert werden. Durch einen interdisziplinären wissenschaftlichen Ansatz finden unterschiedliche Perspektiven auf Gesundheitskompetenz Berücksichtigung; im intensiven Forschungs-Praxis-Dialog sollen relevante Akteur*innen aus der Gesundheits- und gesundheitsnahen Versorgung kontinuierlich in den Forschungsprozess eingebunden werden.
In der ersten Projektphase wurden Systematic Reviews zur Gesundheitskompetenz bei Personen mit erhöhtem Risiko in den vier klinischen Anwendungsbereichen durchgeführt. Hierauf aufbauend folgen qualitative Erhebungen mittels narrativer Interviews, Gruppendiskussionen und ethnographischer Feldbeobachtung. Auf dieser Grundlage sollen ein modular aufgebautes Instrumentarium zur Erfassung von Gesundheitskompetenz entwickelt und ein langfristiger Datenpool zur Gesundheitskompetenz von Risikopersonen aufgebaut werden. Perspektivisch ist die Entwicklung und Evaluation maßgeschneiderter Interventionen in Kooperation mit den Praxispartnern geplant.
Ergebnisse: Erste Ergebnisse der Systematic Reviews zeigen deutliche Unterschiede im Erkenntnisstand zur Gesundheitskompetenz für die vier exemplarischen Krankheitsbilder, sowohl in quantitativer (Trefferzahlen) als auch in qualitativer Hinsicht (Krankheitskonzepte, ätiologische Erklärungsmodelle, Definition von Risikokriterien, Operationalisierung von Gesundheitskompetenz).
Diskussion und praktische Implikationen: Die vorläufigen Projektergebnisse legen nahe, dass die Bedeutung der Gesundheitskompetenz in den verschiedenen klinischen Anwendungsbereichen im Zusammenhang mit den historischen Entwicklungen der jeweiligen Krankheitskonzepte, Risikofaktoren, ätiologischen Erklärungsmodelle, sowie der entsprechenden Präventionsansätze steht. Hieraus lassen sich Erkenntnisse für die Priorisierung relevanter Interventionen im Rahmen der Gesundheitsversorgung ableiten. Es wird erwartet, dass die Ergebnisse des Projekts wesentlich zu einem reflektierten Umgang mit Gesundheitsrisiken beitragen und sich positiv auf die Inanspruchnahme risikoadjustierter Präventionsangebote auswirken können. Die im Rahmen der Systematic Reviews verwendeten Suchkriterien können für ein kontinuierliches Monitoring in den jeweiligen klinischen Anwendungsfeldern eingesetzt werden, um die aktuelle Evidenz für die Versorgung nutzbar zu machen.
Das Projekt wird durch die Robert Bosch Stiftung gefördert.
Hintergrund
Das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte multizentrische Projekt „Gesundheitsbezogene Selbsthilfe in Deutschland – Entwicklungen, Wirkungen, Perspektiven“ (SHILD) untersucht seit 2013 Strukturen, Bedarfe und Wirkungen der Selbsthilfe. Eine Teilstudie analysiert die Wirkung der Selbsthilfegruppenbeteiligung bei den teilnehmenden Menschen mit unterschiedlichen Erkrankungen (Diabetes Typ 2, Prostatakrebs, Multiple Sklerose, Tinnitus). Ziel ist unter anderem, Erkenntnisse über Selbstmanagementfähigkeiten und Gesundheitskompetenz von Selbsthilfeaktiven im Vergleich zu Nicht-Selbsthilfeaktiven zu gewinnen.
Methodik
Befragt wurden chronisch Kranke, die in Selbsthilfegruppen aktiv sind (Gruppe a) und im Vergleich dazu Personen, die diese Unterstützung nicht in Anspruch nehmen (Gruppe b). Beide Gruppen wurden schriftlich bzw. über Onlinefragebögen interviewt. Die Rekrutierung der Personen erfolgte für Gruppe a über die Selbsthilfeorganisationen und –kontaktstellen, für Gruppe b über Arztpraxen, Krankenkassen, Kliniken. Die Selbstmanagementfähigkeiten wurden mit dem Health Education Questionnaire (HeiQ) erfasst, von dem die fünf Dimensionen „soziale Unterstützung und Integration“, „Erwerb von Fertigkeiten und Handlungsstrategien“, „Konstruktive Einstellungen“, „Selbstüberwachung und Krankheitsverständnis“ und „Kooperation und Zurechtfinden im Gesundheitswesen“ genutzt wurden. Um gesundheitsbezogenes Wissens zu erheben, wurden Fragen zu Leitlinien, Patientenrechten und ausgewählten krankheitsspezifischen Aspekten integriert.
Ergebnisse
Im Querschnittsdesign konnten 1.238 Mitglieder aus Selbsthilfegruppen (Weiblich: 41%; Alter im Mittel: 63 Jahre; Schulbildung hoch: 46%, niedrig: 27%) mit 1.321 Gleichbetroffenen, die keine Selbsthilfegruppe besuchen (Weiblich: 53%; Alter im Mittel: 55 Jahre; Schulbildung hoch: 48%, niedrig: 20%), verglichen werden. Die Selbsthilfeaktiven sind im Vergleich schwerer durch ihre Erkrankung beeinträchtig als die Nicht-Selbsthilfeaktiven (57% vs. 36%). Sie sind zudem häufiger als Nicht-Selbsthilfeaktive auch außerhalb der Selbsthilfe sozial engagiert (51% vs. 21%).
Die Selbstmanagementkompetenzen insgesamt schätzen die Befragten beider Gruppen hoch ein (Skala 1-4↑; Mittelwert gesamt: 3,5). Multivariate logistische Regressionen mit allen Teilnehmenden zeigen, dass höhere Selbstmanagementkompetenzen in allen Dimensionen des HeiQ mit höherem Alter und höherer Schulbildung assoziiert sind. Auch zeigen sich Zusammenhänge zwischen der Mitgliedschaft in einer Selbsthilfegruppe und höheren Werten in den HeiQ-Dimensionen „soziale Unterstützung und Integration“ (OR: 1,3; CI: 1,1-1,6; p<0,05) sowie „Erwerb von Fertigkeiten und Handlungsstrategien“ (OR: 1,2; CI: 1,0-1,5; p<0,05). In den Dimensionen „Konstruktive Einstellungen“, „Selbstüberwachung und Krankheitsverständnis“, „Kooperation und Zurechtfinden im Gesundheitswesen“ werden dagegen keine Zusammenhänge mit einer Selbsthilfegruppenmitgliedschaft deutlich.
Mehr Wissen über Patientenrechte (OR:1,2; CI: 1,0-1,4; p=0,05), eine bessere Leitlinienkenntnis (OR: 1,9; CI: 1,6-2,3; p<0,05) und ein ausgeprägteres krankheitsspezifisches Wissen (OR: 1,3; CI: 1,1-1,5; p<0,05) sind assoziiert mit einer Mitgliedschaft in Selbsthilfegruppen.
Diskussion
Bei der Rezeption der Ergebnisse sind zunächst Selektionseffekte zu berücksichtigen, die aus der gewählten Rekrutierungsstrategie resultieren und die sich vermutlich auch in der hohen Selbsteinschätzung der Selbstmanagementkompetenz niederschlagen. Unterschiede zwischen Selbsthilfeaktiven und Nicht-Aktiven sind zwar nicht durchgängig zu beobachten, sie zeigen sich aber bei der sozialen Unterstützung und beim Erwerb von Fertigkeiten und Handlungsstrategien; Mitglieder aus Selbsthilfegruppen weisen hier höhere Werte auf. Dieser Zugewinn an Fertigkeiten korrespondiert mit einem gesteigerten krankheitsspezifischen Wissen und mehr Kenntnis zu Leitlinien und Patientenrechten.
Praktische Implikationen
Die Mitgliedschaft in einer Selbsthilfegruppe kann krankheitsbezogenes Wissen und gesundheitssystembezogenes Verständnis positiv beeinflussen. Es kann vermutet werden, dass sich das Informationsmanagement, das viele Selbsthilfeorganisationen in den letzten Jahren ausgebaut haben, positiv auf das Wissen und damit die Gesundheitskompetenz ihre Mitglieder auswirkt, zudem stärken die Gruppen nach wie vor die soziale Unterstützung und gemeinsame Bewältigung von Erkrankungen. Selbsthilfegruppen sind auch in der aktuellen Diskussion über eine geringe Gesundheitskompetenz der Bevölkerung eine wichtige Institution, deren Rolle bei der Entwicklung von aktuellen Strategien zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz chronisch Erkrankter mehr als bisher berücksichtigt werden sollte.
Sitzungssprache ist Englisch
Patient-reported outcomes (PRO) are health outcomes that are directly reported by the patient, usually using paper or electronic questionnaires. PROs have a central role in health care research: With the rise of patient-centeredness, patient benefit has become the central touchstone for any health care intervention. This implies that we measure what really matters to patients, and that patients themselves are the ones who report on the outcomes of the health care they receive. However, given the highly subjective nature of many constructs measured with PROs (such as health-related quality of life), methodological rigour is crucial to the validity of PRO data. In this session, we will look at PROs from different perspectives, including instrument development and validation, patient-relevance of outcomes, bias in PRO assessment, and outcome predictors.
Hintergrund und Fragestellung
Der EORTC QLQ-LC13 (European Organisation for Research and Treatment of Cancer Quality of Life Questionnaire - Lung Cancer) ist das erste Modul, das in Verbindung mit dem Kernfragebogen C30 entwickelt wurde. Der Zweck des Moduls ist es, erwünschte und unerwünschte Effekte von Therapien aus Patientensicht (patient-reported outcome) im Rahmen von klinischen Studien zu erfassen. Seit der Veröffentlichung des LC13 im Jahr 1994 wurden bei der Behandlung von Lungenkrebs sowie bei der Messung von Lebensqualität große Fortschritte erzielt. Deshalb hat sich die EORTC entschieden, ein Projekt zur Aktualisierung des LC13 zu fördern.
Methode
Das Studiendesign folgte den Phasen I bis III, wie sie im EORTC Modul Development Manual beschrieben sind. Phase I generierte relevante Aspekte der Lebensqualität unter Verwendung verschiedener Quellen, insbesondere der Beteiligung von Patienten. Phase II wandelte die Aspekte in geeignete Fragen um, die dem EORTC-Fragenformat entsprechen. Eine internationale, multizentrische Phase III Studie untersuchte die Akzeptanz und Verständlichkeit des provisorischen Moduls. Das provisorische Modul bestand aus insgesamt 48 Fragen und beinhaltete auch alle 13 Originalfragen. Die neuen Fragen bezogen sich auf Nebenwirkungen neuer Therapien (targeted therapies), Nebenwirkungen thoraxchirurgischer Eingriffe und Ängste, die mit der Tumorerkrankung einhergehen. Es wurden a priori metrische und qualitative Kriterien definiert, die die Fragen erfüllen mussten, um für die Endversion des Bogens tauglich zu sein: Relevanz, Verständlichkeit, Boden/Decken-Effekte, Mittelwert und Spannweite, fehlende Werte. Biometrische Methoden beinhalteten deskriptive Statistiken und erste psychometrische Analysen (Cronbachs Alpha).
Ergebnisse
Zweihundert Patienten nahmen an dieser internationalen multizentrischen Studie teil. Die Patienten wurden in 12 Zentren aus neun Ländern rekrutiert, die regional folgendermaßen zugeordnet werden können: Norden (Deutschland, Norwegen, n = 80 Patienten), Süden (Zypern, Israel, Italien, Spanien, n = 60), Osten (Polen, n = 30), englischsprachig (UK, n = 28) und außereuropäisch (Taiwan; n = 2). Das mediane Alter der Patienten betrug 65 Jahre (Bereich 39-91, Mittel = 63,76, SD = 9,04) und 59% waren männlich. Die meisten Patienten hatten eine fortgeschrittene Erkrankung (NSCLC IV, 39%), litten zusätzlich an diversen Komorbiditäten (67%) und wurden mit palliativer Therapieabsicht (56%) behandelt. Die Patienten wurden entsprechend ihrer Primärtherapie in drei Hauptbehandlungsgruppen aufgeteilt: Chirurgie (n = 58), Radio-Chemotherapie (n = 113) und neue zielgerichtete Therapie (n = 29).
29 Fragen haben die a priori festgelegten Entscheidungskriterien erfüllt und 19 Fragen wurden verworfen. Basierend auf der Augenscheinvalidität und den vorläufigen psychometrischen Analysen zur internen Konsistenz (Cronbachs Alpha) wird folgende Skalenstruktur vorgeschlagen: fünf Multi-Item-Skalen (Husten, Kurzatmigkeit, Nebenwirkungen, existenzielle Probleme im Zusammenhang mit Tumorprogression, chirurgische Symptome) und fünf Einzelitems (Bluthusten, Schmerzen in der Brust, Arm/Schulter und andere Teile des Körpers, Gewichtsverlust).
Diskussion und praktische Implikationen
Das aktualisierte Modul LC29 behält 12 der 13 original LC13 Items und verfügt über neue Elemente, die die Effekte der zielgerichteten Therapie, Radiochemotherapie sowie Thoraxchirurgie und Immuntherapie abbilden. Eine große internationale multizentrische Phase IV Studie wird die psychometrischen Eigenschaften des aktualisierten Lungenkrebsmoduls analysieren.
Hintergrund
Multiple Sklerose ist für die Betroffenen mit einem intra- und interindividuell variablen Symptomkomplex sowie erheblichen Einschränkungen der Aktivität und Teilhabe verbunden [1], was hohe Kompetenzen im Hinblick auf die Krankheitsanpassung erforderlich macht. Es gibt einige Studien zu der Frage, welche – durch psychologische Interventionen veränderbare – psychologischen Merkmale die individuelle Krankheitsanpassung vorhersagen. Allerdings weisen viele dieser Studien Limitationen auf (a-theoretisch, geringe Stichproben, keine Kontrolle medizinischer Charakteristika) [2]. Ein Konstrukt, dessen Relevanz bzgl. patientenbezogener Outcomes in anderen Indikationen in Übereinstimmung mit den Annahmen des Common Sense-Selbstregulationsmodells gut belegt [3], in der Indikation MS aber überraschend unterrepräsentiert ist, sind die subjektiven Krankheitskonzepte, d.h. die patientenseitigen Annahmen zu den Krankheitssymptomen, den Ursachen, dem Zeitverlauf, der Kontrollierbarkeit/Behandelbarkeit und den Konsequenzen der Erkrankung.
Fragestellung
Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, zu analysieren, ob subjektive Krankheitskonzepte in der Indikationsgruppe MS Prädiktoren zweier zentraler patientenseitiger Outcomes – Fatigue und Einschränkungen im Alltag – sind.
Methode
Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen einer bundesweiten Online-Befragung. Zur Operationalisierung des subjektiven Krankheitskonzepts wurde der Brief-Illness Perception Questionnaire (B-IPQ) eingesetzt [4]. Mit 8 Items, die auf 11-stufigen Skalen zu beantworten sind, misst der B-IPQ den wahrgenommenen „Krankheitsverlauf“ (aufgrund der schiefen Verteilung in MS-Studien hier ausgeschlossen), „Konsequenzen“, „Persönliche Kontrolle“, „Behandlungskontrolle“, „Identität“ (Symptomlast), „Sorgen“, „Kohärenz“ und die „Emotionale Belastung“ durch die MS. Als Outcomes wurden erhoben, inwieweit die Betroffenen in den letzten 7 Tagen unter Fatigue litten (4-stufige Skala: gar nicht – sehr) und wie stark sie sich durch die MS in ihrem Alltag eingeschränkt fühlten (8-stufige Skala: gar nicht – sehr). Als potenzielle Confounder wurden soziodemographische (Alter, Geschlecht, Schulabschluss, Partnerschaft) und krankheitsbezogene (Diagnose/Verlaufsform, Zeit seit dem letzten Schub, Zeitspanne seit den ersten Symptomen und seit der Diagnose) Variablen berücksichtigt. Mittels linearer Regressionsanalysen wurde nach Adjustierung derjenigen soziodemographischen und krankheitsbezogenen Variablen, die bivariat signifikant mit dem jeweiligen Outcome korrelierten, die Vorhersagekraft der subjektiven Krankheitskonzepte bzgl. Fatigue und Einschränkungen im Alltag ermittelt.
Die Stichprobe umfasste N=590 Betroffene mit MS. 72% der Stichprobe waren Frauen, das Durchschnittsalter lag bei 45,6 Jahren. 52% der Befragten litten an einer vorherrschend schubförmig verlaufenden MS. Durchschnittlich bestanden die Symptome seit 17 Jahren, die Diagnose wurde im Schnitt vor 11 Jahren gestellt.
Ergebnisse
Im Hinblick auf Fatigue wurden unter Einschluss der soziodemographischen Variablen 5%, unter zusätzlichem Einschluss der krankheitsbezogenen Variablen 10% und unter zusätzlichem Einschluss der subjektiven Krankheitskonzepte 21,2% Varianz aufgeklärt. Drei Variablen erwiesen sich im finalen Modell als signifikante Prädiktoren: Fatigue war mit der Verlaufsform (p<.001), einer hohen Symptomlast (p<.001) und einer starken emotionalen Belastung durch die MS (p<.001) assoziiert. Bzgl. Einschränkungen im Alltag wurden durch die soziodemographischen Variablen 5,2%, unter zusätzlichem Einschluss der krankheitsbezogenen Variablen 13,4% und unter zusätzlichem Einschluss der subjektiven Krankheitskonzepte 76,5% der Varianz aufgeklärt. Fünf Variablen waren signifikante Prädiktoren der Alltagsbeeinträchtigung: Verlaufsform (p=.002), eine starke Konsequenzwahrnehmung (p<.001), eine hohe Symptomlast (p<.001), Sorgen (p=.009) sowie eine starke emotionale Belastung durch die MS (p=.013).
Diskussion
Wenngleich bei der Interpretation der Befunde einige Limitationen zu berücksichtigen sind (Querschnittsdesign, patientenseitige Erfassung sämtlicher Variablen), deuten die Ergebnisse – konsistent mit Befunden aus der Literatur – darauf hin, dass subjektive Krankheitskonzepte auch bei Kontrolle soziodemographischer und krankheitsbezogener Variablen Prädiktoren patientenbezogener Outcomes bei MS sind. Weitere Studien zu diesem potenziell durch Interventionen veränderbaren Konstrukt scheinen lohnenswert.
Praktische Implikationen
Interventionen, die die subjektiven Krankheitskonzepte der Patienten adressieren, sind in anderen Indikationen erprobt und mit Erfolg evaluiert worden. Die Entwicklung und Evaluation entsprechender Interventionen für Patienten mit MS wäre nach dem Stand bisheriger Forschung ein möglicher Ansatzpunkt zur Verbesserung differenzieller patientenseitiger Outcomes.
Dank
Das Projekt “Einstellungen zur Medizinischen Rehabilitation bei Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose” wurde im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführt. Wir danken der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) für die Unterstützung bei dem Projekt sowie den an der Befragung teilnehmenden Patientinnen und Patienten.
Literatur
[1] Multiple Sclerosis International Federation (2013). Atlas of MS 2013 – Mapping Multiple Sclerosis around the word. London: Multiple Sclerosis International Federation.
[2] Dennison, L., Moss-Morris, R. & Chalder, T. (2009). A review of psychological correlates of adjustment in patients with multiple sclerosis. Clinical Psychology Review, 29, 141-153.
[3] Hagger, M. & Orbell, S. (2003) A meta-analytic review of the Common Sense Model of Illness Representation. Psychology and Health, 18, 141-184.
[4] Broadbent, E., Petrie, K.J., Main, J. & Weinman, J. (2006). The brief illness perception questionnaire. Journal of Psychosomatic Research, 60(6), 631-637.
Hintergrund: Bei der Behandlung der Psoriasis (Schuppenflechte) gibt es eine Reihe von Therapiezielen, die je nach Patient unterschiedliche Wichtigkeiten aufweisen. Um den Gesamtnutzen einer Therapie aus Patientensicht abzubilden und mit anderen Therapien zu vergleichen, können verschiedene Therapieziele subjektiv gewichtet und aggregiert werden. Der Patient Benefit Index (PBI), ein Fragebogen zur Ermittlung des patientenberichteten Therapienutzens, bezieht in die Erhebung eine Gewichtung von Therapiezielen mittels Likert-Skala von 0 („gar nicht wichtig“) bis 4 („sehr wichtig“) ein. Dadurch erhält man jedoch keine Aussage über die relativen Wichtigkeiten von Therapiezielen, d.h. wieviel wichtiger ein Ziel im direkten Vergleich gegenüber einem anderen Ziel ist. Um diese Lücke zu schließen, wurden zwei Verfahren der multikriteriellen Entscheidungsfindung im Vergleich zur Bewertung über eine Likert-Skala getestet: der Analytische Hierarchieprozess (AHP) und ein Discrete Choice Experiment (DCE).
Fragestellung: Wie unterscheiden sich die jeweils ermittelten Gewichte der drei angewendeten Methoden (AHP, DCE und Likert-Skala des PBI) für die Therapieziele bei Patienten mit Psoriasis?
Methode: Die fünf Dimensionen des PBI (übergeordnete Therapieziele des PBI) wurden in ein AHP-Verfahren und in ein DCE überführt. Für den Methodenvergleich wurden Patienten ≥ 18 Jahre, die eine neue anti-psoriatische Therapie beginnen, eingeschlossen. Diese füllten alle drei Bewertungsbögen (Likert-Skala des PBI versus AHP und DCE) im Querschnitt aus. Die Gewichte, die aus dem Einsatz der unterschiedlichen Methoden resultierten, summierten sich jeweils auf 1.
Ergebnisse: N=124 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien (Durchschnittsalter von 44,5 Jahren; 60,5% männlich). Der Vergleich der Gewichte, die aus dem Einsatz der unterschiedlichen Methoden (AHP, DCE und Likert-Skala) resultierten, zeigte, dass unabhängig der Methodik das wichtigste Therapieziel der Patienten die „Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit“ (darunter schmerzfrei zu sein und keinen Juckreiz mehr zu haben) war (AHP: 0,36; DCE: 0,31; PBI: 0,25). Zusammen mit den übergeordneten Therapiezielen „Verbesserung der sozialen Funktionsfähigkeit“ (d.h. zum Beispiel sich mehr zeigen zu mögen und ein normales Berufsleben führen zu können; AHP: 0,17; DCE: 0,17; PBI: 0,22) und „Verbesserung des seelischen Wohlbefindens“ (hierzu zählt z. B. weniger niedergeschlagen zu sein; AHP: 0,18; DCE: 0,21; PBI: 0,21) wurde mit diesem Therapieziel unabhängig der Methodik mehr als zwei Drittel aller Gewichtungen ausgemacht. Im Vergleich dazu waren den Patienten die Therapieziele „Verringerung der Beeinträchtigungen durch die Therapie“ (z. B. weniger Zeitaufwand und weniger eigene Behandlungskosten; AHP: 0,15; DCE: 0,16; PBI: 0,16) und „Stärkung des Vertrauens in die Therapie und in eine mögliche Heilung“ (AHP: 0,14; DCE: 0,16; PBI: 0,16) am wenigsten wichtig. Obwohl auf der einen Seite ähnliche Rangfolgen und teils übereinstimmende Gewichtungen beobachtet werden konnten, waren auf der anderen Seite signifikante Unterschiede zwischen den Ergebnissen zu verzeichnen. Auch bezüglich der Praktikabilität zeigten sich signifikante Unterschiede. Die Likert-Skala des PBI wurde am besten bewertet.
Diskussion: Obwohl die Durchführung der Verfahren AHP und DCE jeweils vorsieht, dass sich Kriterien, die gewichtet werden sollen, weitestgehend nicht überschneiden dürfen, musste eine Überschneidung der Therapieziele in diesem Methodenvergleich in Kauf genommen werden. Während der Vorteil der Likert-Skala des PBI darin besteht, dass Therapieziele unabhängig voneinander bewertet werden können, kann damit nicht dargestellt werden, bei welchen Therapiezielen der Patient Abstriche machen würde, um bestimmte Ziele erreichen zu können.
Praktische Implikationen: Für alle Methoden lässt sich schlussfolgern, dass Therapieziele für Patienten mit Psoriasis von unterschiedlicher Bedeutung sind. Um einer Behandlung einen Nutzen zuweisen zu können, sollten individuelle Wichtigkeiten berücksichtigt werden. Je nachdem welche Methodik zum Einsatz kommt, ergeben sich jedoch unterschiedliche Gewichtungen für die übergeordneten Therapieziele. Die Frage ist, wie sich die unterschiedlichen Gewichtungen auf spezifische Fragestellungen auswirken. Dies sollte berücksichtigt werden und entsprechend der Studien-Fragestellung das geeignetste Gewichtungsverfahren Anwendung finden.
Hintergrund: Als Grundlage für die Beurteilung eines Behandlungserfolgs aus Patientensicht dient auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL). Das von außen nicht unmittelbar beobachtbare Konstrukt wird mittels standardisierter Patientenfragebögen erfasst. Je nach Erhebungsart können verzerrende Faktoren (Bias) die Messung beeinflussen. Response Shift als ein Bias umschreibt die individuelle Veränderung des Bewertungshintergrunds im Zeitverlauf. Durch die Veränderung der eigenen Werte, des Fragebogenverständnisses oder der Vorstellung vom Konstrukt Lebensqualität kann die tatsächliche Einschätzung der HRQoL verzerrt werden. Bisher existiert kein Goldstandard, um Response Shift zuverlässig zu messen und somit HRQoL verzerrungsärmer zu erheben. Anker-Vignetten (kurze fiktive Fallbeispiele von Patienten), die von Probanden im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand eingeschätzt werden, könnten eine Möglichkeit darstellen, Response Shift zu erfassen. Die, zusätzlich zur Selbsteinschätzung der HRQoL, erhobene Einschätzung von Anker-Vignetten kann Aufschluss geben über den individuellen Bewertungshintergrund einer Person. Eine unterschiedliche Einschätzung der HRQoL von identischen Anker-Vignetten zu zwei Zeitpunkten könnte demzufolge darauf hinweisen, dass sich der Bewertungshintergrund der Person verändert hat und somit auch die Selbsteinschätzung der HRQoL verzerrt ist.
Fragestellung: Entwicklung und Prüfung von Anker-Vignetten, um Response Shift über einen longitudinalen Beobachtungszeitraum erfassen zu können.
Methode: Für den späteren Einsatz in einer longitudinalen Beobachtungsstudie zur Bestimmung von Response Shift wurden Anker-Vignetten entwickelt. Diese beziehen sich auf die einzelnen Dimensionen des SF-12, einem standardisierten und häufig verwendeten Instrument zur Erfassung der HRQoL. Die Anker-Vignetten wurden in einem mehrstufigen Prozess entwickelt: a) Literaturrecherche zu Vignetten, b) 10 semistrukturierte Interviews mit Patienten mit dem Ziel typische Beeinträchtigungen der HRQoL herauszuarbeiten, c) Erstellung der Vignetten auf Basis der Ergebnisse der Literaturrecherche und der Patienteninterviews d) Konsentierung der Vignetten in einem multidisziplinären Team e) Pretest der Vignetten mit 8 gesunden Probanden und je 5 Patienten mit Psoriasis bzw. Multipler Sklerose. Im Rahmen des Pretests wurden die Verständlichkeit der Vignetten sowie die Machbarkeit der Einschätzung dieser auf Antwortskalen des SF-12 überprüft. Neben offenen Fragen wurde die Think-Aloud-Methode genutzt, um ein besseres Verständnis vom zugrundeliegenden Prozess der Einschätzung von Anker-Vignetten zu erlangen.
Ergebnisse: Gesunde Probanden und Patienten empfanden die Beschreibungen der Anker-Vignetten als gut verständlich und den Umfang als angemessen. Weiterhin gaben sie an, dass die Einschätzung Konzentration erfordere, aber keine große Schwierigkeit darstelle. Ergebnisse der Think-Aloud-Methode gaben Hinweise darauf, dass Beschreibungen einzelner Vignetten für spezifische Dimensionen der HRQoL nicht konkret genug formuliert wurden und somit individuellen Interpretationsspielraum zuließen. Entsprechend wurden die Anker-Vignetten im multidisziplinären Team überarbeitet und konkretisiert, um den Einfluss des Response Shift zielgerichteter bestimmen und vom Einfluss des individuellen Interpretationsspielraums abgrenzen zu können.
Diskussion: Die entwickelten Anker-Vignetten erfüllen die Voraussetzungen der Machbarkeit und Verständlichkeit. Ihr Einsatz könnte eine Möglichkeit darstellen, Response Shift im Zeitverlauf zu erfassen. Bei konkret formulierten Anker-Vignetten ist von einem geringen Einfluss der individuellen Interpretation der Fallbeschreibungen auszugehen. Somit könnte die Einschätzung von identischen Anker-Vignetten zu zwei Zeitpunkten einen Rückschluss über den, sich möglicherweise verändernden, Bewertungshintergrund geben.
Praktische Implikationen: Im Anschluss an die Entwicklung und Prüfung der Anker-Vignetten erfolgt dessen Einsatz in einer explorativen longitudinalen Beobachtungsstudie.
Hintergrund
Chronischer Pruritus (Juckreiz) ist ein häufiges und oft stark belastendes Symptom dermatologischer und nicht-dermatologischer Erkrankungen. Die Messung des Pruritus, einschließlich Schweregrad, Lebensqualitätsbeeinträchtigungen und Behandlungsnutzen, kann wegen seines subjektiven Charakters nur aus Patientenperspektive erfolgen. Hierfür verwendete Instrumente müssen messmethodischen Gütekriterien genügen, um aussagekräftig zu sein.
Fragestellung
Ziel der Studie war die systematische Beschreibung und Bewertung von Validierungsstudien zu patientenberichteten Endpunkten bei Pruritus.
Methode
Entsprechende Studien wurden anhand einer MEDLINE/PubMed-Literatursuche identifiziert. Anhand der COSMIN-Checkliste wurde die methodische Qualität der Studien bewertet; die COSMIN-Kriterien wurden verwendet, um die Messeigenschaften der untersuchten Instrumente zu bewerten.
Ergebnisse
23 Studien wurden eingeschlossen, die insgesamt 37 Untersuchungen der Reliabilität und/oder Validität zu 23 Instrumenten enthielten. Die methodische Qualität der Reliabilitäts- und Validitätsprüfung war für sechs Instrumente moderat; für diese Instrumente waren auch die psychometrischen Gütekriterien adäquat, so dass sie für den Einsatz in klinischen Studien geeignet sind. Es handelt sich um die folgenden sechs Instrumente: horizontale Visuelle Analogskala zur Pruritusintensität; 4-stufige Verbal-Numerische Rating-Skala; 6-stufige und 11-stufige Numerische Ratingskala zur Pruritusintensität; Itch Severity Scale; ItchyQoL.
Diskussion
Die genannten Instrumente weisen gute Reliabilität und Validität auf. In zukünftigen Studien sollten die Messeigenschaften derjenigen Instrumente weiter untersucht werden, für die in dieser systematischen Übersichtsarbeit noch keine hinreichende Evidenz gefunden wurde.
Praktische Implikationen
Die sechs oben genannten Instrumente sind zur Verwendung als Outcomes-Instrumente in klinischen Studien zu chronischem Pruritus geeignet.
In dieser Session zum Thema Qualitäts- und Patientensicherheitsforschung werden sowohl Studien mit methodischen Themen als auch Projekte mit einer inhaltlichen Fragestellung vorgestellt. Die Studien und Projekte wurden dabei mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt, die reichen von quantitativen über qualitativen Methoden bis zu Übersichtsarbeiten.
Hintergrund
Abseits von den erheblichen Kosten für das Gesundheitssystem, führt der unangemessene Einsatz diagnostischer Verfahren zu Risiken und Belastungen für die PatientInnen. Am häufigsten ist psychischer Stress durch Unsicherheit oder falsch positive Befunde. Durch letztere kommen außerdem weiterführende, zum Teil invasive, Untersuchungen hinzu, welche wiederum ein Gesundheitsrisiko darstellen können. Eine weitere Folge sind Überdiagnosen und die damit verbundenen unnötigen Behandlungen.
Die Frage, wie unangemessene Versorgung idealerweise festgestellt wird, ist derzeit umstritten. Methoden zur Feststellung unangemessener Versorgung wurden bisher hauptsächlich in Verbindung mit Krebs systematisch aufbereitet. Die vorliegende Arbeit stellt die erste systematische Übersichtsarbeit über Methoden zur Erhebung von unangemessener Nutzung von CT und MRT im Muskel-Skelett-System dar.
Fragestellung
Welche Methoden kommen in der internationalen Forschung zur Erhebung unangemessener Verwendung von CT oder MRT im Muskel-Skelett-System zur Anwendung und was sind deren Vor- und Nachteile?
Methode
Zur Identifikation relevanter Literatur wurde eine systematische Literatursuche durchgeführt. Eingeschlossen wurden Studien deutscher oder englischer Sprache, die unangemessene Nutzung von MRT oder CT im Muskel-Skelettsystem erhoben haben. Artikel zu Krebs, unsystematische Reviews und Kommentare wurden ausgeschlossen. In einem mehrstufigen Prozess wurden die Methoden beschrieben und anschließend kategorisiert. Anschließend wurden die Methoden hinsichtlich benötigter Daten, Übertragbarkeit der Ergebnisse in die Praxis und Biasrisiko bewertet.
Ergebnisse
47 Studien entsprachen den Einschlusskriterien. Die Kategorisierung der Methoden zur Erhebung unangemessener Nutzung von CT oder MRT im Muskel-Skelett-System resultierten in 7 verschiedene Verfahren. (1) Bei der „Verfügbarkeit diagnostischer Information“ wird geprüft, ob die Ergebnisse der Untersuchung einen Einfluss auf die weitere Behandlung hatten; (2) „Prädiktoren in Verbindung mit Nutzung von MRT und CT“ verwenden statistische Verfahren zur Prüfung welche Faktoren einen Einfluss auf die Nutzung von MRT oder CT haben; (3) Beim „Vergleich mit Leitlinienempfehlungen“ wird geprüft, ob die Nutzung durch Leitlinienempfehlungen gedeckt ist; (4) „Experteneinschätzung“ wurde als Kategorie gewählt, wenn lediglich anhand eines unsystematischen Expertenratings die Angemessenheit bewertet wurde; (5) Beim „Vergleich oder Analyse von Patientenpfaden“ wurden unterschiedliche Behandlungsverläufe ausgewertet; (6) Die Kategorie „Vergleich mit Operationsergebnissen“ wurde gewählt, wenn die Ergebnisse der Bildgebung mit den Ergebnissen eines folgenden chirurgischen Eingriffs verglichen wurden und (7) „regionale Variation der Versorgung“ nutzt Unterschiede in den Nutzungsraten zwischen verschiedenen Regionen zur Abschätzung unangemessener Versorgung.
Diskussion
Keine der identifizierten Methoden kann unangemessene Versorgung zweifelsfrei nachweisen. Die Methoden stellen lediglich eine Abschätzung von unangemessener Nutzung dar und haben unterschiedliche Anforderungen an die verwendeten Daten. Dementsprechend schlagen wir zur Erhebung unangemessener Versorgung eine Kombination aus unterschiedlichen Verfahren vor. Diese kann dazu dienen die Nachteile einzelner Methoden zu reduzieren oder auszugleichen. Letztendlich können dadurch genauere Aussagen über das Ausmaß unangemessener Versorgung getroffen werden.
Praktische Implikationen
Unsere Arbeit stellt die Vor- und Nachteile der aktuell eingesetzten Methoden zur Feststellung unangemessener Versorgung von CT oder MRT im Muskel-Skelettsystem dar. Außerdem geben wir Hinweise, wie durch eine sinnvolle Kombination verschiedener Methoden eine verlässlichere Abschätzung unangemessener Versorgung gewonnen werden kann. Wir haben eine derartige Methodenkombination an OECD Daten exemplarisch durchgeführt und konnten Hinweise für eine unangemessene Nutzung von MRT in Verbindung mit totalen Kniegelenksersätzen finden. Hinweise auf unangemessene Versorgung können in weiterer Folge genutzt werden, um Problemfelder zu identifizieren und gezielt Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung zu entwickeln.
Hintergrund: Qualitätsinformationen in der medizinischen Versorgung können einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsförderung leisten, indem bereits die Messung und Erwartung der Veröffentlichung eine bessere Behandlung mit sich bringen kann (Berwick et al. 2003). Zum anderen wird bei der Veröffentlichung von Qualitätsinformationen eine Ex-post-Systemverbesserung angenommen, da diese zur Identifizierung von Schwachstellen beitragen und interne Qualitätsverbesserungen anregen kann (ebd.). Zuletzt dienen transparente Qualitätsinformationen auch einer Angebotsselektion durch Patienten/ Zuweiser (Marshall et al. 2000), wobei das zwar die anderen Wirkungspfade fördern kann, aber keine Voraussetzung darstellt. In anderen Ländern nimmt die Messung sowie externe Darlegung der Versorgungsqualität und daraus resultierende Konsequenzen eine zentrale Rolle ein (Kelley & Hurst 2006), während in Deutschland etablierte Verfahren eher auf die interne Qualitätstransparenz ausgerichtet sind.
Fragestellung: Ziel der Studie ist es, international Erfahrungen hinsichtlich der Messung und Darlegung von Qualität in der ambulanten Versorgung zu erfassen, vergleichend darzustellen und mögliche Implikationen für Deutschland herauszuarbeiten. Dabei sollen folgende Fragen beantwortet werden: (1) In welchem Umfang und mit welcher Zielsetzung werden Instrumente zur Qualitätsdarlegung in anderen Ländern genutzt? (2) Wie wird die Qualität gemessen und wie werden die Ergebnisse zur Qualitätsentwicklung eingesetzt? (3) Welche Faktoren tragen zu einem Erfolg hinsichtlich des Entwicklungsstandes, der Durchdringungstiefe und des Zielerreichungsgrades bei?
Methode: Für die fragebogenbasierte Untersuchung wurden internationale Experten aus insgesamt neun Ländern (Australien, England, Estland, Israel, Frankreich, Niederlande, Schweden, Schweiz und den USA) rekrutiert. Der Länderauswahl lagen auf einer Literaturrecherche basierende Kriterien zugrunde, z.B. Erfahrungen in der Nutzung von Instrumenten zur Qualitätsdarlegung. Zur vergleichenden Analyse der Initiativen wurde ein Schema entwickelt, das die wichtigsten Aspekte der Versorgungsqualität (Sicherheit, Responsiveness, Effektivität) in den Bereichen der präventiven, kurativen und palliativen Versorgung sowie der Behandlung chronisch Kranker umfasst und diese mit den Dimensionen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität vereint.
Ergebnisse: Die meisten der Qualitätsinitiativen sind auf die Primärversorgung ausgerichtet und zielten auf deren Stärkung ab. International zeigen sich viele Erfahrungswerte bei der Messung von Qualität. Dabei variiert die Bandbreite der Qualitätsindikatoren, die zumeist im Bereich der Effektivität angesiedelt sind und chronische Erkrankungen betreffen. Insgesamt finden Patientenperspektive (z.B. über Patient-Reported-Experience-Measures) und der Aspekt der Sicherheit zu wenig Beachtung, wohingegen Präventionsindikatoren (z.B. Impfraten) häufiger angewendet werden. Die Darstellung der Qualität erfolgt in vielen der Vergleichsländer auf Ebene einzelner Ärzte/ Praxen (z.B. England, Estland, Niederlande, Schweden). Mit Ausnahme von Australien werden Qualitätsinformationen zudem für internes Feedback genutzt. Als Konsequenz aus der Qualitätsmessung kommt oftmals eine qualitätsbezogene Vergütung zum Einsatz, deren Einführung stets in Verbindung mit einer Budgetsteigerung stand. Zudem findet Qualität bei Vertragsverhandlungen, beim Leistungseinkauf und in der Allokation von Mitteln international eine starke Berücksichtigung. Die Studienlage hinsichtlich der Effekte der Initiativen hinsichtlich einer verbesserten Versorgungsqualität ist inkonsistent, gibt aber wichtige Hinweise auf zu beachtende Aspekte.
Diskussion: In Deutschland existierende Indikatoren zur Messung der ambulanten Versorgungsqualität (z.B. AQUIK) befinden sich im internationalen Vergleich im Mittelfeld und heben sich mitunter sogar positiv ab. Dahingegen ist der Aggregationsgrad veröffentlichter Qualitätsinformationen vergleichsweise hoch, was dem zunehmenden Bewusstsein für Qualitätsinformationen und deren Nutzung zur Entscheidungsfindung auf Seiten der Patienten und Leistungsanbieter (Emmert 2013) widerspricht. Vereinzelte Initiativen umfassen bisher nur einen bestimmten Versichertenkreis oder Strukturdaten und unterliegen zum größten Teil keiner Validierung (Emmert 2012). Im Hinblick auf Konsequenzen aus der Versorgungsqualität besteht in Deutschland noch deutliches Verbesserungspotential, etwa über eine stärkere Nutzung von Selektiverträgen.
Praktische Implikationen: Internationale Ansätze zur Förderung von Qualitätstransparenz können wichtige Impulse für eine Weiterentwicklung der Transparenz zur Versorgungsqualität im ambulanten Sektor in Deutschland geben. Im internationalen Vergleich besteht hinsichtlich der Darlegung von Qualitätsinformationen deutlicher Nachholbedarf. Die vorhandenen Indikatoren zur Qualitätsmessung bieten eine gute Ausgangsbasis für eine Erhöhung der Transparenz.
Hintergrund: Die Zahl häuslich beatmeter Patienten wächst seit Jahren. Medizinisch-technische Entwicklungen machen es möglich, dass viele von ihnen trotz häufig schwerster Erkrankung und dauerhafter Angewiesenheit auf Fremdhilfe in der eigenen Häuslichkeit leben können. Über Voraussetzungen, Prozesse und Ergebnisse ihrer Versorgung ist noch wenig bekannt und damit verbundene Aspekte ihrer Sicherheit wurden bislang kaum thematisiert. Vor diesem Hintergrund wurde in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten dreijährigen pflegerischen Versorgungsforschungsprojekt SHAPE. („Safety in Home Care for Ventilated Patients“) untersucht, wie Patienten, Angehörige und professionelle Akteure die häusliche Beatmungsversorgung in Bezug auf das Thema Sicherheit erleben, einschätzen und gestalten.
Fragestellung: Nachdem in der ersten Phase des Projekts Erfahrungen von Patienten und Angehörigen mit der häuslichen Beatmungsversorgung und deren Sichtweisen auf das Thema Sicherheit exploriert wurden, wurde in der zweiten Phase gefragt, wie professionellen Akteure auf diese Erkenntnisse reagieren, welches Sicherheitsverständnis sie haben und welche Themen sie in diesem Zusammenhang beschäftigen.
Methode: Als Bestandteil des mehrphasigen, qualitativ-explorativen Forschungsprojekts wurden zur Erkundung der Sichtweisen der professionellen Akteure sechs Focus Groups mit 48 Teilnehmern aus unterschiedlichen Professionen, Einrichtungen und mit verschiedenen Funktionen in der häuslichen Beatmungsversorgung durchgeführt; darunter Pflegende, Physio-, Ergotherapeuten und Logopäden, Personen aus der Fall- und Versorgungssteuerung, Patientenberatung und Medizintechnikversorgung sowie konsultierende Experten aus Spezialeinrichtungen. Die Focus Groups wurden audiotechnisch aufgezeichnet, transkribiert sowie diskurs- und inhaltsanalytisch ausgewertet und verdichtend aufbereitet.
Ergebnisse: Das Thema Patientensicherheit wird in den Focus Groups als ein überwiegend implizites Thema behandelt. Es bleibt in den Aussagen der Akteure seltsam unklar und wird überlagert von Debatten über strukturelle Problemen und eigene Handlungsherausforderungen im Feld der häuslichen Beatmungsversorgung, mit denen sich die professionellen Akteure konfrontiert sehen. Auffallend ist weiterhin, dass die professionellen Akteure die klassischen, in der Literatur diskutierten Sicherheitsthemen, z.B. Hygiene, Stürze, Immobilisation, allenfalls randständig thematisierten. In den Äußerungen der Focus Group Teilnehmer wird auf inhaltlicher Ebene erkennbar, dass für sie zuverlässige technische Hilfsmittel für die Gewährleistung von Sicherheit in der häuslichen Beatmungsversorgung unverzichtbar sind. Sie allein haben jedoch geringen Wert, wenn es an kompetenten professionellen Akteuren fehlt, die in der Lage sind, diese Hilfsmittel fach- und bedarfsgerecht einzusetzen. Unter den Befragten scheint Konsens dahingehend zu bestehen, dass Patientensicherheit durch eine gelingende interprofessionelle Kooperation und durch die Interaktion zwischen ihnen und den Patienten und Angehörigen entsteht. Zur Gewährleistung von Sicherheit sind aus ihrer Sicht förderliche strukturelle, prozedurale und personale Voraussetzungen vor Ort in der Häuslichkeit sowie auf der institutionellen Ebene der Leistungserbringung unabdingbar. Diese sind jedoch keinesfalls immer vorhanden.
Diskussion: Die Befragten verweisen auf aktuelle Sicherheitsherausforderungen in diesem Feld, die in vielerlei Hinsicht mit den Erfahrungen und Sichtweisen häuslich versorgter beatmeter Patienten und deren Angehörigen übereinstimmen. Zugleich bleibt das Sicherheitsverständnis der professionellen Akteure insgesamt diffus und ihre Schilderungen deuten darauf hin, dass von einer gelebten Sicherheitskultur vielerorts kaum auszugehen ist. Sicherheitsrelevante Besonderheiten der häuslichen Versorgung scheinen ihnen zwar durchaus bewusst zu sein, doch fehlt es ihnen an einschlägigen Konzepten, kommunizierten Regeln und Strategien, um ihnen angemessen begegnen zu können.
Praktische Implikationen: Die Ergebnisse der Focus Groups mit den professionellen Akteuren können dazu dienen, die Schilderungen und Einschätzungen der zuvor befragten beatmeten Patienten und deren Angehörigen zu sicherheitsrelevanten Aspekten zu verdichten, zu ergänzen und zu kontrastieren. Damit entsteht eine mehrperspektivische Erkenntnisgrundlage für die Entwicklung forschungsgestützter, nutzerorientierter Konzepte und Strategien für mehr Sicherheit beatmeter und vergleichbar technikabhängiger Patienten im häuslichen Setting.
Hintergrund:
Bei Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS) kommen komplexe therapeutische Strategien während der intensivmedizinischen Behandlung zur Anwendung. Bislang ist in Deutschland über die intensivmedizinische Versorgung von Patienten mit ARDS unter Alltagsbedingungen nur wenig bekannt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Versorgungsqualität der Intensivtherapiestationen (ITS), auf denen Patienten mit ARDS behandelt werden.
Fragestellung:
Wie stellt sich die Versorgungsqualität in ITS dar hinsichtlich allgemeiner und für die Behandlung von Patienten mit ARDS spezifischer Merkmale?
Methode:
Die Stichprobe dieser querschnittlichen Untersuchung umfasst 62 ITS in Deutschland, in denen Patienten in die DACAPO-Studie (“Surviving ARDS: the influence of quality of care and individual patient characteristics on health-related quality of life”) eingeschlossen wurden. Daten zu allgemeinen Charakteristika der ITS sowie zur Versorgungsqualität wurden mittels eines Fragebogens erfasst, der jeweils an die Leitung der ITS gerichtet war. Versorgungsqualität wurde entsprechend existierender Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) wie folgt operationalisiert: Generische struktur- und prozessbezogene Merkmale von ITS (z.B. Personalschlüssel, Qualifikation, apparative Ausstattung und Dokumentation) wurden um weitere für die Behandlung von Patienten mit ARDS spezifische prozessbezogene Indikatoren (z.B. die standardmäßige Anwendung relevanter Behandlungspfade) ergänzt. Die Auswertung erfolgte deskriptiv.
Ergebnisse:
48% der ITS sind an Universitätskliniken, 18% an Krankenhäusern der Maximalversorgung angesiedelt; 65% gehören dem ARDS-Netzwerk an. Die Leitung der ITS besitzt in 95% der Fälle die Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“. Die Zahl der Betten pro ärztlicher Vollzeitstelle beträgt im Median 1.5 (IQR 1.2-1.8). Der Anteil der Fachärzte an der Gesamtzahl der Arztstellen variiert zwischen 15% und 100% (Md: 43%, IQR: 33-59%).
Auf jede Pflegevollzeitstelle kommen im Median 0.4 Betten (IQR: 0.3-0.4), der Anteil an Fachpflegenden mit Weiterbildung Anästhesie und Intensivmedizin an allen Pflegenden beträgt zwischen 25% und 81% (Md: 35%, IQR: 34-62%). Alle ITS verfügen über umfangreiche apparative Ausstattung zur Diagnostik.
62% der ITS verfügen über ein elektronisches Patientendatenmanagementsystem. Regelmäßige Visiten mit Pharmakologen bzw. Mikrobiologen werden in 51% bzw. 68% der ITS durchgeführt. Dokumentierte tägliche Patienten-Visiten mit Tageszielfestlegung finden in nahezu allen der ITS (97%) statt, in 76% der ITS werden auch die Angehörigengespräche dokumentiert.
Die meisten der für die Behandlung des ARDS empfohlenen Behandlungskonzepte werden in mehr als 90% der ITS standardmäßig umgesetzt. Eine Ausnahme bilden die täglichen Spontanatmungsversuche unter Anwendung eines Weaning-Protokolls. Diese werden nur in 68% der ITS routinemäßig umgesetzt.
Diskussion:
Die Strukturqualität entspricht hinsichtlich der Merkmale zu personeller Ausstattung und Qualifikation in der überwiegenden Mehrheit, aber nicht in allen untersuchten ITS den Empfehlungen der DIVI. Besonders die auf Qualifikation bezogenen Merkmale der Strukturqualität zeigen eine große Variabilität.
In Bezug auf die Prozessqualität ist auffällig, dass in einer erheblichen Anzahl der ITS standardmäßig keine Visiten mit Pharmakologen bzw. Mikrobiologen durchgeführt, keine Angehörigengespräche dokumentiert und keine Weaning-Protokolle eingesetzt werden.
Praktische Implikationen:
Die vorliegende Analyse verdeutlicht, dass in der deutschen Intensivmedizin Potenziale zur Verbesserung der Strukturqualität und der generischen wie ARDS-spezifischen Prozessqualität bestehen.
Hintergrund
Die Verfügbarkeit von Daten zur Krankenhausqualität durch Patientenzufriedenheitsbefra-gungen und die externe Qualitätssicherung hat u.a. dazu geführt, dass in Deutschland eine Vielzahl von Krankenhausvergleichsportalen entstanden ist. Diese Portale haben vor allem zum Ziel, Patienten eine qualifizierte Auswahlentscheidung zu ermöglichen. Für die Kranken-hauswahl ist jedoch auch der niedergelassene Arzt ein potentieller Adressat der Portale. Im Unterschied zu Patienten bringt der Arzt ein ungleich anderes professionelles Wissen mit und hat deshalb möglicherweise andere Informationsbedürfnisse. Frühere Studien haben gezeigt, dass niedergelassene Ärzte die Qualitätsberichte der Krankenhäuser kaum kennen, und dass sie nur in wenigen Fällen zur Patientenberatung verwendet werden. In unserer Untersuchung haben wir deshalb die Informationsbedürfnisse niedergelassener Ärzte ermittelt und unter-sucht inwieweit diese durch die Informationen auf Krankenhausbewertungsportalen adressiert werden.
Fragestellung
Zwei Fragestellungen wurden verfolgt:
(1) Welche Kriterien legen niedergelassene Ärzte zugrunde, wenn sie ein Krankenhaus aus-wählen, um Patienten für eine stationäre Behandlung einzuweisen?
(2) Sind diese Kriterien auf deutschen Krankenhausvergleichsportalen verfügbar?
Methode
Die Untersuchung gliedert sich in zwei Abschnitte. Zunächst wurde (1) ein systematischer Literaturreview durchgeführt. Fünf Datenbanken Medline (via PubMed), Cochrane Library, Business Source Complete, PsycINFO und EconLit wurden dafür durchsucht. Die Suchstra-tegie besteht aus vier Komponenten. Damit werden niedergelassene Ärzte, deren Auswahlkri-terien und Einstellungen, der Einfluss dieser auf die Entscheidungsfindung und die Einwei-sung in ein Krankenhaus adressiert. Zwei Autoren durchsuchten unabhängig voneinander die Titel und Abstracts nach potentiell relevanten Suchtreffern und klärten die abweichenden Er-gebnisse im Konsens. Gleiches gilt für die Analyse der eingeschlossenen Studien und die Ka-tegorisierung der gefundenen Kriterien in sechs Kategorien (Struktur- und Prozessqualität, Medizinische Ergebnisse, Patientenerfahrung, Einweisererfahrung, Kostenwirksamkeit). An-schließend sind (2) 18 deutsche Krankenhausvergleichsportale, die in einer systematischen Internetrecherche identifiziert werden konnten, nach Verfügbarkeit der wichtigsten Informa-tionen (high-prority-criteria) für niedergelassene Ärzte durchsucht worden.
Ergebnisse
Im ersten Teil der Untersuchung konnten für den Zeitraum Januar 2006 bis Juli 2016 insge-samt 11 Artikel in den Review einschlossen werden. Die Studien bezogen sich auf Deutsch-land (n=4), Niederlande (n=3), Dänemark, Frankreich und Norwegen (je n=1). Aus den einge-schlossenen Studien wurden 119 unterschiedliche Kriterien extrahiert, wobei der größte Anteil der Kriterien Strukturqualität und Einweisererfahrung zum Ausdruck bringen. Auf Ebene der Struktur waren die technische Ausstattung und deren Verfügbarkeit, die Qualifikation des Krankenhauspersonals oder auch die Fallzahl für bestimmte Behandlungen von großer Bedeu-tung. Bezüglich der Einweisererfahrung standen Aspekte der Kooperation wie die z. B. die Fortführung der hausärztlichen Medikation im Krankenhaus oder regelmäßige Treffen mit den Kollegen im Krankenhaus sowie eigene Erfahrungen und Erfahrungen anderer niedergelasse-ner Kollegen im Vordergrund. Im zweiten Teil zeigte sich bei der Betrachtung der deutschen Krankenhausbewertungsportale, dass die meisten der von Einweisern am wichtigsten erachte-ten Kriterien zur Strukturqualität auf den Portalen zu finden sind. Anders verhält es sich mit den Kriterien zur Einweisererfahrung, die auf den Portalen völlig unterrepräsentiert sind. Le-diglich zwei Portale zeigten dazu Informationen z. B. in Form einer strukturierten Einweiser-befragung.
Diskussion und praktische Implikationen
Kriterien der Strukturqualität sowie die eigenen und die Erfahrung anderer niedergelassener Ärzte spielen bei der Auswahl eines Krankenhauses eine wichtige Rolle. Informationen zur Strukturqualität werden auf den Portalen umfangreich berücksichtigt während strukturierte Einweisererfahrungen, bis auf zwei Ausnahmen, nicht abgebildet werden. Den Krankenhäu-sern auf der anderen Seite können diese Einweisererfahrungen dazu dienen, ihre Versor-gungsqualität aus Sicht der niedergelassenen Ärzte zu reflektieren. Dies kann bei entsprechen-der Konstruktion über das herkömmliche krankenhausindividuelle Einweisermarketing hin-ausgehen und einen weiteren Beitrag zur sektorenübergreifenden Qualitätssicherung beitragen.
Neben den gefragten Strukturparametern sollten auch mehr Erfahrungen und Bewertungen von deren niedergelassenen Kollegen dargestellt werden, um die Nutzung der Portale durch niedergelassene Ärzte bei der Patientenberatung und letztlich auch bei der Auswahlentschei-dung zu vergrößern.
Gesundheitsökonomische Fragestellungen sind ein wichtiger Teil der Versorgungsforschung. In dieser Session werden sowohl Kosten-Effektivitätsanalysen als auch internationale Vergleiche von Kosten am Beispiel von Krebserkrankungen vorgestellt. Weitere Themen sind die Identifizierung von Determinanten für die Kosten psychiatrischer Krankenhausbehandlungen und die Auswirkungen potentiell inadäquater Medikamenten auf Krankheitskosten.
Hintergrund: Das maligne Melanom verursacht die meisten Todesfälle unter allen Krebserkrankungen der Haut. Durch Primärprävention werden das Wissen über die Erkrankung erhöht, Anreize zu einer Verhaltensänderung gesetzt und somit die Fallzahl gesenkt. Primärprävention kann für die Gesellschaft kosten-effektiv sein oder sogar Kosteneinsparungen zur Folge haben. Das Einsparpotential kann über Krankheitskosten-Studien bestimmt werden.
Fragestellung: Das Ziel dieser Studie besteht darin eine Übersicht der Krankheitskosten-Studien des malignen Melanoms in Europa zu geben und die Krankheitskosten zwischen den Ländern nach Kostenarten zu vergleichen. Die Ergebnisse können für eine Modellierung des der Kosteneffektivität und des Einsparpotentials von Präventionsmaßnahmen genutzt werden.
Methoden: Es wurde eine systematische Literaturrecherche in PubMed unter Anwendung des PRISMA-Statements durchgeführt. Alle Kosten wurden in Euro umgerechnet, auf das Referenzjahr 2012 angepasst und um die nationale Kaufkraftparität adjustiert.
Ergebnisse: Es wurden 10 Publikationen identifiziert, die Krankheitskosten in 7 europäischen Ländern aus der gesellschaftlichen Perspektive berichten. In einem Artikel werden die Krankheitskosten bei fortgeschrittenem Melanom untersucht, in 4 Artikeln die Krankheitskosten des Melanoms ohne Unterscheidung zwischen den Stadien und in einem Artikel werden die Krankheitskosten für jedes Stadium gesondert analysiert. In den vier verbleibenden Artikeln wurden die Kosten auf Fallebene berichtet. Sie mussten für die folgenden Vergleiche ausgeschlossen werden, da ein Vergleich zwischen Kosten auf Fall- und Patientenebene nicht möglich war.
Alle Studien mit Fokus auf Melanome im Stadium III-IV enthalten Kosten für die Hospize, ambulante und stationäre Behandlungen. Die direkten Kosten pro Patient lagen nach Adjustierung um die Kaufkraftparität zwischen 2.972 € in Italien und 17.408 € in Schweden.
Die meisten Studien zu Melanomen im Stadium I-IV enthalten Kosten für die stationäre und ambulante Behandlung. Die direkten Kosten pro Patient liegen zwischen 923 € in Schweden und 9.829 € in Dänemark. Drei Artikel berichten zusätzlich indirekte Kosten. Die Mortalitätskosten belaufen sich auf 3.511 € pro Patient in Schweden und 20.408 € in England. Die Morbiditätskosten liegen zwischen 103 € in Schweden und 4.550 € in Dänemark.
Schlussfolgerung: Die Krankheitskosten des malignen Melanoms sind moderat. Da seit der Publikation der eingeschlossenen Artikel die Melanom-Inzidenz gestiegen ist und mehrere kostenintensive Arzneimittel zugelassen worden sind, kann von einem Anstieg der Krankheitskosten in den letzten Jahren ausgegangen werden. Es besteht ein Potential für kosteneffektive oder kosteneinsparende Präventionsprogramme.
Hintergrund
Unter Blutkrebs werden verschiedene hämatologische Neoplasien verstanden, welche unbehandelt zum Tod führen können. Die Behandlung dieser Erkrankungen kann schwere Neben- und Folgewirkungen bedingen. Betroffene sehen sich noch Jahre nach Abschluss der Behandlung in der Nachsorge Gesundheitsrisiken gegenüber, welche sich auf alle Bereiche des Lebens auswirken können. Bei einigen Erkrankungen, wie den myeloproliferativen Neoplasien, ist zur Aufrechterhaltung des Behandlungserfolgs eine kontinuierliche medikamentöse Therapie erforderlich. Studien zu Nachsorgemustern und allgemeine Empfehlungen zur Nachsorge von Blutkrebspatienten sowie den damit einhergehenden Kosten sind rar bis nicht vorhanden.
Fragestellung
Ziel ist die Analyse des Ressourcenverbrauchs von Blutkrebspatienten in der Nachsorge. Diese Ressourcenerhebung ist eingebettet in eine Studie, welche zum Ziel hat, auf Grundlage beschriebener Nachsorgemuster rational fundierte Versorgungspläne in der Nachsorge von Blutkrebspatienten zu entwickeln.
Methoden
Über einen Patientenfragebogen unter Einbeziehung vorab definierter Ein- und Ausschlusskriterien (Blutkrebsdiagnose im WTZ Essen zwischen 1998 und 2009, Alter > 18, 3 Jahre in Remission) wurden retrospektiv die Daten zu Nachsorgemaßnahmen in den letzten 12 Monaten erhoben. Der Fragebogen umfasst direkte und indirekte Kostenpositionen und bildet die Grundlage für die Erstellung des Mengengerüstes der Studie. Die Preise für die Kostenpositionen wurden u.a. anhand der Roten Liste, des Arzneimittelversorgungsreports sowie der Publikation von Bock et al. 2015 ermittelt. Für die indirekten Kosten dient der Friktions-kostenansatz als Grundlage. Die Darstellung der Krankheitskosten erfolgt aus gesellschaftlicher Perspektive. Als Basisjahr wurde das Jahr 2014 angenommen.
Ergebnisse
Insgesamt konnten 1.531 Patientenfragebögen in die Analyse einbezogen werden. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 57,3 Jahren [range: 23 – 95 Jahre; SD=13,9 Jahre]. Frauen waren mit 45,6% vertreten. Arzneimittel verursachen mit Gesamtkosten von ca. 3.360.000 € den größten Kostenanteil (ca. 60 %), gefolgt von stationären (ca. 13 %) und ambulanten (ca. 12%) Leistungen. Myeloproliferative Neoplasien weisen die höchsten Durchschnittskosten auf, gefolgt von Myelodysplasien und akuten Leukämien. Knapp 10% der Studienteilnehmer verursachen keine Kosten in der Nachsorge.
Diskussion
Die ermittelten Daten zeigen erstmalig Ressourcenverbräuche und Kosten der Nachsorge von Blutkrebspatienten auf. Damit schließt die Untersuchung eine Forschungslücke zu dieser Thematik. Ein Teil der Studienteilnehmer weist keine Ressourcenverbräuche auf und scheint somit nicht in eine Nachsorge eingebunden zu sein. Eine mögliche Zuordnung von Ressour-cenverbräuchen zu bestimmten Nachsorgestrategien steht im laufenden Projekt noch aus und wird im prospektiven Anteil der Studie bearbeitet.
Hintergrund: Ein leistungsorientiertes Vergütungssystem im Krankenhaus sollte die Unterschiede im Behandlungsaufwand zwischen Patientengruppen in der Höhe der Vergütung abbilden. Das Pauschalierende Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik definiert tagesbezogene Vergütungshöhen.
Fragestellung: Das primäre Ziel dieser Studie war es, den Effekt von acht vorab definierten Einflussgrößen auf die tagesbezogenen Behandlungskosten zu prüfen. Ein sekundäres Ziel war es, den Einfluss weiterer Patientenmerkmale zu ermitteln.
Methoden: Die Study schloss 667 konsekutiv in 2014 aus stationärer, psychiatrisch-psychotherapeutischer Krankenhausbehandlung entlassene Patienten ein. Die täglichen Behandlungskosten wurden auf Basis einer 2-wöchigen Arbeitszeiterfassung aller klinisch tätigen Ärzte, Mitarbeitenden des Pflegedienstes und Psychologen, sowie einer umfangreichen Dokumentation des täglichen Ressourcenverbrauches ermittelt. Patientenmerkmale wurden aus der elektronischen Patientenkurve extrahiert. Die hypothesengesteuerten Analysen wurden anhand von gemischten Mehrebenen-Regressionsmodellen durchgeführt. Die explorativen Analysen wurden anhand von maschinellen Lernverfahren durchgeführt.
Ergebnisse: Die Studie bestätigte die vorab-Hypothese, dass Patientenalter, Selbstgefährdung, unfreiwillige Behandlung, Probleme in den Aktivitäten des täglichen Lebens, Wahnsymptome, affektive Symptome, kurze Aufenthaltsdauer und der Ort der Behandlung die Tageskosten beeinflussen. Ein optimales Patientenklassifikationssystem wurde durch maschinelle Lernverfahren ermittelt. Die höchsten Tageskosten des Systems wurden in der Gruppe von Behandlungsfällen mit Wahnsymptomen und gleichzeitiger unfreiwilliger Behandlung gefunden. Die niedrigsten Tageskosten wurden in der Gruppe von Behandlungsfällen gefunden, die weder Wahnsymptome noch somatische Komorbiditäten zeigten.
Diskussion: Obwohl signifikante und starke Effekte von Patientenmerkmalen gefunden wurden, konnte die Varianz in den Tageskosten sowohl mit dem eigenen Klassifizierungssystem als auch mit dem PEPP-System nur moderat erklärt werden.
Praktische Implikationen: Die Güte eines pauschalierenden Entgeltsystems misst sich auch an dessen Fähigkeit, Kostenunterschiede zwischen prospektiv definierten Patientengruppen abzubilden. Diese Studie zeigte, dass es nur eingeschränkt möglich war, Kostenunterschiede anhand von Patientenmerkmalen vorherzusagen.
Hintergrund
In Deutschland werden jährlich ca. 540.000 zentralvenöse Katheter (ZVK) gelegt. Konventionell wird anhand anatomischer Strukturen punktiert. Diese Anlagemethode führt jedoch zu Komplikationsraten bis zu 19 % und Misserfolgsraten bis zu 35 %. Alternativ kann eine Katheterisierung unter Ultraschall (US)-Assistenz erfolgen. Internationale Studien hierzu zeigen, dass diese Vorgehensweise in weniger Komplikationen resultiert sowie auch kostengünstiger ist. Für das deutsche Gesundheitssystem lagen bisher keine Aussagen zur Kosten-Effektivität zentralvenöser Katheterverfahren vor.
Fragestellung
Das Ziel der Analyse ist es, die Kosten-Effektivität der US-gestützten ZVK-Anlage im Vergleich zur anatomisch orientierten Punktion für Erwachsene im deutschen Versorgungskontext zu untersuchen. Dabei wurde die Perspektive der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie die eines Krankenhauses der Maximalversorgung gewählt.
Methode
Die Ermittlung der Kosten-Effektivität der zu vergleichenden Interventionen wurde mittels entscheidungsanalytischer Modellierung realisiert. Dazu wurde ein Entscheidungsbaum konstruiert, in dem Effektivitäts- und Kostenparameter zusammengeführt wurden. Zur Berechnung der Kosten-Effektivität wurden die in beiden Verfahren entstehenden Komplikationen den Kosten pro Patient gegenübergestellt. Bei den Komplikationen werden Arterielle Punktion, Thrombose, Embolie, Hydromediastinum, Hämatomediastinum, Häma-tothorax, Hydrothorax, Pneumothorax, Nervenverletzung sowie subkutanes Emphysem betrachtet. Die Kosten pro Patient umfassen die direkten medizinischen Kosten in Abhängigkeit der Perspektive. Die Häufigkeit der Komplikationen basiert dabei auf Daten eines Cochrane-Reviews und die Kostenparameter auf stationären Abrechnungsdaten. Die Parameterunsicherheit der Analyseergebnisse wurde in verschiedenen Sensitivitätsanalysen überprüft. Um das Kosten-Effektivitäts-Modell zu validieren, wurden Vergleiche mit anderen Modellen durchgeführt sowie die Modellstruktur mit klinischen Experten konsultiert. Des Weiteren wurden die möglichen Ausgabeeffekte für beide Analyseperspektiven quantifiziert.
Ergebnisse
Eine ultraschallgesteuerte ZVK-Anlage resultiert in weniger Komplikationen und führt aus beiden Analyseperspektiven zu niedrigeren Kosten im Vergleich zur anatomisch orientierten Alternative. Aus Sicht der GKV ist die US-gestützte ZVK-Anlage um 360 € je Prozedur kostengünstiger als die Vergleichsintervention. Aus der Perspektive des stationären Leistungserbringers weist die US-Assistenz niedrigere Kosten von 1.178 € je Anwendung auf. Damit ergibt sich aus beiden Perspektiven eine Dominanz der ZVK-Anlage gegenüber der konventionellen Methode (größere Effektivität zu geringeren Kosten). Diese Ergebnisse erwiesen sich in Sensitivitätsanalysen für beide Analyseperspektiven als robust. Basierend auf der Annahme, dass ca. 10 % (n= 54.000) der ZVK unter US-Assistenz gelegt werden, ergibt sich für die GKV ein jährliches Einsparpotenzial von ca. 19,4 Millionen €. Für das Krankenhaus resultiert eine jährliche Einsparung von ca. 1,7 Millionen €, wenn ca. 50% (n=1425) der ZVK mittels US-Steuerung gelegt werden.
Diskussion
Diese Analyse ist die erste Untersuchung, die eine Beurteilung der Kosten-Effektivität zentralvenöser Kathetermethoden im deutschen Gesundheitswesen erlaubt. Allerdings sollten Schlussfolgerungen unter Beachtung der Datengrundlage, der Zielpopulation, der Analyseperspektive sowie des Settings gezogen werden.
Praktische Implikationen
Aus Sicht der GKV ist eine Erstattung der Interventionskosten einer US-gesteuerten Katheterisierung angezeigt, da die Anwendung des Verfahrens neben positiven gesundheitlichen Effekten auch die Gesundheitsausgaben reduziert. Aus der Perspektive des Krankenhauses ist eine US-gestützte ZVK-Anlage ebenso sinnvoll, obwohl die Empfehlung mit einer höheren Unsicherheit hinsichtlich der Höhe der Kosteneinsparung verbunden ist. Da ein Verzicht auf die US-Assistenz zu höheren Komplikations- und Misserfolgsraten führt, ist dies unter Berücksichtigung des Imageverlustes für das Krankenhaus zu berücksichtigen.
Hintergrund: Potenziell inadäquate Medikamente (PIM) erhöhen die Auftretenswahrscheinlichkeit von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) bei älteren Patienten. Eine speziell für den deutschen Medikamentenmarkt angepasste Liste von 82 PIM wurde 2010 mit der PRISCUS-Liste veröffentlicht. In der vorliegenden Studie wurde analysiert, wie sich die Verschreibung von PIM auf Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, Versorgungskosten und Auftreten von UAWs auswirkt.
Methode: In die kontrollierte retrospektive Kohortenstudie wurden Personen eingeschlossen, die zu Beginn des Jahres 2011 65 Jahre oder älter waren und während des gesamten Untersuchungszeitraums von 24 Monaten bei einer AOK in Deutschland versichert waren. Personen, die während des 12-monatigen Baseline-Zeitraums eine PIM aufwiesen und/oder kein Medikament bekamen, wurden ausgeschlossen. Personen der Exponierten-Gruppe (EG) mussten während des 12-monatigen Follow-up (FU) mindestens eine PIM aufweisen. Personen der Kontrollgruppe (KG) durften während des FU-Zeitraums keine PIM aufwiesen. Nach Anwendung der Ausschlusskriterien verblieben von den ursprünglich 6,2 Mio. AOK-Versicherten noch 4,5 Mio. im Datensatz, von denen 4 Mio. der KG und 0,5 Millionen der EG zugeordnet wurden. Zur Erhöhung der Vergleichbarkeit erfolgte ein Matching der beiden Studiengruppen anhand der Baseline-Daten durch die Methode des Entropy-Balancing.
Ergebnisse: Durch das Entropy Balancing konnte für sämtliche verwendete Matchingvariablen eine perfekte Balancierung beider Studiengruppen erreicht werden. Im Vergleich zur KG wiesen Personen der EG im FU-Zeitraum im Durchschnitt zusätzlich 2,9 ATC-Wirkstoffe, 143 Arzneimittel-Tagesdosen (DDDs), 4,5 stationäre Tage und 0,7 Rehatage auf. Die gesamten Versorgungskosten lagen in der EG um 2321 € höher als in der KG. Der Großteil dieser Differenz resultierte aus Unterschieden im stationären Sektor (+1718 €). Die weiteren Unterschiede zwischen den Studiengruppen betrugen 319 € bei den Medikamentenkosten sowie 163 € für die ambulante Versorgung, 92 € für Reha und 28 € für Heilmittel. Im ambulanten Sektor trat während des FU-Zeitraums bei 40,9% der Personen der EG eine UAW auf, während dies in der KG bei nur 34,3% der Fall war. Im stationären Sektor und im Reha-Sektor war das Risikoverhältnis noch ausgeprägter. Alle Ergebnisse waren statistisch signifikant (p<0,001)
Zusammenfassung: Erhöhte Leistungsinanspruchnahme, Versorgungskosten sowie Auftretenswahrscheinlichkeit von UAWs bei Personen mit PIMs sind ein deutliches Zeichen für die gesundheitsökonomische Relevanz der PRISCUS-Liste. Aus der Einhaltung der PRISCUS-Liste ergeben sich große Potenziale zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Eine Überprüfung der gesundheitlichen Effekte wäre wünschenswert, ist aber mit Routinedaten allein nicht realisierbar.