Patientenzentrierte Versorgung stellt einen wesentlichen Aspekt in der Versorgungsforschung dar. Dieser umfasst mehrere Punkte, insbesondere die aktive Beteiligung von Patienten in der Entscheidungsfindung (Shared Decision-Making), patientenzentrierte Gesundheitsinformationen und Patientenbeteiligung. In dieser Session geht es um genau diese Punkte. Patienten haben oft nicht die Möglichkeit Teil einer patientenzentrierten Versorgung zu sein, da sie Zugangsbarrieren zu risikobezogenen Informationsangeboten gegenüberstehen und ihnen die angemessene Entscheidungsfindung verwehrt wird. Dafür müssen zunächst Verbesserungsansätze gefunden werden, die besonders für vulnerable Gruppen von Bedeutung sein können. Deswegen ist die Identifikation von Präferenzen und Erfahrungen, aber auch Barrieren wichtig. Darauf aufbauend können Interventionen zur evidenzbasierte Entscheidungshilfe durch Decision-Coaching durchgeführt werden um den Entscheidungsprozess zu verbessern. Als abschließender Punkt dieser Session wird die Mobile Geriatrische Rehabilitation betrachtet und diskutiert.
11:45 Uhr
V012:
Zugangsbarrieren zu risikobezogenen Informationsangeboten und deren Rolle für die präferenzsensitive Entscheidungsfindung – Ein systematische Übersichtsarbeit
K. Enders (Köln, DE)
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Autor:innen:
K. Enders (Köln, DE)
A. Genske (Köln, DE)
S. Jünger (Köln, DE)
K. Rhiem (Köln, DE)
R. Schmutzler (Köln, DE)
C. Woopen (Köln, DE)
Hintergrund: Brustkrebs ist weltweit die häufigste Krebsdiagnose bei Frauen in der stationären, ambulanten und rehabilitativen Versorgung. Etwa 30% der Brustkrebserkrankten zeigen dabei eine familiäre Disposition im Hinblick auf eine genetische Verursachung. Die am häufigsten identifizierbaren Mutationen beim familiären Brust- und Eierstockkrebs finden sich in den so genannten Hochrisikogenen BRCA1 und BRCA2. Wenn eine BRCA1/2-Mutation nachgewiesen werden konnte, ist von einem lebenslang deutlich erhöhtem, mit dem Alter steigenden Risiko, an Brust- bzw. Eierstockkrebs zu erkranken, auszugehen.
In Deutschland stehen Betroffenen und Ratsuchenden zum Thema familiäre Brust- und Eierstockkrebsbelastung etablierte Versorgungsstrukturen zur Verfügung, bestehend aus interdisziplinärer Beratung, Gentestung, individueller Risikokalkulation und Prävention (intensivierte Früherkennung und prophylaktische Operationen).
Durch neue Sequenzierungsverfahren ("next generation sequencing") sowie diagnostische Möglichkeiten durch Multigenanalysen und Paneldiagnostik können heute bereits weitere bekannte Risikogene für familiären Brust- und Eierstockkrebs identifiziert und untersucht werden. Die schnelle Entwicklung der technischen wie diagnostischen Möglichkeiten, die damit einhergehenden risikobezogenen Erkenntnisgewinne und Handlungsoptionen, aber auch die Angebotsvielfalt an universitären oder klinischen Versorgungsnetzwerken, gentestenden Privatlaboren und Start-up-Unternehmen, verlangen von den Ratsuchenden einen kompetenten Umgang mit den zur Verfügung gestellten risikobezogenen Informationen und dem sich damit eröffnenden Bedarf an präferenzsensitiven Entscheidungen.
Die breite Nutzbarmachung des Wissens um individuelle Erkrankungsrisiken und Handlungsalternativen im Sinne der klientenzentrierten Prävention, stellt besondere Anforderungen an die Gesundheitskompetenz der Ratsuchenden. Der Zugang zu risikobezogenen Informationen ist hierbei die Voraussetzung, um den Prozess hin zum gesundheitskompetenten Handeln einzuleiten. Zugangsbarrieren zu risikobezogenen Informationsangeboten – seien sie individuell oder strukturell - stehen einer präferenzsensitiven Entscheidungsfindung demnach im Wege.
Fragestellung: Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit ist es, auf Basis der bislang publizierten Fachliteratur einen Überblick über die Zugangsmöglichkeiten zu risikobezogenen Informationen angesichts familiärer Brust- und Eierstockkrebsbelastung zu erhalten. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage, welche Rolle den Zugangsbarrieren in der präferenzsensitiven Entscheidungsfindung zukommt.
Methode: Es wurde eine systematische Literatursuche in vier Datenbanken (PubMed, Cochrane Library, PsycINFO, Web of Sciende) durchgeführt; diese folgte einem vierstufigen Verfahren: 1) Die Suchterme wurden entwickelt und über PubMed getestet. Neben dem Zugang zu risikobezogenen Informationen sollte explizit das Risiko angesichts einer familiären Brust- und Eierstockkrebsbelastung in der Studie thematisiert worden sein. Die Suchterme wurden in englischer und deutscher Sprache getestet. 2)Nach dem Pretest wurden die englisch- und deutschsprachigen Studien einem Titel-Abstract-Screening unterzogen. Ergänzende Suchterme wurden identifiziert und in die Suchstrategie übernommen. 3)Nach der Finalisierung wurde die Suche auf die vier Datenbanken angewendet. 4)Die Treffer wurden um datenbankübergreifende Doppler bereinigt. Die Auswertung der eingeschlossenen Volltexte erfolgte systematisch durch drei unabhängige Reviewer mittels quantitativer Inhaltsanalyse Ergebnisse: Zahlreiche Studien nehmen den Zugang zu risikobezogenen Informationen angesichts einer familiären Brust- und Eierstockkrebsbelastung in den Blick. Unterschiedliche Informationszugänge werden analysiert, die sich an eine heterogene Gruppe von Ratsuchenden (z.B. Erkrankte an familiärem Brust- und/oder Eierstockkrebskrebs, nichterkrankte Mutationsträger/Previvors, Angehörige von Mutationsträgern, usw.) richten. Es werden
verschiedene individuelle wie strukturelle Merkmale (z.B. Bildungsstand, Alter, Migrationshintergrund, Wohnort usw.) benannt, die Barrieren im Zugang zu risikobezogenen Informationsangeboten darstellen und damit einer präferenzsensitiven Entscheidungsfindung im Wege stehen könnten.
Diskussion und praktische Implikationen: Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass die Zugangsmöglichkeiten zu risikobezogenen Informationsangeboten in empirischen Studien breite Beachtung erfahren. Zugangsbarrieren werden diskutiert. Hinsichtlich der Rolle des Informationszugangs für die präferenzsensitive Entscheidungsfindung besteht weiterer Forschungsbedarf, um darauf aufsetzend zielgruppengenaue Informationsangebote zu entwickeln und im Sinne der klientenzentrierten Prävention zu etablieren.
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12:03 Uhr
V013:
„Psychoonkologische Versorgung in Deutschland: Bundesweite Bestandsaufnahme und Analyse“
W. Frerichs (Hamburg, DE)
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Autor:innen:
W. Frerichs (Hamburg, DE)
M. Dabs (Hamburg, DE)
L. Sautier (Hamburg, DE)
M. Härter (Hamburg, DE)
H. Schulz (Hamburg, DE)
C. Bleich (Hamburg, DE)
Hintergrund:
Jährlich erkranken in Deutschland ca. 500.000 Menschen neu an Krebs, Tendenz steigend. Trotz bedeutender Fortschritte in der Krebsbehandlung bildet die Krebserkrankung für die betroffenen Patienten und ihr soziales Umfeld ein schwerer, oft (lebens-)bedrohlicher Ein-schnitt in ihrem Leben, mit körperlichen sowie auch psychosozialen Beeinträchtigungen während und nach der Behandlung sowie zum Teil beträchtlichen Einschränkungen der ge-sundheitsbezogenen Lebensqualität. Neben den körperlichen Belastungen gehören zu den häufigsten psychischen Belastungen bei Krebspatienten u.a. Distress (59%), Ängste (48%) und Depressivität (58%). Aktuelle Studien aus Deutschland zeigen, dass ca. 50% aller Krebs-patienten einen Bedarf an psychosozialer Unterstützung haben. Eine angemessene und bedarfsgerechte psychoonkologische Versorgung von Krebspatienten ist daher ein unver-zichtbarer, integrativer Bestandteil der patientenorientierten Behandlung von Krebspatien-ten und sollte - wie im Nationalen Krebsplan formuliert - bei Bedarf jedem Patienten und dessen Angehörigen angeboten werden. Bisher ist jedoch unklar, wie umfassend die psychoonkologische Versorgung in den verschiedenen Regionen Deutschlands sowie in den verschiedenen Settings etabliert ist. Bisherige Studien berichten, dass nur ca. 3-11% der am-bulant versorgten Krebspatienten eine psychoonkologische Unterstützung erhalten, jedoch fehlt es an einer umfangreichen und Setting-übergreifenden Erhebung.
Fragestellung:
Um die psychoonkologische Versorgung von Krebspatienten flächendeckend und bedarfsge-recht verbessern zu können bedarf es einer Bestandaufnahme aller ambulanten und statio-nären psychoonkologischen Versorgungsangebote, um Defizite über die Art, Wirkungsweise und Zugang zu den psychoonkologischen Unterstützungsangeboten zu ermitteln. In einem zweiten Schritt soll der Bedarf an psychoonkologischer Unterstützung erfasst und anschlie-ßend der Deckungsgrad ermittelt werden. Die Ergebnisse Studie sollen schließlich in Empfeh-lungen zur Optimierung der psychoonkologischen Versorgung münden. Diese Bestandauf-nahme wird im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit in der deutschlandweiten Studie „Psychoonkologische Versorgung in Deutschland: Bundesweite Bestandsaufnahme und Analyse“ erhoben.
Methode:
Potentielle Leistungserbringer wie z.B. Krankenhäuser, psycho-soziale Krebsbera-tungsstellen sowie Psychotherapeuten und Fachärzte mit einer spezifischen psychoonkologi-schen Weiterbildung werden über verschiedene Datenbanken, u.a. des Krebsinformations-dienstes, identifiziert. Um eine möglichst hohe Abdeckung zu erreichen werden weitere Quellen wie z.B. Fachgesellschaften oder Landesbehörden zum Abgleich bzw. zur Ergänzung einbezogen. Alle weiteren möglichen Anbieter psychoonkologischer Angebote, wie z.B. nie-dergelassen Fachärzte oder Psychotherapeuten sollen auf der Basis von Zufallsstichproben im Umfang von 10%, stratifiziert nach regionalen Merkmalen und Art des Angebotes, kon-taktiert werden und einen spezifischen Fragebogen erhalten. Hierin werden alle Leistungs-erbringer eingangs befragt, ob psychoonkologische Angebote erbracht werden. Falls dies positiv beantwortet wird, werden weitere Fragen u.a. zur Art, zur Form und zum Umfang des psychoonkologischen Angebots, zu den zeitlichen sowie personellen Kapazitäten, zur berufli-chen Qualifikation der Leistungserbringer sowie zu Qualitätsmerkmalen der Versorgungsar-beit gestellt. Um Hinweise auf die Validität und Repräsentativität der erhobenen Angaben sowie Hinweise für Non-Responder-Analysen zu erhalten, werden mit nach Anbietertyp stratifizierten kleinen Teilstichproben qualitative telefonische Interviews durchgeführt.
Ergebnisse und Diskussion:
Die Ergebnisse der Erhebung werden unter Zuhilfenahme eines im Rahmen des Projekts entwickelten Qualitätskriterien-Katalogs analysiert und bewertet und nach Raumordnungs-regionen auch kartographisch dargestellt und mit Indikatoren des Bedarfs verglichen. Die Anbieter-Erhebung wird im Mai 2017 beginnen. Im Rahmen der Präsentation sollen die Me-thodik und erste Ergebnisse, vor allem zum Rücklauf, vorgestellt und diskutiert werden.
Praktische Implikationen:
Die Gegenüberstellung von ermitteltem Angebot und Bedarf soll in entsprechende Empfeh-lungen für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung des psychoonkologischen Versorgungs-angebotes in Deutschland münden.
12:21 Uhr
V014:
Partizipative Entscheidung: Präferenzen, Erfahrungen und Barrieren bei Tumorpatienten – eine Befragung von Nutzern des Krebsinformationsdienstes (KID)
A. Gaisser (Heidelberg, DE)
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Autor:innen:
A. Gaisser (Heidelberg, DE)
C. Bieber (Heidelberg)
K. Gschwendtner (Heidelberg, DE)
N. Müller (Heidelberg, DE)
E. Kludt (69120, DE)
W. Eich (Heidelberg, DE)
S. Weg-Remers (Heidelberg, DE)
Hintergrund und Fragestellung
Trotz breiter auch gesundheitspolitischer Forderung von Patientenbeteiligung und partizipativer Entscheidung (PEF) sind viele Krebsbetroffene nicht zufrieden mit dem Grad ihrer Einbeziehung. Studien weisen auch darauf hin, dass die Präferenzen sich nach Fragestellung, Art und Stadium der Erkrankung, Alter und Bildungsstand unterscheiden können. Für die Onkologie gibt es bisher nur wenige differenzierte Daten dazu. Eine Analyse auf der Basis einer großen Nutzerbefragung im Telefonservice des Krebsinformationsdienstes geht diesen Fragen nach und untersucht die Effekte als hilfreich empfundener patientenzentrierter Information auf die subjektiv wahrgenommen Selbstkompetenz.
Material/Methoden
Konsekutive KID-Nutzer wurden von Juni 2016 bis April 2017 im Anschluss an das Informationsgespräch um Beteiligung an der Befragung gebeten. Bei Zustimmung erfolgte eine Wochen nach dem Kontakt die Befragung mit einem online zur Verfügung gestellten oder per Post zugesandten Fragebogen. Erhoben werden die Zufriedenheit der Anfragenden mit den vermittelten Informationen, deren individuell wahrgenommenen Nutzen sowie allgemeine Informations- und Beteiligungspräferenzen. Ein im Survey integriertes Modul erhebt bei Krebspatienten differenziert und situationsbezogen Erfahrungen, -präferenzen und –barrieren bezüglich medizinischer Entscheidungen und speziell der PEF. Rund 2000 Patienten nahmen an der Befragung teil. Vorgestellt werden Ergebnisse einer deskriptiven Analyse der auswertbaren Patientendatensätze.
Ergebnisse
Zum Stichtag einer letzten Zwischenauswertung im Januar 2017 zeigte sich die Beteiligungspräferenz von Patienten (66% Frauen) mit rund 80% Vollzustimmung bezogen auf die konkrete Situation ausgeprägt - deutlich höher bei höherer vs. einfacher Schulbildung (88 vs. 76%), aber ansonsten mit geringen Unterschieden nach Subgruppen. 52% der befragten Patienten suchten explizit Entscheidungsunterstützung, v.a. zu Diagnostik, Therapie und KAM. Wurden die vermittelten Informationen als hilfreich wahrgenommen, war dies deutlich mit Zuwachs an Verständnis und Orientierung, aber auch mit Aktivierung und Beteiligung assoziiert: Besprechung der erhaltenen Informationen mit den behandelnden Ärzte, Einholen einer zweiten Meinung oder Nutzung weiterer Informationsquellen. Vorläufige Auswertungen des PEF-Moduls zeigen die höchste Präferenz für Patientenautonomie in formalen Fragen: Behandlungsort, Behandlungszeitpunkt und Einbeziehung von Angehörigen. Die alleinige Entscheidung durch den Arzt wünschten insgesamt unter 5% der Befragten. Im Mittel über alle Entscheidungsbereiche und –themen gut 40% präferierten die mit dem Arzt gemeinsam getroffenen Entscheidung (PEF), während nur gut 20% dies auch so erlebten. In der subjektiven Wahrnehmung wurden die PEF-Schritte (erhoben mit dem PEF-FB 9, Kriston et al. 2010) stärker bei Informations- als abei Kommunikationsaspekten realisiert. Die am häufigsten genannten PEF-Barrieren waren fehlendes Angebot seitens der Ärzte, fehlende Information über das Bestehen unterschiedlicher Optionen und subjektives Informations-/Kompentenzdefizit.
Schlussfolgerung und Implikationen
Die Beteiligungspräferenz der aktiv informationssuchenden Patienten im KID-Kollektiv ist hoch und in allen Bereichen deutlich höher als real erlebt. Der gemeinsamen Entscheidung steht entgegen, dass sich ein großer Teil der Befragten dafür nicht ausreichend gerüstet fühlt. Barrieren liegen auch in der ärztlichen Kommunikation, die PEF häufig nicht anbahnt. Beteiligungsförderliche Arzt-Patient-Kommunikation wie auch bedarfsgerechte, individuell zugeschnittene und patientenzentriert vermittelte Informationen unterstützen Patientenkompetenz, Initiative und Partizipation.
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12:39 Uhr
V015:
Shared Decision Making durch Decision Coaches in der Senologie: eine Pilotstudie
B. Berger-Höger (Hamburg, DE)
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Autor:innen:
B. Berger-Höger (Hamburg, DE)
K. Liethmann (Hamburg, DE)
I. Mühlhauser (Hamburg, DE)
A. Steckelberg (Halle, DE)
Hintergrund
Frauen mit Brustkrebs möchten an medizinischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Zur Umsetzung von Shared Decision Making (SDM) in zertifizierten Brustzentren wurde eine interprofessionelle komplexe Intervention in Anlehnung an das Modell des UK Medical Research Councils [1] entwickelt und pilotiert. Die Intervention umfasst eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe für Frauen mit einem duktalen Carcinoma in situ (DCIS), ein Decision Coaching durch spezialisierte Pflegefachkräfte (SPF), sowie ein strukturiertes Arztgespräch. In Vorbereitung erhalten die SPF ein dreitägiges Training und die Ärzte einen zweistündigen Workshop.
Fragestellung
Ziel der Pilotstudie war die Überprüfung der Machbarkeit der entwickelten komplexen Intervention mit dem Fokus auf Verständlichkeit, Angemessenheit und Akzeptanz.
Methode
Wir haben zwei Brustzentren mit vier SPF und fünf Ärzten eingeschlossen. Die Schulungen und der Workshop wurden anhand strukturierter Unterrichtsbeobachtungen und Feedbacks der Teilnehmenden anhand von Fragebögen evaluiert.
Im Anschluss haben die Ärztinnen und Ärzte sieben Patientinnen mit DCIS in die Pilotstudie eingeschlossen. Diese erhielten eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe, ein Decision Coaching durch die geschulten SPF und ein strukturiertes Arztgespräch. Die Decision Coaching-Gespräche durch die SPF wurden auf Video aufgezeichnet und das Ausmaß der Patientenbeteiligung wurde mit dem MAPPIN`SDM-Beobachtungsinstrument [2] durch sechs unabhängige Rater beurteilt (Skala: 0=Kompetenz wurde nicht beobachtet bis 4 = exzellente Ausführung), die final einen Konsens bildeten.
Von den beteiligten Ärzten, Nurses und Patientinnen wurden Feedbacks mittels Fragebogen erhoben. Die Frauen erhielten zudem einen Wissenstest.
Alle Fragebögen wurden deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse
Die gesamte Intervention (Training der SPF, Ärzteworkshop, Decision Coaching) erwies sich als machbar und wurde von den Beteiligten gut angenommen. Das Decision Coaching dauerte im Mittel 36 Minuten (Range: 23-82min.). Die SPF und Patientinnen erreichten ein Basisniveau im SDM-Verhalten (MAPPIN'SDM-Beobachterdyade = 2,15; Range: 1,73-2,73). Die Patientinnen beantworteten 10-15 von 15 Fragen korrekt. Alle SPF und die meisten Ärzte befürworteten die Umsetzung von inter-professionellem SDM.
Es wurden auch relevante Barrieren identifiziert. Die Ärzte befürchteten, dass einige Frauen aufgrund ihres Alters mit den Informationen überfordert sein könnten und schlossen nicht alle geeigneten Frauen in die Studie ein. Zudem äußerten sie Bedenken, dass die Präferenzen der Frauen nicht mit der Empfehlung des Tumorboards oder den Leitlinien übereinstimmen könnten.
Die SPF äußerten einen Zeitmangel für das Coaching, insbesondere wenn diese für ihre Tätigkeit im Stationsalltag nicht freigestellt waren.
Diskussion
Die Intervention ist machbar. Jedoch stellen strukturelle Gegebenheiten wie die Leitlinien- und Tumorboardempfehlungen und auch die Einstellungen der Professionellen Barrieren dar. Die Intervention wurde entsprechend der Ergebnisse überarbeitet. So wurde z.B. mehr Diskussionszeit für die Behandlungsoptionen im Rahmen des Ärzteworkshops eingeplant.
Die Wirksamkeit der Intervention wird derzeit in einer cluster-randomisiert kontrollierten Studie mit 16 Brustzentren evaluiert [3].
Praktische Implikationen
Decision Coaching durch SPF ist machbar, allerdings müssen langfristig v.a. strukturelle Gegebenheiten angepasst werden.
Referenzen
[1] Craig P et al. 2008. Developing and evaluating complex interventions: the new Medical Research Council guidance. BMJ;doi10.1136/bmj.a1655.
[2] Kasper J et al. 2012. MAPPIN’SDM - the multifocal approach to sharing in shared decision making. PLoS One;7:e34849.
[3] Berger-Höger B et al. 2015. Informed shared decision-making supported by decision coaches for women with ductal carcinoma in situ: study protocol for a cluster randomized controlled trial. Trials;16:452.
12:57 Uhr
V016:
Wie leistungsstark ist die Mobile Geriatrische Rehabilitation? Bedarf und Verlaufsanalyse einer neuen Versorgungsform
H. Janßen (Bremen, DE)
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Autor:innen:
H. Janßen (Bremen, DE)
L. Köhler (Bremen, DE)
Hintergrund
Mit Inkrafttreten des GKV Wettbewerbsstärkungsgesetzes wurde 2007 die mobile, wohnortnahe Rehabilitation in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen. Diese Versorgungsleistung spricht eine wachsende Bevölkerungsgruppe an, der anderweitig kein Zugang zur Rehabilitation gewährt wird. Betroffen sind Patienten mit multimodaler Symptomatik, die nicht selten auch demenziell erkrankt sind. Die Kontextfakoren der Versorgung spielen eine zentrale Rolle.
Fragestellung
Untersucht wird hier die mobile, geriatrische Rehabilitation bei einem Klientel in stationären Pflegeeinrichtungen. Wie hoch ist hier der Bedarf und welche Besonderheiten zeigen sich im Verlauf der Rehabilitation? Ist die mobile Rehabilitation nachhaltig und effektiv?
Methode
Die mobile geriatrische Rehabilitation ist relativ neu und ihr Verlauf entsprechend wenig erforscht. Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projektes wird eine Analyse über den Bedarf und den Verlauf mobiler geriatischer Rehabilitation in stationären Pflegeeinrichtungen in Deutschland vorgenommen. Die Untersuchung ist als multizentrische Studie über fünf Standorte angelegt. Untersucht wird mittels fachärztlicher Begutachtungen der Bedarf an (mobiler) Rehabilitation an Standorten in West-, Ost-, Mittel- und Süddeutschland. 760 Bewohnerinnen und Bewohner aus insgesamt 13 Pflegeeinrichtungen wurden begutachtet . In einer Verlaufsstudie wurden weiterhin zu vier Messzeitpunkten (im Halbjahreszeitraum) Daten über einen Fragebogen erhoben. Gemessen wurden mit Alter, Geschlecht, Pflege- und Versichertenstatus soziodemographische Merkmale sowie Diagnosegruppen und der kognitive Status. Die Messvariablen sind: Barthel Index, Transferleistung, Bewegungsradius, Teilhabeziele (mit Zielerreichung) und Lebensqualität (mit Zufriedenheit). Die Studie weist ein Kontrollgruppendesign aus. Geplant werden 100 Rehabilitanden 40 Personen ohne Rehabilitation aber mit Bedarf (Kontrollgruppe) gegenübergestellt. Neben den Outcomes der Intervention (Halbjahreszeitraum) werden Daten zu Struktur und Prozess der Intervention erhoben: Art, Umfang, Dauer und Kosten der Rehabilitationsmassnahme
Ergebnisse
Die Bedarfsanalyse zeigt, dass etwa jeder fünfte Bewohner einen Bedarf an (mobiler) Rehabilitation hat. In der Langzeitpflege liegt der Rehabilitationsbedarf bei 23% der Heimbewohner. Derzeit wird in Deutschland u.a. aufgrund fehlender Angebote nur ein kleinster Bruchteil hiervon rehabilitativ versorgt.
Die Maßnahme mobiler Rehabilitation verbessert den Grad der Selbstversorgung. Es kann von einer generellen Wirksamkeit ausgegangen werden (vgl. u.a. Lübke 2016). Der Barthel-Index weist in den bisherigen Studien mit Ende der Maßnahme eine Verbesserung von über zehn Punkten aus. Ein Standort aus der multizentrischen Studie weist eine Verbesserung über den Selbständigkeitsindex FIM mit über zehn Punkten aus, zudem verbessert sich der kognitive Status leicht (vgl. MDK Rheinland-Pfalz 2016). Ein weiterer Standort zeigt als erste Teilauswertung eine Verbesserung des Barthel-Index in der Interventionsgruppe von knapp 14 Punkten am Ende des Halbjahreszeitraums, wo hingegen die Vergleichsgruppe sich um 4 Punkte verändert. Dies deutet auf Aspeke einer nachhaltigen Versorgungsleistung hin.
Diskussion
Die fachärztlich ausgewiesene Bedarfsquote gibt voraussichtlich nur bedingt die tatsächliche Nachfragesituation wieder. Bis zur Inanspruchnahme einer Rehabilitation sind weitere Faktoren bedeutend. Zu fragen ist auch, ob und wie der Bedarf überhaupt gedeckt werden kann. Es gibt nur wenige Anbieter Mobiler Rehabilitation, hier fehlen deutlich die Anreize. Jedoch wie effektiv ist eine mobile Rehabilitation und wie verläuft die Behandlung vor Ort? Die hier vorgelegte Studie lässt weitergehende Erkenntnisse mit einer Vergleichsanalyse zu. Neben dem Grad zur Verbesserung der Selbstversorgung, wird der Grad der Zielerreichung als weiteres zentrales Reha-Ziel hier ausgewiesen. Ebenso können Analysen zu Lebensqualität im Vergleich vorgenommen werden.
Praktische Implikationen
Der Gesetzgeber gibt die "Rehabilitation vor Pflege" als versorgungsleitende Maxime vor. Dies kann den Pflegeaufwand vermindern helfen, die Qualität der Versorgung verbessern und Kosten einsparen lassen. Die Versorgungsanforderung einer Rehabilitation geriatrischer, multimorbider Patienten mit oftmals kognitiven Einschränkungen steht in Konzept, Qualität und Leistung noch weit am Anfang einer auch gesellschaftlich-ethischen Erörterung.