Hintergrund: Die Aufrechterhaltung einer wohnortnahen gesundheitlichen Versorgung für Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Gemeinden ist von zunehmender Bedeutung. Aufgrund der demografischen Entwicklung stellt sich jedoch die Frage, wie eine wohnortnahe gesundheitliche Versorgung in ländlichen Gemeinden auch in Zukunft gewährleistet werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage, werden derzeit vermehrt neue Versorgungskonzepte wie z.B. Tele-Health Ansätze, mobile Arztpraxen oder Versorgungszentren, entwickelt und erprobt. Im Rahmen dieser Entwicklungen werden jedoch die Erwartungen und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger an die Ausgestaltung der gesundheitlichen Versorgung der Zukunft bisher nur wenig berücksichtigt.
Fragestellung: Welche Erwartungen haben Bürgerinnen und Bürger ländlicher Gemeinden in Westfalen-Lippe an die Ausgestaltung der zukünftigen gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Raum?
Methode: Im Rahmen einer qualitativen Studie wurden zwischen März und April 2017 in drei ländlichen und von Unterversorgung bedrohten Gemeinden in Westfalen-Lippe, N=3 leitfadengestützte Fokusgruppendiskussionen mit jeweils 6-8 Teilnehmern zwischen 18 und 80 Jahren durchgeführt. Die Auswahl der Gemeinden erfolgte auf der Grundlage eines eigens entwickelten Kriterienkatalogs. Berücksichtigt wurden der Ländlichkeitsstatus sowie die aktuelle und prognostizierte zukünftige ambulante Versorgungssituation in den Gemeinden. Die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgte per Anzeige in regionalen Zeitungen und Veranstaltungshinweisen im Internetauftritt der Gemeinden. Das Interviewmaterial wurde transkribiert und nach den Vorgaben der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring analysiert. Es wurde eine deduktiv-induktive Kategorienbildung durchgeführt.
Ergebnisse: Im Rahmen der leitfadengestützten Fokusgruppeninterviews werden die Teilnehmer zu Ihren bisherigen Versorgungserfahrungen sowie Ihren Erwartungen an die zukünftige Ausgestaltung der gesundheitlichen Versorgung befragt. Bezüglich der zukünftigen Versorgung und der Transformation der ländlichen Versorgungslandschaft, werden insbesondere die Erwartungen der Teilnehmer im Hinblick auf die Form der Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringern, die Art und Weise der Leistungserbringung sowie Erreichbarkeit, Zugänglichkeit und Kontinuität der Versorgung erfasst und beleuchtet. Im Rahmen der Sitzung können erste Ergebnisse zu den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Gemeinden in Westfalen Lippe an die zukünftige Versorgung vorgestellt werden.
Diskussion und praktische Implikationen: Die systematische Erhebung der Versorgungserwartungen der Nutzer von Gesundheitsleistungen im ländlichen Raum kann dazu beitragen, neue Versorgungsangebote entsprechend der Bedürfnisse der Nutzer zu entwickeln und vorzuhalten. Die Berücksichtigung der Nutzerperspektive durch die Erhebung zentraler Akzeptanzaspekte ist für eine erfolgreiche Transformation der Versorgungsangebote im ländlichen Raum unabdingbar.
Hintergrund
Die künftige Versorgung der älteren Bevölkerung in Deutschland erfordert innovative Konzepte, die sich u.a. durch eine verstärkte Teamorientierung und verbesserte Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe kennzeichnen. Eine gute interprofessionelle Kooperation erfordert spezifische Kompetenzen, die während der Ausbildung erworben werden müssen. Interprofessionelles Lernen (IPL) hat sich dabei als geeigneter Lernansatz bewährt. Pflege und Medizin als die beiden größten Berufsgruppen im Gesundheitswesen sind davon insbesondere betroffen. Bisher ist jedoch nur wenig zu geeigneten Lehrthemen und deren Umsetzung mit spezifischen Lehrformen bekannt. Daher erfolgte in der Care-N Study M-V (Cooperative academical regional evidence-based Nursing Study in Mecklenburg-Vorpommern) die Untersuchung von möglichen Lehrthemen und Lehrformen für das IPL von Medizin- und Pflegestudierenden in Deutschland.
Fragestellung
Folgende Fragestellungen wurden untersucht: (a) Welche Lehrinhalte sind für gemeinsame Lehrveranstaltungen für Medizin- und Pflege geeignet? (b) Welche Lehrformen sollten zur Umsetzung verwendet werden? und (c) Wie können Lehr- und Lernzenten in das IPL eingebunden werden? Die Ergebnisse sollen einen Überblick zu Themen und Lehrformen für das IPL geben, um ein interprofessionelles Lehrkonzept für Medizin und Pflege entwickeln zu können.
Methode
Es wurde eine qualitative Delphi-Befragung des Typs Ideenaggregation durchgeführt. Zur Befragung wurden insgesamt 25 ExpertInnen aus sechs Bereichen rekrutiert: (1) Wissenschaft, (2) Praxis (Berufsfeld Medizin/Pflege) (3) Ausbildung, (4) Leistungserbringung, (5) Politik/Verbände/Organisationen und (6) Kostenträger. Die Datenerhebung erfolgte in zwei schriftlichen Befragungsrunden und einer abschließenden Gruppendiskussion. Die beiden schriftlichen Befragungen wurden mittels qualitativer halbstrukturierter Interviews durchgeführt und mit Cardiff TeleForm (Version 10.2) digitalisiert. Die Gruppendiskussion wurde audiotechnisch erfasst und transkribiert. Die Datenauswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse und der Software MAXQDA (VERBI GmbH, Berlin).
Ergebnisse
Die befragten ExpertInnen gaben eine Vielzahl von geeigneten IPL Themen für Medizin und Pflege an, die sich wie folgt zuordnen lassen: (a) Grundlagen der Versorgung (z.B. Ethik, Medizinische Soziologie, Verhalten in Notfallsituationen), (b) Kommunikation und Beratung (z.B. Patienten- und Angehörigenberatung) sowie (c) spezifische Versorgungskonzepte (z.B. Entlassungsmanagement). Die ExpertInnen befürworten dabei das gemeinsame Lernen überwiegend in Seminaren und kleineren Lerngruppen. Spezifische interprofessionelle Fähigkeiten und Fertigkeiten sollten mit Hilfe des problemorientierten Lernens (POL) und in praktischen Übungen geübt werden. Insbesondere für Themen wie Kommunikation, Erste Hilfe/Notfallmedizin sowie Patienten- und Angehörigenberatung wird das praktische Üben mittels Simulationspatienten-Training (SP-Training) in Skill Labs und das Arbeiten auf einer Ausbildungsstation von den Experten präferiert.
Ein Lehr- und Lernzentrum kann das IPL aus Sicht der Experten insbesondere für das Üben von praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten positiv beeinflussen: (1) die Zusammenarbeit (z.B. gemeinsame Entwicklung von Behandlungsmaßnahmen), (2) die Kommunikation (z.B. Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung gemeinsamer Visiten) und (3) die patientenzentrierte Versorgung (z.B. Shared Decision Making). Im Vergleich zu konventionellen Lehrmethoden (z.B. Vorlesung) erfordert die Nutzung des Lehr- und Lernzentrums jedoch einen höheren organisatorischen Aufwand, eine intensivere Abstimmung beider Curricula sowie eine adäquate Qualifikation von Dozenten für die interprofessionelle Lehre.
Diskussion
Die befragten Experten sehen insbesondere das Thema Kommunikation als geeignet für eine gemeinsame Lehrveranstaltung von Pflege und Medizin an. Dieses sollte bevorzugt in Seminarform mit kleineren Lerngruppen unter Nutzung von POL und praktischen Übungen vermittelt werden. Für das Erlernen praktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten (z.B. Patientenbeobachtung, klinische Untersuchungstechniken, Wundmanagement) eignen sich vor allem das SP-Training unter Einbezug von Lehr- und Lernzentren sowie das gemeinsame Arbeiten auf einer Ausbildungsstation.
Praktische Implikationen
Eine systematische Identifikation geeigneter Themen und Lehrformen für das IPL von Pflege und Medizin steht bislang aus. Dies stellt jedoch eine wichtige Ausgangsbasis dar, um künftig ein IPL Gesamtkonzept entwickeln zu können.
Hintergrund:
International wird in der psychiatrischen Versorgung ein breites Spektrum an teambasierten, stationsersetzenden Modellen genutzt. Infolge neuerer Gesetzgebung (§64b SGB V) ist auch in Deutschland die sektorübergreifende Behandlung psychisch erkrankter Menschen erleichtert worden. Diese sogenannten Modellprojekte nutzen ein klinikbezogenes Gesamtbudget, das es den Leistungserbringern freistellt, ob sie ihre Leistung stationär oder ambulant erbringen. Inzwischen haben sich deutschlandweit 19 Modellprojekte gebildet, die eine integrierte, flexible und bedarfs-, bzw. bedürfnisgerechte Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und deren Angehörigen anbieten können.
Fragestellung:
In diesem Vortrag wird einerseits das Design und wesentliche Ergebnisse des Evaluationsprojekts „EvaMod64b“ vorgestellt. Andererseits soll die Frage im Fokus stehen, wie sich qualitative und quantitative Daten in einem naturalistischen Studiendesign integrieren lassen.
Methode:
In einem mixed method Forschungsdesign wurden die multi-varianten Effekte von neun Modellprojekten aus fünf Bundesländern auf Patienten, Angehörige und Mitarbeiter evaluiert. Im Vorfeld der Erhebung wurden mit Hilfe der Grounded Theory Methodologie 11 Indikatoren entwickelt, die die wesentlichen Charakteristika der Modellversorgung abbilden. In der Erhebungsphase wurden sowohl Routinedaten erhoben, als auch eine standardisierte Befragung mit einem für die Modellversorgung eigens entwickelten Fragebogen durchgeführt. Außerdem wurden Fokusgruppen und Experten-Interviews eingesetzt. Die Daten wurden mit Hilfe eines komplexen Regressionsmodells sowie der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.
Ergebnisse:
Die durch die Modellversorgung bedingten Veränderungen wurden bei großen Teilen der befragten PatientInnen wahrgenommen und positiv bewertet. Demgegenüber zeigten sich die Angehörigen ambivalenter und erlebten, bzw. befürchteten einen Mehraufwand durch die Ambulantisierung der psychiatrischen Versorgung. Auch die in den Modellprojekten beschäftigten MitarbeiterInnen zeigten sich in ihrer Einschätzung gespalten, wobei vor allem die Be-rufsgruppe der Pflege eine höhere Belastung beschrieb.
Methodisch gelang die Integration der Daten der quantitativen und qualitativen Erhebung vor allem mit Hilfe der der 11 Modellversorgungs- spezifischen Indikatoren. Diese waren grundlegend für die Fragestellungen sowohl des quantitativen als auch des qualitativen Studienteils, strukturierten die Auswertung beider Datensätze und verhalfen dadurch der Zusammenführung der Ergebnisse.
Diskussion:
Inhaltlich werden mögliche Gründe für die unterschiedlichen Einschätzungen der befragten Beteiligten der Modellversorgung diskutiert. Methodisch werden die Möglichkeiten von theoriegeleiteten und gleichzeitig empirisch verankerten Indikatoren für die Zusammenführung unterschiedlicher methodischer Ansätze erörtert.
Praktische Implikationen:
Der Vortrag soll einerseits ermöglichen, sich inhaltlich mit den Chancen und Grenzen der sektorübergreifenden, psychiatrischen Versorgung auseinanderzusetzen. Andererseits sollen Wege aufgezeigt werden, wie sich Daten von qualitativen und quantitativen Ansätzen integ-rieren lassen.
Hintergrund: In Deutschland wird die Primärversorgung zentral durch Hausärztinnen und -ärzte sowie ihre Mitarbeitenden sichergestellt. Laut Studienlage haben sie zum Teil eine beeinträchtigte Arbeitszufriedenheit. Bei Ärztinnen und Ärzten zeigen sich ein Risiko für Burnout, Depressionen, Substanzmissbrauch und höhere Suizidraten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Beeinträchtigungen des Wohlbefindens haben nicht nur persönliche Folgen, sondern wirken sich auch auf die Versorgungsqualität aus. International bearbeitet als „physician factor“, wird das Thema hierzulande trotz der prominenten Rolle von Ärztinnen und Ärzten im deutschen Gesundheitssystem bislang vernachlässigt.
Fragestellung: Wie zufrieden und glücklich sind die in der Primärversorgung Tätigen? Was fördert und was hemmt Arbeitszufriedenheit und Glückserleben? Welche Rolle spielt das Praxisteam in diesem Zusammenhang?
Methode: Das mixed-methods Studiendesign umfasst zum einen eine quantitative Querschnittserhebung in Teilen von NRW mit standardisierten und validierten Messinstrumenten u.a. zum subjektiven Gesundheitszustand und der Arbeitszufriedenheit. Die Datenanalyse sieht zunächst eine deskriptive Auswertung zur Beschreibung der Studienpopulation und der jeweiligen Skalen der Messinstrumente vor. Anschließend ist die Anwendung multivariater Verfahren geplant. Zum anderen beinhaltet das Design eine qualitative Datenerhebung anhand von a) teilnehmender Beobachtung in Praxen, b) Einzelinterviews mit Ärztinnen und Ärzten sowie Mitarbeitenden und c) Fokusgruppen getrennt nach Berufsgruppen. Die Auswertung erfolgt anhand einer Methodentriangulation. Im Rahmen der Integration der Forschungsdaten ist ein member check (kommunikative Validierung) geplant.
Ergebnisse: Die Untersuchung generiert Erkenntnisse über das momentane Glückserleben von Hausärztinnen und -ärzten sowie ihren Mitarbeitenden. Positive wie negative Faktoren, die Glückserleben und Arbeitszufriedenheit beeinflussen, können identifiziert werden. Die interprofessionelle Zusammenarbeit in der Primärversorgung wird beleuchtet.
Diskussion: Da in Deutschland das Glückserleben von Praxisteams in der Primärversorgung bislang kaum untersucht wurde, soll die geplante Studie einen Beitrag dazu leisten, die Bedeutung der verschiedenen Einflussfaktoren auf das Glückserleben von Praxisteams tiefergehend zu verstehen.
Die Studie unterscheidet sich durch ihre Datentriangulation von bisher durchgeführten Studien in diesem Forschungsbereich. Der Fokus auf das Praxisteam in der ambulanten Primärversorgung überwindet die getrennte Betrachtung der ärztlich und nicht-ärztlich Tätigen. Neben personenbezogenen und berufsgruppenspezifischen Einflussfaktoren zielt die Untersuchung darauf ab, Erkenntnisse über die Bedeutung des Systems „Hausarztpraxis“ zu liefern.
Praktische Implikationen: Anhand der Ergebnisse des mixed-methods Studiendesigns sollen Ressourcen von Praxisteams identifiziert werden, die potenziell mithilfe von Interventionsmaßnahmen gestärkt werden können, um so das Glückserleben der Praxisteams sowie die Qualität der Patientenversorgung zu steigern. Interventionsmaßnahmen können dann gemeinsam mit der Zielgruppe entwickelt und anschließend beispielhaft in der Praxis getestet werden. Neben dem Präventionsansatz geben die Studienergebnisse Hinweise auf positive Aspekte des Hausarztberufs, die schließlich für die Nachwuchsgewinnung genutzt werden können.
Hintergrund
Systematische Reviews (SRs) werden auch zu Fragen der Versorgungsforschung in den letzten Jahren zunehmend durchgeführt. Im Rahmen der Literaturrecherche für einen SR kann es sinnvoll sein, Suchfilter (z. B. für Studientypen) einzusetzen. Bei einigen Fragen erscheinen geographische Einschränkungen hilfreich (z.B. wenn alle Studien zur Häufigkeit einer bestimmten Erkrankung in Deutschland zusammengetragen werden sollen). Diese Einschränkungen lassen sich am besten mit sogenannten Suchfiltern realisieren, die mit der entworfenen inhaltlichen Fragestellung kombiniert werden. Für verschiedene Länder oder Regionen sind entsprechende Filter bereits entwickelt worden, nicht aber für Deutschland.
Fragestellung
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine Übersicht über Methoden zu geben, die bislang in SRs zur Identifizierung von Studien aus Deutschland eingesetzt worden sind.
Methoden
Die Datenbank Medline (via Pubmed) wurde mit einer fokussierten Recherche (kein Anspruch auf Vollständigkeit) im Januar 2016 nach SRs durchsucht, die gezielt Studien aus Deutschland eingeschlossen haben. Die Studienselektion und Datenextraktion wurde unabhängig von zwei Personen durchgeführt. Mit Hilfe der international etablierten Peer Review of Electronic Search Strategies (PRESS) Kriterien ist die in den SRs auf Deutschland fokussierte Suchsyntax auf Sinnhaftigkeit und Vollständigkeit analysiert worden. Bei Unklarheiten sind die Autoren kontaktiert worden. Die Ergebnisse wurden narrativ zusammengefasst.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 36 SRs (davon 13 englischsprachig) eingeschlossen. Davon waren 78% im Jahre 2012 oder später publiziert. Die meisten SRs beschäftigten sich mit epidemiologischen (n = 12), therapeutischen (n = 9) oder gesundheitsökonomischen Fragestellungen (n = 8). Die überwiegende Mehrheit (89%) der SRs verwendete mindestens zwei unterschiedliche Suchquellen. Am häufigsten ist dabei in bibliografischen Datenbanken (vor allem Medline) recherchiert worden und die Referenzen der bereits als relevant identifizierten Literatur durchsucht worden. 17 SRs benutzten keinerlei Trunkierungen (zum Beispiel random* für alle Wörter, die mit random beginnen, wie bspw. randomized oder randomly), zehn SRs beschränkten ihre Syntax nicht auf Deutschland, sechs SRs berichteten, dass sie nach German OR Germany recherchiert haben. Insgesamt zehn SRs haben nur nach dem Begriff Germany (manchmal in Verbindung mit Deutschland) gesucht, ohne eine gleichzeitige Verwendung des Adjektivs german zu berücksichtigen.
Diskussion
Das Interesse an SRs mit regionaler Beschränkung nimmt zu. In den letzten Jahren sind verstärkt SRs erschienen, die einen klaren Fokus zur Versorgung in Deutschland hatten und daher nur diese Studien berücksichtigt haben. Die Suchstrategien der eingeschlossenen SRs lassen viel Optimierungspotential erkennen. Die Berichtsqualität der Suchstrategien befand sich auf einem sehr geringen Niveau. Die vollständige Reproduzierbarkeit der Recherche war in vielen Fällen nicht möglich.
Praktische Implikation
Qualitativ hochwertige SRs sollten den Anspruch erheben, jegliche relevante Literatur zu identifizieren. Die Entwicklung eines Suchfilters zur Identifikation von Studien, die in Deutschland durchgeführt wurden, wäre eine große Hilfestellung insbesondere für Fragen der Versorgungsforschung.
Hintergrund: Die Zahl der in ambulanten Settings versorgten tracheotomierten Patienten steigt. Aufgrund ihrer komplexen Problem- und Bedarfslagen benötigen diese Patienten eine qualifizierte, multiprofessionelle Langzeitversorgung. Diese stellt hohe Anforderungen an die klinische Expertise der einbezogenen Gesundheitsprofessionen, die fallbezogene Zusammenarbeit der verschiedenen Leistungserbringer aus unterschiedlichen Sektoren und Organisationen sowie deren Koordination und Ergebnisorientierung im Versorgungsalltag. Offen ist, welche Versorgungsmodelle geeignet sind, um diesen hohen Anforderungen gerecht zu werden.
Fragestellung: Gefragt wurde, wie tracheotomierte, beatmete und nicht beatmete Patienten unterschiedlichen Alters mit intensivem Versorgungsbedarf international versorgt werden. Ferner war von Interesse, ob in der Literatur bereits einschlägige Versorgungsmodelle beschrieben sind, ob es Erfolgsindikatoren gibt und welche Erkenntnisse dazu vorliegen sowie ob es Modelle gibt, die als Anregung für Deutschland dienen können.
Methode: Mit dem Ziel einer ersten Annäherung wurde ein Scoping Review durchgeführt, orientiert an den Vorgaben von Arksey & O‘Malley (2005) und Levac (2010). Die Recherche wurde in einem iterativen Prozess in den Datenbanken Pubmed und CINAHL durchgeführt, zusätzlich wurde in Leitlinienregistern, Verzeichnissen einschlägiger Referenzliteratur und öffentlichen Onlinesuchmaschinen recherchiert. In die Auswertung einbezogen wurden deutsch- und englischsprachige Quellen ab dem Jahr 2000, die sich mit Aspekten der sektoren-, organisations- und professionsübergreifenden Versorgung der interessierenden Patientengruppe befassen. Relevante Informationen wurden mittels eines Rasters exzerpiert und thematisch kategorisiert aufbereitet. Ausgeschlossen wurden Quellen zu Einzelaspekten der medizinischen, pflegerischen oder therapeutischen Behandlung sowie solche mit Fokus ausschließlich auf die stationäre Versorgung.
Ergebnisse: Zur Langzeitversorgung tracheotomierter Patienten mit und ohne Beatmung werden in der Literatur zahlreiche Modelle beschrieben, die jedoch vorwiegend aus Kliniken heraus gesteuert werden. Eine prioritär häusliche Versorgung, wie sie in Deutschland favorisiert wird, ist selten zu finden. Regelhaft sind mehrere Professionen in wechselnder Konstellation in das Versorgungsteam eingebunden. Dazu gehören v.a. verschiedene Facharztgruppen, Atmungs- und Physiotherapeuten, Logopäden, Medizintechniker und hochschulisch qualifizierte Pflegende – häufig mit erweiterten Kompetenzen. Zumeist sind die Modelle entweder für die Versorgung von Kindern oder von Erwachsenen und häufig indikationsspezifisch ausgerichtet. Sie existieren landesweit oder als regionale Initiativen. Die in den Programmen genutzten Interventionen unterscheiden sich in Art und Frequenz. Häufig beschrieben werden Maßnahmen der Fall- und Versorgungssteuerung, Aufgaben in der Patienten- und Angehörigenedukation sowie in der Umsetzung von Kontrolluntersuchungen. Insbesondere in dünn besiedelten Regionen werden zunehmend Telemonitoring und -konsultationen integriert.
Diskussion und praktische Implikationen: Die derzeit für die Versorgung der hier interessierenden Patientengruppe in der Literatur beschriebenen Modelle basieren überwiegend auf Expertenkonsens und Best Practice Statements. Häufig genutzte Indikatoren für die Bewertung sind Dekanülierungs- und Rehospitalisierungsraten, ökonomische Faktoren sowie die subjektiv empfundene Lebensqualität und Zufriedenheit der Patienten mit der Versorgung. Als problematisch erweist sich, dass die Versorgungsmodelle selten umfassend beschrieben werden, auch fehlt es oftmals an Evaluationsergebnissen, die eine Einschätzung ihrer Tragfähigkeit und Wirksamkeit erlauben. Ungeachtet dessen bietet die Sichtung internationaler Modelle interessante Anregungen für die (Weiter-)Entwicklung patientenzentrierter und multiprofessioneller Versorgungsmodelle für diese spezielle Patientengruppe in Deutschland.
Hintergrund: Real World Evidence (RWE) oder Versorgungsforschung sind viel diskutierte Begriffe und Versorgungsdaten bzw. Ergebnisse aus Versorgungsanalysen sind mittlerweile in jedem Abschnitt des Arzneimittellebenszykluses und im Rahmen der Patientenversorgung von Bedeutung. Die pharmazeutische Industrie möchte auch in diesem Themenfeld ein Partner in der Diskussion und der Gestaltung sein.
Fragestellung: Daraus ergibt sich die Frage, wie akademischer Austausch und konkrete operative Kooperationen zur Verbesserung der Patientenversorgung als Win-Win-Situation ausgestaltet sein können. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, in wie fern die Industrie hier ihren Beitrag leisten kann.
Methodik: Die Frage wurde untersucht, mittels einer explorativen Recherche zu den Bedürfnissen der relevanten inner- und außerindustriellen Stakeholder in Deutschland und auf europäischer Ebene, da immer mehr Arzneimittel zentral zugelassen werden.
Ergebnisse: Das Thema RWE ist insbesondere in folgenden Zusammenhängen relevant: Bei der EMA-Zulassung im Rahmen des Adaptive Pathways Programs; bei Qualitätsmanagementbestrebungen auf europäischer Ebene (Joint Action 3 der EUnetHTA) zur Verbesserung von Effizienz und Outcome-Qualität von Gesundheitsleistungen in HTAs; beim Aktionsplan Versorgungsforschung, der durch Förderprojekte den Wunsch des BMBF nach klinischen und epidemiologischen Registern ausgedrückt; und insbesondere als Anforderung des G-BA und des IQWiGs an die Patientenrelevanz von Studienergebnissen im Rahmen des AMNOG-Prozesses u.a.m. Dies stellt alle Beteiligten inkl. der Industrie vor neue strategische Herausforderungen. Hierbei sind insbesondere die Qualitätsanforderungen an Registerstudien und die Rolle der Industrie bei der Planung, Durchführung und Tragung zu nennen. Aber auch die Diskussionen zur Nutzung und Nachnutzung der gesammelten Daten sind wichtige Punkte.
Schlussfolgerungen: Die Industrie muss und will Partner in der aktuellen Diskussion und der Gestaltung der Patientenversorgung sein. Hierbei ist der Fokus insbesondere auf die Belange der Patienten zu legen. Um mögliche Synergien zu heben sind bestehende Netzwerke und Datenbasen zu nutzen oder auf ihren Vorbild-Charakter zu prüfen, um darauf aufbauend neue Projekte qualitativ hochwertig zu gestalten.
Praktische Implikationen: Kooperationen unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Standards sind voranzutreiben.
Hintergrund
Die Versorgung von chronisch Erkrankten erfordert differenzierte wie vielfältige Behandlungsmethoden. Mit zunehmender Prävalenz wachsen auch die Kosten der Versorgung. Als ein geeigneter Ansatz zur Verbesserung der Versorgungssituation von Chronikern kann die Durchführung einer koordinierten Fallsteuerung gesehen werden.
Fragestellung
Wie sieht das Verfahren koordinierter Fallsteuerung in der Versorgung aus? Welche Faktoren sind hier für den erfolgreichen Verlauf relevant?
Methode
Untersucht wird die Fragestellung am Beispiel der Versorgung von chronischen Wundpatienten. Die Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden stellt eine komplexe Aufgabe dar, die nicht mit einfachen medizinischen oder pflegerischen Prozessen zu bewerkstelligen ist. Meist liegen langwierige Krankheitsverläufe vor, die Gründe für das Fortbestehen der Wunde sind multikausal. Die fachgerechte Diagnostik und Therapie nimmt eine zentrale Stellung ein. Ein ganzheitlicher Behandlungsansatz aus verschiedenen professionellen Blickwinkeln ist erforderlich. Im Rahmen dieses Vortrages werden zwei Studien im Behandlungssetting fallgesteuerter Versorgung erörtert. Zum Einen die Clusteranalyse verschiedener Behandlungstypen und zum zum Zweiten der Einfluss der Patientencompliance auf den Heilungsverlauf. Im Anschluss wird das Grundmuster einer idealtypischen Fallsteuerung skizziert und vorgestellt. Mit Routinedaten zur Patientendokumentation (n=391) wurde methodisch eine retrospektive Verlaufsstudie vorgenommen. Aufgenommen wurden Patienten, die aufgrund einer chronischen Wunde im Rahmen eines integrierten Versorgungsvertrages erfolgreich behandelt wurden. Diese Daten bilden die Grundlage für eine Clusteranalyse. In der Analyse zur Patientencompliance wurden Daten über die Wunddokumentation und über einen Wundfragebogen erhoben. Der Wundfragebogen wurde zu vier Messzeitpunkten im Halbjahresverlauf eingesetzt (n=48).
Ergebnis
Die Clusteranalyse kommt zu einer Differenzierung des Klientels chronischer Wundpatienten. Ein Grossteil der Patienten zeigt eine mittlere Behandlungsdauer und gute Heilungschancen mit kalkulierbarer Kostenstruktur. Hier kann eine strukturierte Versorgung erfolgversprechend bzw. effektiv sein. Etwa ein Viertel der Patienten mit chronischer Wunde zeigen eine sehr lange Behandlungsdauer mit hoher Kostenbelastung. Hier kommt auch die Fallsteuerung im Rahmen einer strukturierten Versorgung an Ihre Grenzen.
Es konnte ein signifikanter Einfluss der Patientencompliance sowohl auf den Wundheilungsverlauf, als auch auf die Lebensqualität des Patienten nachgewiesen werden. In Einklang dazu erwiesen sich die durchschnittlichen Gesamtkosten (Material- und Personalkosten) für Patienten mit einer mangelnden Compliance als wesentlich höher.
Die idealtypische Fallsteuerung wird als Flussdiagramm der Versorgung skizziert. Dabei kommt der Diagnostik eine zentrale Rolle im Versorgungsgeschehen zu. Mit der Erstdiagnostik in einem Wundzentrum erfolgt die Therapie mit Folgediagnostiken zur Verlaufskontrolle. Geschulte Wundmanager führen das Fallmanagement.
Diskussion
Eine ganzheitliche Diagnostik zu Beginn der Therapie ist für den Erfolg der Intervention enorm hilfreich, wie auch die Folgediagnostik in einem festgelegten Zeitraum. Die Patientencompliance muss im Versorgungsprozess stärker berücksichtigt und gefördert werden. Strategien zur Erhöhung der Compliance sollten erarbeitet und zielgerichtet umgesetzt werden. Darüber hinaus wäre die Implementierung eines Systems zur frühzeitigen Erkennung einer mangelnden Compliance wichtig, um rechtzeitig intervenieren zu können.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse zur Cluster- und Complianceanalyse lassen sich auf andere Patientengruppen mit langwierigen wie komplexen Behandlungsverläufen übertragen. Mit einer differenzierten Analyse kann eine strukturierte Versorgung erfolgreich geführt werden. Eine ganzheitliche Diagnostik zu Beginn und die Verlaufskontrolle sind die Basis für eine erfolgreiche wie effektive Fallsteuerung.
Hintergrund
Bei der Umsetzung der Modellprojekte nach §64b SGB-V sind Begleitstudien vorgeschrieben. Für die effektive Studienplanung sollen einzelne Versorgungskomponenten ausgewählt und gewichtet werden. Eine mögliche Methode für eine vorläufige Einschätzung der Bedeutung einzelner Bestandteile der sektorübergreifenden Versorgung ist die Expertenbefragung.
Fragestellung
Das Ziel der vorliegenden Studie war die Ermittlung der Expertenmeinung zur erwarteten Effizienz einzelner Komponenten der sektorübergreifenden psychiatrischen Versorgung.
Methode
Auf der Basis von bereits identifizierten Indikatoren wurde ein standardisierter Fragebogen zu der erwarteten Effizienz der sektorübergreifenden Versorgung in der Psychiatrie entwickelt. Das Instrument erfragte die erwarteten Auswirkungen einzelner Versorgungsbestandteile auf die Lebensqualität der Patienten. Die Auswirkungen einer ein-, bzw. dreijährigen Expositionsdauer sollte eingeschätzt werden. Außerdem wurde die Sicherheit der Experteneinschätzung erfragt. 11 von insgesamt 13 Chefärzten der an einer Evaluationsstudie (EvaMod64) teilnehmenden Einrichtungen wurden per Email rekrutiert. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte mit Hilfe der deskriptiven, nicht-parametrischen (Kendall’s W) und parametrischen (Zweistichproben-t-Test) Methoden.
Ergebnisse
Die Rücklaufquote war 90,9%. Auf Basis von Expertenmeinungen konnten einzelne Bestandteile der sektorübergreifenden Versorgung gewichtet werden. Die Experten erwarteten eine allgemeine Zunahme (p=0.01) der Effizienz der Modellprojekte in einer langfristigen Perspektive. Die mittlere Erwartung betrug 3,64 für die Entwicklung in einem Jahr und 3,89 für drei Jahre auf einer Skala von 1 bis 5. Die Urteile zu den insgesamt 34 Einzelfragen zeigen geringe Varianz, so ist die zugehörige Standardabweichung nur 0,40 bzw. 0,38. Während die Übereinstimmung der Experten bezüglich der Effizienz der sekorübergreifenden Versorgung nach einem Jahr und nach drei Jahren von einem mittleren Wert (W=0,52) zu einem niedrigen Wert (W=0,27) sank, differierten die entsprechenden Sicherheitseinschätzungen mit mittleren Werten von 3,74 bzw. 3,60 nicht so stark.
Diskussion
Die Diskrepanz zwischen Graden der Übereinstimmung in der zeitlichen Perspektive konnte durch Spezifik des Expertenpanels erklärt werden. Als Chefärzte der strukturell unterschiedlichen Kliniken orientierten sich die Experten an verschiedenen Entwicklungsstrategien der sektorübergreifenden Versorgung, was insbesondere in der langfristigen Beurteilung zu starken Differenzen in den Einschätzungen der einzelnen Versorgungskomponenten führte. Für die Einschätzung des Nutzens der Ergebnisse zur Planung einer Längsschnittstudie ist der Vergleich zu anderen Expertenpanelen erforderlich.
Praktische Implikationen
Die Daten können als Grundlage für die Planung einer Querschnitts-Studie oder Delphi-Befragung genutzt werden.
Hintergrund: Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) sind Arzneimittelhersteller verpflichtet, ein Nutzendossier beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G BA) einzureichen. Dieses dient als Grundlage der Nutzenbewertung des Arzneimittels. Im Dossier werden u.a. Angaben gemacht zur voraussichtlich infrage kommenden Anzahl Patienten (Zielpopulation) und den Jahrestherapiekosten (JTK).
Fragestellung: Welche Qualitätsindikatoren sind ausschlaggebend, damit es zu einer Übereinstimmung der Quantifizierung der Zielpopulation und der JTK des G-BA mit der des Arzneimittelherstellers kommt?
Methode: Dossiers mit kompletter Verfahrensdurchführung zwischen dem 01.01.2015 und dem 31.12.2016 wurden systematisch analysiert. Als Prognosefaktoren wurden folgende Qualitätsindikatoren definiert: 1) Orphan Drug (ja/nein), 2) Therapiegebiet (geringer/mittlerer/hoher prozentualer Anteil an allen Verfahren), 3) Zielpopulation (Bewertung der Ableitung durch: Validität der Datengrundlage, Übertragbarkeit der Daten, Bewertung der Ableitungsmethode; Ausprägungen: (gut/mittel/schlecht)), 4) JTK (<100.000.000€/100.000.000€ bis 500.000.000€/>500.000.000€), 5) Beteiligte IQWiG Mitarbeiter (Anzahl ≤2/>2/Ressortleiter involviert). Alle oben genannten Qualitätsindikatoren führten zu einem Gesamt-Prognosescore von 0 – 10, wobei 0 bedeutete, dass alle günstigen Ausprägungen der einzelnen Prognosefaktoren auftraten, dagegen ein Maximalwert von 10, dass alle ungünstigen Ausprägungen der einzelnen Prognosefaktoren getroffen wurden.
Im nächsten Schritt wurde der Zusammenhang zwischen den durch den Hersteller erbrachten Informationen zur Zielpopulation und den JTK und der vom G-BA bestätigten Quantifizierung bestimmt. Dieser Vergleich führte entweder zu einer Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung zwischen dem G-BA und dem Arzneimittelhersteller.
Anschließend wurde diese Übereinstimmung dem Gesamt-Prognosescore gegenübergestellt, um daraus den Vorhersagegehalt abzuleiten.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 88 Nutzendossiers von 38 Arzneimittelherstellern in die Analyse einbezogen. Der Gesamt-Prognosescore lag im Mittelwert bei 5,7 [Min.: 2, Max.: 8]. Gleicht man den Gesamt-Prognosescore mit der Übereinstimmung der JTK bestimmt durch den Hersteller und dem G BA ab, so lässt sich ableiten, dass für 74% der herangezogenen Nutzendossiers die Prognose durch die im Projekt definierten Qualitätsindikatoren übereinstimmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass bei 26% andere als die im Projekt definierten Qualitätsindikatoren zu der Quantifizierung seitens des G-BA geführt haben. Hinsichtlich der Zielpopulation zeigen sich ähnliche Werte: Für 81% der herangezogenen Nutzendossiers stimmt die Prognose durch die hierfür definierten Qualitätsindikatoren überein, für 19% stimmt die Prognose nicht mit der Bewertung durch den G-BA überein.
Diskussion: Die hier herausgefilterten Qualitätsindikatoren ergeben einen Hinweis auf die letztendlich vom G-BA beschlossene Höhe der JTK und der Zielpopulation. Dennoch scheint es weitere Faktoren zu geben, welche den G BA in seiner Entscheidung beeinflussen und zu einem abweichenden Ergebnis führen. Eine sichere Prognose mit Hilfe der definierten Faktoren ist damit nicht möglich.
Praktische Implikation: Eine hohe Qualität der Ableitung der JTK und der Zielpopulation und eine Zustimmung seitens des G-BA sollte in jedem Nutzendossier angestrebt werden. Neben den aufgeführten Indikatoren haben weitere nicht identifizierbare Faktoren Einfluss bei der Bewertung des G-BA. Daher erscheint eine Analyse weiterer bisher nicht eingeschlossener Indikatoren in Folgeprojekten notwendig.
Hintergrund: Das Potential ‚Lokaler Gesundheitszentren für die Primär- und Langzeitversorgung’ (SVR 2014) wird in Deutschland erst seit wenigen Jahren intensiv diskutiert. Die Zentren sollen eine wohnortnahe Versorgung auch in schwer zu versorgenden Regionen ermöglichen und regionalen Schieflagen durch eine bedarfsorientierte Angebotsplanung entgegenwirken. Als Planungsgrundlage für die regional differenzierte Angebotsentwicklung und Versorgungsgestaltung in den Zentren werden empirisch gestützte Daten benötigt. Vor diese Herausforderung sind auch die Kooperationspartner des von der Stiftung Wohlfahrtspflege des Landes NRW geförderten Modellversuchs „Pflege stationär – Weitdenken!“ gestellt. Ihre Intention ist eine bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung älterer, chronisch kranker, hilfe- und pflegebedürftiger Menschen im Stadtteil und Quartier durch die Weiterentwicklung stationärer Pflegeeinrichtungen hin zu sektorenübergreifenden, multiprofessionellen Gesundheits- und Pflegezentren in vier unterschiedlichen städtischen Quartieren. Im Rahmen der Evaluation des Modellprojekts wurden Community Health Assessments durchgeführt; die Methodik und die Ergebnisse werden in der Präsentation vorgestellt.
Fragestellung: In dem Beitrag werden die Möglichkeiten wie auch die methodischen Herausforderungen von Community Health Assessments als Planungsgrundlage für die Entwicklung lokaler Gesundheits- und Pflegezentren betrachtet.
Methode: Für die Durchführung der Community Health Assesements wurde ein mehrperspektivischer Zugriff erprobt. Er umfasste a) die Aufbereitung von Daten zur demografischen, sozio-ökonomischen und gesundheitlichen Situation der Bevölkerung, b) die Erhebung vorhandener Versorgungsangebote und Ableitung von Indikatoren der ‚Versorgungsdichte’, sowie c) leitfadengestützte Interviews mit regionalen Expert/inn/en und potentiellen Nutzer/inne/n der Zentren in den Quartieren. Die Auswertung der Interviews erfolgte inhaltsanalytisch, mit dem Ziel, relevante Themen standortspezifisch zu kondensieren und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Ergebnisse: Während Daten zur Gesundheitssituation der Bevölkerung auf kleinräumiger Ebene kaum verfügbar waren, ermöglichte die unterschiedliche demografische und sozio-ökonomische Situation in den Quartieren erste Rückschlüsse auf unterschiedliche Bedarfslagen in den Quartieren. Die Verfügbarkeit von Versorgungsangeboten folgt dem Bedarf nur bedingt, allerdings erlaubt sie keine Gewissheit darüber, ob fehlende Angebote im Quartier durch Nutzung externer Anbieter kompensiert werden. Die Interviewaussagen geben wichtige Aufschlüsse, wie sich Versorgungsprobleme darstellen. Sie bestätigen teils anfängliche Hinweise zu Versorgungsschieflagen, verdeutlichen aber darüber hinaus auch spezifische Hürden der Inanspruchnahme in Quartieren mit hoher Angebotsdichte, insbesondere ein aus Nutzersicht unübersichtliche Angebotslandschaft und räumliche Barrieren der Inanspruchnahme für ältere, mobilitätseingeschränkte Menschen im Quartier. Empfehlungen für eine regional differenzierte Angebotsplanung an den Modellstandorten und die verstärkte Ansprache vulnerabler Zielgruppen können abgeleitet werden.
Diskussion: Die Studie stand vor der Herausforderung, angesichts einer unzureichenden Datenlage auf kleinräumiger Ebene aussagekräftige Daten für die Versorgungsplanung zu liefern. Durch das multiperspektivische Vorgehen konnte dennoch die Versorgungssituation in den Quartieren charakterisiert werden. Ein wichtiger Schritt, um den Transfer der empirisch gestützten Handlungsempfehlungen in die Praxis zu ermöglichen, war die anschließende Diskussion mit den Entscheidungsträgern im Modellvorhaben. Dieser Prozess sollte als integraler, methodischer Bestandteil von Verfahren des Community Health Assessments angesehen werden.
Praktische Implikationen: Datengrundlagen für eine regional differenzierte Versorgungsplanung sind dringend erforderlich. Hierfür sind geeignete Methoden zu entwickeln. Community Health Assessments bieten großes Potential. Damit sie es entfalten können empfiehlt sich, Instrumente und Verfahren für ihren Einsatz in Deutschland weiterzuentwickeln.
Hintergrund: Die Versorgung tracheotomierter Patienten mit intensivem außerklinischen Versorgungsbedarf soll mittels einer regional verankerten, integrierten fachärztlichen Betreuung mit Unterstützung durch ein Case Management modellhaft leitlinienorientiert optimiert und standardisiert werden. Dazu wird auf Basis von § 140a Abs. 1 SGB V ein Modellprojekt von der AOK Nordost, der IKK Berlin-Brandenburg sowie der Techniker Krankenkasse gefördert und von Dezember 2016 bis Juni 2019 in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Flankiert wird das Vorhaben durch eine externe wissenschaftliche Begleitforschung und inhaltliche Evaluation (CeTiCo – Care for Tracheotomised Patients in the Community).
Fragestellungen und Methoden: In diesem Forschungsprojekt werden in Form eines Mixed Methods Designs drei Arbeitspakete mit je unterschiedlichen Fragestellungen und methodischen Zugängen umgesetzt:
(1) Im Rahmen einer Ausgangsanalyse wird gefragt, von welcher Situation die Modellinitiative ausgeht. Hierfür wird in Form eines Health Care Mappings zum einen die regionale Bedarfs- und Angebotsstruktur zur Versorgung der hier interessierenden Patienten in den drei benannten Bundesländern erfasst, beschrieben, analysiert und kartografisch aufbereitet. Zum anderen wird auf Grundlage von Dokumentenanalysen, nicht-teilnehmenden Beobachtungen und Gruppeninterviews nach der inhaltlich-konzeptionellen und organisatorisch-strukturellen Basis des Modellprojekts gefragt.
(2) In der Prozess- und Ergebnisanalyse wird vor dem Hintergrund der zuvor skizzierten Ausgangssituation nach den im Rahmen des Modellprojekts durchgeführten Aktivitäten und den dabei beobachtbaren nutzer- und systemseitigen Wirkungen gefragt. Hierfür werden mittels Sekundärdatenanalysen quantitative Dimensionen der Versorgung von mind. 230 Patienten analysiert. Qualitative Versorgungsdimensionen werden über die leitfadengestützte Befragung ausgewählter professioneller Akteure im Versorgungsfeld (N=18) sowie über die Erkundung der Erfahrungen von im Modellprojekt versorgten Patienten und ihren Angehörigen erfasst. Diese Daten werden in Form von Fallporträts (N=12) aufbereitet.
(3) In einer summativen Analyse wird schließlich nach dem Outcome des Modellprojekts, seiner Übertragbarkeit und möglicherweise nachhaltigen Effekten auf die Versorgung tracheotomierter Patienten gefragt. Hierfür werden die Teilergebnisse gebündelt und in Expertenforen mit Vertretern aus Praxis und Wissenschaft reflektiert.
Antizipierte Ergebnisse: Erwartet werden empirisch gestützte Aussagen über die Bedarfsgerechtigkeit und das Bedingungsgefüge anspruchsvoller Behandlungs- und Versorgungsprozesse im ambulanten Sektor, mögliche Optimierungserfolge und Best Practice-Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Versorgungsmodells und schließlich Hinweise auf die Übertragbarkeit des Modells auf andere Kontexte und Regionen.
Diskussion: Die Begleitforschung nimmt neben den genannten Aktivitäten zugleich die Funktion einer externen Steuerungshilfe und Beratungsinstanz für die unmittelbar mit der Modellprojektumsetzung betrauten Akteure wahr. Sie folgt dabei konzeptionell den Ideen einer partizipativ angelegten Evaluationsforschung und Qualitätsentwicklung. Zugleich orientiert sie sich am Phasenmodell zur Entwicklung und Bewertung komplexer Innovationen in der Gesundheitsversorgung (Voigt-Radloff et al. 2013). Es wird kritisch zu diskutieren sein, inwiefern diese Herangehensweise die Zielerreichung unterstützen, eine Anpassung von Konzepten und Interventionen anregen und die gewünschten Versorgungsinnovationen befördern kann.
Praktische Implikationen: Das Forschungsprojekt CeTiCo kann dazu beitragen, dass zum Ende des begleiteten und untersuchten Modellprojekts ein unter Alltagsbedingungen des deutschen Gesundheitssystems umsetzbares und anhand definierter und validierter Qualitätsparameter in seinen Wirkungen überprüfbares Konzept für die ambulante Versorgung tracheotomierter Patienten mit intensivem Versorgungsbedarf vorliegt.
Background
Shared decision-making (SDM) is poorly implemented in routine care, despite its inclusion in many clinical practice guidelines and health policy. To date, no studies have synthesized the literature around organizational- and system-level factors that influence the implementation of SDM in routine care. Such a synthesis would be important, allowing exploration of potential interventions addressing these factors.
Aims
The aim of this study is to compile a comprehensive overview on organizational-level factors (i.e. characteristics of a healthcare organization) and system-level factors (i.e. characteristics of a healthcare system) that influence the implementation of SDM in routine care.
Method
We conducted a scoping review using the Arksey & O’Malley framework: 1) identifying the research question, 2) identifying relevant studies, 3) selecting studies, 4) charting the data, and 5) collating, summarizing and reporting results. The search strategy included an electronic search in three databases (Pubmed, Web of Science, CINAHL). We included publications in English and German that reported on a project or study that aimed to promote implementation of SDM or other decision support interventions in routine health care. Titles and abstracts were screened and full texts were assessed for eligibility by the review team. An ongoing secondary search includes books, grey literature, and reference tracking of key publications.
Results
After screening 7,624 records and assessing 275 full texts for eligibility, 29 publications on 24 distinct implementation projects were included and subject to data extraction. Most of the implementation projects (N=16) were conducted in the US. Nineteen projects focused on the implementation of SDM through decision aids or other forms of decision support (e.g. via phone) and 5 had a broader focus on implementing SDM in routine practice. Several organizational-level factors were described to influence the implementation of SDM in the different studies. They comprise organizational leadership, culture, resources, and priorities, as well as teams and networks, and workflows. System-level factors identified to influence the implementation of SDM in routine care included aspects of incentivization, policies, and guidelines. Some of the included papers discussed approaches to changing identified organizational- and system-level factors, including reorganization of workflows, implementation of multidisciplinary teams, a push for culture change, a push for new legislation, as well as financial incentives. Secondary search results will be available at the time of the conference.
Discussion
A broad range of organizational- and system-level characteristics are found to influence implementation of SDM in routine care. However, more work is needed to undertake a gap analysis in the identified characteristics and to evaluate the impact of potential interventions.
Practice implications
Health care organizations that plan to implement SDM should carefully consider the role of organizational-level characteristics that promote or impede implementation. Using implementation and organizational theory could be a useful way of complementing and addressing the identified factors. Health policy could foster SDM implementation by designing legislation that supports the use of a SDM process, as well as by expediting payment reforms that incentivize SDM performance.