Hintergrund
In Österreich zeigt sich, ähnlich wie in vielen Ländern der Welt, dass ein Großteil der Versicherten keine bis sehr wenige Leistungen in einem Jahr in Anspruch nehmen, es einen kleinen Anteil der Versicherten gibt, die einen Großteil der Ressourcen benötigen. Diese behandlungsintensiven Populationen oder Hochnutzer liegen aufgrund des hohen Ressourcenverbrauchs immer wieder im Forschungsinteresse.
Fragestellung
Diese Studie untersucht die Gruppe dieser behandungsintensiven Populationen in Österreich. Im Rahmen der Studie wurde analysiert, welche Charakteristika (Alter, Geschlecht, Sozioökonomik, Diagnosen) diese Personen ausmachen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Hochnutzer langfristig behandlungsintensiv bleiben oder ob es sich eher um kürzere Episoden handelt.
Methode
Es handelt sich um eine deskriptive Längsschnittstudie.
Datengrundlagen und Forschungspopulation
Für die Analyse wurde ein Forschungsdatensatz des Hauptverbands (GAP-DRG) genutzt, der Abrechnungsdaten aus den Jahren 2006 bis 2011 für Versicherte einer Gebietskrankenkasse in pseudonymisierter Form beinhaltet. Als Forschungspopulation für die vorliegende Analyse werden jene Pseudonyme herangezogen, die von 2006 bis 2011 durchgehend in der Datenbank vorhanden sind (n=723.426 Personen).
Identifikation der behandlungsintensiven Populationen
In jedem untersuchten Jahr werden diejenigen Personen als behandlungsintensiv identifiziert, die zumindest bei zwei der folgenden drei Kriterien statistische Ausreißer (in dieser Studie: in der Verteilung außerhalb von eineinhalb Interquartilsabständen) waren:
1. Anzahl an Kontakten im niedergelassenen Bereich.
2. Aufenthaltstage in einer Krankenanstalt.
3. Anzahl an erhaltenen Leistungen im niedergelassenen Bereich.
Es wird bewusst eine Methode zur Identifikation der Hochnutzer auf Basis der Inanspruchnahme und nicht auf Basis der entstehenden Kosten gewählt.
Ergebnisse
In jedem Jahr wurden etwa 4,5% der Forschungspopulation als behandlungsintensiv identifiziert, über den Zeitraum von 6 Jahren waren über 11% der Forschungspopulation zumindest in einem Jahr behandlungsintensiv. Diese behandlungsintensiven Populationen hatten 7 mal mehr Arztkontakte und erhielten bei diesen Kontakten ca. 6 mal mehr Leistungen als die nicht-behandlungsintensiven Populationen. Nicht-behanldungsintensive Personen hatten im Median keinen stationären Aufenthalt, während behandlungsintensive Personen im Median 5-6 Tage im Krankenhaus verbrachten.
Personencharakteristika
Die behandlungsintensiven Populationen unterschieden sich signifikant von den nicht-behandlungsintensiven. Sie waren älter, tendenziell weiblicher und sozioökonomisch schlechter gestellt.
Diagnosen
Die Art der Diagnose hängt deutlich stärker von Alter und Geschlecht ab als von der Tatsache, ob eine Person Hochnutzer ist oder nicht. Häufige Diagnosen der Nicht-Hochnutzer finden sich ebenso häufig bei den Hochnutzern. Es zeigt sich jedoch, dass Hochnutzer deutlich häufiger unter Multimorbidität leiden. Nicht-Hochnutzer lagen im Schnitt zwischen einer und drei, Hochnutzer bei drei bis fünf Diagnosen.
Dauer der hohen Behandlungsintensität
Nur 5% aller behandlungsintensiven Personen war über den gesamten Untersuchungszeitraum behandlungsintensiv. Demgegenüber stehen knapp 40%, welche lediglich in einem Jahr behandlungsintensiv waren. Die verbleibende zweite Hälfte der Hochnutzer war zwar in mindestens zwei Jahren behandlungsintensiv aber nicht durchgehend über den gesamten Forschungszeitraum.
Diskussion
Wie in vielen vorangegangenen Studien konnte erneut gezeigt werden, dass ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung für einen relativ großen Teil der Inanspruchnahme im Gesundheitswesen verantwortlich ist. Während die meisten Erkenntnisse den Erwartungen entsprechen, ist es insbesondere erwähnenswert, dass die identifizierten Personen nicht unter besonders ausgefallenen Krankheiten leiden, sondern dass der Unterschied zu Nicht-Hochnutzern viel häufiger in einer vorliegenden Multimorbidität erkennbar war.
Praktische Implikationen
Die Studie kann keinen Hinweis darauf geben, ob die Inanspruchnahme bedarfsgerecht erfolgt ist oder ob es zu Über-/Unter-/Fehlversorgung gekommen ist. Bei einem fragmentierten Gesundheitssystem, wie es das österreichische ist, liegt jedoch die Vermutung nahe, dass die Kontinuität der Versorgung insbesondere bei Hochnutzern leidet. Es sollte daher die Diskussion gestartet werden, wie konkret Betreuungsmodelle für diese vulnerablen Personen entwickelt und umgesetzt werden können.
Hintergrund
Ein Kernelement der 2013 beschlossenen Gesundheitsreform in Österreich stellt die Modernisierung des kompetenzrechtlich stark fragmentierten österreichischen Gesundheitssystems dar. Ziel ist es, dass die medizinische Behandlung von PatientInnen am „Best Point of Service“ stattfindet. Voraussetzung dafür ist jedoch eine klare Festlegung von Versorgungsaufträgen (VSA) für alle Ebenen und AkteurInnen des Gesundheitssystems. Für den ambulanten Bereich wurden in Österreich erstmals solche VSA definiert. Diese werden einerseits in Form eines Aufgabenprofils beschrieben und andererseits in der sogenannten ambulanten Leistungsmatrix (LMamb), die auf dem „Katalog ambulanter Leistungen“ (KAL) basiert, abgebildet. In der LMamb werden einzelne Leistungen den jeweils relevanten Versorgungsebenen sowie Fachgruppen zugeordnet.
Als Voraussetzung für die Umsetzung der VSA haben die AutorInnen eine Ist-Analyse der aktuellen Versorgungssituation durchgeführt. Datenbasis dazu waren die im niedergelassenen Bereich in Österreich erbrachten medizinischen Leistungen im Bereich der Allgemeinmedizin (AM). Darauf aufbauend wurde ein Modell zur Erhebung der Leistungsdichte und Versorgungswirksamkeit in Hinblick auf die VSA erstellt.
Fragestellung
- Welche Leistungen des KAL wurden im Jahr 2014 insgesamt erbracht und wie verteilten sich diese?
- Welche Versorgungsaufträge wurden für die Fachgruppe Allgemeinmedizin definiert und sind im Jahr 2014 im Ist-Stand tatsächlich abgebildet?
- Wie versorgungswirksam sind die AllgemeinmedizInner?
Methode
Grundlage für diese deskriptive, quantitative Ist-Analyse aus Routinedaten bilden die Abrechnungsdaten der sozialen Krankenversicherungsträger des Kalenderjahres 2014, die im bundesweit einheitlichen KAL zusammengefasst werden. Die Datenauswertung erfolgte im November 2016 „zielbezogen“, d.h. hinsichtlich des Standorts der LeistungserbringerInnen. Die Daten liegen in pseudonymisierter Form vor, sodass ein direkter Personenbezug zu den Anspruchsberechtigten oder LeistungserbringerInnen ausgeschlossen ist. Für die Darstellung der VSA wurde die LMamb herangezogen.
Ergebnisse
In den Abrechnungsdaten der österreichischen sozialen Krankenversicherung des Jahres 2014 finden sich insgesamt 464 verschiedene KAL-Codes. Über alle abrechnenden Fachgruppen hinweg wurden im Jahr 2014 rund 316.879.844 Leistungen abgerechnet. Dabei zeigt sich, dass der KAL-Code „Kontakt in der Ordination während der Öffnungszeit“ mit rund 75,5 Millionen am häufigsten abgerechnet wurde. Insgesamt sind die häufigsten 20 KAL-Codes für rund 65% aller abgerechneten Leistungen verantwortlich. Differenziert nach Fachgruppe rangieren die ÄrztInnen für AM mit über 100 Millionen abgerechneten Leistungspositionen, das entspricht rund 32% des erbrachten Leistungsvolumens, an oberster Stelle.
Bei näherer Betrachtung der Fachgruppe AM zeigt sich, dass von dieser Fachgruppe insgesamt 247 verschiedene KAL-Codes abgerechnet wurden. Die Leistung „Kontakt in der Ordination während der Öffnungszeit“ dominiert auch in der AM. Bei rund der Hälfte aller Leistungspositionen aus den Top 20 im Bereich der AM handelt es sich um Laborpositionen. Insgesamt wurden für die AM 73 KAL-Codes als VSA definiert. Für 26 dieser Leistungspositionen schienen in den Daten des Jahres 2014 keine Frequenzen auf. Eine qualitative Untersuchung zeigte, dass dies auf Änderungen der KAL-Codes oder die fehlende Leistungszuständigkeit der SV zurückzuführen ist.
Für weitere detaillierte und regionale Analysen wurden 4.121 von insgesamt 5.284 AllgemeinmedizinerInnen als versorgungswirksam definiert.
Diskussion
Bei der Entwicklung des Modells zur Bewertung der Leistungsdichte und Versorgungswirksamkeit in Hinblick auf die VSA zeigte sich, dass eine Darstellung des Leistungsgeschehens anhand der KAL-Daten über den Zeitverlauf neben einer quantitativen Analyse stets auch eine qualitative Untersuchung erfordert. Nur so können Leistungsänderungen, die durch die jährliche KAL-Wartung bedingt sind, Berücksichtigung finden.
Die Festlegung der Kriterien für eine Zuordnung hinsichtlich dessen, welche AllgemeinmedizinerInnen als versorgungswirksam gelten erfolgte durch die AutorInnen. Auf Basis der Datenanalyse wurden diverse Charakteristika definiert, welche als Mindeststandards für versorgungswirksame AllgemeinmedizinerInnen festgelegt wurden. Diese mussten eine regionale Zuordnung aufweisen, eine ausreichende Anzahl an Leistungen im Jahr 2014 abgerechnet haben, Hausbesuche durchführen und ein gewisses Leistungsspektrum aufweisen.
Praktische Implikationen
Die vorliegenden Daten zeigen strukturelle Unterschiede in der Versorgungslandschaft auf. Bezugnehmend auf die Erfüllung der definierten VSA wäre eine weiterführende Betrachtung und Analyse einzelner Fachgruppen sinnvoll. Auch eine regionale, quellbezogene Auswertung der Daten, d.h. hinsichtlich des Wohnortes der PatientInnen, könnte ergänzende Informationen zur Versorgungssituation und Leistungsdichte im niedergelassenen Bereich bringen.
Background: Accessing the mitral valve for MitraClip implantation requires creation of an atrial septum defect (ASD). MC itself is considered being a palliation only as mitral insufficiency remains. A proportion of patients after MitraClip require consecutive surgical measures because of technical failure or inappropriate clinical improvement. The recent studies report an immediate relief of the left atrial pressure (LAP) and also a mid- and long-term increase in LAP due to iASD.
We hypothesize that the ASD in combination with the remaining mitral insufficiency plays a role in altering the postinterventional course of the patients. Thus, we analyzed those patients receiving consecutive surgery after MC regarding necessary measures for consequences of right heart burden.
Methods: 26 patients were retrospectively analyzed after Mitral valve replacement following MitraClip (MC) between 2010 and 2016. In a matched pair analysis 26 patients with corresponding demographic data and risk profile from the same period receiving primary mitral valve repair (MVP) were collected. Development of pulmonary hypertension as well as necessity of tricuspid repair (TR) and iASD closure (iASDC) was analyzed. Statistical analysis was performed using SPSS®.
Results: Mean age was 70 ±12.4 years in both groups, mean log. EuroSCORE was 22.24% ± 15.95 in MC and 22.09% ± 15.7 in MVP group. Mean left ventricular ejection fraction was 43% preoperatively, and 48% postoperatively in both groups. Postoperatively, an improvement of around I classes was observed in both groups. Compared with the MVP group, an increase in mean pulmonary artery pressure, a dilatation of the left atrium, and increased tricuspid regurgitation were observed in MC group. Thirty day mortality was 26.92% in MC whereas it was 11.54% in MVP. The overall survival was 50% in MC and 84.61% in MVP (Wilcoxon: p=0.015, Log Rank p=0.009).
Conclusions: Patients who required surgical MVR after previous MC fared worse than a matched cohort receiving primary MVP. It was indeed shown that patients after MC developed significantly higher PAP and required significantly more TR and iASDC than MVP patients. It can be speculated that in contrast to current believe the ASD as well as the remaining mitral insufficiency lead to right heart burden and pulmonary hypertension thereby resulting in an increase of tricuspid insufficiency.
In view of the obviously adverse influence on the right heart primary indication for MitraClip should not be too liberally made.
Background: MitraClip is propagated for those high risk patients with mitral insufficiency, considered not qualifying for surgical repair. However, it is a palliative option only. A proportion of patients require consecutive surgical measures because of technical failure or inappropriate clinical improvement. Furthermore, surgical reconstruction of the valve is impossible in almost all patients after MitraClip implantation. Consequently, these patients end up with a mere replacement although repair may have been possible in the first place. We thus looked at the outcome of those patients compared with patients receiving primary mitral valve replacement (MVR) or mitral valve repair (MVP).
Methods: 23 patients were retrospectively analyzed after MVR following MitraClip between 2010 and 2016. 46 patients with corresponding demographic data and risk profile from the same period receiving primary MVR (23 patients) or MVP (23 patients) were retrieved for a matched pair analysis. Statistical analysis including Kaplan-Meyer survival was performed.
Results: Mean age was 70 ±13.1 years in all groups, log. EuroSCORE was 23% ±17.3 in all groups. Preoperative LV-EF was 44% in MC, 48% in MVR, and 44% in MVP. Postop LV-EF was 48% in all groups. 30 day mortality was 21.7% in the MitraClip group whereas it was 4.3% in the MVR and 13.0% in the MVP group. 1-year survival was 56.5% in the MitraClip group while it was 95.6% in the MVR group and 82.6% in the MVP group (Wilcoxon Test all groups: p=0.007; Chi² Test: p=0.001 MitraClip vs. MVR; p=0.054 MitraClip vs. MVP).
Conclusions: Patients who required surgical MVR after previous MitraClip fared worse than matched cohorts receiving primary MVR or MVP. Indication for MitraClip should therefore be made very cautiously in view of the excellent results gained with primary conventional surgery.
*für die Impfen60+ Studiengruppe
Hintergrund
Niedrige Quoten bei den Influenza- und Pneumokokken-Impfungen bei über 60 Jährigen Menschen in Deutschland waren der Auslöser, eine Kommunikationskampagne in Thüringen ins Leben zu rufen. Ziel der Kampagne ist es, durch spezifische Informationen das Wissen bei über 60 Jährigen hinsichtlich des Impfens und den Folgen des Nicht-Impfens zu verbessern und so die Impfquoten zu steigern. Einen Teil der Projektevaluation bildet die gesundheitsökonomische Analyse der Versorgungskosten bei Impfung bzw. Nicht Impfung. Für die Definition von Versicherteneinschluss und Beobachtungszeiträumen ist festzulegen, auf welche Weise frühere Impfungen, Auffrischungs- bzw. saisonale Impfungen, saisonale Einflüsse auf Erkrankungs- und Kostenverläufe und weitere methodische Aspekte des Studiendesigns (Implikationen der zu erwartenden Fallzahlen) Berücksichtigung finden.
Fragestellung
Ziel des Beitrags ist es, verschiedene Einschluss- und Nachbeobachtungsmodelle vorzustellen und die Entscheidung für das gewählte Modell zu diskutieren.
Methode
Die gesundheitsökonomische Analyse wird als retrospektive Fall Kontroll-Studie auf Basis der Abrechnungsdaten von Versicherten der AOK PLUS in Thüringen durchgeführt. Eingeschlossen werden Versicherte, die älter als 60 Jahre sind, seit 2009 durchgängig bei der AOK PLUS versichert und wohnhaft in Thüringen sind. Die Interventionsgruppe der Geimpften umfasst Pneumokokken- und/oder Influenza Geimpfte, so dass hier verschiedene Subgruppen (z.B. die Subgruppe der Pneumokokken- und Influenza Geimpften) separat betrachtet werden können. Die aus Nicht Geimpften bestehende Kontrollgruppe zu den Geimpften soll mittels Propensity-Score-Matching gebildet werden. Versicherte der Kontrollgruppe dürfen weder gegen Influenza, noch gegen Pneumokokken geimpft worden sein. Der Aufgriff erfolgt über die relevanten Abrechnungsziffern für Pneumokokken Impfungen im Jahr 2014 und Influenza Impfungen im dritten und vierten Quartal 2014. Die Nachbeobachtungszeit beträgt zwei Jahre.
Ergebnisse
Wir erwarten einen Einschluss von ca. 10.000 Versicherten der AOK PLUS im Alter von 60 Jahren oder mehr, die im Jahr 2014 gegen Pneumokokken geimpft wurden. Eine valide Schätzung der Anzahl gegen Pneumokokken- und/oder Influenza Geimpften kann zum Kongress vorliegen.
Diskussion
Diskutiert werden sollen die Implikationen verschiedener Versicherteneinschluss- und Nachbeobachtungsmodelle. Die Wahl des Einschlusszeitraums ist abhängig von saisonalen Aspekten wie der saisonal unterschiedlichen Effektivität von Influenza-Impfstoffen. Die Wahl der Nachbeobachtungszeit ist ihrerseits abhängig von der Wahl des Einschlusszeitraums für die Impfungen: Vermischungseffekte sind zu vermeiden (Folgeerkrankungen treten vor dem Eintritt des Impfschutzes auf; individuelle versus quartals- bzw. jahresbezogene Nachbeobachtungszeiträume). Die Notwendigkeit der Bedingung einer jährlichen Influenza-Impfung vor und/oder nach dem Aufgriffzeitraum ist zu prüfen.
Praktische Implikationen
Die Erkenntnisse dieser Untersuchung können für die Gestaltung zukünftiger Konzepte für Routinedatenstudien zu saisonalen Impfungen hilfreich sein.
Hintergrund
Häufig tritt in der statistischen Praxis das Problem auf, die Wirkung einer Intervention im Rahmen eines Experimental-Kontrollgruppen-Designs statistisch nachzuweisen. Hierbei gilt das randomisierte Experiment als der Goldstandard, da dieses beobachtete sowie unbeobachtete Confounder innerhalb der Gruppen zumindest in Erwartung balanciert. Leider sind randomisierten Experimente oft nicht praktikabel. Um dennoch eine Vergleichbarkeit beider Gruppen zu gewährleisten und Selektionsbias zu vermeiden, möchte man für beobachtete Confounder adjustieren. Neben der gewöhnlichen Regressionsadjustierung wird häufig die Propensity Score Methode angewandt, die gewisse Nachteile der Regressionsadjustierung vermeiden möchte. In jüngster Zeit wurden weitere Verfahren zum Umgang mit Selektionsbias entwickelt. Diese haben zum Ziel, die Performance der Propensity Score Methode zu verbessern und somit genauere Schätzungen von Interventionseffekten zu ermöglichen.
Fragestellung
Zielsetzung ist die Beantwortung der Frage, welche statistischen Methoden verfügbar sind, um im genannten Setting Selektionsbias zu minimieren, unter besonderer Berücksichtigung neu entwickelter Methoden. Weiterhin stellt sich die Aufgabe, die Vor- und Nachteile der verfügbaren Verfahren gegenüberzustellen. Ergänzend ist zu beantworten, inwieweit diese neu entwickelten Methoden in der Versorgungsforschung genutzt werden.
Methode
Im Rahmen eines narrativen Reviews wurde eine Literaturrecherche zu existierenden Methoden zur Korrektur von Selektionsbias durchgeführt. Es wurden Methoden eingeschlossen, die darauf abzielen, einen kausalen Behandlungseffekt im Experimental-Kontrollgruppen Design zu quantifizieren, mit besonderem Augenmerk auf Verfahren, die die bisherige Propensity Score Technik weiterentwickeln. Gesucht wurde bei Google Scholar und Science.gov. Desweiteren wurde eine Cross-Reference Suche durchgeführt. Bisherige Ergebnisse zur Performance der gefundenen Methoden wurden begutachtet. Weiter wurden verschieden Eigenschaften der Verfahren verglichen, um eine Einschätzung ihrer Vor- und Nachteile zu ermöglichen.
Ergebnisse
Im Rahmen der Literaturrecherche wurden 8 Methoden gefunden. Neben der gewöhnlichen Regressionsadjustierung und der bekannten Gruppe der Propensity Score Verfahren fanden sich neue Methoden zur Korrektur von Selektionsbias. Diese lassen im Allgemeinen in Monte Carlo Studien eine Überlegenheit zur gewöhnlichen Propensity Score Technik erkennen. Zudem sind sie meist einfacher zu handhaben, da die bisher notwendige Iteration zwischen der Spezifikation des Propensity Scores und der Überprüfung der erzielten Balance vermieden wird. Diese Methoden werden jedoch in der Versorgungsforschung bislang wenig genutzt. Zusätzlich fanden sich aktuelle Forschungsergebnisse zur richtigen Durchführung unterstützender Analysen wie zum Beispiel die Evaluation der erzielten Balance, die korrekte Auswahl der zu adjustierenden Variablen oder die Durchführung einer Sensitivitätsanalyse. Diese werden in der Praxis ebenfalls häufig nicht angemessen beachtet.
Diskussion
Die gefundenen neuen Methoden beinhalten zusammen mit einer adäquaten Durchführung unterstützender Analysen die Möglichkeit, genauere Forschungsergebnisse in der Versorgungsforschung zu erhalten. Diese sind jedoch hinsichtlich ihrer Performance nur durch wenige empirische Studien untersucht, sodass hierzu zusätzliche Forschung notwendig ist. Außerdem ist es möglich, das daneben noch weitere für die Versorgungsforschung relevante Verfahren existieren, welche durch die Literaturrecherche nicht gefunden wurden.
Um weitere Erkenntnisse zur Performance der gefundenen Methoden zu erlangen, werden im Rahmen einer Doktorarbeit die vielversprechenden Verfahren Covariate Balancing Propensity Scores und das noch wenig untersuchte Kernel Balancing durch eine Monte Carlo Studie miteinander verglichen, zusammen mit der Propensity Score Gewichtung und der normalen Regressionsadjustierung. Besonderes Augenmerk liegt auf der bislang nicht empirisch untersuchten Frage, wie für die beiden neuen Verfahren korrekte Konfidenzintervalle berechnet werden können. Abschließend werden die untersuchten Methoden auf zwei hochrelevante Studien der Versorgungsforschung angewandt.
Praktische Implikationen
Es ist von großer Wichtigkeit, angewandte Forscher bei der Auswertung von nichtrandomisierten Interventionsstudien für eine angemessene Methodik zu sensibilisieren. Auch neuere Verfahren sollten hierbei in Erwägung gezogen werden, wodurch bei versorgungswissenschaftlichen Studien möglicherweise ein höherer Evidenzgrad erzielt werden kann.
Hintergrund/ Fragestellung: Es wird geschätzt, dass der globale Markt für genetische Direct-to-Consumer Tests (DTC) im Jahr 2018 ein Markvolumen von 230 $ US-Dollar erreichen wird. Während die Kosten für derartige Tests beim Verbraucher liegen, können Folgekosten entstehen, welche von der Solidargemeinschaft getragen werden müssen. In einem ersten Schritt wurde das aktuell verfügbare Angebot im deutschen Setting analysiert.
Methode: Hierfür wurde im April 2016 eine systematische Internetrecherche mit der Suchmaschine Google durchgeführt. Es konnte eine Übersicht zu den Punkten: Firmensitz, Sprache, Arten der gesundheitsbezogenen Tests, zusätzliches Angebot von nicht-gesundheitsbezogenen Tests, Informationen über Sensitivität und Spezifität, Akkreditierung, Kosten und Verweis auf das Deutsche Gendiagnostikgesetz erstellt werden.
Ergebnisse: 35 Homepages wurden in die finale Übersicht eingeschlossen. Eine Vielzahl an prädiktiven genetischen Tests konnte identifiziert werden, wobei nicht alle Anbieter Preisinformationen zur Verfügung stellen. Die Kosten für eine prädiktive Analyse können bspw. zwischen 90 € und 990 €, für mehrere Dispositionsanalysen zwischen 232, 18 € und 375 € und für eine genetische Lifestyle-Analyse zwischen 84,55€ und 570, 20 € variieren.
Diskussion und praktische Implikationen: Genetische Informationen können zu Unsicherheit und Angst führen, welche zusätzliche Kosten für das Gesundheitssystem bedingen. Grundsätzlich können genetische DTC-Tests Auswirkungen auf unterschiedliche Akteure der Mikro-, Meso,- und Makroebene des Gesundheitssystems haben, welche kostensteigernde oder –senkende Effekte auf die Gesundheitsausgaben haben können. Das gestiegene Interesse an genetischen Analysen und der weltweite Zugang erfordert eine bevölkerungsweite Aufklärung hinsichtlich der Chancen und Risiken von genetischen Informationen.
Backround
By causing slight symptoms in the early stages persons suffering from some forms of skin cancer often run into high stages of illness. Delayed medical attention in higher stages demand a more invasive and cost-intensive therapy. Also patients undergo losses in their quality of life from symptoms and invasive therapy. Despite continually increasing incidences in skin cancer entities like malignant melanoma (MM), basal cell carcinoma (BCC), and squamous cell carcinoma (SCC) most people are still misunderstanding the hazards for skin cancer. Preventing strategies in each stage, primary, secondary, and tertiary are in high demand. But interventions like skin cancer screening are still missing the evidence for effectiveness and therefore are criticised. A prerequisite should be the critical dealing of utilised parameter that are defined as measures for effectiveness. Characterized as complex interventions prevention strategies have to be handled with approaches that include more study designs besides RCTs and similar controlled designs. Furthermore, the context of prevention strategies and its causalities has to be evaluated not only quantitatively but also qualitatively to extract caused effects and further point out consecutive endpoints for the prove of effectiveness and cost-effectiveness.
Research question
This review seeks to outline existing and practised interventions in prevention and their experienced effects and furthermore display possibility for inferred effectiveness within following research questions:
What effects can display effectiveness considering time horizon, perspective and organizational level?
What are essential and sufficient conditions to prove effectiveness and cost-effectiveness in skin cancer prevention strategies?
Method
A systematic review is performed to spot studies from any design and assess the data quantitatively and qualitatively. Included studies from each key question will be summarized by characteristics like population, intervention, comparison, outcomes, study design, endpoints, effect estimator, etc. Beside statistical relevancies for a systematic review the qualitative method of qualitative comparative analysis (QCA) will be performed. This approach is employed to combine quantitative to qualitative research methods and therefore to aid a new perspective in HSR. The review protocol is registered in PROSPERO with the registration number CRD42017053859.
Outcomes
The review is ongoing and outcomes will be available and presented in October 2017.
Studies in the systematic review will be filed by prevention level: primary, secondary, tertiary. The estimated outcomes from this review and QCA are the accomplishment and absence of effects that are appropriate for application in effectiveness assessments and further cost-effectiveness assessment. Estimated effects are for example reduced UV-exposure, reduced numbers of sunburns and reduced use of tanning beds induced by knowledge enhancement from enlightenment campaigns and education, and municipally provided sun screen facilities in primary prevention. In secondary prevention e.g. increased numbers of detected skin cancers, stage shifts to early stages, metal burden from screening tests, or false positive or negative screenings are expected. In tertiary prevention milder disease processes, less invasive therapeutic strategies (e.g. less prescribed chemotherapies), a smaller impairment of quality of life in patients, and decreased numbers of recurrences are estimated to show up. Further the conditions for the accomplishment and absence of effects and thus effectiveness and cost-effectiveness are expected to become apparent.
Discussion and practical implications
The expected outcomes from the systematic review and related QCA offer an appropriate method to reveal experienced interventions, their context, and effects. This is performed not only quantitatively for the purpose of evidence-based medicine but also qualitatively with regard to underlying conditions for the attainability of effects or their absence. This is an indispensable groundwork in order to frame also suitable endpoints for effectiveness measures and furthermore cost-effectiveness.
Background
Proteins encoded by BRCA1 and BRCA2 are involved in the repair of DNA double strand breaks by homologous recombination repair. Mutations in BRCA1/2 (BRCAm+) can result in defective repair of double-stranded DNA breaks and are a risk factor for ovarian cancer. The poly (ADP-ribose) polymerase (PARP) inhibitor olaparib can exploit homologous recombination repair deficiencies in BRCAm+ cells to induce synthetic lethality. Olaparib was approved in Europe in December 2014 for the maintenance treatment of patients with platinum-sensitive relapsed BRCAm+ (germline or somatic) ovarian cancer who are in response to platinum-based chemotherapy (400 mg taken twice daily, equivalent to a total daily dose of 800 mg, capsules formulation).
Research question
Within clinical trials (NCT00753545), olaparib leads to a statistically and clinically significant increase in progression-free survival (PFS) compared to placebo, improved survival and was shown to be well tolerated. So far, no systematic outcome research on olaparib treatment in daily routine practice has been initiated.
Method
The non-interventional study C•Patrol (NCT02503436 on ClinicalTrials.gov) analyses various outcome data (PFS, PFS2, overall survival (OS), time to first and time to second subsequent therapy (TFST, TSST)), the patient-reported health-related quality of life (assessed by FACT-O, FACIT-Fatigue, and FLIE questionnaires), and the safety and tolerability of ovarian cancer patients treated with olaparib under real-life medical conditions in Germany.
Results
Starting in October 2015, 121 patients are currently enrolled at 53 study sites (status March 2017).
Conclusion and Implications
An Amendment will introduce, in addition to the German version, patient-questionnaires in English, Turkish, and Arabic language. An interim analysis focusing on risk minimization activities with regard to olaparib treatment will start soon. The interim analysis will involve the first 75 patients with a documented observational period ≥ 3 months.
Hintergrund: Durch Beschleunigung der koronaren Reperfusion und verbesserte medikamentöse Begleittherapie ist es in den vergangenen zwei Jahrzehnten gelungen, die Krankenhaussterblichkeit bei akutem Herzinfarkt deutlich zu senken. Die prästationäre Sterblichkeit hat sich nicht in gleichem Ausmaß günstig beeinflussen lassen. Diese Studie hat zum Ziel, aktuell die an einem Herzinfarkt in Berlin während eines Jahres Verstorbenen zu beschreiben und hierbei insbesondere prästationär und stationär Verstorbene vergleichend zu charakterisieren.
Methoden: Anhand der Daten der zentral archivierten Leichenschauscheine wurden die zwischen Juli 2014 und Juni 2015 an einem Herzinfarkt in Berlin Verstorbenen anhand von ICD-Codes (I21, I22, I23) und einer Stichwortsuche (nach „Herzinfarkt“, „Infarkt“, „Myokardinfarkt“, „Myocardinfarkt“, „NSTEMI“, „STEMI“, „Herzmuskel“) identifiziert. Die gefundenen Fälle wurden einzeln auf Plausibilität überprüft. Bei der so konsolidierten Kohorte wurden Sterbeort, Alter, Geschlecht und Sterbezeitpunkt erhoben.
Ergebnisse: Im Untersuchungszeitraum wurden 1094 Herzinfarkttote identifiziert. Hiervon waren 722 (66%) prästationär und 392 (34%) stationär verstorben. Prästationär im Vergleich zu stationär Verstorbene waren jünger (74,3±13,5 vs. 77,4±12,3J; p<0,001). Das Überwiegen prästationärer Sterblichkeit war über alle Altersklassen nachweisbar, in den Altersklassen < 65J aber deutlicher ausgeprägt (Abb.1). Die Geschlechterverteilung unterschied sich nicht (weiblich prästationär 39,0% vs. stationär 40,4%; p=0,671), obwohl in der Gesamtkohorte weibliche vs. männliche Verstorbene durchschnittlich älter waren (80,7± 13 vs. 71,7±13J). Für den jahreszeitlich bezogenen Todeszeitpunkt war die Verteilung prästationär vs. stationär unterschiedlich (Abb.2). Im Sommer verstarben absolut weniger Patienten als im Frühling, Herbst und Winter. Zugleich kehrte sich aber das Verhältnis zwischen prästationärer und stationärer Mortalität in den Monaten Juli – Oktober um.
Schlussfolgerung: Im Untersuchungszeitraum verstarben zwei Drittel der Herzinfarkttoten in Berlin prästationär. Der prästationäre Herzinfarkttod betraf bevorzugt Jüngere und variierte jahreszeitlich im Vergleich zur stationären Sterblichkeit. Das hohe Ausmaß prästationärer Herzinfarktsterblichkeit sollte Anstrengungen zu wissenschaftlich begleiteter verbesserter Prävention und Versorgung stimulieren.
Hintergrund
Aufgrund der steigenden Kaiserschnittrate und der angespannten beruflichen Situation für Hebammen initiierte das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter in Nordrhein-Westfalen (NRW) im Jahr 2014 den Runden Tisch Geburtshilfe. Dieser sprach in seinem Abschlussbericht die Empfehlung aus, Hebammen und Frauen in NRW zur Versorgungssituation mit Hebammenhilfe zu befragen [1]. Diese Empfehlung wird unter finanzieller Förderung durch das Landeszentrum Gesundheit NRW (Förderkennzeichen LZG TG 72 001/2016) und mit einer Laufzeit von drei Jahren mit dem hier beschriebenen Vorhaben umgesetzt. Das Vorhaben stellt die bisher größte und umfassendste einer Reihe aktuell laufender Studien zur Versorgungssituation mit Hebammenhilfe in Deutschland dar, um ggf. Maßnahmen zur Verbesserung der wohnortnahen und flächendeckenden Versorgung mit Hebammenhilfe ableiten zu können.
Fragestellung
Dargestellt werden soll die Versorgung von Frauen in der Lebensphase von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und früher Elternschaft mit Hebammenhilfe in NRW aus Sicht der Frauen. Gleichzeitig werden in NRW wohnende und/oder arbeitende Hebammen unter anderem zu ihren Tätigkeitsfeldern befragt. Dabei wird das Angebot mit Hebammenhilfe, die Inanspruchnahme von und der Bedarf nach Hebammenhilfe, regionale Unterschiede in der Versorgung und mögliche Qualitätsmerkmale untersucht.
Methode
Das Forschungsvorhaben wird in zwei Teilprojekten umgesetzt. Im Teilprojekt A werden in einer retrospektiven Kohortenstudie 3.000 junge Mütter vier Monate nach der Geburt ihres Kindes zur Inanspruchnahme von Hebammenhilfe, Aspekten wie dem Zugang zur Hebammenhilfe, der Kontinuität in der Betreuung, der Zufriedenheit mit der Betreuung, der Nutzung von informationstechnologischen Medien sowie dem subjektiven Gesundheitsstatus befragt. In diesem Zusammenhang wird insbesondere die singuläre Frage nach der subjektiven Gesundheit fokussiert, da ihre prädiktive Kraft in Bezug auf Mortalität und Morbidität in Studien bereits gezeigt wurde [2,3]. Als Zugang dienen randomisiert ausgewählte geburtshilfliche Fachabteilungen in NRW, alle Geburtshäuser, sowie freiberuflich tätige Hebammen in NRW. Entsprechend der Auswertung des BQS-Instituts zu den Herkunftsländern von Frauen, die in NRW geboren haben [4], wird der Fragebogen in den häufigsten in NRW gesprochenen Sprachen bereitgestellt, um ein möglichst repräsentatives Bild junger Mütter gewinnen zu können. Die Auswertung erfolgt sowohl deskriptiv als auch analytisch in Hinblick auf Faktoren, die z.B. zur Nicht-Inanspruchnahme von Hebammenhilfe führen.
Das Teilprojekt B stellt ein exploratives Survey dar. Auch wenn die Grundgesamtheit unbekannt ist [5], sollen alle in NRW wohnhaften bzw. tätigen Hebammen identifiziert und erfasst werden. Der Zugang zu den Hebammen erfolgt über alle bekannten Datenhalter. Auch nicht berufstätige Hebammen sollen erfasst werden, damit eine Gegenüberstellung von einer absoluten Zahl von Hebammen und der tatsächlich eingesetzten Arbeitskraft dargestellt werden kann. Das Erhebungsinstrument ist ein Fragebogen, welcher auf Grundlage von internationalen Standards der Hebammenregistrierung [6] entwickelt wird. Von zentralem Interesse sind Umfang, Ort und Art der Berufsausübung. Als ein Aspekt der Versorgungsqualität wird ebenfalls der Grad der Vernetzung mit anderen Gesundheitsfachberufen erfragt.
Zur Erhöhung der Rücklaufquoten ist für beide Erhebungen eine Hybridbefragung (online, postalisch, telefonisch) geplant. Die Software SPSS (Version 24) [6] und R [7] werden maßgeblich zur Auswertung der Daten genutzt. Das Ethikvotum wird zur Begutachtung der Ethikkommission der Hochschule für Gesundheit vorgelegt.
Ergebnisse
Es wird erwartet, die allgemeine und regionsbezogene Hebammenversorgung in NRW sowie Faktoren der Hebammenversorgung mit Bezug zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität aus der Perspektive der Hebammen und aus der Perspektive der Frauen darstellen zu können. Darüber hinaus wird die erbrachte Hebammenversorgung den gesetzlichen Grundlagen und dem Bedarf der Frauen gegenüber gestellt.
Diskussion
Die parallele Befragung von Frauen und Hebammen ist ein Novum. Ein repräsentatives Versorgungsbild wird durch das Forschungsdesign generiert, welches auch Frauen in besonderen Lebenslagen mit anderen Herkunftsländern einbezieht. Darüber hinaus wird Frauen, die das geschriebene Wort nicht lesen können, über die telefonische Befragung die Möglichkeit gegeben, an der Studie teilzunehmen. Das Forschungsprojekt bietet einerseits die Möglichkeit, einen detaillierten Einblick in die geburtshilfliche Versorgungslage von Frauen in der reproduktiven Lebensphase und andererseits in das Spektrum der Hebammenarbeit in NRW zu erlangen.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes bieten eine Grundlage für Diskussionen, von der aus gesundheitspolitische Maßnahmen initiiert werden, welche die geburtshilfliche Versorgung durch Hebammen zukünftig sichern und verbessern können.
Hintergrund:
In der „lidA- (leben in der Arbeit) Studie“ (BMBF-Förderkennzeichen: 01ER0826), einer Kohortenstudie zu Arbeit, Alter, Gesundheit und Erwerbsteilhabe, wurden Erwerbstätige der Jahrgänge 1959 und 1965 u.a. zu Aspekten der Arbeit und Gesundheit in zwei Wellen (2011 und 2014) mittels computerassistiertem persönlichen Interview (CAPI) befragt. Während der Befragung wurden sie um ein schriftliches Einverständnis gebeten, die Befragungsdaten mit individuellen Krankenkassendaten (KK-Daten) verknüpfen zu dürfen (informed consent). Lag das schriftliche Einverständnis vor, wurde die entsprechende gesetzliche Krankenkasse kontaktiert. Insgesamt konnte in der lidA-Studie mit zehn Krankenkassen kooperiert werden.
Rückenschmerz ist die häufigste Diagnose bei den Muskel-Skeletterkrankungen, die zu Arbeitsunfähigkeit führt. Rund 80% der Deutschen sind im Laufe des Lebens von Rückenleiden betroffen, ein erheblicher Teil davon leidet sogar längerfristig unter Rückenproblemen. Beeinflussbare Risikofaktoren für Rückenschmerz bieten eine große Chance für Präventionsmaßnahmen.
Fragestellung/Methoden:
Ziel der Analyse ist die Abbildung der Prävalenz von chronischem Rückenschmerz bei Erwerbstätigen durch die Verknüpfung von Befragungs- mit Krankenkassendaten. Dabei soll die Übereinstimmung der subjektiven Angaben mit denen der KK-Daten überprüft werden und in Folge dessen die selbstberichtete Prävalenz um die sog. administrative Prävalenz ergänzt werden. Eingeschlossen werden alle Befragten, von denen Angaben zu beiden Befragungswellen vorliegen (n = 4.244). Rückenschmerz wurde über die Frage nach Schmerzen im oberen sowie im unteren Rücken in den letzten zwölf Monaten operationalisiert. Als chronisch wird der Rückenschmerz definiert, wenn die Befragten ihn sowohl in der ersten als auch in der zweiten Welle angeben. Für 1.031 Befragte können zudem die individuellen Krankenkassendaten der Jahre 2009 – 2013 mit den Befragungsdaten verknüpft werden. Rückenschmerz wird in den stationären (Haupt- und Nebendiagnose), ambulanten (Diagnose gesichert und Zustand nach) und Arbeitsunfähigkeitsdaten über den ICD10-Code M54 (‚Rückenschmerzen‘) abgebildet. Die administrative Prävalenz wird anhand der KK-Daten über alle drei Sektoren mittels zwei unterschiedlicher Definitionen gebildet. Def1: Chronischer Rückenschmerz liegt vor bei mindestens einer Nennung M54 in einem der Sektoren im gesamten Zeitraum. Def2: Chronischer Rückenschmerz liegt vor, wenn zwei Diagnosen in mindestens zwei Quartalen innerhalb von vier aufeinanderfolgenden Quartalen sektorenübergreifend vorkommen. Die Übereinstimmung der Angaben in den Primär- und Sekundärdaten wird mit Cohen‘s Kappa bestimmt. Auf Grund des fehlenden Goldstandards wird die Gesamtprävalenz als Summe aus der berichteten und der administrativen Prävalenz berechnet. Um mögliche Unterschiede zwischen den beiden Kohorten und Männern und Frauen auszuschließen, wird Kappa anschließend differenziert nach Kohortenzugehörigkeit und Geschlecht berechnet.
Ergebnisse:
Die berichtete Prävalenz des chronischen Rückenschmerzes beträgt 55,4 % (n = 2.350). In den KK-Daten zeigt sich eine administrative Prävalenz von 14,2 % (n = 601) (Def1) bzw. 8,4 % (n = 357) (Def2). Cohen‘s Kappa ergibt eine geringe Übereinstimmung beider Datenquellen mit Werten von 0,233 (Def1) bzw. 0,184 (Def2). Durch das individuelle Datenlinkage können insgesamt 195 Personen (Def1) bzw. 101 Personen (Def2) zusätzlich zur berichteten Prävalenz bzgl. eines chronischen Rückenschmerzes identifiziert werden. Dagegen zeigt sich eine berichtete Prävalenz bei 190 Personen (Def1) bzw. 340 Personen (Def2), bei denen selbst keine Diagnose Rückenschmerz vorliegt. Die Gesamtprävalenz des chronischen Rückenschmerzes beträgt daher 60,0 % (n = 2.545) (Def1) bzw. 57,8 % (n = 2.451) (Def2). Differenziert nach Kohortenzugehörigkeit und Geschlecht unterscheiden sich die Kappawerte nur geringfügig.
Diskussion/praktische Implikationen:
Die berichtete Prävalenz unterscheidet sich bei chronischem Rückenschmerz gravierend von der in KK-Daten abgebildeten Prävalenz. Die ärztliche Dokumentation von Rückenschmerz und das subjektive Empfinden zeigen bei niedrigen Werten von Cohen‘s Kappa nur minimale Übereinstimmungen. Zum einen berichten Personen von Rückenschmerz, auch ohne ihn von einem Arzt diagnostiziert bekommen zu haben oder er möglicherweise Folge anderer Krankheiten ist und daher nur als Nebendiagnose gestellt wird. Zum anderen bekommen Personen die Diagnose M54 gestellt, geben Rückenschmerz aber in der Primärerhebung nicht an, weil hier möglicherweise der Erinnerungsbias eine Rolle spielt oder andere Krankheiten präsenter sind. Die minimale Übereinstimmung weist auf einen Mehrgewinn durch ein Linkage von Primär- und Krankenkassendaten hin. Daher werden für weitere inhaltliche Analysen bezüglich chronischen Rückenschmerzes bei Erwerbstätigen die verknüpften Daten, die die Zielgruppe für spezifische Präventionsangebote klarer beschreiben, verwendet.