Hintergrund:
Anhaltende Rückenschmerzen (RS) beeinträchtigen Betroffene körperlich wie psychisch in vielfältiger Weise. Sie verursachen hohe indirekte hohe Kosten durch Arbeitsausfall und Frühberentung Die Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz gibt Empfehlungen für eine evidenzbasierte Versorgung. Um den Zugang zu einer leitliniengerechten Behandlung zu bahnen, entwickelte die Central Krankenversicherung für ihre Versicherten das Versorgungskonzept initiative.ruecken. Wirksamkeit und Nutzen dieses proaktiv angebotenen integrativen Behandlungskonzeptes sollten wissenschaftlich evaluiert werden.
Methodik:
Die Krankenkasse identifizierte in ihrer Datenbank volljährige Vollversicherte mit Hinweisen auf chronische oder chronifizierende RS. Einschlusskriterien waren > 2 Abrechnungsdaten mit den ICD-10 Diagnosen M40-54 in den letzten 12 Monaten zusammen mit > 1 Arbeitsunfähigkeitsfall (alternativ > 2 Opioidverordnungen oder > 1 Abrechnung zu ausgewählten psychischen Beeinträchtigungen (z.B. F32 depressive Episode, F45.4 anhaltende Schmerzstörung). Kein Einschluss erfolgte bei Abrechnungsdaten zu Erkrankungen wie Entzündungen des ZNS, Karzinome, Schlaganfall u.a. Geeignete Versicherte wurden extern im Verhältnis 4:3 auf IG und KG randomisiert. Nur die IG wurde zur Teilnahme am Programm initiative.rücken eingeladen und willigte wie die KG in Online-Befragungen zu Rückenbeschwerden ein. Das Versorgungskonzept kombiniert medizinische Trainingstherapie (FPZ Konzept) mit Telefon-Coaching. Ein Jahr nach der Baseline-Erhebung erfolgte eine erneute Befragung. Primäre Zielparameter sind RS-Schweregrad (nach v. Korff) und gesundheitsbezogene Lebensqualität (SF12). Zu den sekundäre Outcomes zählen psychische Belastung (PHQ-4), Chronifizierungsrisiko (STarT Back Tool) und körperliche Aktivität. Verglichen wurden die beiden Studiengruppen mittels Propensity Score Matching (PSM) (Zuordnungsalgorithmus Nearest Neighbour ohne Zurücklegen). Eine Alpha-Fehler-Adjustierung erfolgte nach Holm-Bonferroni. Für Mittelwertsunterschiede wurde die Effektstärke d nach Cohen berechnet (mit gepoolter Standardabweichung).
Ergebnisse:
3462 Versicherte wurden identifiziert, randomisiert und angeschrieben. Unter den 540 in die Studie eingeschlossenen Versicherten zeigte knapp die Hälfte beeinträchtigende RS vom Schweregrad III oder IV (IG:54 %; KG:42%). An der 12 Monatsbefragung nahmen in der IG 127 von 252, in der KG 238 von 288 eingeschlossenen Versicherten teil. Die Teilnehmer am Einjahres-Follow-up unterschieden sich zu Studienbeginn: Die IG zeigte schlechtere Werte im SF-12, ein höheres Chronifizierungsrisiko und eine geringere Zufriedenheit mit der RS-Versorgung als die KG. Mit Hilfe des PSM wurden 114 Paare aus IG- und KG-Mitgliedern gebildet, die sich in den erfassten Parametern bei Studieneinschluss nicht unterscheiden. Obwohl in der IG jeder Fünfte doch nicht am Programm teilnahm oder es vorzeitig abbrach, erzielt die IG zur 12 Monatsbefragung im Unterschied zur KG eine geringere Schmerzintensität (41,0 vs 47,6; p=0,011, d=0,34) und Beeinträchtigung (29,1 vs 38,0; p=0,005; d=0,37). Die IG erreicht bessere Werte in der körperlichen Summenskala des SF12 (42,6 vs 37,9; p<0,001; d=0,47), kein überzufälliger Unterschied zeigt sich bei der psychischen Summenskala (45,4 vs 48,0; p=0,099). Desweiteren ist das RS-Chronifizierungsrisiko ebenso wie die psychische Belastung in der IG geringer als in der KG (STarT-Gesamtscore: 2,4 vs 3,6, p<0,001; d=0,52; PHQ-4: 2,7 vs 3,6; p=0,013; d=0,33). Die IG beschreibt sich zudem als körperlich aktiver als die KG, sie nutzt häufiger aktive (68 % vs 44 %) und seltener (45 % vs 79 %) passive rückenspezifische Behandlungsangebote.
Diskussion:
In der Gruppe der analysierten Studienteilnehmer erweist sich das Behandlungskonzept in den meisten Zielparametern als erfolgreich, dabei werden Effekte von kleiner bis mittlerer Größenordnung erreicht. Mit differierenden Partizipationsraten in IG und KG sowie Baseline-Unterschieden zeigen sich die Schwächen einer Randomisierung nach Zelen. Das PSM stellt eine Möglichkeit dar, mit ihnen umzugehen. Das proaktive Zugehen der Krankenkasse auf ihre Versicherten mit dem Angebot der Teilnahme an einem komplexen Behandlungsprogramm stößt bei einer kleinen Gruppe auf Interesse. Nicht alle beenden das Programm, ein häufig genannter Abbruchgrund ist schlechte Erreichbarkeit der Therapiezentren. Ob sich der Aufwand aus Sicht der Kostenträger lohnt, wird sich auf der Basis einer noch ausstehenden Analyse der Kostendaten besser einschätzen lassen.
Praktische Implikationen:
Programme zur Verbesserung der Versorgung von Versicherten werden zu oft ohne begleitende wissenschaftliche Evaluierung eingeführt. Für Wirksamkeit und Nutzen des Programmes initiative.ruecken findet sich unter Versicherten, die das Angebot freiwillig wahrnahmen, in zentralen patientenberichteten Outcomes belastbare Evidenz, die eine Fortführung nahelegt.
Hintergrund:
Internationale Studien konnten bereits positive Effekte verschiedener Versorgungskonzepte für Patienten mit Schizophrenie nachweisen. Die AOK Niedersachsen bietet für Patienten mit Schizophrenie die Teilnahme an einer Integrierten Versorgung (IVS) an, die von ambulanten Fachärzten gesteuert wird.
Fragestellung:
Ziel war die Evaluation der IVS im Vergleich zur Regelversorgung hinsichtlich der Effektivität und Kosten-Effektivität.
Methode:
Basierend auf den Routinedaten der AOK Niedersachsen für die Jahre 2009-2012 wurden Patienten der IVS mittels Propensity Score mit Patienten der Regelversorgung (Kontrollgruppe, KG) gematcht und verglichen. Primärer Zielparameter war die Anzahl der psychiatrischen Krankenhaustage pro Quartal. Sekundäre Zielparameter waren die Anzahl der schizophreniebedingten Krankenhaustage, die stationäre psychiatrische sowie schizophreniebedingte Wiederaufnahme und die Kosten pro Quartal. Als Sensitivitätsanalysen für die Kosten-Effektivitäts-Analyse wurden ein nicht-parametrisches Bootstrapping, einschließlich der Erstellung einer Kosten-Effektivitäts-Akzeptanzkurve, sowie der Difference-in-Difference-Ansatz durchgeführt.
Ergebnisse:
In der Analyse wurden 376 Patienten je Gruppe betrachtet (mittleres Alter IVS: 45,4 Jahre ± 13,5, KG: 44,9 Jahre ± 14,4; weiblich: IVS: 47,6%, KG: 49,5%).
Im Nachbeobachtungszeitraum ergeben sich im Mittel in der IVS 2,3 ± 6,6 und in der KG 2,7 ± 7,6 voll- und teilstationäre psychiatrische Krankenhaustage pro Quartal (p=0,772) sowie in der IVS 1,7 ± 5,0 und in der KG 1,9 ± 6,2 voll- und teilstationäre schizophreniebedingte Krankenhaustage pro Quartal (p=0,352). Des Weiteren zeigen sich in den einzelnen Kostenarten statistisch signifikante Unterschiede zwischen IVS und KG in den Kosten pro Quartal für ambulante ärztliche Versorgung nach Facharztschlüssel 51, 53, 58 (IVS: 74€ ± 42; KG: 53€ ± 48; p<0,001), für die Behandlung in psychiatrischen Institutsambulanzen (IVS: 5€ ± 30; KG: 27€ ± 76; p<0,001), für Arzneimittel (IVS: 472€ ± 493; KG: 429€ ± 533; p=0,015) und für psychiatrische häusliche Krankenpflege (IVS: 4€ ± 24; KG: 13€ ± 58; p=0,045).
Die Analyse der gesamten psychiatrischen Kosten ergibt durchschnittliche Kosten in Höhe von 1117€ ± 1663 (IVS) bzw. 1180€ ± 1948 (KG) pro Quartal (p=0,150).
Es ergibt sich ein inkrementelles Kosten-Effektivitäts-Verhältnis mit Einsparungen in Höhe von 149€ je vermiedenem psychiatrischen Krankenhaustag pro Quartal bzw. von 305€ je vermiedenem schizophreniebedingten Krankenhaustag pro Quartal. Die Implementierungskosten der IVS sind nicht in den Kosten eingeschlossen.
Diskussion:
Es erfolgt bei Patienten mit Schizophrenie, die an der IVS teilnehmen, eine Reduktion der voll- und teilstationären psychiatrischen Krankenhaustage wie auch der voll- und teilstationären schizophreniebedingten Krankenhaustage (Verweildauer) im Vergleich zu Patienten unter Standardbehandlung. Beide Ergebnisse sind allerdings statistisch nicht signifikant.
Die IVS ist hinsichtlich beider Kosten-Effektivitäts-Relationen dominant, aber basierend auf statistisch nicht-signifikanten Outcome- und Kosten-Unterschieden. Jedoch unterliegt die Analyse gewissen Limitationen: Es wurden keine Gesamtkosten betrachtet und in den Routinedaten sind nicht alle Kosten, wie z.B. die der in der IVS integrierte psychiatrische häusliche Krankenpflege, aufgeführt. Mögliche Verschiebungen zu anderen Versorgungsbereichen können somit nicht einbezogen werden. Des Weiteren sind die Interventionskosten der IVS nicht bekannt und somit nicht in der Analyse enthalten.
Praktische Implikationen:
Der Verbleib der an Schizophrenie erkrankten Patienten, die an der IVS teilnehmen, im ambulanten Setting stellt insbesondere für die Patienten eine positive Entwicklung dar.
Zudem können aus Sicht der Gesetzlichen Krankenversicherung mit der IVS Einsparungen für die Versorgung von Patienten mit Schizophrenie, die an dem Programm teilnehmen, im Hinblick auf die psychiatrischen sowie schizophreniebedingten Krankenhaustage erzielt werden.
Hintergrund
Um für Suchtpatienten die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Anschluss an eine Entwöhnungsbehandlung zu erhöhen, wurde vom Berufsförderungswerk Bad Wildbad ein mehrstufiges berufliches Integrationskonzept speziell für den Suchtbereich entwickelt. Das Konzept zur „Beruflich Orientierten Rehabilitation Suchtkranker in Stufen“ (BOSS) legt großen Wert auf die Kontinuität in den beruflichen Begleitangeboten sowie auf die enge Verzahnung von medizinischer und beruflicher Rehabilitation und anschließender Integrationsbegleitung. Die speziellen berufsbezogenen Maßnahmen beginnen bereits innerhalb der ersten Wochen einer Langzeitentwöhnung und unterstützen die berufliche Reintegration des Rehabilitanden während der gesamten Maßnahme. Die Rehabilitanden werden bei Bedarf sogar bis zur Arbeitsaufnahme oder darüber hinaus begleitet. Dadurch sollen häufig in der Anfangsphase auftretende Probleme besser gemeistert werden und dadurch der Arbeitsplatz langfristig erhalten werden.
Fragestellung
Da eine hohe Identifikation mit der Maßnahme durch die Rehabilitanden eine wesentliche Voraussetzung für dessen Erfolg ist, stellte sich zunächst die Frage, wie die Teilnehmer an BOSS das Konzept einschätzen und welche Wünsche bezüglich einer Weiterentwicklung bestehen.
Methodik
BOSS wird von den Suchtrehabilitationskliniken des Baden-Württembergischen Landesverbands für Prävention und Rehabilitation gGmbH (bwlv) in Zusammenarbeit mit dem Berufsförderungswerk Bad Wildbad seit Herbst 2014 umgesetzt.
Im Rahmen der Begleitforschung werden sowohl die Effekte von BOSS untersucht als auch geprüft, ob bestimmte Subgruppen besonders von BOSS profitieren. Die Evaluation erfolgt anhand einer multizentrischen Kohortenstudie, wobei prospektiv rekrutierte Teilnehmer an BOSS (Interventionsgruppe) mit Rehabilitanden einer „historischen“ Kontrollgruppe, die die bisher übliche Suchtrehabilitation durchgeführt haben („treatment as usual“), verglichen werden. Neben der Rehabilitationsstatistikdatenbasis (RSD) der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und dem Deutschen Kerndatensatz zur Dokumentation im Bereich der Suchtkrankenhilfe (KDS) werden Befragungsdaten der Teilnehmer zur Bewertung von BOSS herangezogen.
Im Hinblick auf eine weitere Optimierung des Konzepts wurden erste Auswertungen der Freitextangaben der Rehabilitanden zur Zufriedenheit mit BOSS („Was hat Ihnen an BOSS gefallen?“, „Was hat Ihnen an BOSS nicht gefallen und sollte ggf. geändert werden?“) vorgenommen.
Ergebnisse
Insgesamt stößt das Programm bei den Teilnehmern auf große Zustimmung. Ein Großteil gibt einen hohen Mehrwert und eine große Zufriedenheit mit der Maßnahme an. So konnten diese laut eigener Einschätzung eine optimistische Zukunftsprognose entwickeln und wichtige Kompetenzen im Hinblick auf die Bewerbungsphase erlangen. Ebenso wurden die erlernten Strategien der Stressbewältigung sowie die Unterstützung bei der Identifikation eigener Stärken und Schwächen als besonders nützlich bewertet. Ferner ergaben sich anhand der Freitexte Hinweise darauf, dass eine Erweiterung des zeitlichen Rahmens der einzelnen Module gewünscht wird, um arbeitsplatzbezogene Themen ausführlicher behandeln zu können. Schließlich fragen Rehabilitanden, die zunächst nicht für die Maßnahme ausgewählt wurden, BOSS inzwischen aktiv nach und sind ebenso motiviert, an den Modulen teilzunehmen.
Diskussion
Insgesamt scheint der ressourcen- und stärkenorientierte Ansatz bei den Teilnehmern von BOSS sehr gut anzukommen. Eine hohe Identifikation mit der Maßnahme ist eine wesentliche Voraussetzung für dessen Erfolg. Dieser wird im weiteren Projektverlauf wissenschaftlich überprüft. Die Studie liefert damit erste Erkenntnisse zum Effekt eines speziellen berufsbezogenen Konzepts in der Rehabilitation Abhängigkeitskranker.
Praktische Implikationen
Zwar stehen die Ergebnisse zu den Effekten von BOSS noch aus, dennoch deutet die hohe Zufriedenheit der Rehabilitanden mit der Maßnahme sowie der geäußerte Bedarf an einer Intensivierung des Berufsbezugs während der Rehabilitation bereits darauf hin, dass eine Erweiterung des therapeutischen Angebots um berufsbezogene Elemente sinnvoll ist.
Förderung: Die Studie wird durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg gefördert.
Hintergrund:
Das Prostatacarzinom (PCa) ist mit 25,4% die häufigste Krebserkrankung beim Mann und ist - trotz guter Therapieoptionen und Heilungschancen bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung - ein schwerwiegender Einschnitt in das Leben der Betroffenen sowie deren Angehörigen. Sowohl die medizinische Behandlung als auch die psychosozialen Begleiterscheinungen führen zu einer erhöhten Belastung sowie verminderten Lebensqualität, auch lange nach der eigentlichen Krebsbehandlung.
Lokal fortgeschrittene, nicht metastierte PCa (T3) mit einem Gleason Score 4+3 werden häufig erfolgreich durch die Prostatektomie und einer ggf. zusätzlichen Strahlentherapie therapiert. Jedoch liegt das Risiko für ein biochemisches Rezidiv durch den Wiederanstieg des PSA Wertes je nach Gewichtung der Risikofaktoren zwischen 19% und 53% nach 5 Jahren.
Bisherige Studien weisen darauf hin, dass Lebenstilfaktoren, wie körperliche Aktivität und eine gesunde Ernährung einen Zusammenhang mit der Entstehung und dem Verlauf eines PCa haben. Bei PCa im Frühstation konnten bereits positive Einflüsse auf Lebensqualität sowie die Reduktion des PSA Wertes nach einer Lebenstil-Intervention aufgezeigt werden. Bisher liegen jedoch keine Studien vor, die den Benefit eines umfassenden, multizentrischen Lebenstil-Interventionsprogramms mit einem Bewegungs-, Ernährungs- und Stressmanagement-Anteil als adjuvante Therapie bei fortgeschrittenem PCa nach einer Prostatektomie untersuchen. Ebenso geht aus den aktuellen Daten nicht hervor, inwieweit die Lebensqualität und der PSA-Wert nach einer Prostatektomie bei fortgeschrittenem PCa in Abhängigkeit von einem gesunden Lebensstil positiv beeinflusst werden kann.
Fragestellung:
Mit der Interventionsstudie bei Patienten mit einem fortgeschrittenem PCa nach radikaler Resektion und einer Hochrisikokonstellation für ein Tumorrediziv soll untersucht werden, ob durch eine adjuvante Therapie mittels einer komplexen multimodalen Lebenstil-Intervention zur umfassende Lebensstiländerung eine Verbesserung der Lebensqualität sowie des subjektiven Gesundheitszustandes erreicht werden kann. Als sekundäre Outcomes werden spezifische Parameter für die Interventionen Ernährung, Bewegung und Stressmanagement, sowie PSA-Wert und Lebenszeit erhoben.
Methode:
Eine Feasibility Studie wird an der Martiniklinik am UKE durchgeführt. Patienten, bei denen ein fortgeschrittener, nicht metastiertes PCa (T3) mit einem Gleason Score 4+3 vorliegt und die im Jahr 2016 oder 2017 an der Martiniklinik eine radikale Prostatektomie erhalten haben, werden schriftlich zur Teilnahme an der Lebenstil-Interventionsstudie eingeladen.
Alle Teilnehmer der Studie werden vor dem Start der Interventionen (t0) und nach den Interventionen (t1) umfassend untersucht (u.a. ärztliche und Laboruntersuchung, sportmedizinische Untersuchung) und gebeten, Fragebögen zum Ernährungs- und Sportverhalten (EPIC), Lebensqualität (PHQ9), Gesundheitszustand (SF12), Sexueller Zufriedenheit sowie Selbstwirksamkeit bei Sport ausfüllen. Die Fragebögen werden ebenfalls nach 6, 12 und 24 Monaten erneut verschickt und ausgefüllt.
Das Lebenstil-Interventionsprogramm besteht aus 12 Kurstagen von jeweils 6-7 Stunden. In jeweils 5 Gruppen á 12 Patienten erhalten die Teilnehmer Informationen sowie praktische Übungen zum Thema Stressmanagement und Entspannung, Ernährung, Erektile Dysfunktion sowie Sport- und Bewegungseinheiten. Alle Patienten erhalten zu den einzelnen Interventionen wöchentliche Aufgaben für zu Hause, die sie in einem Tagebuchprotokoll festhalten sollen.
Diskussion und Ergebnisse:
Da aktuell keine verlässlichen Daten von randomisierten, prospektiven Studien vorliegen, die den Effekt eines umfassenden, multizentrischen Lebenstil-Interventionsprogramms bei PCa untersuchen, soll diese Feasibility-Studie Hinweise auf den Benefit dieses Programms geben, und auch Aufschlüsse auf Formen, Intensität, Länge sowie Konzipierung der Lebensstil-Interventionen geben. Zusätzlich ist diese Studie durch ihre multidisziplinäre Aufstellung und Zusammenarbeit von Onkologen, Ökotrophologen, Sportwissenschaftlern, Psychologen und Physiotherapeuten einzigartig und daher ein Prüfstein für die Umsetzung sowie Implementierung in weiteren Studien sowie ggf. in die Routineversorgung von PCa Patienten. Im Okotber 2017 werden Ergebnisse nach einer Prä-Post Analyse innerhalb der Interventionsgruppe vorliegen, welche mittels eines „Matched Paris“ Verfahren in einem 1:5 Schlüssel mit vergleichenden Untersuchungen von Patienten, die ebenfalls an der Martini-Klinik operiert wurden, aber nicht an der Interventionsstudie teilnehmen, durchgeführt.
Praktische Implikationen:
Mittelfristig soll diese Feasibility-Studie essentielle Informationen für die Durchführung einer langfristig angelegten Mixed-Methods-Studie für PCa Patienten liefern. Bei positiven Ergebnissen soll ein multimodales Therapiekonzept bei PCa in die Regelversorgung für verschiedene Settings implementiert werden.
Bedeutung von Rehabilitation und Kurzzeitpflege in der Versorgung älterer (pflegebedürftiger) Menschen
Dr. Frankenhauser-Mannuß, J., Auer, R.
Referat Rehabilitations- und Pflegeforschung, AOK Baden-Württemberg
Hintergrund
Das Hinauszögern von Pflegebedürftigkeit oder die Verhinderung einer Verschlechterung des Zustands von pflegebedürftigen Menschen ist ein erklärtes Ziel in der Versorgung. Mit dem Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“ wurde dies sogar vom Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch verankert (§ 31 SGB XI). Mit Inkrafttreten des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes wurde daher auch ein bundeseinheitliches und strukturiertes Verfahren zur Feststellung des rehabilitativen Bedarfs im Rahmen der Pflegebegutachtung festgelegt. Dennoch sehen sich die Gesetzliche Krankenversicherung und der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht im bedarfsgerechten Umfang Rehabilitationsmaßnahmen nach § 40 SGB V zu empfehlen. Die Gründe für die geringe Inanspruchnahme sind vielschichtig und noch nicht abschließend geklärt. Eine fehlende Rehabilitationsfähigkeit kann hier nach einem Akutereignis gerade beim älteren Menschen der Grund für die Nicht-Inanspruchnahme bzw. Nicht-Beantragung einer Rehabilitation sein.
Fragestellung
Die Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI kann zur Überbrückung und zur Herstellung einer Übungsstabilität einen wichtigen Beitrag in der Versorgung älterer Menschen leisten. Die leitende Fragestellung ist daher:
Wie werden pflegebedürftige Menschen nach einem Akutereignis versorgt und welche Bedeutung haben hierbei die Kurzzeitpflege und die Rehabilitation?
Methodik
Ausgewertet wurden pseudonymisierte Abrechnungsdaten der AOK Baden-Württemberg aus dem stationären, rehabilitativen und pflegerischen Leistungsbereich. Insgesamt konnten dabei 116.901 Personen in der Analyse berücksichtigt werden. Im stationären Bereich umfasst der Zeitraum der Auswertung Leistungsdaten aus dem vierten Quartal 2015 bis einschließlich drittes Quartal 2016. Um das an den stationären Aufenthalt anschließende Versorgungsgeschehen im rehabilitativen und pflegerischen Bereich abbilden zu können wurde hier der Analysezeitraum um ein Quartal verlängert und endet somit mit dem vierten Quartal 2016. Die Grundgesamtheit bilden Versicherte mit einer Pflegestufe, die einen indikationsunabhängigen Krankenhausaufenthalt im Auswertungszeitraum hatten. Ausgehend von dieser Population wurde im nächsten Schritt ermittelt wie viele dieser Versicherten im Anschluss an den stationären Aufenthalt direkt in eine Rehabilitationsmaßnahme übergingen bzw. Leistungen aus der Kurzzeitpflege erhielten. Dafür musste das Anfangsdatum der Rehabilitation bzw. der Kurzzeitpflege entweder identisch mit dem Entlassdatum des Krankenhaus‘ sein bzw. durften nicht mehr als zwei Tage zwischen der Entlassung und des Beginns der Rehabilitation bzw. Kurzzeitpflege liegen. Das weitere Versorgungsgeschehen dieser Versicherten wurde hinsichtlich eines Übergangs nach der Kurzzeitpflege entweder in die Langzeitpflege oder in eine Rehabilitationsmaßnahme weiter verfolgt. Darüber hinaus wurde ermittelt wie viele dieser Versicherten nach der Kurzzeitpflege direkt wieder in ihr häusliches Umfeld zurückgekehrt sind oder verstarben.
Ergebnisse
Im Beobachtungszeitraum lassen sich rund 117.000 Krankenhausfälle bei Personen mit Pflegebedürftigkeit verzeichnen. Davon beginnen 4,4 % direkt im Anschluss an den Akutaufenthalt eine Rehabilitation. Nahezu 70 % davon weisen Pflegestufe 1 auf. Pflegebedürftige, die vor dem Akutereignis in der Häuslichkeit versorgt wurden, nehmen zu einem Anteil von 15,7 % im Anschluss eine Kurzzeitpflege in Anspruch. Jeder/e zweite dieser Patientinnen und Patienten ist hier in Pflegestufe 1 eingruppiert (53 %). Direkt in die Langzeitpflege gehen davon 42,4 % und eine Rückkehr in die Häuslichkeit ist 53 % möglich. Lediglich 4 % nehmen nach der Kurzzeitpflege eine Rehabilitation in Anspruch. Überproportional ist auch hier die Pflegestufe 1 (77 %) vertreten.
Diskussion
Die Rehabilitation als Instrument zur Sicherung der Teilhabe und damit der Lebensqualität älterer und pflegebedürftiger Menschen kommt mit 4,4 % zu gering zum Einsatz. Die Kurzzeitpflege als Intermedär wird bislang zu wenig genutzt, um nach einem Akutereignis eine Trainingsstabilität und damit Rehabilitationsfähigkeit herzustellen. Auffallend ist außerdem die hohe Inanspruchnahme bei niedrigen im Vergleich zu hohen Pflegestufen, dessen Ursachen noch festzustellen sind.
Praktische Implikationen
Zur zielgenaueren Nutzung der Kurzzeitpflege als stabilisierendes Element in der Versorgung pflegebedürftiger Menschen, sollte über eine Kombination von Kurzzeitpflege mit rehabilitativen Modulen nachgedacht werden. Auch im Hinblick auf die neue Leistung nach § 39 c SGB V, wonach Personen ohne Pflegestufe Anspruch auf eine Kurzzeitpflege erhalten. Auch für diesen Personenkreis sollte über einen zielgenauen Einsatz der Kurzzeitpflege diskutiert werden.