Für viele Forschungsfragen in der Versorgungsforschung sind Organisationen (z.B. Krankenhäuser, Praxen, Pflegeheime) die relevante Untersuchungsebene. Methodisch gibt es hier große Herausforderungen. In dieser Session wird in den ersten drei Vorträgen das Memorandum der organisationsbezogenen Versorgungsforschung vorgestellt und diskutiert. Es folgen einen Vortrag zur Rolle von Organisationsstrukturen im Entlassungsprozess und zu Informationsflüsse zwischen Leistungserbringern in verschiedenen Sektoren des Gesundheitssystems.
Hintergrund
Organisationen wie Kliniken und Arztpraxen stellen wesentliche Grundelemente des Gesundheitswesens in Deutschland dar. Das Netzwerk dieser Organisationen bildet das „Grundgerüst“ des Gesundheitssystems. Die empirische Untersuchung dieser Organisationen und ihrer Netzwerke ist daher eine Kernaufgabe der Versorgungsforschung. Zur Bewältigung dieser Aufgabe kann die Versorgungsforschung auf bereits etablierte Konzepte der Organisationsforschung und sozialwissenschaftliche Methoden zurückgreifen und diese auf die Versorgungsforschung zuschneiden. Das in Deutschland noch junge Forschungsfeld der organisationsbezogenen Versorgungforschung befasst sich mit der Analyse der Versorgungsorganisation und der Implementierung organisationsbezogener Interventionen, mit dem Ziel, organisationalen Wandel zu beschreiben und zu gestalten. Ausgehend vom ersten Memorandum des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung aus 2009 für Methoden der organisationsbezogenen Versorgungsforschung und auch durch den gegenwärtigen Bedeutungsgewinn des Forschungsfeldes ist eine Weiterentwicklung der konzeptionellen Grundlage erforderlich.
Fragestellung
Was macht Versorgungsorganisationen aus und wie können Wechselwirkungen zwischen den beteiligten Akteuren, der Versorgungsorganisation und den Institutionen des Gesundheitssystems konzeptualisiert werden? Wie kann die organisationsbezogene Versorgungsforschung definiert werden und was sind die diesbezüglichen Aufgaben?
Methode
Die DNVF-AG Organisationsbezogene Versorgungsforschung startete eine Initiative, in der Expertinnen und Experten die in den Memoranden von 2009 formulierten Standards für organisationsbezogene Versorgungsforschung theorie- und literaturbasiert weiterentwickeln. Die konzeptuelle Grundlage und der Begriff der organisationsbezogenen Versorgungsforschung werden in einem ersten Teil des aktualisierten Memorandums kritisch überprüft und aktualisiert. Diese theoretische Konzeptualisierung wird den Analyse- und Bezugsrahmen für die nachfolgenden Kapitel des überarbeiteten Memorandums bereitstellen.
Ergebnisse
Zunächst wird der Gegenstand der Organisation für die organisationsbezogene Versorgungsforschung beschrieben. Der instrumentelle und der institutionelle Organisationsbegriff werden voneinander abgegrenzt und die Relevanz beider Begriffe erläutert. Zudem wird erläutert, dass Organisationen mit anderen Systemen in Wechselwirkung stehen. In dem Zusammenhang wird das Mikro-Meso-Makro-Ebenen-Modell eingeführt.
Darauf aufbauend wird die Versorgungsorganisation definiert, und es werden mögliche Unterscheidungsmerkmale (z.B. stationär/ambulant, Säulen der Gesundheitsversorgung) und Eigenschaften (z. B. Strukturen, Prozesse, Netzwerkzugehörigkeit) beschrieben. Ebenso soll dargelegt und diskutiert werden, woran sich die Mitgliedschaft in einer Versorgungsorganisation fest macht und ob der Patient der Versorgungsorganisation angehört.
Danach wird ein Analyserahmen bereitgestellt, der Wechselwirkungen von Versorgungsorganisationen mit anderen Organisationen, mit den Akteuren auf Mikroebene, z.B. Patient oder Mitarbeiter, und mit der Makroebene von Gesundheitssystem und Gesellschaft adressiert. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den organisationalen Wandel in und von Versorgungsorganisationen gelegt. Auf Mikro-, Meso- und Makroebene können verschiedene Triebkräfte des organisationalen Wandels beschrieben werden. Auf Makroebene sind dies beispielsweise die Professionalisierung, Ökonomie, Wissenschaftssystem, Innovationen, Bedarfe, Regulierung und Qualitätssicherung. Auf Meso-Ebene sind dies beispielsweise organisationales Lernen, Organisationsentwicklung und Management; auf Mikro-Ebene können beispielsweise Patientenerwartungen und Zielsysteme des Personals als Triebkräfte für Wandel wirken.
Schlussendlich werden die Aufgaben der organisationsbezogenen Versorgungsforschung weiterentwickelt.
Diskussion
Für den Gegenstand der Organisation gibt es in der Organisationstheorie vielfältige Definitionen, Modelle und Theorien. Diese Vielfalt kann genutzt werden, um ein theoretisches Konzept organisationsbezogener Versorgungsforschung zu definieren, um unterschiedliche Forschungsfragen abzuleiten sowie angemessene Methoden und Analyseverfahren auszuwählen. Aufgrund der Dynamik in diesen Bereichen wird es auch zukünftig wichtig sein, die Definition und das Aufgabenspektrum der organisationsbezogenen Versorgungsforschung kontinuierlich mit der ebenfalls in der Weiterentwicklung begriffenen Organisationstheorie abzugleichen und zu aktualisieren.
Praktische Implikationen
Die Ergebnisse dieser Arbeit werden zusammen mit den Ergebnissen aus zwei weiteren Unterarbeitsgruppen in die Neuauflage des Memorandum „Methoden der organisationsbezogene Versorgungsforschung“ einfließen. Definition und Konzept der organisationsbezogenen Versorgungsforschung dienen der Orientierung, sollen den Einstieg in dieses Forschungsfeld ermöglichen und die konkrete Forschungsarbeit leiten.
Hintergrund
Organisationsbezogene Versorgungsforschung (OVF) beschäftigt sich mit dem Einfluss der Organisation auf die Patientenversorgung und den Wechselwirkungen der Mesoebene (also der Organisation) mit der Mikro- und Makroebene. Die spezifischen Aufgaben und Ziele der organisationsbezogenen Versorgungsforschung erfordern die Nutzung spezifischer (Sekundär-)Datenquellen sowie spezifischer Datenerhebungs- und Analysemethoden. Diesem Umstand wird durch Berücksichtigung in einem eigenen Kapitel der Neuauflage des Memorandums „Methoden für die organisationsbezogene Versorgungsforschung“, das derzeit von der AG Organisationsbezogene Versorgungsforschung erarbeitet wird, Rechnung getragen. Das Memorandum gliedert sich in drei Kapitel:
Kapitel 1: Definition und Konzept der organisationsbezogenen Versorgungsforschung
Kapitel 2: Methodische Ansätze der Organisationsbezogenen Versorgungsforschung: Datenerhebung und Analyse
Kapitel 3: Methodische Ansätze zur Evaluation und Implementation komplexer Interventionen in Versorgungsorganisationen
Dieser Beitrag stellt die bisherigen Ergebnisse zum Kapitel 2 zur Diskussion dar.
Fragestellung
OVF umfasst die Beschreibung und den Vergleich von Versorgungsorganisationen (VO) und die Identifikation von Merkmalen der VO, die mit der Versorgungsqualität – insbesondere der Ergebnisqualität – assoziiert bzw. für diese ursächlich sind. Ziel des Kapitels ist es, einen Überblick über wesentliche Datenquellen, Datenerhebungsmethoden sowie Analysemethoden in der OVF zu geben. Es werden relevante Kriterien zur Bewertung der Datenqualität dargestellt und Empfehlungen zur praktischen Anwendung von Methoden in der Versorgungsforschung hergeleitet. Eine möglichst präzise Beschreibung und vollständige Erfassung von Indikatoren zur Abbildung von Qualität mit potenziell (organisationalen) Ursachen ist Teil der OVF, was bei Beobachtungsstudien auch die Erfassung möglichst aller potentiellen Confounder zur Identifikation möglicher Ursachen von Unterschieden und der Gewährung möglichst fairer Vergleiche von VO einschließt.
Methode
Betrachtet werden zunächst Datenquellen und Methoden zur Datenerhebung in der OVF. Dabei werden wesentliche Methoden quantitativer und qualitativer Verfahren der Primärdatenerhebung beschrieben, relevante Zugänge zu Informationen über Primärdatenquellen (z.B. Versorgungsforschungsdatenbank) zusammengestellt sowie eine Übersicht über Quellen, Inhalte und Zugang von Sekundärdaten erarbeitet. Mögliche Sekundärdatenquellen sind bspw. Qualitätsberichte von Krankenhäusern, statistische Veröffentlichungen (DeStatis, Kassenärztliche Bundesvereinigung aber Register- und Routinedaten.
Ergebnisse
Bezüglich der Datenanalyse werden wesentliche Methoden und Anforderungen guter wissenschaftlicher Praxis erarbeitet. Datenanalyse in der OVF dient der Hypothesenprüfung. Besonderer Bedeutung kommt unter den quantitativen Verfahren die Mehrebenenanalyse zu, die der spezifischen Datenstruktur der OVF in besonderer Weise gerecht wird. Mögliche Güte und Qualitätskriterien für Datenquellen, Datenerhebung und Datenanalyse sind u.a. Vollständigkeit, Repräsentativität, Transparenz der Methodik zur Datengenerierung, Erfassung des Bias-Potentials durch Interessenabhängigkeit der datenausgebenden Stelle und eine Überprüfbarkeit der Daten im Rahmen von Teilerhebungen.
Diskussion
Erste Ergebnisse der AG werden im Rahmen eines Workshops vorgestellt und diskutiert. Rückmeldungen und Diskussionspunkte sollen in der weiteren Arbeit der AG2 berücksichtigt werden.
Es sollte sichergestellt werden, dass die Methodenauswahl gemeinsam mit Praktikern geschieht, eine Integration von quantitativer und qualitativer Analyse sollte angestrebt werden.
Praktische Implikationen
Die Arbeiten und Ergebnisse der AG2 werden zusammen mit den Arbeiten der anderen beiden AGs als ein Kapitel des derzeit geplanten Memorandum „Methoden der Organisationsbezogene Versorgungsforschung“ veröffentlicht. Dazu werden relevante Kriterien zur Bewertung der Datenqualität dargestellt und Empfehlungen zur praktischen Anwendung in der Versorgungsforschung hergeleitet.
Hintergrund
Die Entwicklung, Bewertung und Nutzbarmachung von Maßnahmen sind zentrale Themen der Interventionsforschung. Besondere Herausforderungen ergeben sich für die Evaluation in Versorgungsinstitutionen, da diese Interventionen in der Regel als ‚komplex‘ anzusehen sind: sie bestehen aus miteinander interagierenden Teilkomponenten, mehrere Akteure sind beteiligt und mehrere organisationale Ebenen (Mikro, Meso, Makro) und interdependente Zielkriterien müssen berücksichtigt werden. Ausgehend vom Memoradum des DNVF (Pfaff, Albert et al., 2009) sind Anpassungen der Kriterien für eine angemessene Methodenpraxis erforderlich.
Fragestellung
Welche aktuellen Standards müssen bei der Konzeption, Bewertung und Implementierung von Interventionen in der Versorgungsforschung berücksichtigt werden, damit diese ihre Wirksamkeit für Patienten im Versorgungsalltag voll entfalten können?
Methode
Die DNVF-AG Organisationsbezogene Versorgungsforschung startete 2016 eine Initiative, in der Expertinnen und Experten die in den Memoranden von 2009 formulierten Standards für Interventionen literaturbasiert erweitern und weiterentwickeln.
Ergebnisse
Das Modell zur Evaluation komplexer Interventionen von Campbell et al. (2000; Craig et al. 2008) dient als Ausgangpunkt für die Analyse der Konzeption, der struktur-, prozess- und ergebnisbezogenen Wirkungen komplexer Interventionen sowie deren Implementierung in den Versorgungsalltag. Das Modell unterscheidet die Phasen der (1) Theoriebildung, (2) Modellierung (Analyse des Ist-Zustands und Identifikation elementarer Interventions¬komponenten), (3) exploratorischen Prüfungen, (4) Wirksamkeitsprüfung und (5) Langzeitimplementierung. Evaluation wird als Instrument aufgefasst, um auf möglichst belastbarem Wissen basierende maßgeschneiderte Interventionsprogramme zu entwickeln, deren Wirkprinzipien - ausgehend von einer Problemanalyse – in einer Programmtheorie dokumentiert werden. Überlegungen zur Implementierunf sind in allen Phasen des Modells zu integrieren.
Neben Evaluationsstandards müssen von Standards der Implemen¬tierungsforschung (Pinnock et al., 2017) systematisch berücksichtigt werden. Es sollte ein Implemen¬tierung-modell entwickelt werden, das die Erfordernisse und Determinanten einer erfolgreichen Implementation in den Versorgungsalltag mit dem Ziel des bestmöglichen Patientennutzens berücksichtigt. Als integrative Systema¬tik sollten in der organisationsbezogenen Versorgungsforschung drei Studienbereiche unter¬schieden werden:
(1) Interventionsdesign: Empiriebasierte, systematische Entwicklungen neuer Inter-ventions¬elemente bzw. Interventionen (Konzeption)
(2) Wirksamkeitsprüfung: Nach Abschluss einer fundierten Entwicklungsphase erfolgt hier die Prüfung der gesundheitsbezogenen Effekte und des Nutzens von Interventionen. Ziel ist es, orientiert an der Evidenzhierarchie belastbares Wissen zu den gesundheitsbezogenen Effekten von Interventionen zu generieren (Ergebnisevaluation, summative Evaluation).
(3) Intervention-Tailoring: Entwicklung und Analyse von Interventions- und Kontext-merkmalen, die die Wahrscheinlichkeit für die bestmögliche Implementierung einer als als wirksam nachgewiesenen Intervention in den Versorgungsalltag erhöhen (Struktur- und Prozessevaluation, praxisgerechte Implementierung)
Die hieraus erwachsenden Anforderungen an eine gute wissenschaftliche Praxis für die Konzeption, Evaluation und Implementierung von Innovationen in der Versorgungsforschung werden an Beispielszenarien dargestellt.
Diskussion
Die Vereinbarung und Etablierung von Kriterien und Standards wissenschaftlicher Versorgungsforschung stellen aufgrund des interdisziplinären und umfassenden Anspruchs der Disziplin eine große Herausforderung dar: Zum einen muss klar definiert erkennbar bleiben, wann Forschung als wissenschaftlich adäquat angesehen werden kann, zum anderen müssen Methoden dem spezifischen Forschungsgegenstand gemäß ausgewählt und ggf. adaptiert werden. Ausgehend von Modellen werden zentrale Unterscheidungsmerkmale geklärt und Prinzipien benannt, deren Bezug zu forschungspraktischem Handeln hergestellt wird.
Praktische Implikationen
Die Neuversion des Memorandums der Organisationsbezogenen Versorgungsforschung und die Bereitstellung von Kriterien- und Checklisten tragen zu einer Klärung und Verbesserung der Praxis der Versorgungforschung bei. Die evidenzbasierten Versorgungspraxis kann durch die systematische Erweiterung des Fokus der Evaluation auf die Erforschung der Anforderungen und Bedingungen, die die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Implementatierung erhöhen, verbessert werden: Dass wirksame Interventionen auch tatsächliche den Patienten im Versorgungsalltag zu Gute kommen, wird hierdurch als zentraler Anspruch an eine evidenzbasierte Versorgungspraxis hervorgehoben.
Hintergrund:
Brustkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen junger Frauen, weshalb der Versorgungsprozess innerhalb des Gesundheitssystems von besonderer Relevanz ist. Zusätzlich ist die Brustkrebsversorgung der Patientinnen komplex bei einer kurzen Verweildauer im Krankenhaus. Die Forderung nach einem optimierten Entlassungsprozess liegt sowohl im Interesse der Patientinnen als auch im wirtschaftlichen Interesse der Brustzentren. Eine Konzeptskizze zum Entlassmanagement, durch den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragt, identifiziert Probleme beim Übergang vom Krankenhaus zu den weiterbehandelnden Leistungserbringern und betont die Bedeutung der Organisation des Entlassungsprozesses. Ziel des Rahmenvertrags Entlassmanagement, welcher zum 01.07.2017 in Kraft tritt, ist es, im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung die zielgerichtete und bedarfsgerechte Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Um die Aufgabe erfolgreich umzusetzen, ist Wissen über die Einflussfaktoren durch die Organisation und die Patienten auf die Qualität des Entlassungsprozesses nötig, um diese bei der Entlassung aus der stationären Versorgung berücksichtigen zu können.
Forschungsfrage:
Es wird der Forschungsfrage nachgegangen, ob ein Zusammenhang verschiedener Organisationsstrukturen und Patientencharakteristika mit der Patientinnenerfahrung mit dem Entlassungsprozess in Brustzentren in Nordrhein-Westfalen besteht. Ziel ist es, Ressourcen und Faktoren herauszufinden, die die Erfahrung mit dem Entlassungsprozess beeinflussen. So können Hinweise für Maßnahmen der Organisationsentwicklung gegeben werden.
Methode:
Mithilfe einer Mehrebenenanalyse wurde eine explorative Analyse des Zusammenhangs zwischen Krankenhausstrukturen sowie Patientinnencharakteristiken und Patientinnenerfahrungen mit dem Entlassungsprozess durchgeführt. Als Datengrundlage dienen die Ergebnisse von 12.849 Patientinnen aus Brustzentren in Nordrhein-Westfalen, erhoben durch den Kölner Patientinnenfragebogen für Brustkrebs der Jahre 2014, 2015 und 2016. Zusätzlich wurden Daten zur Bettenanzahl, Trägerschaft und zum Lehrstatus aus den Qualitätsberichten 2014 der 90 inkludierten Krankenhäuser hinzugeführt.
Ergebnisse:
Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass Unterschiede in der Bewertung des Entlassungsprozesses zwischen den Krankenhäusern vorliegen. Das Modell ohne Prädiktoren ergibt einen Intraklassenkoeffizienten von 0,027, d.h. knapp 3 Prozent der Gesamtvariation werden durch Krankenhausmerkmale erklärt.
Der Entlassungsprozess wird von älteren Patientinnen als besser wahrgenommen, sowie von Patientinnen, die sich in einer Partnerschaft befinden oder eine Privat- oder Zusatzversicherung haben. Dies gilt ebenso für Patientinnen, die eine Mastektomie anstatt einer Maßnahme der Brusterhaltung erhalten haben, sowie Patientinnen die sich in Rente wegen Erwerbsminderung befinden. Patientinnen mit einem höheren UICC Stadium oder mehr Nebenerkrankungen haben hingegen eine schlechtere Wahrnehmung ihrer Erfahrungen mit dem Entlassungsprozess.
Auf der Kontextebene zeigt sich, dass in Krankenhäusern, die gemeinsam mit einem anderen Krankenhaus ein Brustzentrum bilden, die Erfahrungen des Entlassungsprozesses besser ausfallen, im Vergleich zu Krankenhäusern die alleine ein Brustzentrum darstellen.
Diskussion:
Unterschiede in den Erfahrungen mit dem Entlassungsprozess zwischen den Krankenhäusern der Brustzentren, trotz der kurzen Verweildauer und Standardisierung der Prozesse, scheinen teilweise durch die Ergebnisse bestätigt zu werden. Ein positiver Effekt auf die Erfahrungen mit dem Entlassungsprozess könnte durch den Zusammenschluss von mehreren Krankenhäusern zu einem Brustzentrum entstehen. Allerdings haben die Patientencharakteristiken einen deutlich stärkeren Einfluss als die inkludierten Variablen auf Kontextebene. Bei Maßnahmen zur Verbesserung des Entlassungsprozesses sollte darauf geachtet werden, dass dies patientenorientiert verläuft, mit besonderem Fokus auf den Krankheitsstatus und die Krankheitsbehandlung, sowie wenn möglich den sozialen Kontext der Patientin. Die Ergebnisse liefern keinen Hinweis darauf, dass der Lehrstatus, die Trägerschaft oder die Krankenhausgröße den Entlassungsprozess beeinflussen, weshalb bei der Weiterentwicklung des Entlassungsprozesses diese Aspekte nicht berücksichtigt werden müssen.
Praktische Implikation:
Die Gesetzesänderung zum Entlassmanagement wird momentan in Deutschland diskutiert. Aufgrund des Rahmenvertrags zum Entlassmanagement ist davon auszugehen, dass der Entlassungsprozess in Zukunft verändert wird. Dabei hilft ein verbessertes Verständnis der bestehenden Ressourcen und Barrieren auf Organisations- und Patientenebene, um eine Optimierung des Entlassungsprozesses zu erreichen. Bei der spezifischen Umsetzung und Betrachtung des Entlassungsprozesses ist es von hoher Relevanz die Bedingungen für die Patienten zu fokussieren und patientenzentriert vorzugehen.
Hintergrund
Die akute Nierenschädigung gilt als einer der kausalen Faktoren für die Progredienz einer vorbestehenden chronischen Niereninsuffizienz bis hin zur Dialysepflichtigkeit. Diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die bei akuter Nierenschädigung Anwendung finden bzw. zu ihrer Vermeidung dienen, sind in Leitlinien hinterlegt. Es ist belegt, dass eine fachspezifische Nachsorge die Komplikationsrate bzw. die Letalität betroffener Patienten reduziert. In den Leitlinien nicht hinterlegt und nicht gut untersucht sind die Häufigkeit und der Umfang der Informationsübermittlung über die akute Nierenschädigung stationär versorgter Patienten an den Hausarzt bzw. die Hausärztin.
Methodik
Der Entlassungsarztbrief von 150 Patienten mit vorbestehender chronischer Niereninsuffizienz, welche während ihrer stationären Behandlung eine akute Nierenschädigung aufwiesen, wurde untersucht. Die Diagnose ‚akute Nierenschädigung‘ wurde anhand der aktuellen, Serumkreatinin-basierten Kriterien (KDIGO: Kreatinin-Anstieg um >50% innerhalb von max. 7 d bzw. um >0,3 mg/dl [26,4 micromol/l] innerhalb von max. 2 d) durch Labordatenbankenabfrage der an einem Universitätsklinikum in einem 8-Monatszeitraum in 2011 und 2012 behandelten Patienten gestellt.
Die Erwähnung der ‚akuten Nierenschädigung‘ in der Diagnoseliste und im Freitext des Entlassungsarztbriefes und Empfehlungen zur ambulanten Nachsorge wurden ebenso dokumentiert wie die Kodierung der akuten Nierenschädigung seitens der entlassenden Fachabteilung. Weiterhin wurden demographische Daten und der Schweregrad der akuten Nierenschädigung erhoben.
Ergebnisse
Das Alter der Patienten lag bei 72 Jahren (25.-75. Perzentile 63-78), der Frauenanteil bei 34%. Die Nierenfunktion war zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme deutlich eingeschränkt (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate ca. 49 ml/min [25.-75. Perzentile 31-70]). Akute Nierenschädigung Grad 1 wiesen 60% der Patienten auf, Grad 2 18% und Grad 3 22%. Die Krankenhausletalität betrug 20%.
Bei 28% der betroffenen Patienten wurde die Diagnose ‚akute Nierenschädigung in der Diagnoseliste des Entlassungsarztbriefes geführt und bei 30% auf eine während des stationären Aufenthalts akut abfallende Nierenfunktion hingewiesen. In 9% aller Fälle wurde die Empfehlung zur ambulanten Kontrolle der Nierenfunktion und in 5% der Fälle zur fachspezifischen ambulanten Nachsorge gegeben, wobei letzteres für 18% der Patienten zutraf, welche im Krankenhaus ein nephrologisches Konsil erhielten und den Krankenhausaufenthalt überlebten.
Bei 19% der nicht verstorbenen Patienten lag die niedrigste Nierenfunktion zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus vor. Bei 15% der Patienten wurden im Entlassungsarztbrief Angaben zum Schweregrad, Ursachen und Therapie der akuten Nierenschädigung gemacht. Die Diagnose ‚akute Nierenschädigung wurde bei 27% der Patienten in der stationären Patientenakte dokumentiert. Die Kodierung der Diagnose ‚akute Nierenschädigung‘ erfolgte bei 25% der Patienten.
Diskussion
In diesem Risikopatientenkollektiv mit vorbestehender chronischer Niereninsuffizienz und einer zusätzlich während eines Krankenhausaufenthaltes bestehenden akuten Nierenschädigung wurde die seltene Weitergabe der Diagnose ‚akute Nierenschädigung‘ an den Hausarzt belegt. Bei einem erheblichen Anteil der Patienten lag die schlechteste Nierenfunktion zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus vor. Behandlungsempfehlungen einschließlich der fachspezifischen Weiterbehandlung wurden nur in Ausnahmefällen gegeben.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit entsprechen der internationalen Datenlage, wobei außerhalb Deutschlands bereits diesbezügliche Versorgungsforschungsprogramme angelaufen sind.
Praktische Implikationen
Im Vordergrund künftiger Untersuchungen sollten die Beurteilung der intersektoralen Schnittstelle, die Kontextanalyse für den Status quo der Versorgung von Patienten mit akuter Nierenschädigung und die Implementierung neuer Versorgungselemente stehen. Qualitative Analysen bezüglich der Wahrnehmung des Krankheitsbildes ‚akute Nierenschädigung‘ und des Vorgehens bei der Informationsweitergabe durch Krankenhaus-Ärzte an die ambulant weiterbehandelnden Kollegen befinden sich in Planung.