Hintergrund: Proximale Femurfrakturen (PFF) gehören zu den häufigsten Frakturtypen älterer Menschen und sind oft ein prognostisch einschneidendes Ereignis. Kenntnisse über die Situation der Betroffenen nach einer PFF sind spärlich. Studien weisen auf schlechte Outcomes nach PFF hin, so behielten z.B. 50% der Betroffenen Einschränkungen in der Funktionsfähigkeit, 15% wurden neu in ein Pflegeheim aufgenommen und rund 20% verstarben innerhalb eines Jahres. Spezifische Versorgungsaspekte, wie z.B. die Versorgung in Alterstraumazentren oder Rehabilitation, sind kaum untersucht. Bis dato ist unklar, für welche Patienten spezifische Versorgungsmodelle besonderen Nutzen bringen. Neben Versorgungsprozessen sind patientenberichtete Outcomes wie Lebensqualität, Funktionsfähigkeit und soziale Teilhabe bei älteren Menschen nach PFF wenig erforscht. Subgruppen, die durch besonders schlechte klinische und patientenberichtete Outcomes charakterisiert sind und potentiell eine intensivere Versorgung benötigen, sind bislang nicht identifiziert.
Fragestellung: Die Forschungsfragen lauten:
1. Wie gestaltet sich die Versorgungssituation nach PFF in der betagten Bevölkerung? Wie werden spezifische Behandlungsmaßnahmen (z.B. geriatrische Rehabilitation, Schmerzbehandlung) an den Schnittstellen der Versorgung umgesetzt?
2. Wie stellen sich klinische (Hospitalisierung, Pflegebedürftigkeit) und patientenberichtete Outcomes (Lebensqualität, Funktionsfähigkeit, insbesondere soziale Teilhabe) nach PFF im Verlauf dar? Was sind klinische und soziodemographische Prädiktoren (Komorbidität, soziale Lage, insbesondere soziale Unterstützung) hierfür?
3. Welche Subgruppen weisen schlechte Outcomes auf (z.B. zu Hause lebende Menschen mit geringer sozialer Unterstützung, Komorbidität und hoher Leistungsinanspruchnahme)? Lassen sie sich mit einem Algorithmus im Sinne eines ‚case findings‘ identifizieren?
Das Projekt wird aus Mitteln des Innovationsfonds gefördert (Förderkennzeichen: VF1_2016_057). Projektbeginn ist der 1. Mai 2017.
Methode: Es handelt sich um eine populationsbezogene prospektive Beobachtungsstudie auf Basis von Krankenkassendaten und bei Versicherten erhobenen Primärdaten, die individuell verknüpft werden. 700 zufällig ausgewählte Versicherte mit der Diagnose ‚proximale Femurfraktur’ (S72.0, S72.1 und S72.2 gemäß ICD-10) im Alter von ≥ 60 Jahren werden über einen Zeitraum von 12 Monaten konsekutiv in die Studie aufgenommen und 1 Jahr nachbeobachtet. Primärdatenerhebungen sind unmittelbar nach Entlassung (Hausbesuch), 3 und 6 Monate nach Ereignis mittels postalischer Befragung und 12 Monate nach dem Ereignis (wiederum Hausbesuch) geplant. Die Primärdatenerhebung patientenrelevanter Outcomes umfasst die gesundheitsbezogene Lebensqualität, Funktionsfähigkeit und soziale Teilhabe. Als Einflussfaktoren und Adjustierungsvariablen werden soziodemografische Merkmale und sozio-ökonomischer Status, soziale Beziehungen und soziale Unterstützung erhoben sowie Fragen zur Erreichbarkeit von Versorgungsangeboten und zum Lebensstil gestellt. Zudem werden über Sekundärdaten die Versorgung und das Leistungsgeschehen (stationär und ambulante ärztliche Versorgung, Rehabilitation, Medikamente, Heil- und Hilfsmittel, Pflegeleistungen), patientenrelevante Outcomes (stationäre Aufenthalte, Eintritt stationärer Pflegebedürftigkeit, Kosten, Tod) sowie Einflussfaktoren und Adjustierungsvariablen (demografische Daten, Komorbidität) 12 Monate nach PFF, Einflussfaktoren auch 12 Monate vor PFF, erfasst. Sollte der Versicherte nicht auskunftsfähig sein, wird versucht über betreuende Angehörige bzw. einen gesetzlich vorgesehenen Betreuer einen Kontakt herzustellen und das Interview mit einem Stellvertreter zu führen.
Die Baselinevariablen werden durch deskriptive Statistik beschrieben. Mögliche Assoziationen zwischen Einflussfaktoren und Outcomes werden anhand multipler linearer oder logistischer Regressionsmodelle geprüft. Eine Adjustierung für die Mehrfachmessungen pro Patient erfolgt durch Anpassung entsprechender gemischter Modelle (Kovarianzpatternmodelle). Mortalitätsanalysen werden mit Kaplan-Meier-Kurven und Cox-Regression berechnet. Die Entwicklung eines Algorithmus im Sinne eines ‚case findings‘ erfolgt durch Anpassung gemischter logistischer Regressionsmodelle (Herleitung eines Scores). Zur Vermeidung von Verzerrungen wird der Score auf einer Hälfte der Population entwickelt und auf der anderen Hälfte geprüft.
Ergebnisse: Zum Kongress werden erste Ergebnisse aus der Pilotierungs- und Vorbereitungsphase präsentiert sowie erste Feld-Erfahrungen berichtet.
Diskussion und praktische Implikationen: Die Projektergebnisse sollen dazu beitragen, mögliche Versorgungsdefizite bei Menschen mit PFF zu erkennen und Menschen mit besonderem Versorgungsbedarf zu identifizieren. Im Anschluss sollen Maßnahmen formuliert werden, die helfen, zielgruppenspezifische Angebote für die Nachsorge von betagten Menschen mit PFF weiterzuentwickeln.
Hintergrund:
Die Entlassung von Brustkrebspatientinnen aus den Brustzentren muss für eine nahtlose Behandlungsübernahme durch niedergelassene Ärzte gut vorbereitet sein. Häufig kommt es im Entlassungsprozess in den Brustzentren jedoch zu unnötigen Warte- und Überbrückungszeiten, Patientinnen bewerteten diesen Prozess eher schlecht. Auch für die beteiligten Mitarbeiter ist der Entlassungsprozess herausfordernd. Mithilfe der Wertstromanalyse (Value Stream Mapping) soll der Entlassungsprozess optimiert werden. Das Value Stream Mapping stellt komplexe Arbeitsprozesse bildlich dar und hilft, sie effizienter zu gestalten. Der Entlassungsprozess soll wertschöpfender (Prozessschritte, die aus der Perspektive der Patientinnen den Prozess voranbringen oder Wert hinzufügen) gestaltet werden und nicht-wertschöpfende Zeit reduziert werden. Ein wertschöpfender Prozessschritt für die Patientinnen könnte beispielsweise eine Nachsorgeberatung durch das Personal im Brustzentrum sein.
Fragestellung:
Das Projekt geht der Frage nach, ob mit der Methode Value Stream Mapping der Prozess des Entlassungsmanagements in Brustzentren optimiert werden kann. Es werden drei gleichwertige Arbeitshypothesen untersucht:
H1: Prozessebene: Die Intervention Value Stream Mapping verringert die nicht-wertschöpfende Zeit im Entlassungsprozess der Brustzentren.
H2: Patientinnenebene: Die Bewertungen der Patientinnen der Brustzentren bzgl. des Entlassungsprozesses verbessern sich.
H3: Mitarbeiterebene: Die Bewertungen der prozessbeteiligten Mitarbeiter bzgl. des Entlassungsprozesses verbessern sich.
Methode:
Zur Überprüfung der Forschungsfrage wird eine explorative, quasi-experimentelle Studie mit Prätest-Posttest-Follow-up-Design durchgeführt. Die Intervention des Value Stream Mappings wird in vier Brustzentren angewandt. Zu drei Messzeitpunkten werden jeweils die drei Ebenen betrachtet und Daten durch Zeitmessungen (H1), Fragebogen für Patientinnen (H2) und Fragebogen für Mitarbeiter (H3) erhoben. Die Daten sollen deskriptiv und inferenzstatistisch ausgewertet werden. Dabei sind Prä-Post-Vergleiche a) für die Evaluierung des Kurzzeiteffekts (H1, H2, H3) und b) ein Follow-up-Vergleich für die Evaluierung des Langzeiteffekts (H1, H2, H3), sowie Subgruppenanalysen des Effektes bezüglich Charakteristika der Brustzentren geplant.
Ergebnisse:
Es wird vermutet, dass das Value Stream Mapping einen positiven Einfluss auf die Zeitoptimierung (H1), die Patientinnenbewertung (H2) und die Mitarbeiterbewertung (H3) ausübt. Anhand der Subgruppenanalysen können die Ergebnisse ggf. auf spezifische Charakteristika der Brustzentren bezogen werden. Dies bedeutet, dass die Effektivität des Value Stream Mappings sich z.B. bei Brustzentren mit einer geringen oder hohen Mitarbeiteranzahl unterscheidet.
Diskussion:
Das Forschungsprojekt dient der Beurteilung des Value Stream Mappings als Methode zur Optimierung des Entlassungsprozesses in Brustzentren. Dabei können die drei Messebenen eventuell im Zielkonflikt stehen, denn die Zeitoptimierung kann die Patientinnen- und Mitarbeiterzufriedenheit beeinflussen. Kann der mögliche Zielkonflikt durch drei balancierte Endpunkte minimiert werden, entsteht ein ganzheitlich optimierter Entlassungsprozess. Diese Veränderungen geschehen mit Hinblick auf eine Patienten- und Mitarbeiterorientierung. Ist die Anwendung erfolgreich, soll das Value Stream Mapping auf weitere Brustzentren und Krankenhäuser übertragen werden. Zusätzlich können Folgestudien zur Anwendung auf andere Prozesse (z.B. Aufnahmeprozess, OP-Prozess) stattfinden.
Praktische Implikationen:
Bei erfolgreicher Anwendung des Value Stream Mappings auf den Entlassungsprozess wird es eine Verbreitung auf weitere Brustzentren der Methode durch ein Manual und Benchmark-Workshops geben.
Der Veränderungsbedarf des Entlassungsprozesses von Krankenhäusern wird momentan in Deutschland diskutiert. Die Methode könnte einen Beitrag dazu leisten und einen Lösungsansatz zur Optimierung des Prozesses aus eigenen Kräften, nach dem Value-Based Healthcare Ansatz, bedeuten. Besondere Vorteile ergeben sich, da die Umsetzung der Methode von kurzer Dauer ist und nur je ein Beschäftigter jeder Berufsgruppe involviert ist. Folglich können Arbeitsprozesse der Klinik ungestört fortgeführt werden. Value Stream Mapping kann hier durch eine Reorganisation des Systems unterstützen, ohne dass weitere aufwendige Investitionen getätigt werden müssen.
Hintergrund: In Deutschland sind 1,4 bis 2,3 Millionen Menschen von Medikamenten abhängig. Beim weit überwiegenden Teil sind Benzodiazepine [BZD] bzw. Z-Substanzen [ZS] oder Opioid-Analgetika [OA] beteiligt. Probleme mit BZD/ZS finden sich insbesondere unter Älteren, wobei ein Großteil dieser Patienten die Medikamente in geringen Dosen über viele Jahre einnimmt. Ausmaß und Folgen dieser Niedrigdosisabhängigkeit waren bisher kaum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.
Bei OA zählen insbesondere Patienten mit chronischen Schmerzen zur Risikogruppe. Allerdings werden diese Medikamente auch von (jüngeren) Personen missbräuchlich konsumiert, um Rauschzustände zu erzielen. Die pro Jahr verabreichten Tagesdosen von OA sind in der Bundesrepublik seit Jahren ansteigend, ohne das bisher genauer untersucht wurde, welche Patientengruppen hiervon überproportional betroffen sind.
Bezüglich Antidepressiva [AD] ist für die zurückliegenden Jahre eine kontinuierliche Steigerung der verabreichten Tagesdosen festzustellen. Welche Rolle in diesem Zusammenhang eine mögliche Substitution von BZD und anderen Psychopharmaka durch AD spielt und welche Verschreibungsmuster sich hinter diesem Anstieg verbergen, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht fundiert beantworten.
Fragestellung: Wie ist die Verbreitung und welche Entwicklungen zeigen sich hinsichtlich eines leitlinienabweichenden oder auf Langzeitverordnungen beruhenden Verschreibungsverhaltens von BZD, ZS, OA und AD bei gesetzlich versicherten Patienten? Neben der langzeitepidemiologischen Analyse geht es im Besonderen um die Untersuchung der versorgungsrelevanten Phänomene der Niedrigdosisabhängigkeit von BZD/ZS, der missbräuchlichen Einnahme von OA sowie der kontinuierlichen Ausweitung des AD-Gebrauchs. Ferner sollen Risikogruppen mit auffälligen und riskanten Verschreibungsmustern dieser Substanzen identifiziert werden.
Methode: Die Grundlage für die Analysen bildet der Datenexport eines großen Apothekenrechenzentrums, der die kassenärztlichen Verschreibungen der Jahre 2011-2016 von ca. 80% der rund 11 Millionen Einwohner Norddeutschlands enthält. Der Datenexport beinhaltet einen eindeutigen anonymisierten Patientencode, das Alter, die PLZ (erste 4 Stellen) und das Geschlecht. Ferner können in anonymisierter Form der verordnende Arzt (inkl. PLZ, Fachrichtung) und die einlösende Apotheke (inkl. PLZ) bestimmt werden. Zudem sind Abgabetag, Darreichungsform, PZN, ATC-Code, Wirkstoff und Wirkstoffmenge enthalten.
Die Studie beinhaltet Querschnitts- und Längsschnittanalysen in Form von 4 Modulen.
Modul 1: Trends der Verschreibungen von BZD, ZS, OA und AD in den Jahren 2011-2016 unter Berücksichtigung der Einnahmedauer und Dosis (DDDs) differenziert nach Geschlecht, Alter, Region, ärztlicher Fachrichtung; Subanalysen der Identifizierung und Beschreibung von Patientengruppen mit steigenden Prävalenzwerten und/oder Dosierungen.
Modul 2: Prävalenz und Risikofaktoren der verschiedenen Formen des Langzeitgebrauchs von BZD und ZS unter besonderer Berücksichtigung der Niedrigdosisabhängigkeit im Vergleich zu Hochdosierungen sowie intermittierenden Verschreibungsverläufen.
Modul 3: Missbräuchliche Einnahme von OA: a) Entwicklung eines Analyseverfahrens zur Identifizierung von Patienten mit einer nicht bestimmungsgemäßen Einnahme; b) Ermittlung von Risikofaktoren für missbräuchlichen Konsum; c) Vormedikation von OA-Missbrauchern.
Modul 4: „Epidemischer“ Gebrauch von AD: a) Untersuchung möglicher Ursachen (z.B. Trend zur Dauermedikation, Substitution von BZD) und Folgen (z.B. intensivierte Komedikation, Umstieg auf Medikamente mit Abhängigkeitspotential); b) Analysen zur Entwicklung der verschiedenen AD-Arten.
Ergebnisse: Das Projekt hat Anfang 2017 begonnen. Ergebnisse liegen noch nicht vor.
Diskussion: Menschen mit einem problematischen Medikamentenkonsum nehmen nur selten Angebote des Suchthilfesystems in Anspruch. Offensichtlich fühlen sich viele Betroffene von den vorgehaltenen Hilfen nicht ausreichend angesprochen, sei es aus mangelnder Problemwahrnehmung oder aufgrund fehlender Passung der bestehenden Angebote. Um eine bessere, d.h. insbesondere zielgruppenspezifischere Versorgung zu ermöglichen, ist die Identifizierung von Risikogruppen unerlässlich. GKV-Rezeptdaten eignen sich hierfür in besonderem Maße, da sie die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit einschließen (mit Ausnahme der Privatversicherten) und aufgrund der hohen Fallzahl auch valide und differenzierte Analysen von anteilsbezogen kleinen Subgruppen ermöglichen.
Praktische Implikationen: Mit Hilfe des vorliegenden Projekts werden erstmals empirisch gesicherte Erkenntnisse zu den oben skizzierten Forschungsfragen vorliegen, auf deren Basis Präventions- und Hilfsangebote sowie mögliche (Um-)Steuerungsmaßnahmen entwickelt und angewendet werden können.
Hintergrund: In Deutschland sind Syrerinnen und Syrer die größte Gruppe unter den Geflüchteten. Im Jahr 2016 haben insgesamt 722 370 Personen einen Asylerstantrag in Deutschland gestellt, darunter 266 250 Menschen aus Syrien. Viele Geflüchtete tragen Kriegs- und Gewalterlebnisse bis hin zu Folter in sich und sind nicht nur im Heimatland, sondern auch auf der Flucht und im Ankunftsland oftmals sequentiellen Traumatisierungen ausgesetzt. Diese traumatischen Erfahrungen erhöhen das Risiko, psychisch zu erkranken. Neuere Studien schätzen die Prävalenzrate von PTBS bei syrischen Geflüchteten auf etwa 34%. Zusätzlich müssen sich die Neuankömmlinge in einer für sie völlig fremden Kultur zurechtfinden.
Fragestellung: Ziel des Projektes ist die Entwicklung und Evaluation der Wirksamkeit und der Kosteneffektivität einer arabisch-sprachigen interaktiven Selbsthilfe-App für traumatisierte syrische Geflüchtete in Deutschland.
Methode: Das Projekt gliedert sich in zwei Arbeitspakete. Ziel des ersten Arbeitspaketes ist die Entwicklung einer strukturierten, modular aufgebauten, interaktiven Selbsthilfe-App für arabisch-sprachige Geflüchtete als Hilfe zum Umgang mit psychischen Belastungen, die im Zusammenhang mit Traumatisierung stehen. Die Module der App werden durch interaktive Elemente wie Selbsttests, Verhaltensbeobachtungen, strukturierte Pläne und automatisiertes individuelles Feedback ergänzt. Die Entwicklung der App-Inhalte umfasst mehrere Entwicklungsschritte: a) Durchführung von Fokusgruppen mit Betroffenen, b) Auswahl und Adaptation der Inhalte evidenzbasierter Behandlungsmanuale sowie internetbasierter Selbstmanagement-Programme für die speziellen Bedürfnisse traumatisierter syrischer Geflüchteter in Deutschland sowie für die Integration in eine Selbsthilfe-App, c) mediendidaktische Aufbereitung der App-Inhalte, d) Übersetzung der App-Inhalte in arabische Sprache, sowie e) technische Umsetzung. Ziel des zweiten Arbeitspakets ist die Prüfung der Wirksamkeit und Kosteneffektivität der App im Vergleich zu einer aktiven Kontrollgruppe (KG) im Rahmen einer prospektiven randomisiert-kontrollierten Studie mit drei Messzeitpunkten: vor der Intervention (T0), direkt nach der Intervention (T1, 1 Monat nach Randomisierung), und drei Monate nach der Intervention (T2). Die Interventionsgruppe (IG) erhält dabei vier Wochen lang Zugang zur interaktiven App, während die KG psychoedukativ-informierendes Lesematerial erhält. Primäre Zielgröße ist die posttraumatische Symptomatik, gemessen mit der Posttraumatic Diagnostic Scale (PDS). Als sekundäre Zielgrößen werden Depression und Angst (PHQ-9, GAD-7), Somatisierung (PHQ-15), Lebensqualität (EQ-5D), Selbstwirksamkeit (GSE), wahrgenommene Stigmatisierung (SS/PSS), soziale Unterstützung (BSSS) und Posttraumatisches Wachstum (PGI) erfasst. Nutzerakzeptanz und Nutzerfreundlichkeit der App sind weitere sekundäre Zielgrößen. Der Ressourcenverbrauch hinsichtlich der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wird mittels eines Kostenbuchs erfasst (bottom-up approach). Dabei werden zur Abschätzung der Kosten die Anzahl ambulanter Arzt- und Therapeutenkontakte sowie Krankenhaustage erfragt. Insgesamt sollen 234 syrische Geflüchtete in die Studie eingeschlossen werden (IG: 117, KG: 117).
Ergebnisse: Die Evaluationsergebnisse werden voraussichtlich im März 2020 vorliegen.
Diskussion: Die Ergebnisse der Studie liefern Evidenz, ob die Selbsthilfe-App bei syrischen Geflüchteten zur einer Verringerung der Belastungen im Zusammenhang mit traumatischen Erlebnissen führt. Darüber hinaus liefern die Ergebnisse Informationen zur Nutzerakzeptanz, der tatsächlichen Nutzung und zur Kosteneffektivität der Selbsthilfe-App.
Praktische Implikationen: Die Selbsthilfe-App kann als niederschwelliges Versorgungsangebot Versorgungsdefizite minimieren und Betroffenen den Einstieg in eine eventuell notwendige Behandlung erleichtern. Da die Selbsthilfe-App in arabischer Sprache entwickelt wird, kann sie zudem einer breiten Zielgruppe traumatisierter Geflüchteter basale Informationen zur Krankheitsbewältigung vermitteln, ohne zusätzliche Dolmetscherkosten zu beanspruchen. Bei positiver Evaluation steht die App nach Abschluss des Projektes zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung.
Hintergrund
In Deutschland findet die Gesundheitsversorgung im ambulanten, stationären und rehabilitativen Sektor bisher weitgehend getrennt statt. An den sog. „Sektorengrenzen“ können Probleme u. a. durch einen fehlenden Informationsaustausch zwischen den Akteuren entstehen; dies kann die Behandlungsergebnisse beeinträchtigen. „Integrierte Versorgung“ bietet Möglichkeiten, potentielle Defizite durch neue strukturelle Ansätze zu beseitigen. Integrierte Versorgung ermöglicht eine patientenorientierte und fachbereichsübergreifende medizinische Versorgung durch die enge Zusammenarbeit von Hausärzten, Spezialisten, Kliniken und anderen Beteiligten der Gesundheitsversorgung. Ziel ist es, die Qualität der Patientenversorgung im Vergleich zur Regelversorgung zu verbessern und gleichzeitig Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen.
Die „Integrierte Versorgung Gesundes Kinzigtal (IVGK)“ ist ein Best-Practice-Beispiel für eine bevölkerungsbezogene Integrierte Versorgung. Im Unterschied zu anderen Selektivverträgen, die integrierte Behandlungsformen bei ausgewählten Krankheitsindikationen fokussieren, nimmt die IVGK das gesamte Morbiditäts- bzw. Gesundheitsspektrum einer definierten Wohnbevölkerung (mit Ausnahme der zahnärztlichen Versorgung) in den Blick.
Fragestellung
Bisherige Untersuchungen (2006 - 2014) wiesen auf eine kostengünstigere Versorgung durch die IVGK im Kinzigtal im Vergleich zur Regelversorgung hin. Die Versorgungsqualität wurde allerdings nur exemplarisch für die Aufbauphase der IVGK (2006 - 2011) evaluiert: Hier ergab sich in Relation zu den anderen Gebieten Baden-Württembergs eine tendenziell steigende Versorgungsqualität. Unklar ist, wie sich die Versorgungsqualität langfristig unter Routine- bzw. Alltagsbedingungen entwickelt. Deshalb soll in diesem Projekt die Versorgungsqualität der IVGK im Vergleich zur Regelversorgung über einen Zeitraum von 10 Jahren umfassend evaluiert werden. Von Interesse sind Auswirkungen auf die Versorgung und auf Versorgungsergebnisse. Die beiden zentralen Forschungsfragen lauten: Kann die Versorgungsqualität während der Konsolidierungsphase der IVGK (2011-2015/16) in der Interventionsregion im Vergleich zur herkömmlichen Versorgung gehalten oder verbessert werden? Sind irgendwelche negativen Entwicklungen zu beobachten?
Methode und Datenbasis
Das Projekt gliedert sich in die Schritte: A) Indikatorenentwicklung, B) Evaluationsstudie auf der Basis von Routinedaten und C) Durchführung eines Transferworkshop. In Teil A) werden zunächst – in einem Mixed-Methods-Ansatz aus Literatur- und Indikatorendatenbankrecherche, Analyse der IV-Programme und Hinweisen aus Fokusgruppen – Indikatoren zur Qualitätsbestimmung strukturiert entwickelt und beschrieben sowie nach internationalen Kriterien im Delphi-Verfahren bewertet. Hierzu prüft eine multidisziplinäre Expertengruppe die zur Auswertung vorgeschlagenen Qualitätsindikatoren auf Relevanz und Machbarkeit. Die Expertengruppe besteht aus Akteuren der IVGK, Patientenvertretern und externen Indikatorenspezialisten. Es werden spezifische Prozess- und Ergebnis-Qualitätsindikatoren sowie unspezifische Indikatoren entwickelt, die Hinweise auf unerwünschte Folgen der IVGK geben. Ihnen gemeinsam ist, dass sie mittels Routinedaten operationalisierbar sein müssen.
Die Evaluation wird auf Basis der sektorenübergreifenden anonymisierten Daten von Versicherten der AOK Baden-Württemberg für die Jahre 2005-2015/16 erfolgen (retrospektiv/Kontrollgruppen-Design). Für die in Teil A) entwickelten Indikatoren der Versorgungsqualität werden die zeitlichen Veränderungen für die Interventionsgruppe und Kontrollgruppen (strukturähnliche Regionen sowie Zufallsstichprobe aus allen Versicherten der AOK in BW) quantifiziert, verglichen und hinsichtlich einer für die Interventionsregion spezifischen Veränderung bewertet. Unterschiede in Patientenpopulationen, der longitudinale Charakter der Daten und potentielle Strukturbrüche werden durch geeignete Modellierung berücksichtigt. Bei der Analyse der unspezifischen Indikatoren werden moderne Verfahren zur Signalerkennung und -bewertung in großen Datenmengen benutzt.
Abschließend findet ein Workshop (siehe C) mit relevanten Akteuren statt, um die Ergebnisse, die Praxisrelevanz und Transferpotenziale zu diskutieren
Ergebnis: Das Vorhaben beginnt im Juli 2017.
Praktische Implikationen:
Im Erfolgsfall liefert das Projekt wichtige Erkenntnisse für die Ausgestaltung des Selektivvertrags zur Integrierten Versorgung sowie für den G-BA, Krankenkassen und Politik für die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen in Deutschland. Darüber hinaus können die entwickelten Indikatoren und Analysemethoden auch für das Qualitätsmonitoring bzw. für die Versorgungssteuerung und Evaluation anderer integrierter Versorgungsformen oder Kontexte genutzt werden.
Förderung durch Innovationsfonds/ Förderkennzeichen : 01VSF16002_INTEGRAL
Hintergrund
Nach §11 Abs. 4 SGB V haben grundsätzlich alle Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, Anspruch auf ein Entlassmanagement. Für die meisten Patienten ist jedoch der Unterstützungsbedarf, so wie er in einem strukturierten Entlassungsgespräch geleistet werden kann, ausreichend. Im vorliegenden Kontext geht es deshalb darum, diejenigen Patienten frühzeitig zu erkennen, die einen erhöhten Nachsorgebedarf aufweisen.
Fragestellung
Das beantragte Forschungsvorhaben zielt darauf ab, die wissenschaftlichen und methodischen Grundlagen für ein effektives, sektorenübergreifendes Entlassmanagement zu schaffen, mit dem die bestehenden gesetzlichen Anforderungen zur Kooperation und Koordination von Krankenhäusern, Krankenkassen und Nachsorgern erfüllt werden können. Hierzu wird ein Entlassmanagementinstrument entwickelt, welches die Maßnahmen und Verantwortlichkeiten zur Planung und Umsetzung der Nach- und Weiterversorgungsbedarfe von Patienten in informationstechnisch aufbereiteter Form und unter Berücksichtigung rechtlicher Rahmenbedingungen abbildet. Zudem wird geprüft, wie durch die Einbeziehung von Routinedaten der Krankenkassen die Informationsgrundlagen verbessert bzw. die notwendige Dokumentation vereinfacht werden kann. Die hierfür notwendigen Grundlagen und Entwicklungsschritte lassen sich in vier Fragekomplexe zusammenfassen:
(1) Wie können „Patienten mit einem erhöhten poststationären Versorgungsbedarf“ auf Grundlage von Routinedaten definiert und frühzeitig identifiziert werden?
(2) Welche Informationen werden im Prozess des Entlassmanagements benötigt und welche dieser Informationen stehen als Routinedaten bereits zur Verfügung?
(3) Wie können die Inhalte und Prozesse informationstechnisch so definiert werden, dass sie unabhängig von spezifischen EDV-Systemen als Vorgaben verwendbar sind?
(4) Welcher gesetzliche und untergesetzliche Anpassungsbedarf ergibt sich insbesondere dadurch, dass Krankenkassen und Nachsorger systematisch und frühzeitig in die Prozesse und Informationsgrundlagen einbezogen werden sollen?
Methode
Das Projekt gliedert sich in vier Arbeitspakete (AP). In AP1 werden Modelle zur Prognose eines erhöhten Bedarfs für ein Entlassmanagement auf der Basis von Routinedaten einer Krankenkasse aus den Jahren 2013 bis 2015 entwickelt. In dem Datensatz sind alle Versicherten erhalten, die in den betrachteten Jahren mindestens einmal aus stationärer Versorgung entlassen wurden.
Ziel des AP2 ist die Entwicklung eines Assessmentdatensatzes, der die notwendigen Inhalte eines Entlassmanagementinstruments beschreibt. Hierzu werden zunächst systematisch Recherchen und Interviews mit Praktikern des Entlassmanagements durchgeführt. Außerdem werden die Informationsbedarfe der Nachsorger ermittelt. In einem zweiten Schritt wird die Nutzbarkeit von Routinedaten im Hinblick auf die Abbildbarkeit von Merkmalen des Assessmentdatensatzes überprüft. Abschließend erfolgt eine formale Beurteilung der Merkmale durch ein Expertenpanel in einem zweistufigen Bewertungsverfahren.
In AP3 werden die inhaltlichen aus AP2 informationstechnisch aufbereitet. Dazu gehört die Spezifikation der Datenfelder sowie die Beschreibung eines möglichen Datenflusses, welcher sich an den bereits vorhandenen Datenflüssen nach §301 SGB V zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen orientieren soll. Neben Literaturrecherchen werden Softwareanbieter gefragt, um eine Übersicht über Aufbau und Funktionalitäten bereits in Verwendung befindlicher Softwareprodukte im Bereich Entlassmanagement zu erhalten.
Unter Einbeziehung eines Projektbeirats wird in AP4 geprüft, ob sich aus den Ergebnissen der Arbeitspakete 1-3 ein Anpassungsbedarf gesetzlicher oder untergesetzlicher Regelungen ableiten lässt bzw. welche konkreten gesetzlichen Bestimmungen ggf. erforderlich oder sinnvoll wären. Im Ergebnis sollen erste Vorschläge für Formulierungshilfen für den Gesetzgeber erarbeitet werden. Die Akzeptanz und Praktikabilität dieser Vorschläge wird dann mittels Interviews mit Experten aus der Selbstverwaltung sowie mit Praktikern aus verschiedenen Leistungsbereichen überprüft.
In einem gemeinsamen Workshop des Projektbeirats und Expertenpanels wird eine Gesamtwürdigung der Ergebnisse vorgenommen.
Praktische Implikationen
Das entwickelte Instrument zum Entlassmanagement wird veröffentlicht und kann von allen interessierten Akteuren als Grundlage zur Gestaltung der eigenen Prozesse oder für Zwecke der Weiterbildung verwendet werden. Die IT-technische Aufbereitung erfolgt auf Basis der Standards in der gesetzlichen Qualitätssicherung, sodass eine Reihe von Softwareanbietern in der Lage ist, diese Vorgaben zu implementieren, ggf. auch in Teilen. Damit steht den Akteuren des Entlassmanagements erstmalig eine transparente, wissenschaftlich erarbeitete Lösung zur Verfügung, die mit offenen Standards definiert ist.
Infektionen können bei Neugeborenen und hier insbesondere bei Frühgeborenen schnell lebensbedrohlich werden. Besonders gefährlich sind Infektionen mit multiresistenten gramnegativen Bakterien, denn diese können nur sehr schwer behandelt werden. In den vergangenen Jahren wurde den Frühgeborenenstationen in Krankenhäusern empfohlen, alle Neugeborenen auf solche Infektionen zu testen. So sollen Kinder mit einem Infekt möglichst früh erkannt und mit den richtigen Antibiotika versorgt werden. Experten sprechen von Screening.
INSIST untersucht ob und wie die Screenings dabei helfen, die Versorgung einzelner Frühgeborener zu verbessern und Ausbrüche von Infektionswellen zu verhindern. Kann beispielsweise dank der Screenings ein wirksames Antibiotikum schneller und gezielter verabreicht werden? Oder kann sogar auf die Gabe von Antibiotika ganz verzichtet werden? Um diese Fragen zu beantworten werden Screening-Ergebnisse von mehr als 1.700 neugeborenen Kindern statistisch ausgewertet. Es handelt sich dabei um alle von 2011 bis 2018 in der Universitätsklinik Göttingen geborenen Kinder, die bis zu ihrem sechsten Lebensmonat auf multiresistente Risikoerreger untersucht wurden. Das Projekt wird für drei Jahre mit insgesamt ca. 450.000 Euro gefördert.
Die Ergebnisse von INSIST tragen dazu bei, die Versorgung von Neugeborenen zu verbessern. Die Erkenntnisse könnten auch auf andere medizinische Bereiche wie beispielsweise die Testung auf multiresistente Erreger bei Erwachsenen übertragen werden.
Infektionen mit Toxin-bildenden Clostridium difficile-Bakterien (TCD) können lebensbedrohlich sein. Besonders bei Patienten mit gleichzeitig mehreren Erkrankungen stellen sie eine große Gefährdung dar. In Krankenhäusern, insbesondere in der Geriatrie, sind TCD-Infektionen schwer zu kontrollieren und verursachen erhebliche Probleme. Patienten, die sich angesteckt haben, müssen separat untergebracht werden, und der Kontakt mit Angehörigen und Besuchern ist nur unter Beachtung besonderer Schutzmaßnahmen möglich. Der Patient darf das Zimmer nicht verlassen.
Ziel von ReToCdiff ist es, die Ansteckung mit und Ausbreitung von TCD in geriatrischen Kliniken zu verringern. Hierfür sollen zunächst in einer geriatrischen Klinik Reinigungskräfte geschult werden. Die Zimmer mit TCD-infizierten Patienten sollen alle 12 Stunden und die übrigen Zimmer alle 24 Stunden mit einem auch Sporen von TCD abtötenden Reinigungsmittel desinfiziert werden. Die Bettwäsche bei betroffenen Patienten soll täglich gewechselt werden, und eine kostenlose professionelle Reinigung der Patientenkleidung nach überstandener TCD-Infektion wird angeboten. Diese Maßnahmen werden mit der üblichen Krankenhaushygiene nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes verglichen. Darüber hinaus soll die Auswirkungen von Probiotika, die als Nahrungsergänzung den Patienten angeboten werden, auf die Häufigkeit von TCD-Infektionen untersucht werden. Die Maßnahmen, die als wirksam eingeschätzt werden, werden dann in mehreren geriatrischen Kliniken umgesetzt und evaluiert. Die Häufigkeit der TCD-Infektionen vor und nach der Umsetzung dieser Maßnahmen wird verglichen. Das Projekt wird für drei Jahre mit insgesamt ca. 853.000 Euro gefördert.
Im Erfolgsfall sinkt die Zahl von Infektionen mit TCD, und die Ausbreitung von TCD kann in geriatrischen Kliniken eingedämmt werden.
Hintergrund
Die Fallzahlen in Notaufnahmen steigen sowohl in Deutschland, als auch international, stetig. Eine bedarfsgerechte Anpassung der Versorgungsstrukturen erscheint vor diesem Hintergrund notwendig. Bisher fehlen jedoch verlässliche Daten zur Inanspruchnahme der Notaufnahme selbst, wie auch des ambulanten Gesundheitssystems vor und nach einem Notaufnahmeaufenthalt.
Fragestellung
Das Ziel von INDEED ist es, die Inanspruchnahme der Notaufnahmen und sektorenübergreifende Versorgungsmuster von Patienten in Notfallversorgungsstrukturen in Deutschland anhand von Routinedaten zu analysieren.
Methode
Für das durch den Innovationsfonds geförderte Projekt INDEED ist die Verknüpfung von Sekundärdaten aus 15-20 Notaufnahmen mit ambulanten Behandlungsdaten der kassenärztlichen Vereinigungen vor und nach dem Notaufnahmebesuch geplant. Vergleichend soll die Gesamtheit der GKV-Versicherten in Daten des Zentralinstitutes für die Kassenärztliche Versorgung (Zi), sowie die Gesamtheit der AOK-Versicherten Patienten mit Notaufnahmeaufenthalt in Daten des Wissenschaftlichen Institutes der AOK (WIdO) analysiert werden.
Ergebnisse
Aktuell ist geplant, 20 Notaufnahmen und acht KV-Bereiche mit einzubeziehen. Das Datenschutzkonzept befindet sich momentan in der Entwicklung. Zum Zeitpunkt des Kongresses kann der aktuelle Projektstand präsentiert werden. Der Fokus wird auf der Präsentation des Datenflusskonzeptes und des datenschutzrechtlichen Vorgehens liegen.
Diskussion
Das Innovationsfondsprojekt INDEED nutzt bereits vorhandene Sekundärdaten und Forschungsstrukturen für die sektorenübergreifende Versorgungsforschung. Neben ersten wissenschaftlichen Erkenntnissen soll damit eine Grundlage geschaffen werden, Routinedaten perspektivisch auch in größerem Maßstab, wiederkehrend und auch mit weiteren Datenquellen zu verknüpfen.
Praktische Implikationen
Mit den in INDEED generierten Daten können die Versorgungswege von Patienten in Notfallversorgungsstrukturen erstmalig sektorenübergreifend analysiert und mit geplanten Versorgungspfaden verglichen werden. Konzepte zur Identifikation von adäquater, inadäquater und vermeidbarer Inanspruchnahme können angewandt und adaptiert werden. Das übergeordnete Ziel ist eine bedarfsgerechte Anpassung von Notfallversorgungsstrukturen in Deutschland.
Autoren: Sundmacher und das ACD-Konsortium
Hintergrund: Im Jahr 2012 wurden 5,04 Mio. Krankenhausfälle als ambulant-sensitiv klassifiziert. Hiervon wurden 3,52 Mio. Fälle mit einem Ausgabenvolumen von 7,2 Mrd. Euro als vermeidbar eingeschätzt. Durch Versorgungsbrüche nach der Entlassung und in der ambulanten Weiterbehandlung, u.a. in Hinblick auf zeitnahe Medikation und Kontrollbesuche, steigt zudem das Risiko für eine stationäre Wiederaufnahme. Es wird angenommen, dass eine aktive Vernetzung von (ambulanten sowie ambulanten und stationären) Leistungserbringern und vierteljährliches Feedback zu Qualitätsindikatoren, welche das Ergebnis gemeinsamer Arbeit abbilden, die kontinuierliche Behandlung und somit die Versorgung verbessert.
Fragestellung: Um diese Hypothese zu untersuchen und um potenziell vermeidbare Hospitalisierungen in Zukunft zu reduzieren, geht das Projekt vier Forschungsfragen nach. Dabei geht es zunächst darum zu ermitteln, wer mit wem gemeinsam Patienten behandelt, also welche Netzwerke von Leistungserbringern faktisch bestehen (1.). Anschließend wird analysiert, wie gut diese Netzwerke ihre Patienten versorgen (2.) und welches die Gründe für Defizite in der Versorgung sind (3.). Abschließend wird innerhalb eines RCT geprüft, ob die Vernetzung und strukturiertes Feedback die Versorgung verbessern (4.).
Methode: Das Projekt besteht aus einer quantitativen Analyse sowie einer auf den Ergebnissen aufbauenden explorativen Interventionsstudie.
In der quantitativen Analyse werden anhand von Routinedaten der AOK RH/HH, AOK Nordwest und Techniker Krankenkasse sowie der KV Hamburg Hansestadt, der KV Schleswig-Holstein, der KV Westfalen-Lippe und der KV Nordrhein ambulante und intersektorale Netzwerke von Leistungserbringern ermittelt. Hierfür wird untersucht, welche Leistungserbringer an der Versorgung gleicher Patienten beteiligt sind und somit faktisch zusammenarbeiten. Als Qualitätsindikatoren für die Netzwerke werden risikoadjustierte Raten ambulant-sensitiver Krankenhausfälle, Wiedereinweisungsraten und leitliniengerecht behandelte Patienten berechnet. Es werden außerdem Analysen von empirischen Versorgungspfaden innerhalb der Netzwerke durchgeführt.
Für die Interventionsstudie werden Netzwerke der vier KV-Regionen cluster-randomisiert ausgewählt, die in Qualitätszirkeln moderiertes Feedback zu den erhobenen Qualitätsindikatoren erhalten. Abschließend wird die Intervention evaluiert und gesundheitsökonomisch analysiert.
Praktische Implikation: Das Projekt soll die Organisation und die Prozesse in der Versorgung durch die
Etablierung eines Feedbacksystems auf Ebene der identifizierten Netzwerke verbessern.
Hintergrund:
Psychiatrische Erkrankungen weisen einen chronisch-rezidivierenden Verlauf einhergehend mit erheblichen Einschränkungen der psychosozialen Funktionsfähigkeit auf und verursachen hohe direkte als auch indirekte Kosten. Eine adäquate Versorgung erfordert eine sektorenübergreifende und multiprofessionelle Behandlung dieser komplexen Erkrankungsbilder. Die Fragmentierung des deutschen Versorgungssystems und Zersplitterung der Finanzierung erschwert jedoch die Versorgung von Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen. Die im Rahmen des §64b SGB V etablierten Modellvorhaben sind auf eine Verbesserung der Patientenversorgung und eine sektorenübergreifende Leistungserbringung ausgerichtet. Elemente dieser Modelle -wie die psychiatrische Akut-Behandlung im häuslichen Umfeld- sollen laut des Gesetzes zur „Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen“ (PsychVVG) Eingang in die Regelversorgung finden. Bisher fehlt jedoch ein belastbarer Vergleich des Nutzens, der Kosten und der Effizienz zwischen Modell- und Regelversorgung. Eine große Parallelgruppenstudie (EVA64) untersucht mit GKV-Sekundärdaten die Wirksamkeit dieser Modelle gegenüber der Regelversorgung und wird wichtige Hinweise auf deren Effektivität und Kosten-Effektivität liefern. Da die EVA64-Studie ausschließlich Sekundärdaten zur Verfügung hat, leistet diese Studie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Auswirkungen der Modellvorhaben auf den Patienten, Angehörigen und Behandler.
Fragestellung:
Primäre Fragestellung: Weisen Patienten in der Modellversorgung 15 Monate nach Studieneinschluss eine höhere Lebensqualität und Behandlungszufriedenheit auf als entsprechende Patienten in der Regelversorgung und existieren Unterschiede im Ressourcenverbrauch?
Zu den sekundären Zielparametern gehören Unterschiede in der Veränderung der Symptombelastung, der beruflichen Integration, Arbeitsunfähigkeitstage, Recovery, Einbindung und Zufriedenheit mit klinischen Entscheidungsprozessen, Angehörigenbelastung, direkte und indirekte Kosten.
Methode:
Es wird eine kontrollierte prospektive multizentrische Kohortenstudie mit drei Erhebungszeitpunkten durchgeführt (Baseline-Erhebung, Follow up nach 9 und nach 15 Monaten). Eingeschlossen werden Patienten, die in den teilnehmenden Kliniken (teil-)stationär aufgenommen werden oder sich zum ambulanten Kontakt vorstellen, und einer der folgenden Gruppen angehören: Erwachsene mit Suchterkrankung (1), affektiven Störungen (2) oder Schizophrenie (3), Kinder (6-17 Jahre) mit Verhaltensauffälligkeiten (4) und Jugendliche/junge Erwachsene mit Essstörungen (5) sowie zu jedem eingeschlossenen Patienten jeweils ein Angehöriger und ein Behandler. Neben der quantitativen Erhebung findet eine Prozessevaluation mit Hilfe von qualitativen Untersuchungen (Fokusgruppen- und Experteninterviews, Forschungstagebücher, ethnographische Feldforschung), eine Kosten-Effektivitäts-Analyse, Identifizierung von Qualitätsindikatoren und ein individuelles Linkage von Primär- und GKV-Sekundärdaten auf der Basis eines informed consent statt. Die GKV-Daten decken einen Zeitraum von zwei Jahren vor der Rekrutierung bis zum Ende des Follow-up ab. Mit dem Datenlinkage kann die Korrelation subjektiver und objektiver, sekundärdatenbasierter Outcome untersucht werden.
Es ist geplant, bei den Erwachsenen pro Untersuchungsgruppe und Modell/Kontrollgruppe je 321 Patienten und bei den Kindern/Jugendlichen 212 Patienten pro Untersuchungsgruppe und Modell/Kontrollgruppe in die Studie einzuschließen.
Ergebnisse: Vorgestellt wird das Studiendesign mit den einzelnen Modulen, die zum Einsatz kommenden Instrumente/Methodik/Sekundärdaten, die Ziehung der 10 Modellkliniken (Vertrag nach §64b SGB V) und das Matching der Kontrollkliniken. Die Studie beginnt am 01.07.2017 und die Baseline-Erhebung wird im Zeitraum 02.01. bis 30.06.2018 erfolgen.
Diskussion und praktische Implikationen: Die in den verschiedenen und methodisch breit angelegten Modulen gewonnenen Ergebnisse werden entscheidende Rückschlüsse für die Optimierung der Versorgung psychisch erkrankter Personen liefern. Durch die Untersuchung patientenrelevanter Outcomes aus Perspektive der Patienten, Angehörigen und Behandlern lassen sich Ableitungen für Neustrukturierungen der Versorgung treffen, die stärker am Patientenbedarf ausgerichtet sind und Elemente der Modellversorgung identifizieren, die kosteneffizient in der Regelversorgung implementiert werden können.
Hintergrund
Der gemeinsamen Betrachtung des allgemeinen Gesundheitszustandes in Verbindung mit der Mundgesundheit wird in Deutschland bislang nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Es gibt jedoch Hinweise auf die Assoziation zwischen Zahnerkrankungen, zum Beispiel Parodontitis, mit chronischen Erkrankungen, zum Beispiel Diabetes [1], denen unter den Aspekten von Prävention und Früherkennung weiter nachgegangen werden sollte. Auch die Intensivierung der intersektoralen Zusammenarbeit von Allgemein- und Zahnmedizin bietet Potential zur Verbesserung der Versorgungsqualität. Das Projekt Dent@Prevent möchte hierfür die Evidenzbasis stärken und mit der Entwicklung neuer Methoden und Informationssysteme einen Beitrag leisten.
Fragestellung
Dent@Prevent wird folgende Fragestellungen bearbeiten:
1) Lassen sich durch Literaturrecherchen und durch Analyse auf der Basis von Krankenkassendaten statistische Zusammenhänge zwischen zahnmedizinischen und chronischen Erkrankungen verifizieren?
2) Lassen sich Informationen darüber, wie Patienten mit chronischen Erkrankungen ihren Zahn- und allgemeinen Gesundheitszustand bewerten (Patient Reported Outcome Measures – PROMs), mittels einer mobilen Applikation erheben?
3) Kann die Entscheidungsfindung in der interdisziplinären Versorgung durch die Realisierung eines elektronischen Entscheidungsunterstützungssystems (Decision support system – DSS) unterstützt werden, welches Informationen aus Routinedatenanalysen, PROMs sowie wissenschaftlicher Evidenz integriert?
Methode
Das Forschungsvorhaben wird durch ein multidisziplinäres Team unter Einbindung von Patienten durchgeführt. Zu Beginn wird mittels systematischer Literaturrecherchen der Wissensstand hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen zahnmedizinischen und chronischen Erkrankungen erfasst und Leitlinien mit Empfehlungen zur intersektoralen Behandlung sowie mögliche PROMs für Patienten mit diesen Krankheiten identifiziert. Der Fokus wird auf der Identifikation von Kausalzusammenhängen zu Interaktionen zwischen Parodontitis und Diabetes Mellitus Typ 2 [2], koronaren Herzkrankheiten [3] sowie Schlaganfall [4] liegen. Die Zusammenhänge werden anschließend mittels der Analyse von GKV-Routinedaten untersucht. Die PROMs aus der Literaturrecherche werden im nächsten Schritt in einem Delphi-Prozess von Expertengruppen präzisiert und anschließend in einer Pilotversion einer mobilen Applikation implementiert. Die Applikation wird zur Optimierung in mehreren Arzt- und Zahnarztpraxen getestet. Anschließend erfolgt die Konzeption und Entwicklung eines regelbasierten DSS, welches die Ergebnisse aus den Routinedatenanalysen, der Literatur und den PROMs integriert.
Ergebnisse
Das Vorhaben beginnt im Mai 2017. Geplant ist, dass das DSS die Informationen aus den Routinedatenanalysen, den PROMs, der Literatur und Leitlinien sowie von Empfehlungen aus den Fokusgruppen integriert. Im Ergebnis soll ein Modell zur Wissensrepräsentation vorliegen, das Rückschlüsse auf einen möglichen Zusammenhang zwischen oralen und chronisch-systemischen Erkrankungen eines individuellen Patienten erlaubt. Es dient zudem zur Aufbereitung von relevantem Wissen aus Leitlinien, das für Allgemein- und Zahnmediziner die Behandlung des Patienten relevant ist.
Diskussion
Die Entwicklung eines DSS bietet das Potential die intersektorale Zusammenarbeit zwischen Allgemein- und Zahnmedizin und damit die Patientenversorgung zu verbessern. Um die Systeme zukünftig bestmöglich in die Regelversorgung zu integrieren, ist noch die genaue Implementierung der Bestandteile und die mögliche Integration in bestehende Praxisinformationssysteme zu untersuchen.
Praktische Implikationen
Neben einem vertieften Verständnis des Zusammenhangs zahnmedizinischer und chronischer Erkrankungen liegt das projektspezifische Verwertungspotential insbesondere in der Entwicklung und Testung neuer Methoden und Informationssysteme zur Förderung der patientenzentrierten, evidenzinformierten und intersektoralen Versorgung. Die Ergebnisse von Dent@Prevent sind daher von allgemeiner Relevanz. Nicht zuletzt sind die Software-Komponenten des Projekts als Open-Source-Lösungen adaptierbar für andere Versorgungsbereiche.
[1] Liljestrand, J.M., et al., Missing Teeth Predict Incident Cardiovascular Events, Diabetes, and Death. J Dent Res, 2015. 94(8): p. 1055-62.
[2] Preshaw, P.M., et al., Periodontitis and diabetes: a two-way relationship. Diabetologia, 2012. 55(1): p. 21-31.
[3] Beck, J.D., et al., Periodontitis: a risk factor for coronary heart disease? Ann Periodontol, 1998. 3(1): p. 127-41.
[4] Sfyroeras, G.S., et al., Association between periodontal disease and stroke. J Vasc Surg, 2012. 55(4): p. 1178-84.
SAVOIR – (Evaluierung der SAPV-Richtlinie: Outcomes, Interaktionen, Regionale Unterschiede)
Hintergrund
Seit 2007 gehört die Ambulante Spezialisierte Palliativversorgung (SAPV) zu den Regelleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung. In den Bundesländern haben sich sehr verschiedene Vertrags-, Versorgungs- und Finanzierungsmodelle entwickelt, die wiederum heterogene Prozesse zur Folge haben. Das Projekt SAVOIR (Evaluierung der SAPV-Richtlinie: Outcomes, Interaktionen, Regionale Unterschiede) wird vom Innovationsfond gefördert, um die Umsetzung der SAPV-Richtlinie des G-BA (§ 92a Abs. 2 Satz 5 SGB V) zu evaluieren. Das Konsortium wird von der Abteilung für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Jena geleitet. Weiter Projektpartner sind die Universität Augsburg, die Universitätsmedizin Göttingen, das Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Jena, die Bundesarbeitsgemeinschaft SAPV e.V., die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. und die BARMER GEK.
Datenbasis und Methodik
Von Mitte 2017 bis Ende 2019 wird das SAVOIR-Konsortium die Qualität der SAPV-Versorgung in Deutschland aus Sicht von Patienten, Angehörigen, SAPV-Teams und anderen Leistungserbringern untersuchen. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt: Welche regionalen Unterschiede gibt es? Wie bewerten Patienten, Angehörige, SAPV-Teams, Hausärzte und andere Beteiligte die Qualität? Welchen Einfluss haben die Rahmen-, Vertrags- und Strukturunterschiede? Gibt es regionale Über- oder Unterversorgung? Kurz – wo gibt es Optimierungsmöglichkeiten zum Wohle der Patienten und Angehörigen?
Umgesetzt werden diese Ziele durch umfassende Datenerhebungen und -auswertungen. Als Datenbasis dienen dabei Strukturdaten der SAPV-Verträge und SAPV-Teams, retrospektive Behandlungs- und Patientendaten aus einer repräsentativen Stichprobe, die prospektive Erhebung der Prozess- und Ergebnisqualität aus Patientenperspektive, eine qualitative Datenerhebung in 10 ausgewählten SAPV-Teams, eine Befragung von ca. 700 Hausärzten zu Inhalt, Umfang und Kontextfaktoren hausärztlicher palliativmedizinischer Arbeit, sowie retrospektive Behandlungsdaten aller im Jahr 2015 verstorbenen Barmer GEK Patienten, die spezialisierte palliativmedizinische Leistungen in Anspruch genommen haben.
Angestrebtes Ergebnis
Die umfassende Datenanalyse wird eine Identifizierung von Faktoren, die mit Qualität assoziiert sind, erlauben. Darauf basierend wird das SAVOIR-Konsortium nach Auswertung aller Daten Empfehlungen zur Überarbeitung der SAPV-Richtlinie des GBA erarbeiten, um eine Optimierung der Versorgungsqualität von schwerkranken und sterbenden Patienten und ihren Angehörigen zu erreichen.
Hintergrund: Wie wir aus einer ersten Voruntersuchung im Rahmen des Berliner Herzinfarktregisters (BHIR) wissen, beeinflusst die erstversorgende Instanz mit der resultierenden Kommunikation zwischen Rettungsdienst (RD) und Klinik und die Eindeutigkeit der Erstdiagnose auf der Basis des EKGs bei Infarktpatienten maßgeblich die Versorgungszeiten. Deshalb ist es unsere Hypothese, dass durch eine Steigerung der prästationären Diagnosesicherheit mit einem besseren Schnittstellenmanagement und der damit einhergehenden schnelleren Versorgung dieser Patienten die Qualität der Versorgung von Infarktpatienten verbessert werden kann. Es ist somit Ziel des Projekts, die Notfallversorgung von Herzinfarktpatienten in Berlin und in 2 Brandenburger Landkreisen zu verbessern, in dem die Versorgungszeiten - als Indikator für die Versorgungsqualität und als Surrogatparameter für Mortalität und Morbidität - verkürzt werden sollen.
Methode: Es handelt sich um eine interventionelle Versorgungsforschungsstudie mit einem "Vorher-Nachher Vergleich", bei der eingangs die Daten des BHIR und der Rettungsdienste in Berlin, Oberhavel und Havelland analysiert werden. Dazu erfolgt eine Verknüpfung der Daten der Rettungsdienste und des BHIR auf der Basis eines entsprechend abzustimmenden Datenschutzkonzepts. Die notärztlichen EKG-Befunde werden verblindet validiert. Im Anschluss an die Basiserhebung sind Interventionen geplant, die darauf abzielen, die Versorgungszeiten für Herzinfarktpatienten vom ersten medizinischen Kontakt bis zur Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes zu verkürzen. Dann folgt eine erneute Datenauswertung mit Verknüpfung der Daten der Rettungsdienste und des BHIR.
Verwertungspotenzial: Unseres Wissens ist es das erste Projekt in Berlin und Brandenburg, das zur Qualitätssicherung in der Erstversorgung von Infarktpatienten Daten der Rettungsdienste mit stationären Daten verknüpft, aus den Ergebnissen der Analysen und in Diskussionen mit allen Beteiligten Interventionen ableitet und umsetzt, und über ein regelmäßiges Linkage der Rettungsdienst- und Klinikdaten wiederum den Erfolg der Interventionen messen will.
Hintergrund: Eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung in stationären Pflegeeinrichtungen liefert einen wichtigen Beitrag für den Erhalt und die Förderung der Gesundheit und Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen. Da Pflegebedürftige in Studien der Versorgungsforschung häufig ausgeschlossen werden, liegen zu den medizinischen Versorgungsbedarfen und zur medizinischen Versorgung Pflegebedürftiger mit Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bisher nur begrenzte Erkenntnisse vor. Einzelne vorwiegend auf Sekundärdaten basierende Studien können lediglich zeigen, dass Pflegebedürftige in Pflegeheimen signifikant seltener Kontakt zu einzelnen Arztgruppen haben und abweichende Verordnungsmuster für Psycholeptika, Antidepressiva und Antidementiva aufweisen. Unklar ist, inwiefern in diesen Studien Über-, Unter- und Fehlversorgung beschrieben wird, da die Bedarfsgerechtigkeit der medizinischen Versorgung nur durch das Verhältnis von individuellem Bedarf und individueller Inanspruchnahme beurteilt werden kann. Primäres Ziel des Projekts ist der Erkenntnisgewinn über die Bedarfsgerechtigkeit der haus- und fachärztlichen Versorgung Pflegebedürftiger in stationären Pflegeeinrichtungen als Voraussetzung für die Schaffung einer bedarfsgerechteren Versorgung in diesem Setting.
Fragestellung: Die aktuelle Situation der haus- und fachärztlichen Versorgung Pflegebedürftiger in Pflegeheimen wird im Vergleich zu Pflegebedürftigen in ambulanter Pflege und Nicht-Pflegebedürftigen untersucht und, unter Beachtung des individuellen Gesundheitszustandes, im Hinblick auf ihre Bedarfsgerechtigkeit bewertet. Potentiale und Ansätze für eine Verbesserung der Bedarfsgerechtigkeit werden abgeleitet und als Grundlage für die Entwicklung eines Modellprojekts zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in Pflegeheimen genutzt.
Methode: Das als Mixed-Methods-Studie angelegte Projekt besteht aus fünf konsekutiven Arbeitsschritten. In Schritt 1 werden mittels GKV-Routinedatenanalyse Unterschiede in der Inanspruchnahme der haus- und fachärztlichen Versorgung zwischen a) Pflegebedürftigen in Pflegeheimen, b) Pflegebedürftigen in ambulanter Pflege und c) Nicht-Pflegebedürftigen unter Berücksichtigung der individuellen Morbidität erfasst. Identifizierte Versorgungsunterschiede werden in Schritt 2 auf Grundlage einer Primärdatenerhebung mit standardisierten Assessments bei n=500 Pflegebedürftigen in Pflegeheimen in Fallbesprechungen auf das Vorliegen von Über-, Unter- und Fehlversorgung beurteilt. Die Erklärung nicht bedarfsgerechter Versorgung erfolgt in Schritt 3 anhand einer Analyse der mit den Primärdaten mittels Record Linkage verknüpften GKV-Routinedaten sowie in Schritt 4 anhand von Fallrekonstruktionen in Fallkonferenzen mit allen an der Versorgung Beteiligten. Auf Basis der auf diese Weise erstmals erhobenen und erklärten Versorgungsdefizite werden in Schritt 5 Verbesserungspotentiale und Lösungsansätze in Fokusgruppengesprächen abgeleitet, die in einem Delphi-Verfahren als Grundlage für die Entwicklung eines Modellprojekts dienen, welches abschließend pilotiert wird.
Ergebnisse: Die Analyse der aktuellen Versorgungssituation mittels GKV-Routinedaten sowie die identifizierten Unterschiede in der Inanspruchnahme medizinischer Versorgungsleistungen zwischen Pflegebedürftigen in Pflegeheimen, Pflegebedürftigen in ambulanter Pflege und Nicht-Pflegebedürftigen werden vorgestellt. Potentielle Versorgungsdefizite, die mittels standardisierter Assessments in einer Primärdatenerhebung auf ihre Bedarfsgerechtigkeit beurteilt werden, werden präsentiert.
Diskussion: Der konsekutive Charakter des Projekts ermöglicht es, die aktuelle Versorgungssituation zu analysieren, konkrete Versorgungsdefizite zu identifizieren und erste Maßnahmen zur Schaffung einer bedarfsgerechteren Versorgung zu initiieren. Die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsschritte dienen als Grundlage für die jeweils nachfolgenden Schritte und erlauben erstmals eine systematische Beurteilung abweichender Versorgungsmuster bei Pflegebedürftigen in Pflegeheimen. Partizipative Prozesse der Ist-Analyse (Fallbesprechungen und Fallrekonstruktionen in Fallkonferenzen), der Identifizierung von Verbesserungspotentialen und Lösungsansätzen (Fokusgruppengespräche) und der Übertragung der Ergebnisse in die Praxis (Delphi-Verfahren und Modellprojekt) kennzeichnen den Innovationsgehalt des Projekts.
Praktische Implikationen: Für die evidenzbasierte Verbesserung der Bedarfsgerechtigkeit der medizinischen Versorgung Pflegebedürftiger in stationären Pflegeeinrichtungen müssen zunächst die Versorgungssituation analysiert und konkrete Versorgungsdefizite identifiziert werden. Das Projekt leistet hierzu einen zentralen Beitrag und trägt durch die Entwicklung und Pilotierung eines Modellprojekts, das in einem Folgeantrag implementiert und evaluiert werden soll, nachhaltig zur Verbesserung der Bedarfsgerechtigkeit der medizinischen Versorgung in stationären Pflegeeinrichtungen bei.