Hintergrund
In der Literatur finden sich zunehmend Studien, welche eine unzureichende ärztliche Versorgung im Pflegeheim belegen. Diese Situation führt u.a. zu kostenaufwändigen, zum Teil vermeidbaren und für die Heimbewohner belastenden Klinikeinweisungen. Erschwert wird die Versorgung durch die Vielzahl an beteiligten Leistungserbringern sowie der teilweise unklaren Zuständigkeit. Es zeigt sich die Notwendigkeit einer systematischen Kooperation zwischen den Ärzten und dem Personal im Pflegeheim. Als wesentlicher Erfolgsfaktor werden hierfür Absprachen, definierte Ansprechpartner in den Pflegeheimen sowie regelmäßige Heimbesuche der Ärzte genannt.
Fragestellung
Die Zielsetzung des im Innovationsfonds Versorgungsforschung (Neue Versorgungsformen) ab Frühjahr 2017 geförderten Projekts besteht aus der Implementierung und wissenschaftlichen Evaluation einer Intervention zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung in vollstationären Pflegeheimen. Die komplexe Intervention besteht aus mehreren Komponenten, u.a.:
- Hausärztliche Versorgung: Teams von Hausärzten versorgen gemeinsam die Bewohner einer Pflegeeinrichtung und koordinieren die Einbindung weiterer Arztgruppen.
- Fachärztliche Versorgung: Regelmäßige Patientenvisiten bestimmter Facharzt-gruppen unter Begleitung einer verantwortlichen Pflegekraft.
- Einführung von Standards und strukturierten Ablaufprozesse zwischen dem Ärzteteam und dem Pflegeheimpersonal in organisatorischen und medizinisch-pflegerischen Belangen.
- Maßnahmen zur Kooperation, Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegeheim (z.B. mindestens einmal pro Jahr eine gemeinsame Besprechung aller teilnehmenden Ärzte und der Pflegeheimkoordinatoren)
- Zur Verbesserung des Dokumentations-, Informations- und Datenmanagements wird eine gemeinsame elektronische Patientenakte eingeführt.
In Interventionsgruppe 1 wird das Konzept vollumfänglich implementiert und die einzelnen ärztlichen Interventionen zusätzlich vergütet. Bei Interventionsgruppe 2 werden ausgewählte zentrale Maßnahmen eingeführt und nur der erhöhte Dokumentationsaufwand vergütet. Die Kontrollgruppe erhält Usual Care.
Methode
Die Evaluation erfolgt mittels zwei Bausteinen: einer formativen Prozess- und einer summativen Ergebnisevaluation, was den Empfehlungen bei der Evaluation komplexer Interventionen entspricht. Den Kernteil der Evaluation bildet eine kontrollierte Studie mit Prä- und Post-Messungen (vor und nach der Intervention). In zwei Interventionsgruppen und in der Kontrollgruppe werden jeweils ein verdichteter und ein ländlicher Landkreis aufgenommen. In den drei Gruppen sollen jeweils N=2.000 Personen aus ca. 35-40 Pflegeheimen einbezogen werden. Im Folgenden werden die Elemente der summativen Evaluation aufgelistet:
Kostenbezogene Routinedaten der GKV (z.B. Krankenhauseinweisungen, stationäre Versorgung, ambulante Versorgung, Verordnungsdaten); Datenanalysen: u.a. Kosten-Wirksamkeits-Analysen; statistisch adjustierte Vergleiche mit Propensity Scores
Medizinische Qualität: Audits/Peer-Bewertung von Patienten- und Heimunterlagen
Vom Bewohner erlebte Qualität der Versorgung (z.B. Versorgungs- und Lebensqualität, Zufriedenheit, wahrgenommener Gesundheitszustand); Datenanalysen: statistisch adjustierte Vergleiche
Vom Behandler beurteilte Qualität der Versorgung; Datenanalyse: Vergleiche zwischen den Untersuchungsgruppen und prä-post.
Zu erwartende Ergebnisse
Die Studie wird Entscheidungen über folgende zentrale Hypothesen erlauben:
1. Die Veränderung der Qualitäts- und Kostenindikatoren fällt in beiden Interventionsgruppen auch nach Adjustierung relevanter Einflussgrößen statistisch signifikant besser aus als in der Kontrollgruppe.
2. Die Veränderung der Qualitätsindikatoren fällt in Interventionsgruppe 1 statistisch signifikant besser aus als in Interventionsgruppe 2. Hinsichtlich der relativen Überlegenheit der beiden Interventionsstränge im Hinblick auf die Kosteneffizienz erfolgt eine explorative Untersuchung.
Diskussion und praktische Implikationen
Das Potenzial, die neue Versorgungsform nach Ende der Förderung in eine reguläre Versorgungsform zu überführen, wird aufgrund der praxisnahen Gestaltung des Interventionskonzepts und der zu erwartenden Einsparungen in anderen Versorgungsbereichen als hoch eingeschätzt und könnte durch folgende Maßnahmen erzielt werden:
- Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen und Nutzung standardisierter Schnittstellen zum Einsatz einer gemeinsamen elektronischen Patientenakte im Pflegeheimbereich
- Erstellung einer GBA-Richtlinie zur koordinierten ärztlichen Pflegeheimversorgung oder ggf. Änderung der bestehenden Anlage 27 Bundesmantelvertrag Ärzte
• Übernahme derjenigen ärztlichen Vergütungspositionen in den EBM, welche im Rahmen des Projekts als erfolgsrelevant für die Verbesserung der Versorgung identifiziert werden
• Anpassung der Pflegesätze, z. B. in Form von Zuschlägen, für Pflegeheime, die die erweiterte koordinierte ärztliche Versorgung umsetzen.
Einleitung: Die Herzberichte Deutschlands zeigen für Mecklenburg Vorpommern (MV) eine vergleichsweise hohe Morbidität und Mortalität bei Herzinsuffizienz, Hypertonus und Rhythmusstörungen. Die Ursache dafür liegt unter anderem in der Erreichbarkeit von spezialisierter Herzmedizin, die in anderen Bundesländern deutlich besser ausgebaut ist als in MV. Ziel des Projektes ist es daher, diese Versorgung zu verbessern.
Methodik: Für die drei Indikationsgruppen Herzinsuffizienz, Hypertonus und Rhythmusstörungen wurden Risikokategorien auf Basis der Erkrankungsschwere und des sozioökonomischen Status erstellt. Diese Risikokategorie mündet in einbem standardisierten Behandlungspfad, der vom Krankenhaus bis in die Häuslichkeit des Patienten ausgerollt wird. Dabei werden dem Patienten zusätzlich eine App und bei Bedarf technische Geräte wie Blutdruck- bzw. Pulsmesser oder Waage ausgehändigt, die über die Philips Health Suite per App miteinander verbunden sind. Die Daten kann der Patient selber für den Hausarzt oder das Krankenhaus freischalten. Zusätzlich werden die Daten in einem Care Center gesammelt, aus dem heraus der Patient bei Abweichungen seiner Werte bzw. Risikokategorie kontaktiert werden kann. Schließlich wurde ein Controlling Tool eingeführt, welches es über eine monatliche Analyse des §21 Datensatzes erlaubt, die eingeschlossenen Patienten pro niedergelassenem Arzt und Krankenhaus zu erfassen.
Ergebnis: Der Patient kann auf diese Weise nach Risikoadjustierung seiner Erkrankung stadiengerecht nachverfolgt werden und Abweichungen vor einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes frühzeitig erkannt werden. Somit ist eine Therapieumstellung oder Behandlung schon vor einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes möglich. Ebenso können Vorhersagemodelle entwickelt werden, die schon bei kleinen Abweichungen die Patienten identifizieren, welche Unterstützung bzw. Therapieanpassung benötigen.
Diskussion: Versorgungsmodelle in Flächenländern profitieren von der Kombination aus App, Care Center und Risikoeinteilung. Auf diese Weise kann frühzeitig eine Therapie bei Herzpatienten angepasst und eine gezielte Unterstützung eingeleitet werden.
Schluss: Das Modell ist für Patienten mit Herzinsuffizienz, Hypertonus und Rhythmusstörungen, lässt sich weitere chronische Erkrankungen skalieren. Auf diese Weise könnte die Versorgung in Flächenländern verbessert werden.
Die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und wohnortnahen Versorgung stellt das Gesundheitswesen zunehmend vor Herausforderungen. Aufgrund des steigenden Altersdurchschnitts der Bevölkerung mit den einhergehenden epidemiologischen Veränderungen ist einerseits eine intensivere Versorgung notwendig. Anderseits fehlen insbesondere in ländlichen Regionen ärztliche Spezialisten/-innen. Vor diesem Hintergrund können digital gestützte Versorgungsprozesse eine Option sein, die Versorgungstrukturen flexibler und leistungsfähiger zu gestalten und insbesondere eine sektorenübergreifende Vernetzung zu fördern. Die Bereiche der Intensivmedizin und Infektiologie stellen dabei zwei Felder dar, in denen zum einen der Zugang zu ärztlicher Expertise besonders relevant ist, hier insbesondere in Hinblick auf die zunehmenden Antibiotikaresistenzen und die Notwendigkeit eines adäquaten und leitliniengerechten Umgangs mit diesen wichtigen Medikamenten. Zum anderen bezüglich des Optimierungspotenzials, welche telemedizinisch gestützte Kooperationsstrukturen hier bieten können, um infektiologisches und intensivmedizinischen Wissen kontinuierlich bereit stellen zu können.
Im Rahmen dieses Beitrags soll ein in der ersten Runde des Innovationsfonds gefördertes Projekt vorgestellt werden, welches mittels Anwendungen der Tele-Infektiologie und Tele-Intensivmedizin sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich die Form der Versorgung patientenorientierter gestalten soll . Durch regelmäßige Televisiten, Expertenchats, Fortbildungen und eine 24/7 Verfügbarkeit stellt das Projekt den teilnehmenden peripheren Krankenhäusern und Arztnetzen Experten/-innenwissen von zwei Universitätskliniken zur Verfügung. Im Rahmen des Projektes soll ein sektorenübergreifendes telemedizinisches Netzwerk als neue digitale Versorgungsform aufgebaut und beispielhaft in der Infektiologie und der Intensivmedizin implementiert werden, um die Behandlungs- und Prozessqualität sowie die Effizienz der Versorgung relevanter Patient*innenkollektive flächendeckend zu verbessern. Dabei soll evaluiert werden, inwiefern die Behandlungsqualität messbar verbessert werden kann und patientenrelevante Outcomes sowie gesundheitsökonomische Parameter verbessert werden können.
Es handelt sich um eine nicht-randomisierte, prospektive Studie einer Versorgungsinnovation als Längsschnittuntersuchung im Stepped-Wedge Design mit circa 40.000 ambulanten & stationären Patienten/-innen. Primärer Endpunkt: Verbesserung der Behandlungsqualität durch die Erhöhung des Umsetzungsgrads für die zen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie der Initiative „Klug entscheiden“. Sekundäre Endpunkte: Leitliniengerechte Sepsistherapie durch z.B. rechtzeitige Gabe von Antibiotika innerhalb von drei Stunden; Reduktion Sepsis-Sterblichkeit; gesundheitsökonomische Parameter (z.B. Zahl dialysepflichtiger Patient*innen nach Entlassung, Verlegungstransporte), gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten/-innen. Weiterhin soll erfasst werden, in welchem Maß die neue Versorgungsform von den Anwendern/-innen akzeptiert wird.
Im ambulanten Sektor werden mehrheitlich papierbasierte Dokumentationsbögen eingesetzt, die Daten zum telemedizinischen Konsil fallbezogen erfassen. Bei den stationären Daten handelt es sich um administrative, Struktur- und klinische Daten. Zum Einsatz kommt hierbei ein CRF (Case Report Form) sowie eine Datenerfassungsmaske in elektronischer Form. Hinzu kommen von Patienten/-innen oder Fachkräften auszufüllende Fragebögen.
Es handelt sich um eine recht großes, intersektorales Netzwerk, welches das Ziel hat, am Beispiel zwei relevanter medizinischer Bereiche eine neue, telemedizinisch gestützte Versorgungsform zu implementieren. Das Projekt kann insbesondere durch das umfassende, aber dennoch pragmatische Evaluationsdesign einen wichtigen Beitrag zur flächendeckenden Implementierung und Weiterentwicklung der Telemedizin in Deutschland leisten. Die Ergebnisse sollen mit dazu beitragen, den Nutzen der Telemedizin bzw. telekooperativer Strukturen in anderen medizinischen Feldern und anderen Regionen einschätzen zu können, um damit nutzenstiftenden telemedizinischen Anwendungen einen schnelleren Weg in die Regelversorgung ebnen zu können.
Bei positiven Ergebnissen besteht die realistische Chance, dass telekonsiliarische Verfahren ein Teil der GKV-Regelversorgung werden und vom G-BA/Bewertungsausschuss mit einer Vergütungsziffer versehen werden. Sollen die Ergebnisse in anderen medizinischen Feldern oder Regionen adaptiert werden bzw. soll eine ähnliche digitale Gesundheitsstruktur aufgebaut werden, ist natürlich stets zu erwägen, inwiefern regionale Anpassungen erforderlich sind. Daher ist auch die Implementierungsforschung eine Aufgabe, die nach Abschluss des Projektes weiter forciert werden sollte. Der Beitrag soll daher auch die Rahmenbedingungen telemedizinisch gestützter Netzwerke als (zukünftige) Versorgungsform zur Diskussion stellen.
Hintergrund
Kinder und Jugendliche sind bei der Versorgung mit Arzneimitteln benachteiligt. Im stationären Bereich werden 42-90%, im ambulanten Bereich 46-64% der Kinder und Jugendlichen mit Medikamenten außerhalb der Zulassung behandelt.
Aufgrund von off-label Anwendungen, fehlenden pädiatrischen Darreichungsformen und komplexen Dosisberechnungen treten Medikationsfehler (MF) im Vergleich zu Erwachsenen bis zu dreimal häufiger auf. Es ist davon auszugehen, dass 3-5% aller stationären Aufnahmen aufgrund einer unerwünschten Arzneimittelwirkung (UAW) erfolgen. Die UAW-Meldung ist daher ein wichtiges Instrument um Signale zu möglichen Sicherheitsrisiken von Arzneimitteln zu generieren. Die Melderate bei Kindern betrug 2008 im Vergleich zu Erwachsenen nur die Hälfte der Meldungen pro Millionen Personen.
Fragestellung
Das bestehende Versorgungsdefizit in der pädiatrischen Arzneimitteltherapie soll durch die Einführung einer strukturierten Behandlungsmaßnahme signifikant verbessert werden.
Methode
„PaedPharm“ ist eine Qualitätssicherungsmaßnahme, die evidenzbasierte Informationen sowie spezifische Handlungsempfehlungen zur Anwendung von Arzneimitteln bei Kindern an ambulant und stationär tätige Ärzte sowie Apotheker weitergibt. PaedPharm besteht aus drei Modulen: 1. Ein digitales Kinderarzneimittelinformationssystem, Modul 2: Pädiatrisch-pharmazeutische Qualitätszirkel und Modul 3: Ein System zur verpflichtenden nationalen Meldung von UAW.
Das Arzneimittelinformationssystem beinhaltet systematisch recherchierte und mit Expertenwissen abgeglichene Informationen zur Dosierung von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen sowie pharmazeutische Informationen zu Darreichungsformen und zur Anwendung. Qualitätszirkel begleiten die Einführung des Arzneimittelinformationssystems und sensibilisieren für den Medikationsprozess. Das Modul 3 etabliert eine kontinuierliche, intensivierte Meldung für UAW und MF, vor allem für off-label Anwendungen.
All drei Module werden im Rahmen des Projektes in 12 geographischen Clustern bestehend aus jeweils einer Kinderklinik und umliegenden Arztpraxen schrittweise implementiert.
Ergebnisse
Es ist zu erwarten, dass durch eine gesteuerte und evidenzbasierte Verordnung von Medikamenten für Kinder und Jugendliche unter Berücksichtigung relevanter klinisch-pharmakologischer Aspekte die Verschreibungspraxis behandelnder Kinder-und Jugendärzte verbessert wird und daraus resultierend die Rate an UAW und MF im Kindesalter signifikant reduziert wird. Dadurch werden Kosten für die stationäre Behandlung von UAW und MF für die Krankenversicherungen gesenkt.
Der Erfolg der Implementierung von „PaedPharm“ wird von einem unabhängigen Institut sowohl qualitativ als auch quantitativ evaluiert. Der primäre Endpunkt in der Evaluation ist die Inzidenz von UAW und MF zum einen als Ursache für eine stationäre Aufnahme und zum anderen während eines stationären Aufenthaltes.
Diskussion
„PaedPharm“ bietet ein innovatives Instrumentarium, um die interdisziplinäre Arbeit insbesondere zwischen Ärzten, Apothekern und Pflegekräften, aber auch weiterer Berufsgruppen zu intensivieren. Durch die Einbindung der Expertise verschiedener Berufsgruppen ist es möglich, deren Sichtweisen gleichermaßen zu berücksichtigen und in der Routineversorgung abbildbar zu machen.
Praktische Implikationen
Durch die Bündelung aller Aspekte der pädiatrischen Arzneimittelverordnung und Anwendung in praxisrelevanter und dennoch wissenschaftlich fundierter Form kann eine nachhaltige Verbesserung aller patienten- und qualitätsrelevanter Parameter erreicht werden. Eine flächendeckende bundesweite Implementierung von „PaedPharm“ und Aufnahme in die Regelversorgung ist angestrebt, um eine dauerhafte Verbesserung der pädiatrischen Arzneimitteltherapie zu erreichen.
Hintergrund: Internationale Studien und auch die deutsche KiGGS-Studie zeigen, dass ca. 30% der ambulant bei Kindern verschriebenen Arzneimittel außerhalb der Zulassung eingesetzt werden (sog. „off-label use“). „Off-label“ Anwendungen, fehlende altersgerechte Darreichungsformen, komplexe Dosisberechnungen und unbekannte Wechselwirkungen erhöhen bei Kindern das Risiko für Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und Medikationsfehler (MF). Das im Rahmen des Innovationsfonds „Neue Versorgungsformen“ geförderte Projekt KidSafe zielt darauf ab, durch Einführung eines Kinderarzneimittel-Informationssystems (PaedAMIS, Modul 1) in Kombination mit Qualitätszirkeln (PaedZirk, Modul 2) und einem UAW Meldesystem (PaedReport, Modul 3) die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Arzneimitteln zu verbessern indem das Risiko für UAW/MF reduziert wird. Alle drei Module werden im Rahmen des Projektes in 12 regionalen Clustern bestehend aus jeweils einer Kinderklinik und umliegenden Arztpraxen implementiert.
Fragestellung: Das vorgestellte Projekt evaluiert über die Kombination von quantitativen und qualitativen Methoden, inwiefern die komplexe Intervention wie geplant implementiert werden konnte und ob sie die Inzidenz von UAW/MF in beiden Settings relevant senken kann.
Methode: Die Evaluation nutzt ein cluster-randomisiertes Cross-Over-Design mit 2 Sequenzen und gestuftem Interventionsbeginn in den regionalen Clustern (sog. Stepped-Wedge Design). Dabei werden Cluster mit früherem Interventionsbeginn mit Clustern mit späterem Interventionsbeginn verglichen. Die Phase vor Einführung der Intervention entspricht also der Kontrollphase. Der primäre Endpunkt ist die Inzidenz von UAW/MF, die eine stationäre Aufnahme nach sich ziehen (ambulantes Setting) bzw. die Inzidenz von UAW/MF während eines stationären Aufenthaltes (stationäres Setting). Sekundäre Outcomes sind u.a. Implementierungsaufwand, Handlungsrelevanz, direkte Krankenhauskosten, Nutzungsbereitschaft, Nutzungshäufigkeit, Nutzerzufriedenheit und Barrieren, die die Nutzung erschweren. Eine durch Mixed Methods gestützte Prozessevaluation wird erlauben, den Implementierungsgrad sowie Erfolgsfaktoren für die Implementierung zu identifizieren. Für die quantitative Analyse werden hierarchische statistische Modelle für Inzidenzen unter Berücksichtigung der Cluster-Struktur herangezogen. Sekundäre Analysen bestehen aus einem Vergleich mit gematchten Nicht-UAW/MF-Fällen aus Sekundärdaten sowie einer Kostenprojektion für die Implementierung. Die qualitative Analyse nutzt leitfadengestützte Interviews zur Erfassung von Akzeptanz, Barrieren und Zufriedenheit.
Ergebnisse: Das Projekt startet am 1. Mai 2017. Vorgestellt wird zum Zeitpunkt des Kongresses das Studiendesign und das Evaluationskonzept. Im Frühjahr 2018 wird die Datenerhebung in den Settings beginnen. Die ersten Ergebnisse zur Basisrate der Inzidenz von UAW/MF in den jeweiligen Settings werden frühestens Ende 2018 vorliegen. Erwartet wird, dass 1) das Interventionsinstrumentarium von den Akteuren in den Versorgungsystemen angenommen und adäquat genutzt wird und 2) durch die Intervention die Inzidenz von UAW/MF bzw. die damit assoziierten stationären Aufnahmen bei Kindern über einen Interventionszeitraum von mindestens 6 Monaten um 33% gesenkt werden kann.
Diskussion: KidSafe ist das erste große bundesweite Projekt, das die Versorgungsqualität der Arzneimitteltherapie bei Kindern und Jugendlichen durch Schulung und wissensbasierter IT-Unterstützung zu verbessern sucht.
Praktische Implikationen: Sollte ein positiver Effekt auf die festgelegten Endpunkte durch die Intervention erzielt werden können und die Kosten-Nutzen-Abwägung positiv ausfallen, ist eine flächendeckende bundesweite Implementierung der Intervention in kinderärztlichen Praxen und Kinderkliniken zu empfehlen.
Hintergrund: Die Ursachen unzureichender Qualität, Sicherheit und Kosteneffizienz der Arzneimitteltherapie ambulanter Patienten mit Multimorbidität und Polypharmazie sind multifaktoriell und im Wesentlichen durch Organisation und Rahmenbedingungen determiniert und damit nur auf Systemebene zu lösen. Eine vom Aktionsplans AMTS geförderte Studie zeigt, dass 28% der Patienten ambulant vor Krankenhausaufnahme mindestens ein zu hoch dosiertes, 21% ein kontraindiziertes und 13% ein nicht mehr indiziertes Medikament erhielten. Multimorbide Patienten mit Polypharmazie sind besonders gefährdet, Medikationsfehler und vermeidbare Nebenwirkungen der Therapie zu erleiden. Leitlinien für Einzelerkrankungen berücksichtigen Multimorbidität meist nicht oder unzureichend. Zur Gewährleistung von AMTS muss der Arzt in die Lage versetzt werden, vermeidbare Risiken auch unabhängig von einzelnen Patientenkontakten zu identifizieren. Dazu erforderliche Instrumente zur patientenübergreifenden AMTS-Analyse stehen aber bisher nicht zur Verfügung.
Fragestellung: Können Qualität, Sicherheit, Kosteneffizienz und Koordination in der ambulanten Arzneimitteltherapie bei Patienten mit Polypharmazie durch Optimierung der Behandlungsprozesse, strukturierte Arzneimitteltherapieprüfung, qualifizierte IT Unterstützung, Festlegung inhaltlicher Regeln für die Therapieoptimierung, Fortbildung der Ärzte zur Anwendung der Regeln, Monitoring der Effekte sowie Entlohnung des Aufwands die AMTS verbessert werden?
Methode: Versicherte erklären gegenüber dem Hausarzt ihren Beitritt. Danach erhält der Hausarzt elektronischen Zugriff auf die Informationen zum Patienten.
In die Evaluation werden Patienten mit ≥5 für mindestens 2 Quartale gleichzeitig verordneten Arzneimitteln eingeschlossen. Es erfolgen folgende Interventionen:
- Extraktion von Informationen aus Routinedaten
- Erstellung des bMP auf Basis von Routinedaten
- Fremdsprachlicher bMP bei Migrationshintergrund
- Hinweise auf gefährliche Selbstmedikation in Kombination mit verordneter Therapie
- Information an Arzt bei stationärer Aufnahme des Patienten
- Elektronische Unterstützung der ärztlichen AMTS-Prüfung
- Patientenübergreifende Analysemöglichkeit
- Patientenspezifische, automatische Hinweise auf neu beschriebene Risiken
- Pharmakotherapie-Konsil-Service der KVWL
- AMT(S) Kennzahlen zur Unterstützung der Therapiesteuerung
Die Intervention wird summativ (Wirksamkeit, Kosteneffektivität) und formativ (förderliche / hinderliche Faktoren zur Implementierung) im randomisierten Cluster-RCT-Design evaluiert.
Bisherige Ergebnisse: Als Basis des Projektes wurde ein strukturierter Prozess für die Verbesserung der AMTS ambulant behandelter Patienten mit Polypharmazie durch niedergelassene Ärzte unter Koordination des Hausarztes entwickelt. Zur Ermöglichung des Prozesses kann der Arzt über das geschützte KVWL-Mitgliederportal auf behandlungsrelevante Informationen zum Patienten, welche in Echtzeit aus Abrechnungsdaten der Krankenkasse extrahiert werden, zugreifen. Der Zeitaufwand für die Erstellung des bundeseinheitlichen Medikationsplans wird geringer. Unabhängig von der Praxissoftware wird dem Arzt die AMTS Prüfung eines einzelnen oder aller Patienten seiner Praxis ermöglicht. Bei Krankenhausaufnahme eines Patienten oder Veröffentlichung eines Rote-Hand-Briefs zu einem verordneten Arzneimittel erhält der Arzt einen patienten-spezifischen Warnhinweis. Zur Unterstützung der Therapiesteuerung durch den Arzt werden Kennzahlen zu Qualität, Sicherheit und Kosteneffizienz der Arzneimitteltherapie auf Praxisebene generiert.
Diskussion: Den Ärzten fehlen operationalisierbare Regeln für das Management von Patienten mit Polypharmazie. Auch fehlt ihnen der Zugriff auf behandlungsrelevante Informationen zum Patienten, obwohl diese in Abrechnungsdaten der Krankenkasse enthalten sind. Die fehlende Möglichkeit zur Analyse der Arzneimitteltherapie nicht nur eines, sondern aller behandelten Patienten und das Fehlen von Informationen bei für die Arzneitherapie relevanten Veränderungen sind weitere Beispiele für nur auf Systemebene zu korrigierende Defizite. AdAM beinhaltet 7 Elemente zur Optimierung von Arzneimitteltherapie und AMTS: Optimierung der Behandlungsprozesse, strukturierte Arzneimitteltherapieprüfung, qualifizierte IT Unterstützung, Festlegung inhaltlicher Regeln für die Therapieoptimierung, Fortbildung der Ärzte zur Anwendung der Regeln, Monitoring der Effekte, Entlohnung des Aufwands. Die Einführung einer multifaktoriellen Prozessoptimierung in der Routineversorgung ist immer eine Herausforderung, insbesondere, wenn sie unter den Bedingungen einer Cluster-randomisierten Studie erfolgt.
Praktische Implikationen: Der im Projekt entwickelte und durch innovative IT Unterstützung ermöglichte Prozess der Arzneimitteltherapie in der ambulanten und sektorenübergreifenden Routineversorgung soll flächendeckend in Deutschland für BARMER Versicherte implementiert und für die Nutzung durch weitere Krankenkassen geöffnet werden.
Projektvorstellung „Neuropsychiatrische und psychotherapeutische Versorgung (NPPV)“
Das Projekt NPPV etabliert eine gestufte und koordinierte Versorgung für Menschen mit psychischen und neurologischen Erkrankungen in der Region Nordrhein.
Innovativer Versorgungsprozess
Konkret richtet sich das Projekt NPPV, das von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein verantwortet wird, an Patientinnen und Patienten mit schweren bzw. komplexen Verlaufsformen bestimmter psychischer oder neurologischer Erkrankungen, die einen spezifischen, über die Regelversorgung hinausgehenden, Versorgungsbedarf aufweisen. Im Fokus stehen dabei u.a. Indikationen wie affektive Störungen, Psychosen, aber auch Multiple Sklerose und Apoplex.
Ausgangspunkt für das neue Versorgungsmodell ist ein obligatorisches und umfangreiches Eingangsassessement. Sofern dieses einen Einschluss der betreffenden Patienten in das Versorgungsmodell erlaubt, plant und koordiniert im Folgenden ein vom Patienten gewählter Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeut die komplette weitere Behandlung. Dieser verpflichtet sich - v. a. zu Beginn der Behandlung und in kritischen Phasen derselben - ausreichende Ressourcen für eine, dem Krankheitsbild angemessene, teilhabeorientierte und zuwendungsintensive Behandlung vorzuhalten.
Für die Behandlung der Patienten stehen dem Therapieverantwortlichen im Sinne eines „Stepped-care-Ansatzes“ diversifizierte Therapiemodule sowie soziale Unterstützungsmodule zur Verfügung, die sich aus den aktuellen Leitlinien der jeweiligen Indikation bzw. dem aktuellen Gesundheitszustand des Patienten ergeben. Für die Behandlung können Bezugsärzte bzw. -psychotherapeuten dabei auch auf ein - im Rahmen des Projekts - neu etabliertes, flächendeckendes Gruppenbehandlungsangebot zurückgreifen. Neben indikationsbezogenen Psychoedukationsgruppen umfasst dieses auch themenspezifische Gruppenbehandlungen (z. B. bei Problemen am Arbeitsplatz). Ergänzend bzw. alternativ zur ärztlichen/psychotherapeutischen Behandlung können auch validierte und qualitätsgesicherte Online-Angebote (z. B. aus dem Bereich Selbstmanagement) als Therapiemodule eingesetzt werden. Insbesondere in akuten Krisensituationen können die am Projekt beteiligten Ärzte/Psychotherapeuten zusätzlich eine intensivierte ambulante Komplexbehandlung erbringen.
Ärzte und Psychotherapeuten im NPPV Projekt erhalten Unterstützung durch ein IT-System, das den reibungslosen Informationsaustausch zwischen den beteiligten Leistungserbringern sicherstellt. Zudem werden sie u.a. bei der Patientensteuerung und der Organisation bzw. der Koordination einzelner Versorgungsmodule von regionalen Koordinierungsstellen unterstützt, die für das Projekt aufgebaut werden.
Mehr Qualität für die Patienten
Das neuartige Versorgungsmodell will die Behandlungsqualität für die betroffenen Patienten(gruppen) verbessern und eine Chronifizierung von psychischen Erkrankungen wirksam vermeiden – zum Beispiel durch kürzere Wartezeiten, zeit- und zuwendungsintensivere Erstkontakte und eine verbesserte Versorgungskontinuität. Durch bedarfsgerechte Therapieentscheidungen sollen so Über- und Unterversorgung gleichermaßen verringert werden.
Zudem verbessert sich über das Projekt die bedarfsgerechte Nutzung bzw. die zielgerichtete Inanspruchnahme der knappen zeitlichen Ressourcen von Ärzten und Psychotherapeuten.
Kontakt:
Dr.med. Karlheinz Großgarten (M.san.)
Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein
Tersteegenstraße 9
40474 Düsseldorf
Telefon +49 211 5970 8910
Telefax +49 211 5970 9910
Karlheinz.Grossgarten@kvno.de
Hintergrund
International wird Teledermatologie seit vielen Jahren zur Sicherung einer flächendeckenden dermatologischen Versorgung eingesetzt. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Teledermatologie mit der konventionellen dermatologischen Versorgung vergleichbar ist im Hinblick auf Genauigkeit der Diagnosestellung, klinischen Verlauf und patientenrelevante Endpunkte. Vor diesem Hintergrund ist es Ziel des Projektes, die Versorgung von Patienten mit dermatologischen Beschwerden im Rahmen der hausärztlichen Versorgung durch telemedizinische Konsile zu verbessern.
Fragestellung
Können durch die Implementierung eines teledermatologischen Konsilsystems in Hausarztpraxen mindestens 15% der Überweisungen zum Dermatologen eingespart werden?
Methode
Im Rahmen einer auf Landkreisebene randomisierten kontrollierten Studie mit qualitativ-quantitativer Prozessevaluation sollen in 50 Praxen, die an der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) der AOK Baden-Württemberg teilnehmen, teledermatologische Konsilsysteme implementiert werden (Interventionsgruppe). Die Vergleichsgruppe wird aus HzV-Praxen rekrutiert, denen kein teledermatologisches Konsilsystem zur Verfügung steht.
Als primärer Zielparameter dient die Anzahl der Überweisungen bei AOK-Versicherten zum Dermatologen erhoben mittels Routinedaten. Die Analyse dieses Parameters erfolgt als Poissonregression mit Signifikanzniveau 0.05 (zweiseitig).
Als sekundäre Zielparameter werden zahlreiche Informationen auf Ebene der Patienten (z.B. Lebensqualität, Zufriedenheit) und der Ärzte (z.B. Akzeptanz, Machbarkeit im Praxisalltag) quantitativ und qualitativ erhoben. Sie werden unter Berücksichtigung möglicher Clustereffekte der Arztpraxen mit geeigneten Regressionsmodellen unter Verwendung der GEE Methode (Generalized Estimating Equations) analysiert. Die qualitativen Daten werden inhaltanalytisch nach Mayring ausgewertet. Ferner soll eine gesundheitsökonomische Analyse durchgeführt werden.
Die Akzeptanz von telemedizinischen Anwendungen bei Hausärzten wird bei Informationsveranstaltungen zur Studie in den vier Landkreisen der Interventionsgruppe mittels Fragebögen erfasst.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse zur Rekrutierung der Hausarztpraxen werden auf dem Kongress präsentiert. Es werden soziodemographische Merkmale sowie Einstellung zu elektronischen Geräten (Technikaffinität) und Anwendungen von Telemedizin dargestellt.
Diskussion und praktische Implikationen
Die Rekrutierung von Hausarztpraxen zur Studie gibt Aufschlüsse über Interesse und Resonanz von Hausärzten in Bezug auf telemedizinische Anwendungen. Soziodemographische Daten, Praxisbeschaffenheit, Einstellungen zu technischen Geräten bzw. telemedizinischen Anwendungen tragen zur Erforschung von Bedingungen bei, die einen späteren Rollout der teledermatologischen Anwendung in die selektivvertragliche Versorgung vereinfachen. Dies ist wiederum wichtig für die Übertragbarkeit telemedizinischer Anwendungen in die Regelversorgung.
Hintergrund:
Da am Versorgungsgeschehen viele Akteure beteiligt sind, ist eine enge und zielgerichtete Abstimmung über verschiedene Krankheiten hinweg, besonders bei der Versorgung multimorbider Menschen, notwendig. Die infrastrukturellen und zeitlichen Ressourcen der behandelnden Ärzte stellen einen Engpass dar, wenn es darum geht individuellen und kollektiven Bedarfen gerecht zu werden. Im MamBo-Projekt wird in der Region Leverkusen eine Struktur aufgebaut, die diesen Engpass adressiert und Bedarfsorientierung in der Versorgung fokussiert. Auf Kostenträgerseite (pronovaBKK) wird ein Bedarfsmanager (BM) etabliert. Auf Seiten der Leistungserbringer (Regionales Gesundheitsnetz Leverkusen eG) wird ein Versorgungsmanagement (VM) eingerichtet, bestehend aus einem Versorgungsmanager und fünf Monitoring- und KoordinationsassistentInnen (MoniKa). Das Tandem aus BM und VM hat zur Aufgabe, kollektive und patientenseitige Versorgungsbedarfe zu identifizieren und den Behandelnden zu kommunizieren. Das VM entwickelt in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess gemeinsam mit teilnehmenden Praxen des Gesundheitsnetzes umsetzbare Lösungen. Die Praxen sind darüber hinaus durch eine gemeinsame elektronische Patientenakte im Austausch. Die MoniKas übernehmen in der Struktur praxisübergreifend ärztlich delegierbare, patientennahe sowie koordinative Aufgaben (z.B. Hausbesuche, Patientenschulung).
Fragestellung:
Kommt es, dargestellt am Beispiel multimorbider Menschen, durch die Etablierung einer Kombination von Bedarfs- und Versorgungsmanagement als indikationsübergreifende Metastrategie zu einer Erhöhung der generellen Versorgungseffizienz?
Methode:
Zur angemessenen Berücksichtigung der Heterogenität und Komplexität der neuen Versorgungsstruktur erfolgt die Evaluation formativ und summativ.
Im Rahmen der Formativen Evaluation werden prozessbegleitende jährliche Erhebungen durchgeführt. Mit Bedarfs- und Versorgungsmanager wird es Einzelinterviews und mit ÄrztInnen und Monikas Fokusgruppen geben. Diese werden in einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Endpunkte sind hierbei förderliche und hemmende Faktoren der Innovationsimplementierung sowie die Nützlichkeit des Change Managements als Implementierungsstrategie.
In der Summativen Evaluation werden Befragungen mit Prä-Post-Vergleich durchgeführt (PatientInnen der Evaluationsgruppe N=2.617, behandelnde ÄrztInnen N=80, Praxismitarbeitende N=320). Zudem werden im Rahmen einer Sekundärdatenanalysen mit Prä-Post-Vergleich im quasiexperimentellen Design Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität multiperspektivisch adressiert (Zielpopulation N=8.723, Evaluationsgruppe n=2.617, quasiexperimentelle Zwillingsgruppe aus InGef-Routinedaten N=2.617). Endpunkte der Analyse sind u. A. Kennzahlen zur Hospitalisierung, zur Inanspruchnahme ambulanter Leistungen und allgemein zur Koordination des Leistungsgeschehens.
Ergebnisse:
Das Ergebnis des MamBo-Projekts soll sich sowohl anhand von patientenbezogenen Versorgungszielen, als auch leistungserbringerbezogenen und kostenträgerbezogenen Zielen messen lassen. Es wird erwartet, dass sich im Rahmen der Sekundärdatenanalyse ein Rückgang an Hospitalisierungen, ambulant sensitiven Krankenhaus-Diagnosen, Facharztbesuchen gleicher Fachrichtung und Kontakten zum ärztlichen Bereitschaftsdienst zeigt. Mögliche Ergebnisse der Befragungen im Rahmen des Projektes sind eine Entlastung des Arztes in der Informationsbeschaffung und durch die Delegation Ärztlicher Aufgaben, sowie eine vom Patienten spürbar verbesserte Versorgungskoordination.
Aus ökonomischer Perspektive wird langfristig eine Kostenreduktion erwartet. Ob entsprechende Nachweise trotz des kurzen Evaluationszeitraumes erfolgen können, ist nicht klar zu sagen.
Diskussion:
Im Projekt wird sowohl die MamBo-Struktur als auch Ihre Implementierung evaluiert. Ziel ist es zu prüfen, ob man allen Stakeholdern (Patient, Arzt, Kostenträger) gerecht werden kann.
Es ist möglich, dass ein Zielkonflikt zwischen der Steigerung der Versorgungskoordination und Reduktion von Kosten der Versorgung besteht. So könnte eine Verbesserung der Versorgung multimorbider Menschen mit höherer Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen einhergehen.
Die Laufzeit stellt in diesem Projekt eine besondere Herausforderung dar da viele Effekte eher langfristig zu erwarten sind. Nach Vorbereitungs-, Implementierungs-, Rekrutierungs-, und Einwirkphase verbleibt ein Jahr Evaluationszeitraum. Es ist unklar, ob dieser Zeitraum ausreicht, um projektbezogenen Veränderungen in allen Parametern adäquat nachweisen zu können.
Praktische Implikationen:
Die Metastrategie des Indikations-übergreifenden Bedarfs- und Versorgungsmanagements ist prinzipiell vom hier vorgestellten Anwendungsfeld losgelöst anwendbar und unabhängig von der Region Leverkusen. Bei Erfolg, ist eine Übertragbarkeit auf andere Populationen und Erkrankungen ebenso möglich, wie eine Ausweitung auf weitere Kostenträger und Arztnetze oder arztübergreifende Körperschaften.
Hintergrund
Das Programm BGM-innovativ für Beschäftigte mit Muskel-Skelett-Erkrankungen ist eine Antwort auf den Bedarf an gesundheitlicher Versorgung in Betrieben. Ziel des Programmes ist es, erkrankten oder gefährdeten Beschäftigten eine gezielte und auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtete Unterstützung im Versorgungsprozess anzubieten, die durch eine träger- und sektorenübergreifend koordinierte Versorgung von Betriebskrankenkasse, Betrieb und Rentenversicherung geschieht.
Bei präventiven, kurativen und rehabilitativen Leistungen stehen die verschiedenen Sozialversicherungsträger vor einem ähnlichen Handlungsbedarf, ihre Maßnahmen finden bisher jedoch eher unverbunden und unkoordiniert nebeneinander statt. BGM-innovativ sieht eine enge Kooperation und Abstimmung der zuständigen Akteure vor und ist somit ein Ansatz zur Überwindung der mangelnden sektorenübergreifenden Zusammenarbeit. Zentrale Innovation ist ein Fallmanager der Betriebskrankenkassen, der persönlicher Ansprechpartner für die Beschäftigten ist und Schnittstellen der verschiedenen Akteure koordiniert. Die Beschäftigten werden vom Fallmanager durch den Versorgungsprozess geleitet und an allen Planungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt. Das Programm ist multimodal aufgebaut (Modul A, B und C) und sieht je nach Krankheitsstadium und Schweregrad der Beschäftigten arbeitsplatzbezogene, individualisierte und sektorenübergreifende Versorgungsmaßnahmen vor, wie z.B. stufenweise Wiedereingliederung, erweiterter Reha-Aufenthalt, gezieltes körperliches Training.
Fragestellungen
Folgende primäre Fragestellungen werden untersucht:
Hat das Programm BGM-innovativ einen positiven Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit sowie auf die von Muskel-Skelett-Erkrankungen bedingten Arbeitsunfähigkeits-Zeiten?
Reduziert das Programm BGM-innovativ Schmerzen im Bewegungsapparat?
Erhöht das Programm BGM-innovativ die Selbstwirksamkeitserwartung?
Ist das Programm BGM-innovativ bezogen auf diese primären Outcomes effektiver als die Regelversorgung?
Methode
Das Evaluationskonzept bedient sich quantitativer und qualitativer Methoden (Mixed-Methods-Ansatz). Zur angemessenen Berücksichtigung der Heterogenität und Komplexität der neuen Versorgungsform erfolgt sowohl eine summative als auch eine formative Evaluation.
Im Rahmen der summativen Evaluation wird anhand einer randomisiert kontrollierten Studie (RCT) die Wirksamkeit des Programmes überprüft. Dazu werden alle Teilnehmer der jeweiligen Module vor Beginn des Programms zufällig zwei Behandlungsgruppen zugeordnet. Die Kontrollgruppe erhält eine an der Regelversorgung orientierte Behandlung, zusätzlich findet eine intensive Beratung der Beschäftigten statt und es werden Informationsmaterialien und Kontaktadressen weitergegeben. Die Interventionsgruppe erhält die jeweils modulspezifische Intervention und die Betreuung durch die Fallmanager. Bei allen Teilnehmern findet eine zweimalige schriftliche prä-post Befragung mittels eines standardisierten Fragebogens statt. Darüber hinaus werden die Arbeitsunfähigkeitszeiten ausgewertet.
Begleitend zum Programm findet eine formative Evaluation mit qualitativen Methoden statt, die hemmende und fördernde Faktoren der Programm-Implementierung identifizieren soll. Zu mehreren Zeitpunkten während der Projektlaufzeit werden leitfadengestützte Fokusgruppen und Experteninterviews mit relevanten Akteuren (Fallmanagern, Betriebsärzten) durchgeführt.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse werden Ende 2018 erwartet. Anhand der Erfahrungen aus einem Pilot-Projekt wird vermutet, dass das Programm einen positiven Einfluss auf die primären Outcomes hat. Anhand von Subgruppenanalysen können die Ergebnisse krankenkassenspezifisch ausgewertet werden. Die formative Evaluation soll dazu beitragen, eine weitere Ausrollung des Programmes zu unterstützen.
Diskussion
Der Mixed-Methods-Ansatz berücksichtigt den komplexen Charakter der Intervention BGM-innovativ. Durch das RCT-Design können belastbare Aussagen über die Wirksamkeit getroffen werden. Je nach Ergebnissen der formativen Evaluation kann gegebenenfalls noch während der Projektlaufzeit die weitere Implementierung optimiert werden.
Praktische Implikationen
BGM-innovativ ist ein Meta-Konzept. Statt der Schaffung zusätzlicher Strukturen und Angebote soll das systemübergreifende Denken und Bewusstsein der verschiedenen Akteure gestärkt werden. Maßgebliche Faktoren wie der Fallmanager, der für die Beschäftigten eine Lotsenfunktion im Versorgungsprozess übernimmt, werden einmalig implementiert und können bei nachgewiesenen positiven Effekten auf andere Kontexte, Krankheiten mit hoher Prävalenz, Betriebe, Regionen und Krankenkassen übertragen werden. An dem Programm nehmen 15 Betriebskrankenkassen, über 20 Betriebsstandorte sowie mehrere Rentenversicherungsträger teil. Das hohe Interesse der Praxis zeugt von dem Willen, das Konzept der arbeitsplatznahen, trägerübergreifenden Versorgung und der Unterstützung durch einen Fallmanager umzusetzen.
Hintergrund
Die gesundheitliche Situation in den Hamburger Stadtteilen Billstedt und Horn mit ca. 110.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist durch eine hohe Krankheitslast (Multimorbidität, metabolisches Syndrom, affektive Störungen, Übergewicht, infektiöse Darmerkrankungen sowie sonstige Viruserkrankungen bei Kindern) gekennzeichnet. Hinzu kommen die Herausforderungen durch eine multiethnische Bewohnerschaft und soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit, Armut und damit eine hohe Quote von Transferleistungen. Zudem ist das Quartier in einigen medizinischen Teilgebieten tendenziell unterversorgt (bspw. Allgemeinmedizin, Augenheilkunde, Gynäkologie, Pädiatrie, Psychotherapie) und lässt einen deutlichen Mangel an sektorübergreifender Versorgungskoordination erkennen.
Fragestellung
Wie können die gesundheitlichen Chancen der Bevölkerung in der deprivierten Region einer Großstadt verbessert werden? Wie kann die Versorgungsqualität erhöht und die Über-, Unter- und Fehlversorgung durch stärkere Einbindung der Patientinnen und Patienten erhöht werden, um die vorhandenen Ressourcen gezielter einzusetzen?
Methoden
Aufbau einer Tandem-Kooperation zwischen Pflegenden in einem Gesundheitskiosk und den Praxen der ambulanten haus- und gebietsärztlichen Versorgung unter Einbeziehung aller weiteren sozialräumlichen Angebote der verschiedenen Leistungserbringer wie Pflegedienste, Familienhilfe, Elternschule sowie ambulanter Sozialpsychiatrie und unter Berücksichtigung der sprachlichen Vielfalt im Quartier.
Ergebnisse
In einem Einkaufszentrum im Herzen der Stadtteile Billstedt und Horn wurde ein Gesundheitskiosk eingerichtet. In dem Kiosk bieten Pflegende mit multiethnischem Hintergrund in enger Abstimmung mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und auf der Basis einer Überweisung leitliniengerecht, nicht-medizinische Versorgungsleistungen an. Im Kiosk werden das Selbstmanagement und die Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten gefördert bspw. durch die Vor- und Nachbereitung von ärztlichen Gesprächen und durch Hilfe zur Selbsthilfe im Umgang mit psychischen und körperlichen Beschwerden. Die Pflegenden erbringen Beratungsleistungen, um Übergewicht, Bewegungsmangel und andere gesundheitsschädliche Verhaltensweisen zu reduzieren. Außerdem werden Patientinnen und Patienten dabei unterstützt, soziale Alltagsprobleme wie Konflikte in Beruf, Partnerschaft und Familie aktiv zu bewältigen, den wahrgenommenen Stress abzubauen und den Alltag besser zu strukturieren. Außerdem sorgen die Pflegenden durch Case Management-Leistungen für eine bessere Koordination der Versorgung, um langfristig Krankenhausaufnahmen zu reduzieren und die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten.
Diskussion
Der Aufbau eines Gesundheitskiosk für ein niedrigschwelliges Gesundheits- und Case Management durch Pflegende stellt eine neuartige, patientenorientierte und dazu sektorübergreifende, intergrierte Form der Versorgung in einer sozial benachteiligten Region einer Großstadt dar. Die nicht-medizinischen Versorgungsangebote des Kiosks orientieren sich an den Lebensverhältnissen der gesetzlich Versicherten und optimieren alle Sektoren der Versorgung. Sie beziehen die gesamte somatische und psychische Gesundheitsversorgung ein, integrieren öffentliche Gesundheitspflege, vernetzen verschiedene Gesundheitsfachberufe und Leistungserbringer. Durch Einbeziehung verschiedener Sprachen bei der Auswahl der Pflegenden berücksichtigt der Kiosk gezielt interkulturelle Aspekte.
Förderkennzeichen Innovationsfonds: 01NVF16025 (INVEST Billstedt/Horn)
Hintergrund
In Deutschland werden jährlich mehr als zwei Millionen Patienten intensivmedizinisch behandelt und über 400.000 davon beatmet. Zusätzlich werden allein in Berlin/Brandenburg über 2000 Patienten pro Jahr außerklinisch beatmet. Neben einer andauernden Abhängigkeit vom Respirator kommt es zu funktionellen, kognitiven und psychischen Langzeitschäden. So zeigen 40% der Patienten 3 Monate nach der Beatmung signifikante kognitive Schäden von denen die Hälfte in der Ausprägung mit einer milden Alzheimer Demenz vergleichbar ist. Beim überwiegenden Teil der Patienten sind diese Schäden auch nach einem Jahr noch vorhanden. Angststörungen treten bei etwa der Hälfte der Patienten auf und circa ein Viertel erleidet eine posttraumatische Belastungsstörung. Bei Entlassung von der Intensivstation ist ein Großteil der Patienten von einer schweren Muskelschwäche betroffen, die auch nach Jahren bestehen bleibt und die Gehstrecke der Patienten einschränkt. Zusammen werden diese Schäden als Post-Intensive Care Syndrome (PICS) beschrieben.
Fragestellung
Mit dem Ziel die Versorgung in der Intensivmedizin über das reine Überleben der Patienten hinaus zu verbessern und damit Langzeitschäden wie PICS zu verringern, wurden evidenzbasierte Qualitätsindikatoren (QIs) unter Beteiligung der relevanten medizinischen Fachgesellschaften entwickelt. Deren Anwendung ist bisher jedoch weder umfänglich noch flächendeckend zu beobachten.
Das zentrale Ziel von ERIC ist es, die Adhärenz und den Einsatz der QIs zu stärken um Langzeitfolgen zu vermeiden und das adäquate Ausschöpfen eines rehabilitativen Potentials der Patienten zu gewährleisten.
Methode
Die Implementierung QIs in der Akutphase wird dabei durch eine telemedizinische Plattform unterstützt (innersektorale Modifikation). Anschließend wird ein Case-Care Management eingesetzt, das den Patienten in der anschließenden Behandlung nachverfolgt, um die Überleitung in die optimale Versorgungsstruktur zu ermöglichen bevor Langzeitschäden eintreten (intersektorale Modifikation).
Die Intervention der telemedizinischen Plattform erfolgt Cluster-randomisiert in 12 Einrichtungen. Es wird eine Fallzahl von über 2000 Patienten innerhalb eines Jahres sowie eine äquivalente Verteilung in Kontroll- und Interventionsgruppe angestrebt. Die Intervention besteht aus einer täglichen telemedizinischen QI-Visite der in die Versorgungsform eingeschlossenen Patienten. Vorgeschaltet wird ein Personalqualifizierungs- und Entwicklungskonzept, welches die Nutzung der Plattform ermöglicht sowie Multiplikatorenteams hinsichtlich der QIs weiterbildet.
Das Evaluationskonzept der Studie verwendet eine stepped wedge Cluster-Randomisierung der 12 Einrichtungen auf insgesamt 3 Cluster (4 Institutionen pro Cluster). Pro Cluster wird es eine gestaffelte Einführung der Intervention geben: Cluster 1 wird im dritten Monat, Cluster 2 im sechsten Monat und Cluster 3 wird im neunten Monat des Projektes die Intervention implementieren. Dies erlaubt einerseits einen Vergleich innerhalb der Einrichtung (Kontrollierte Vorher-Nachher Vergleiche) aber auch Vergleiche zwischen den Institutionen und deren Status vor und nach der Intervention stratifiziert nach den Quartalen der Interventionseinführung. In diesem Design besitzt jede Einrichtung die eigene Kontroll- und Interventionspopulation. Da drei Cluster parallel nebeneinander laufen, kann in drei von 4 Quartalen auch ein interinstitutioneller Vergleich durchgeführt werden.
Ergebnisse
Als primärer Endpunkt wird die Veränderung der Einhaltung der QI betrachtet. Je Patient wird pro Tag die Einhaltung jedes dieser Indizes registriert (0-nicht erfüllt, 1-erfüllt) wodurch sich pro Institution und Tag für jeden QI dessen prozentuale Einhaltung berechnen lässt. Es soll nachgewiesen werden, dass durch die Intervention eine Verbesserung um mindestens 10% der QI-Erfüllung erreicht wird. Weiterhin soll belegt werden, dass nach der Intervention eine QI-Erfüllungsrate von mindestens 70% erreicht wird. Die formale Durchführung der Analyse erfolgt mittels Generalised Estimation Equation (GEE). Diese Methodik erlaubt die Berücksichtigung von Clustern über die Zeit sowie zeitlicher Korrelationsstrukturen. Zudem erlaubt es die zeitlich variable Modellierung der Intervention.
Diskussion/ Praktische Implikationen
Als eines der ersten Projekte der “Neuen Versorgungsformen” des Innovationsausschusses wurde es als evidenzbasiert und regional umsetzbar bewertet. Das Evaluationskonzept ist robust und mit Klinikern, Biometrikern und Gesundheitsökonomen entwickelt worden. Es erlaubt eine umfassende Bewertung aus Patientensicht, klinischer Sicht und ökonomischer Sicht nach drei Jahren. Im Erfolgsfall kann ERIC in die flächendeckende Versorgung übergehen. Das Umsetzungspotenzial sollte jedoch mehrschichtig betrachtet werden: Es ist erstens von den Ergebnissen des Projektes abhängig, zweitens vom Willen aller beteiligten Akteure und drittens abhängig von den zukünftigen politischen Rahmenbedingungen.
1 Ausgangslage
In Mecklenburg-Vorpommern (MV) ist eine flächendeckende, fachärztliche, dermatologische Versorgung von Patienten schon heute nicht mehr sichergestellt. Hautarztpraxen sind gegenwärtig vor allem in Zentren und Mittelzentren in MV (z.B. Rostock oder Schwerin) konzentriert und fehlen in ländlichen Regionen des Bundeslandes.
2 Zielsetzung
Durch den Auf- und Ausbau multidisziplinärer, sektorenübergreifender und digitaler Versorgungsstrukturen soll die dermatologische Patientenversorgung im ländlichen Raum sichergestellt und verbessert werden. Somit ist es möglich, Diagnostik, Konsultation und medizinische Notfalldienste auch aus der Ferne anzubieten.
3 Umsetzung der neuen Versorgungsform
Für die Realisierung des Modellvorhabens wird die, von der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) bereits seit 2012 verwendete teledermatologische Applikation mskin®, weiterentwickelt und den Anforderungen des Projektes entsprechend erweitert bzw. angepasst. Zielgruppe dieser neuen Versorgungsform stellen alle Patienten mit dermatologischer Erstdiagnostik von Hauterkrankungen oder Hautkrebserkrankungen dar, die sich an einen kooperierenden Partner (Hausarzt, Notfallambulanz) wenden. Der Kooperationspartner sendet mittels App ein Bild der betroffenen Stelle mit Angaben zu Anamnese, Symptomen oder Beschwerden des Patienten an einen dermatologischen Spezialisten, der anschließend dem behandelnden Arzt mitteilt, wie weiter zu verfahren ist. Anhand dieser Daten wird ersichtlich, ob Patienten, deren Hausärzte die App nutzen, einen schnelleren Zugang zu adäquaten Behandlungen haben werden.
Durch die Befundung eines Kooperationspartners über die App sollen einerseits lange Wartezeiten für Facharzttermine reduziert, (unnötige) weite Wege zu Dermatologen verringert und die Therapie schneller begonnen werden. Andererseits wird erwartet, dass sich die Anzahl schwerwiegender Verläufe einiger Hauterkrankungen durch eine zeitnahe Diagnostik und Therapie sowie die Zahl der im Krankenhaus behandelten „Notfälle“ reduziert.
4 Die Projektpartner
Für die Umsetzung des Projektes kooperieren die UMG, die Informations- und Kommunikationsgesellschaft mbH Neubrandenburg (InfoKom) und das Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH (inav) mit der Techniker Krankenkasse Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern.
5 Aktueller Stand der Umsetzung
Das Projekt ist zum 01. März 2017 gestartet. Inzwischen konnten 114 Hausärzte, 19 Dermatologen, zehn Krankenhäuser und eine Reha-Klinik als Kooperationspartner für das Projekt gewonnen werden (Stand 02/2017). Die App wird bis September 2017 technisch optimiert und die niedergelassenen Ärzte werden im Umgang mit der Anwendung geschult. Ab September sollen in größerem Umfang Anfragen bearbeitet werden können, um im "Echtbetrieb" die Machbarkeit auf die Probe zu stellen. Bevor im Februar 2018 mit der eigentlichen Versuchsphase begonnen wird.