Autor:innen:
K. Bergmann (Berlin, DE)
R. Bergmann (Berlin, DE)
R. Schlack (Berlin, DE)
R. Richter (Berlin, DE)
A. Weichert (Berlin, DE)
W. Henrich (Berlin, DE)
Fragestellung: Schwangerschaftsdiabetes (Damm et al 2012) und vorbestehender Diabetes in einer Schwangerschaft (RL Bergmann et al, 1984) gelten als Risikofaktoren für Adipositas, Herz-Kreislaufkrankheiten und Diabetes der Kinder.
Steht Diabetes in der Schwangerschaft auch in Beziehung zu nicht-somatischen Gesundheitsproblemen der Kinder, speziell ADHS?
Methodik: Die Basiserhebung des Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS, 2003 – 2006; Altersbereich zwischen 0 und < 18 Jahren) war mit 17.641 Teilnehmern die erste bundesweit repräsentative Studie in Deutschland zu Wachstum, Ernährung, somatischer, sozialer und psychischer Gesundheit, zu Entwicklung, Verhalten, zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und sozialer Lage. Neben Informationen zu Diabetes in der Schwangerschaft liegen Elternangaben zu Hyperaktivitätsymptomen (SDQ), einer durch Arzt oder Psychologen gestellten ADHS-Diagnose und ADHS-Verdachtsfällen vor, außerdem Daten zu potenziellen weiteren Einflussfaktoren auf ADHS. Zusammenhänge in bivariaten und in multivariaten, logistischen Modellen (IBM SPSS 23.0) werden bei p < 0,01 als signifikant bezeichnet.
Ergebnisse: Auch nach Kontrolle für weitere signifikante Einflüsse auf ADHS, wie Geschlecht, Altersgruppe, Sozialstatus, Rauchen, Migrationshintergrund und Stilldauer blieben die Zusammenhänge zwischen Diabetes in der Schwangerschaft und elternberichteter Hyperaktivität (OR 1,76; p=0,008), ADHS-Diagnose (OR 2,24; p=0,000) sowie ADHS-Verdachtsfall (OR 1,96; p=0,000) signifikant.
Diskussion: Trotz der Stabilität der auch in multivariaten Modellen signifikanten Ergebnisse und der Bestätigung bereits vorliegender Beobachtungen durch die bevölkerungsrepräsentative Datenbasis ist eine Kausalität nicht zu beweisen, weil es sich um Querschnittsdaten handelt, ADHS nicht klar genug definiert und nur ein Teil der Hill-Kriterien erfüllt ist. Diabetes in der Schwangerschaft wurde vor allem in der Vergangenheit unterdiagnostiziert. Dadurch könnte die Stärke des Zusammenhangs unterschätzt worden sein.
Schlussfolgerungen: Der konsistent zu beobachtende Zusammenhang zwischen Diabetes in der Schwangerschaft und ADHS könnte auf epigenetische Einflüsse hinweisen. Für die Erfüllung der Hill-Kriterien der Kausalität wären differenziertere Daten aus der Schwangerschaft in einer prospektiven Geburtskohortenstudie zu gewinnen, in der über die somatischen Indikatoren hinaus auch gut definierte, nicht somatische Zielvariable – einschließlich ADHS - erhoben werden sollten. Kontrollierte Interventionsstudien und pathophysiologische Untersuchungen wären unverzichtbar.