Hintergrund
Die USA bieten seit 1997 Patentverlängerungen für Kinderstudien, seit 2003 darf die Food and Drug Administration (FDA) Kinderstudien auch ohne Patentverlängerung verlangen, seit 2007 verlangt die EU für Neuzulassungen einen "pediatric investigation plan" (PIP). Beide Regionen definieren Kinder nach Alter: < 16 (FDA), < 18 (EU).
Fragestellung
Machen separate klinische Wirksamkeitsstudien an jungen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und Hyperphosphatämie medizinischen Sinn?
Material & Methoden
Die PA21 (Velphoro®)/ Calcium Acetat (Phoslyra®) Studie, www.clinicaltrials.gov Nr. NCT02688764, an 0-17jährigen mit chronischer Niereninsuffizienz und Hyperphosphatämie rekrutiert weltweit (D, F, LT, PL, RO, US) 130 Patienten in 35 Zentren; in Deutschland in Giessen und Marburg.
Ergebnisse
Diese Studie beruht auf einem US Food and Drug Administration (FDA) "Written Request"*, der nach Studienabschluss 6 Monate US-Patentverlängerung erlaubt, und dem PIP EMEA-001061-PIP01-10-M02. Die Altergrenze von < 18 Jahren ist administrativ. Sie ist vielleicht für die KFZ-Fahrerlaubnis geeignet, aber sicher nicht als Altergrenze für pharmazeutische Behandlung. In den 1950igern wurden Toxizitäten und Tod durch Antibiotika bei Frühgeborenen berichtet. Shirkey postulierte 1968, Kinder seien "therapeutische Waisenkinder". Die US American Academy of Pediatrics (AAP) und die FDA entwickelten gemeinsam die Forderung nach separaten Kinderstudien. Die FDA verlieh 1979 der Altersgrenze von 16 Jahren eine amtliche physiologische Konnotation. Das erste US Gesetz zur Förderung von Kinderstudien wurde 1997 erlassen; dies inspirierte die EU Gesetzgebung.
Diskussion
Die EU übernahm die chronologische Definition von Kindern und dehnte sie auf 18 Jahre aus. Spontane Bereitschaft zum Schutz von Kleinkindern wurde zur Forderung nach separaten Studien benützt. Aber junge Menschen sind keine andere Spezies. PA21 und Calzium Acetat wirken auch vor dem 18. Geburtstag.
Schlussfolgerung
Separater Wirksamkeitsnachweis von PA21 und Calzium Acetat bei Menschen < 18 Jahren ist Unsinn. Zur Dokumentation der Sicherheit ist diese Studie überdimensioniert. Statt einer weltweiten Studie mit 35 Zentren wäre medizinisch ein registry angebracht. Diese Studie sollte suspendiert werden. Kliniker und Ethikkomitees unterschätzen die Gefahr von pädiatrischen FDA-Forderungen und PIPs für Patienten, für das öffentliche Vertrauen in klinische Forschung, und für den wissenschaftlichen Ruf Europas und der westlichen Welt. Die DGKJ braucht eine grundlegende Diskussion um die die Rechtfertigung getrennter Zulassungen für Erwachsene und Kinder und den Sinn/Unsinn von PIPs und FDA-geforderten Kinderstudien.
*www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/appletter/2013/205109Orig1s000ltr.pdf
Hintergrund
Die Fanconi-Anämie (FA) ist eine erbliche Störung der DNA-Reparatur und gekennzeichnet durch eine progressive Panzytopenie, Knochenmarkinsuffizienz, angeborene Fehlbildungen und eine Prädisposition zum Auftreten hämatologischer oder solider Tumoren. Ursache der FA sind Mutationen in den Genen für die DNA-Reparatur und der genomischen Stabilität. Das Fanconi Anämie „complementation group“ D1(FANCD1) Gen, besser bekannt als BRCA2, ist verantwortlich für die genomische Stabilität der Zelle. Monoallelische Mutationen dieses Gens prädisponieren im Erwachsenenalter am häufigsten zum Mama– und Ovarial Karzinom. In kindlichen Tumorprädispositionssyndromen wird FANCD1 FA durch eine biallelische Inaktivierung des FNACD1/BRCA2 Gens ausgelöst. Anstelle von Knochenmarksaffektionen erkranken diese Kinder an hoch aggressiven embryonalen Tumoren, meist in der ersten Lebensdekade, z.Bsp. Medulloblastom und Nephroblastom.
Methoden/ Fallbericht
Wir identifizierten 2 Familien mit FANCD1/BRCA2 Genveränderungen;
Familie1: eine erstgradig konsanguine Familie mit 6 Kindern, von denen 3 ein Nephroblastom entwickelten, in einem medianen Lebensalter von 24 Monaten. Davon verstarb das erste Kind unmittelbar nach Diagnosestellung im Ausland im Alter von 9 Monaten, das zweite an einem Re- Rezidiv eines Glioblastoms mit 11 Jahren, 6 Jahre nach Erstdiagnose des Hirntumors und 8 Jahre nach der Ersterkrankung an einem intermediären Nephroblastom. Das dritte Kind überlebte nach Multiorganversagen bei Sepsis unmittelbar nach der ersten Gabe Chemotherapie im Rahmen der Erstdiagnosestellung und zeigte im weiteren Verlauf eine deutlich erhöhte Therapietoxizität. Phänotypisch waren alle betroffenen Kinder kleinwüchsig, adipös, mikrozephal und zeigten axilläre Crowe Zeichen.
Familie 2: die Großmutter mütterlicherseits verstarb an einem metastasierten Mammakarzinom im Alter von 34 Jahren. Ihre Tochter erkrankte an einem Medulloblastom im Alter von 9,5 Jahren. Sie überlebte und wurde Mutter eines Sohnes, der im Alter von 25 Monaten an einem Nephroblastom erkrankte.
Ergebnisse
Familie 1: die molekulare Analyse zeigte eine compound heterozygote Mutation im FANCD1/BRCA2 Gen.
Familie2: die molekulare Analyse ergab einen BRCA2 rs144848 Polymorphismus bei Mutter und Sohn, der mit diversen Krebserkrankungen assoziiert ist, einschließlich Mamma- und Ovarial Karzinome.
Schlussfolgerung:
Die Identifizierung von BRCA2/FANCD1 Genaffektionen sind von wachsendem Interesse in kindlichen Tumorprädispositionssyndromen und deren therapeutischen Optionen. Bei homozygoten oder compound heterozygoten Mutationen sollte insbesondere die erhöhte Therapie Toxizität von zielgerichteten Therapien, zBsp PARP Inhibitoren bei Kindern, zusätzlich zur konventionellen Chemotherapie weiter untersucht werden.
Hintergrund
Medulloblastome sind die häufigsten kindlichen malignen Hirntumore. Die Therapie beinhaltet ein multimodales Behandlungskonzept aus Operation, kraniospinaler Bestrahlung und Chemotherapie. Beträchliche Spätfolgen bei den Überlebenden stellen cerebrovaskuläre Komplikationen dar, insbesondere cerebrale Mikroblutungen (CMB) oder cerebrale cavernöse Malformationen (CCM). Zunehmend sensitivere Techniken der Bildgebung des zentralen Nervensystems, wie „susceptibility-weighted magnetic resonance imaging“ (SWI) detektieren frühzeitig fokale Hämosiderin Ablagerungen als Hinweis für hämorrhagische oder proliferative Mikroangiopathien. Ziel dieser Studie war die Bestimmung der Prävalenz von SWI Läsionen in einer Kohorte von Überlebenden nach Medulloblastomerkrankung in der Kindheit
Methoden/ Design
26 ehemalige Medulloblastom Patienten wurden in diese prospektive „single center“ Studie eingeschlossen und mittels kraniospinalem MRT mit SWI Sequenzen untersucht. CMB wurden definiert als Foci > 2mm, die nicht mit Gefäßen der darauffolgenden Schnitte korrespondierten. Für jeden Patienten wurden die individuellen Läsionen von einem Neuroradiologen identifiziert und gezählt.
Ergebnisse
Alle untersuchten 26 Überlebende nach Medulloblastomerkrankung im Kindesalter (mean follow up age 24.2 years, range 4.58 - 53.75 years) wurden mittels Operation und Radiochemotherapie behandelt. Zwei Patienten mussten sich bereits einer chirurgischen Resektion von CCM unterziehen. Bei 24 Individuen (92%) konnten SWI Läsionen > 2mm festgestellt werden mit einer Gesamtanzahl von 366 Läsionen. Weitere Analysen ergaben im Mittel 14 Läsionen pro Patient (Median 7.5, range 0 - 71). 16 Personen (62%) zeigten Läsionen > 4mm, verdächtig auf eine CCM. Eine längere Nachsorgedauer korrelierte mit einer signifikant höheren Anzahl an Gesamtläsionen. (r=0.46, p < 0.05)
Schlussfolgerung:
Obwohl meist asymptomatisch, treten CMB und CCM sehr häufig nach einer multimodalen Behandlung eines Medulloblastoms im Kindesalter auf. Diese Studie zeigt, dass alle kleinen Läsionen, die im konventionellen MRT nicht sichtbar sind, in den SWI Sequenzen bereits detektiert werden können. Obwohl ihre klinische Bedeutung bislang noch unklar erscheint, stellen sie einen frühen Marker einer vaskulären Schädigung dar, der mit den klinischen Angaben von Kopfschmerzen, fokal neurologischem Defizit und Krampfanfällen assoziiert ist. Weitere Studien sind notwendig, um MRT Sequenzprotokolle mit SWI Sequenzen zu standardisieren und die Langzeitnachsorge von Überlebenden nach Medulloblastomerkrankung zu verbessern.
Hintergrund
MicroRNAs (miRs) sind kleine, nicht-kodierende regulatorische RNA Moleküle, die meist auf translationaler Ebene die Expression bestimmter Gene hemmen. Viele miRs sind umfassend beschriebene Regulatoren bei verschiedenen neoplastischen Erkrankungen. Das Hepatoblastom (HB) ist der häufigste maligne Lebertumor des Kindesalters. Obwohl sich die Prognose von HB Patienten in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert hat, ist die Mortalität unter Hochrisiko Patienten weiterhin hoch.
Ziele
Welche Rolle miRs im HB als Biomarker spielen ist noch nicht abschließend geklärt. Diese Studie untersucht, ob die miR-23b als Biomarker im HB verwendet werden kann.
Material und Methoden
Es wurden 25 HB Proben und 7 Proben von gesundem Lebergewebe mittels quantitativer realtime-PCR hinsichtlich der Expression von miR-23b untersucht. Die miR-23b Expression wurde mit anderen Parametern, unter anderem Gesamtüberleben, Gefäßinfiltration und Multifokalität, verglichen.
Ergebnisse
Zwischen HB und gesundem Lebergewebe konnte kein signifikanter Unterschied gemessen werden. Hinsichtlich Gefäßinfiltration und Multifokalität zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der miR-23b Expression. HB können anhand einer vorbeschriebenen Gensignatur aus 16 Genen in Hochrisiko und Niedrigrisiko HB unterschieden werden. Die Expression von miR-23b ist in Hochrisiko HB signifikant niedriger als Niedrigrisiko HG. Anhand des Kaplan-Meier-Schätzers konnten wir zeigen, dass das Überleben von Patienten mit niedriger miR-23b Expression signifikant schlechter ist als bei Patienten mit höherer miR-23b Expression.
Schlussfolgerungen
MiR-23b ist ein potentieller prognostischer Biomarker für HB.
Hintergrund
Die Inkontinenz-assoziierte Dermatitis (IAD) ist mit einer Prävalenz von 7% bis 35% ein häufiges Pflegephänomen bei Kindern mit physiologischer Inkontinenz. Zahlreiche Produkte und pflegerische Interventionen werden zur Prävention und Behandlung eingesetzt.
Fragestellung
Welche pflegerischen Interventionen sind bei Frühgeborenen, Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern mit physiologischer Inkontinenz zur Therapie der Inkontinenz-assoziierten Dermatitis wirksam?
Suchstrategie
Die systematische Recherche erfolgte in den Datenbanken MEDLINE, Cochrane Library: CENTRAL und CDSR, CINAHL und Embase. Es wurde keine Handsuche oder Expertenbefragung durchgeführt.
Auswahlkriterien
Eingeschlossen wurden experimentelle Studien und Beobachtungsstudien zu pflegerischen Interventionen für Frühgeborene, Neugeborene, Säuglinge und Kleinkinder mit IAD. Ausschlusskriterien waren Hautinfektionen im Windelbereich zu Studienbeginn sowie ärztliche Therapien.
Datensammlung und -analyse
Nach der Auswahl der Studien durch Titel, Abstract und Volltext wurden Studienmerkmale extrahiert, das Verzerrungsrisiko eingeschätzt (Cochrane RoB Instrument, ACROBAT-NRSI, NOS) und Effektmaße berechnet (Relatives Risiko, Mittelwertsdifferenz). Alle methodischen Schritte wurden von einer Forschenden ausgeführt.
Ergebnisse
20 Primärstudien mit 3800 Kindern bis 4 Jahre mit IAD aus dem häuslichen sowie klinischen Bereich wurden eingeschlossen. Das Verzerrungsrisiko der Studien wird hoch eigeschätzt. Zinkoxid/Lebertran ist wirksamer als lokal aufgetragene Muttermilch (RR: 1,57 [95%KI: 1,15; 2,12]), Tonerde verbessert die Heilung im Vergleich zu Calendula (RR: 1,95 [95%KI: 1,40; 2,72]) und die Supplementation von Magnesium in Calendula verkürzt die Heilung um mehr als eineinhalb Tage (MD: -1,75 [95%KI: -2,04; -1,46]). Desinfizierende Wirkstoffe reduzieren gegenüber Barrierecremes die IAD stärker (Eosin RR: 2,75 [95%KI: 1,07; 7,04]; Oxychinolin RR: 6,50 [95%KI: 1,72; 24,53]; Sudocrem® MD: -2,50 [95%KI: -3,11; -1,89]). Windeln mit Superabsorbern sowie die Anwendung von 3-in-1-Tücher können einen kleinen positiven Effekt auf die Heilung der IAD bewirken.
Diskussion
Die Ergebnisse beruhen auf oftmals kleinen Einzelstudien und die Qualität der eingeschlossenen Studien wird niedrig eingeschätzt. Aufgrund der Heterogenität der Studien kann keine Meta-Analyse durchgeführt werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Studien die Ergebnisse verändern werden.
Schlussfolgerungen
Qualitativ hochwertige Studien sind notwendig, um die Wirksamkeit der pflegerischen Interventionen zur Therapie der IAD abschließend zu bewerten. Ein validiertes Assessment-Instrument wird benötigt, um den Heilungsverlauf objektiv zu beurteilen.
Schlagwörter
Windeldermatitis, Inkontinenz-assoziierte Dermatitis, pflegerische Interventionen, Therapie, systematisches Review
Kasuistik: 5 Wochen alter weiblicher Säugling mit akut aufgetretener Gesichtsschwellung rechts, mit Progredienz innerhalb von Stunden. Deutliche Schwellung präaurikulär, prall, keine Rötung, keine Überwärmung. Zusätzlich cervical rechts eine rötlich-bläuliche Hautveränderung, die laut Eltern seit Geburt bestand und sich nicht verändert habe.
Sonographisch zeigt sich eine vergrößerte Parotis mit deutlich gesteigerter Durchblutung im Vergleich zur Gegenseite, ohne Abszess oder gestauten Ausführungsgang. Laborchemisch keine erhöhten Entzündungszeichen, die Serologie auf Mumps ergibt Befunde einer mütterlichen Leihimmunität.
Bei Verdacht auf eine bakterielle Parotitis, als häufigste Ursache einer einseitigen Parotis-Schwellung im frühen Säuglingsalter, wird eine antibiotische Therapie mit Cefuroxim eingeleitet. Hierunter nur minimale Größenregredienz und im Verlauf erneute Zunahme.
8 Tage nach Erstvorstellung deutliche Zunahme der Farbintensität der Hautveränderung, nun gut vereinbar mit dem typischen Proliferationsverhalten eines infantilen Hämangioms. Die Sonographie der Parotis ergibt eine noch ausgeprägtere Hypervaskularisierung. Unter der Diagnose eines infantilen Hämangioms der Parotis nun Beginn einer Therapie mit Propranolol. Bereits nach drei Tagen ist die Schwellung weniger derb palpabel, nach neun Tagen zeigt sich deutliche Größenregredienz der Parotis.
Diskussion: Infantile Hämangiome können kutan oder subkutan auftreten und zeigen einen typischen Verlauf mit einer frühen Proliferationsphase in der ersten Lebensmonaten. Hämangiome der Parotis sind sehr selten, machen jedoch 50% der Parotis-Tumoren im ersten Lebensjahr aus. Parotis-Hämangiome haben eine hohe Tendenz zu Ulzerationen (59%) und zum übergreifenden Wachstum auf die Larynxregion. Mit Propranolol steht seit einigen Jahren ein hoch effektives und gut verträgliches Medikament zur Verfügung, so dass - trotz der Tendenz zur Spontanregression - ein früher Therapiebeginn zur Vermeidung von Komplikationen erwogen werden sollte. In über 50% der Fälle besteht, wie in unserem Fall, gleichzeitig ein kutanes Hämangiom. Auch bei fehlender kutaner Manifestation muss jedoch bei einer Parotis-Schwellung im typischen Alter an die Differentialdiagnose eines infantilen Hämangioms gedacht werden. Das gute Ansprechen auf eine Propranololtherapie kann in Zweifelsfällen als zusätzliches diagnostisches Kriterium dienen.
Hintergrund
Die Trichothiodystrophie (TTD) ist eine seltene und sowohl klinisch als auch molekulargenetisch heterogene Krankheitsgruppe. Zu den klinischen Hauptmerkmalen zählen kurze und brüchige Haare, sowie neurologische Auffälligkeiten im Sinne einer psychomotorischen Entwicklungsverzögerung. Die TTD wird auf molekulargenetischer Ebene aktuell in sechs Untergruppen (TTD1 – TTD6) eingeteilt. Klinisch und molekulargenetisch unterscheidet man außerdem eine fotosensitive und eine nicht-fotosensitive Form der TTD.
Fragestellung
Im Sozialpädiatrischen Zentrum werden zwei Geschwister zur neuropädiatrischen Mitbetreuung vorgestellt. Das 8-jährige Mädchen und der 17-jährige Junge zeigen klinisch beide eine kombinierte komplexe Entwicklungsstörung, einen Kleinwuchs, kurze und brüchige Haare und kleinflächige Alopezie-Areale. Der Junge hat zusätzlich eine Pubertas tarda. Die Familie stammt aus dem Irak und die Eltern sind konsanguin. Insgesamt hat die Familie 6 Kinder, wobei ein 19-jähriger Sohn die gleichen Symptome aufweist. Die anderen Kinder sind gesund. Auf Grund der Anamnese und der Klinik stellte sich die Frage nach einer genetischen Ursache der Erkrankung.
Methoden
Wir führten zunächst eine durchlicht- und eine polarisationslichtmikroskopische Untersuchung der Haare durch.
Ergebnisse
Bereits in der Durchlichtmikroskopie waren eine deutliche Unregelmäßigkeit in der Haarstruktur zu erkennen. Dies wurde in der Polarisationsmikroskopie noch deutlicher. Hier imponierte der Befund eines tiger tail banding Musters. Dieser Befund ist pathognomisch für die Trichothiodystrophie (TTD). Auch in der angeschlossenen genetischen Untersuchung, konnte die Diagnose der TTD bestätigt werden. Hierbei zeigte sich eine 148 kb große Deletion auf Chromosom 7 inklusive des gesamten MPLKIP-Gens und Exon 1-8 des SUGCT-Gens in homozygoter Form. Deletionen des MPLKIT-Gens wurden für nicht-photosensitive TTD beschrieben. Pathogene Veränderungen im SUGCT-Gen können einen Glutaryl-CoA-Oxidase-Mangel, mit vermehrter Ausscheidung von Glutarsäure im Urin verursachen
Schlussfolgerung
Bei kurzen und brüchigen Haaren in Kombination mit einer psychomotorischen Retardierung sollte an eine TTD gedacht werden. Eine Polarisationsmikroskopie sollte einer genetischen Untersuchung vorangehen. Beim Nachweis eines tiger tail banding Musters, sollten die Diagnose noch durch eine genetische Untersuchung bestätigt werden.
Abstract
Mit einer Prävalenz von 4-5% stellen infantile Hämangiome die häufigsten vaskulären Tumoren des Kindesalters dar. Ihre Ätiologie ist noch nicht vollständig geklärt. Neben dem weiblichen Geschlecht gelten Frühgeburtlichkeit und Gewebshypoxie als Risikofaktoren. Die Hypothese der Gewebshypoxie wurde durch Fälle des PHACES-Syndroms (Posterior fossa-Fehlbildungen, Hämangiom, Anomalien von Herz, Augen und/oder Sternum) begründet, bei denen große segmentale Gesichtshämangiome mit ipsilateral lokalisierten Anomalien (Hypo- oder Aplasien, Stenosen) intrazerebraler Gefäße korrelierten. Bisher wurden segmentale faziale Hämangiome (SFH) ab einem Durchmesser von ≥5 cm als relevant für derartige Assoziationen erachtet.
Fragestellung: Assoziation auch kleinerer (≤ 5 cm) segmentaler fazialer Hämangiome (SFH) mit neurovaskulären Anomalien.
Patientenkollektiv: 55 Kinder (39 Mädchen, 16 Jungen, f:m= 2.4:1) mit SFH, die von 2005-2018 in der Abteilung Pädiatrische Dermatologie des Kinderkrankenhauses Wilhelmstift vorgestellt wurden.
Methodik: Korrelation von Größe und Lokalisation der SFH mit neurovaskulären Veränderungen im Angio-MRT des Schädels und der Gefäße von Hals und Aortenbogen.
Ergebnisse: Unter den 55 SFH-Patienten erfüllten 13 die Kriterien für ein PHACE-Syndrom, 42 nicht. Bei 48 Kindern wurde ein cMRT durchgeführt, 22 Kinder (je 11 mit PHACE und SFH ohne PHACE) zeigten dabei vaskuläre Malformationen. Der mediane Durchmesser der SFH lag bei den Kindern mit SFH bei 3,4 cm (Range 0,6 cm-10,5 cm), bei den Kindern mit PHACE Syndrom 8,6 cm (Range 4,1 cm-11,8 cm). Der Hämangiom-Durchmesser lag bei 7/11 Kinder mit SFH und 2/11 mit PHACE unter 5 cm. Patienten mit PHACE bzw. SFH zeigten eine ähnliche Verteilung der SFH im Bereich der embryonalen Plakoden des Gesichtes. Die Segmente 1 und 2 waren am häufigsten betroffen.
Kinder mit einem SFH wiesen in 6/11 Fällen eine vaskuläre Malformation im Bereich des Circulus arteriosus cerebri auf. Am häufigsten waren in diesem Bereich die Arteria vertebralis , die Arteria ophthalmica sowie die Arteria cerebri posterior betroffen. Alle neurovaskulären Anomalien waren ipsilateral mit den segmentalen Hämangiomen lokalisiert.
Auch bei den Kindern mit einem PHACE Syndrom traten die vaskulären Malformationen am häufigsten im Bereich des Circulus arteriosus cerebri auf (9/11 Fälle). Die Arteria vertebralis , die Arteria cerebri anterior und die Arteria cerebri posterior waren am häufigsten betroffen.
Schlussfolgerungen: Unsere Studie zeigt, dass auch Kinder mit kleineren SFH assoziierte neurovaskuläre Veränderungen aufweisen können, ohne andere Kriterien des PHACE-Syndroms zu erfüllen. Bei segmentalen Gesichtshämangiomen sollte die Indikation zur Durchführung eines Angio-MRT daher großzügig gestellt werden.
Hintergrund: Das kongenitale nephrotische Syndrom (CNS) ist eine seltene genetische Erkrankung, die mehrheitlich durch Mutationen im Nephrin- (NPHS1) oder Podocin-kodierenden Gen (NPHS2) verursacht wird und zu einer defekten Schlitzmembranbildung der Podozyten führt. Eine große Proteinurie ist bereits bei Geburt vorhanden und mündet in eine terminale Niereninsuffizienz, was zu hoher Mortalität führen kann. Darüber hinaus sind Infektions- und Thromboserisiko dtl. erhöht Die Therapie besteht in der Substitution von Humanalbumin, bilateraler Nephrektomie, um den hohen Proteinverlust zu vermeiden, sowie Nierenersatztherapie. Eine immunsuppressive Therapie ist unwirksam.
Kasuistik: Wir berichten über einen frühgeborenen Jungen (SSW 28 + 6, GG 860 g) konsanguiner, aus Afghanistan stammender Eltern, welcher bereits präpartal durch eine Wachstumsretardierung, verkürzte Röhrenknochen sowie erhöhtes Alfa Fetoprotein (AFP) im Fruchtwasser auffiel. In den ersten Lebenstagen entwickelte der Junge eine progrediente Niereninsuffizienz und Proteinurie (initial > 4,4 g Albumin/g Kreatinin), die zu massiven Ödemen und Drainage-pflichtigem Aszites führten. Der Verlauf wurde kompliziert durch mehrere Septitiden sowie eine progrediente cholestatische Leberinsuffizienz, die histologisch als unspezifische neonatale Riesenzellhepatitis mit duktulärer Proliferation eingeordnet wurde. Umfassende Stoffwechseldiagnostik blieb unauffällig. Eine Genanalyse ergab eine bisher nicht beschriebene homozygote Nonsense-Mutation in Exon 7 des Nephrin Gens c.829C>T p.(Gin277*). Neben Humanalbumin- und Immunglobulin Infusionen therapierten wir mit einem ACE-Hemmer, auf die Nephrektomie wurde aufgrund der Unreife verzichtet, eine Nierenersatztherapie war nicht erforderlich (Kreatinin max. 1,67 mg/dl). Auf dem Boden einer Klebsiellen-Sepsis mit Kreislaufversagen verstarb der Junge im Alter von 4 Monaten.
Schlussfolgerungen:
• ein CNS bei extrem Frühgeborenen stellt eine therapeutische Herausforderung dar
• die gefundene Mutation kann als pathogen angesehen werden
• die Genese der Leberinsuffizienz bleibt unklar und ist nicht in primärem Zusammenhang mit dem CNS zu sehen
• ein erhöhtes AFP im Fruchtwasser kann auf das Vorliegen eines CNS hindeuten
Einleitung
Tumorleiden in der Schwangerschaft sind selten, aber keine Rarität. Das maligne Melanom ist der häufigste nicht gynäkologische Tumor in der Schwangerschaft und birgt das Risiko einer diaplazentaren Metastasierung. Risiken für das Kind können durch eine Strahlenexposition in der Schwangerschaft oder Nebenwirkungen von medikamentöser Tumortherapie entstehen.
Kasuistik
Das Kind einer 48-jährigen Mutter mit malignem Melanom Stadium IV wurde in der 37 SSW mittels primärer Sectio caesarea aus mütterlicher Indikation geboren. Während der Schwangerschaft kam es ab der 17. SSW zu einer relevanten Strahlenbelastung durch diagnostische und therapeutische Maßnahmen. Wegen der reduzierten Lungenfunktion (diffuse pulmonale Metastasierung) war eine MRT der Mutter in der Schwangerschaft nicht möglich, sodass insgesamt drei CTs durchgeführt werden mussten; darüber hinaus musste aufgrund der desolaten pulmonalen Situation eine mediastinale Notfallradiatio mit 5 Gray eingeleitet werden. Wegen der nachgewiesenen BRAF, V600E Mutation des Tumors wurde in der 19. SSW die Strahlentherapie durch eine medikamentöse Therapie mit Dabrafenib und Trametimib ersetzt. Die postnatale Anpassung des Kindes war unauffällig. Klinisch zeigten sich keine Metastasen des malignen Melanoms. Die Plazenta wurde histologisch untersucht; Metastasen konnten nicht nachgewiesen werden. Auch die Sonographie der inneren Organe ergab keinen Anhalt für eine diaplazentare Metastasierung, ebenso konnte eine Netzhautmetastasierung ausgeschlossen werden. Aufgrund der Strahlenexposition (12 Milligray) sowie der Exposition gegenüber Proteinkinaseinhibitoren in der Schwangerschaft erfolgt eine engmaschige Nachsorge in der onkologischen Ambulanz unserer Klinik.
Diskussion:
Bei schwangeren Patientinen mit malignem Melanom sollte postpartal die histologische Untersuchung der Plazenta durchgeführt werden. Das Neugeborene sollte klinisch und sonographisch zum Ausschluss von Metastasen untersucht werden. Bei Verdacht auf eine diaplazentare Metastasierung durch die Pathologie sollte eine Liquid-Biopsie, d.h. ein Nachweis von Tumorzellen, beziehungsweise DNA von Tumorzellen im Blut des Kindes angestrebt werden.
Angesichts der relevanten Strahlenexposition in der Schwangerschaft sowie der Exposition gegenüber Proteinkinaseinhibitoren musste ein Nachsorgeprogramm für das Neugeborene erstellt werden. Trotz des nicht genau kalkulierbaren Risikos ist es notwendig, hierfür ein mit Strahlentherapeuten und Onkologen abgestimmtes Konzept zu erstellen. Besonders hervorzuheben ist weiterhin, dass trotz gegebener Indikation eine sehr sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiken bei der Therapie und Diagnostik von Schwangeren mit onkologischer Grunderkrankung notwendig und eine Strahlen- und Medikamentenexposition wann immer möglich zu vermeiden ist.
Sternum-Spalten resultieren aus einer Störung der Fusion der Sternumanteile, ab der 9. Woche Schwangerschaftswoche (Shamberger, 2000). Mit einer Prävalenz von ca. 1:100.000 sind sie seltene Fehlbildungen. Eine Erkennung des klinischen Befundes im Säuglingsalter ist zwingend erforderlich, um eine frühzeitige Therapie einleiten zu können (Alshomer et al., 2017). Wir berichten über eine 1 4/12 Monate alte weibliche Patientin, welche in unsere kinderpneumologische Sprechstunde zur weiterführenden Abklärung einer seit Geburt bestehenden atemabhängigen ventralen Vorwölbung des Halses zugewiesen wurde. Im klinischen Status fiel neben der deutlichen jugulären Vorwölbung in Exspiration bzw. flächigen Einziehung in Inspiration eine sehr tief imponierende breite und flache kraniale Sternumkante auf. Die Claviculae waren bds. tastbar und zogen zum Ansatz der 1./2. Rippe. Zudem war eine reizlose, ca. 8mm messende punktförmige Hautmarke mit zentraler Einziehung und Aplasie des subcutanen Fettgewebes über dem kranialen Anteil des Sternums sichtbar. Atemgeräusche oder Stimmauffälligkeiten wurden durch die Eltern verneint. Die Eigenanamnese und die Familienanamnese waren leer. In der weiterführenden Diagnostik fiel sonomorphologisch ein weit kranial sitzender Thymus auf. Echokardiographisch ergab sich ein Normalbefund. Bronchoskopisch waren der Larynx, die Trachea und die Stammbronchien unauffällig. In der MRT zeigte sich das Sternum partiell aplastisch. Lediglich der Processus xiphoideus und der untere/mittlere Anteil des Corpus waren angelegt, nicht aber der obere Corpusanteil und das Manubrium. Hier waren lediglich knorpelige Strukturen im Bereich der eigentlichen Costo-Sternal- und Sternoclaviculargelenke darstellbar. Median/paramedian war in diesem Bereich ein großer V-förmiger Defekt sichtbar und Mediastinum und Thymus nur durch eine dünne Faszie vom Subcutangewebe getrennt, sodass die Diagnose einer Sternumspalte bei partieller Sternumaplasie gestellt werden konnte. Es erfolgte ein beratendes Gespräch der Eltern durch die Kollegen der Kinderchirurgie. Es besteht die Möglichkeit der operativen Korrektur mittels Mobilisation der Rippenränder und der medialen Schlüsselbeinanteile. Zusätzlich ist eine Transplantation von Rippenknorpel oder von Anteilen des unteren Sternums nach kranial notwendig, um einen Cerclageverschluss des gesamten Verlaufes von Manubrium bis Xyphoid zu realisieren. Begleitend ist eine Entfernung des Porus möglich. Bei aktueller Beschwerdefreiheit entschieden sich die Eltern zunächst gegen eine operative Versorgung des Befundes. In der Literatur wird der Befund bei erhöhter Verletzungsgefahr des Herzens und der großen Gefäße im Rahmen eines potentiellen Thoraxtraumas als operationspflichtig eingestuft. Eine frühzeitige Therapie im Säuglingsalter ermöglicht häufig einen primären Verschluss durch Annäherung der Sternumleisten (Basraoui D. et al., 2018).
Hintergrund: Eine Epstein- Barr-Virus Infektion ist in der Regel selbstlimitierend und führt typischerweise zu dem klinischen Bild eines Pfeifferschen Drüsenfiebers. Eine seltene Komplikation, das v.a. im Erwachsenenalter ist, ist das plötzliche akute Lungenversagen, das auch bei immunkompetenten Patienten auftreten kann (1,2).
Fallbericht: 14 Jahre altes Mädchen mit leichter Retardierung und bekannter Abscence-Epilepsie bei frühkindlichem Hirnschaden ohne weitere (insbesondere pulmonalen) Vorerkrankungen.
Seit 14 Tagen Fieber bis 40 °C bei respiratorischem Infekt, kein Hinweis auf eine Tonsillitis. Antibiotische Therapie mit Amoxicillin mit leichter Besserung. Anfang der 3. Erkrankungswoche akute respiratorische Dekompensation mit Vigilanzminderung und Halluzinationen. Bei eintreffendem Notarzt Zyanose und Tachydyspnoe, SaO2 46%. Inhalation mit Salbutamol, Ipratropiumbromid, Gabe von Cefotaxim. Verlegung mit CPAP in eine externe Klinik. Bei weiterer Verschlechterung Intubation, Aspiration von Mageninhalt sowie Blut und kurzzeitige kardiopulmonale Reanimation. Verlegung auf unsere Intensivstation.
Initiales cCT ohne pathologischen Befund. In der Bronchoskopie massig trübes Sekret. Radiologisch kompakte weiße Lunge i.S. eines schweren ARDS.
Trotz umfassender intensivmedizinischer Behandlung (Volumen, Pufferung, FFP, Noradrenalin, Piperacillin/Tazobactam, Metronidazol, Aciclovir, Hydrocortison), wiederholten Inhalationen und maximaler Eskalation der Beatmungstherapie (FiO2 100%, PEEP 20 mbar, Pinsp 40 mbar, SpO2 Sätt. 80%, NO 20 ppm) zunehmende Verschlechterung der respiratorischen Situation mit pCO2 120 mmHg, Sättigung min. 11%. Verlegung auf die Intensivstation der Anästhesie zur Einleitung einer vvECMO. Unter vvECMO adäquate CO2-Reduktion und schrittweise bessere Oxygenierung. Beendigung der ECMO nach 4 Tagen, danach Extubation.
Verlegung am 6. Behandlungstag in unsere Kinderklinik. Hier rasche Besserung unter Inhalationen und Atemtherapie. Entlassung nach 13 Tagen. Als Ursache zeigte sich eine EBV Infektion. Nachweis von EBV mittels PCR (Trachealsekret 421.500 Kopien, Blut 231.000 Kopien). EBV Serologie: Nachweis von IgM, EBNA IgG und VCA IgG, im Verlauf abfallendes IgM. Mikrobiologische Kulturen (Blut, Magen-, Trachealsekret) und weitere Serologien blieben unauffällig. Erweiterte Immundiagnostik ohne Hinweis auf einen Immundefekt, Störung des Komplementsystems oder HIV.
Schlussfolgerung: Eine EBV Infektion ist im Kindes- und Jugendalter meist eine selbstlimitierende Erkrankung mit oft unkompliziertem Verlauf. Bei akutem respiratorischen Versagen muss differentialdiagnostisch auch an eine EBV Infektion gedacht werden. Ein schnelles und ggf. interdisziplinäres Vorgehen ist in solchen lebensbedrohlichen Situationen entscheidend für das Überleben des Patienten.
Literatur:
1. Riachy M, et al. Rev Mal Respir. 2007 May;24(5):639-43.
2. Tachikawa R, et al. Respiration. 2014;87(4):279-86.