10:00 Uhr
Historisches Bewusstsein und Gedenken. Zur Genese und zu den Folgen des Forschungsprojekts.
U. Fölsch (Kiel0)
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Autor:in:
U. Fölsch (Kiel0)
Nachdem zahlreiche andere medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften oder auch andere Einrichtungen des Gesundheitswesens zunehmend an der historischen Aufarbeitung ihrer Vergangenheit, auch in der NS-Zeit, gearbeitet haben, hatte sich die DGIM 2011 ent-schlossen, ein entsprechendes Forschungsprojekt auf den Weg zu bringen. Der DGIM ging es mit ihrem Schritt zur geschichtswissenschaftlichen Auf- und Verarbeitung ihrer Vergan-genheit jedoch nicht darum, Mitläufer zu brandmarken oder pauschal zu verurteilen. Vielmehr war es die Absicht, das in den eigenen Reihen nur verschwommen erhalten gebliebene histo-rische Wissen schärfer zu konturieren. Es galt Transparenz herzustellen, um zu klären, wie es passieren konnte, dass sich die Fachgesellschaft doch sehr weitgehend einem Unrechtsre-gime unterworfen hat.
„Wieso erst jetzt?“: Mit dieser Frage wird konfrontiert, wer heute Darstellungen zur NS-Vergangenheit von Einrichtungen oder Organisationen vorlegt. Immerhin hatte es bereits vor den Nürnberger Ärzteprozessen 1946/47 Wortmeldungen auch von Mitgliedern der DGIM gegeben, die schonungslos begangenes Unrecht beschrieben und nach den Ursachen such-ten. Die Resonanz in Fachgesellschaft, Medizin und breiter Öffentlichkeit blieb gering. Das Ausbleiben der Debatte mag, wie es der Philosoph Hermann Lübbe aus Zürich beschrieben hat, „für die Stabilisierung der postnationalistischen und sich demokratisierenden Gesellschaft notwendig gewesen sein“. Nach und nach wuchs jedoch der öffentliche Druck – gefördert durch Journalisten, Wissenschaftler und auch Ärzte. Ein neues Nachdenken setzte ein. Sich der Desiderate bewußt erschienen verstärkt seit den Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Ergebnisse konkreter Forschungen: Gerhard Baade, Ernst Klee und Robert J. Lifton gehören bis heute zu den beachteten Autoren jener Zeit.
Die DGIM hat die Erkenntnisse der nun vorliegenden geschichtswissenschaftlichen For-schungen für sich ausgewertet. So kam es beispielweise zu konkret wirksamen Konsequen-zen in der Erinnerungskultur der Fachgesellschaft: Die höchste Auszeichnung der DGIM wird seitdem nicht mehr nach dem ebenfalls in das NS-Regime verstrickten Gustav von Berg-mann, sondern nach dem Juden Leopold Lichtwitz benannt. Historisches Wissen hat zu dieser Entscheidung beigetragen. Als Bekenntnis zu ihrer historischen Verantwortung verabschiede-te der Vorstand der DGIM 2015 anlässlich des Jahreskongresses zu Beginn der Ausstellung „Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin in der NS-Zeit“ eine wichtige Erklärung, in der sie letztendlich betont, wie verletzlich die Errungenschaften freiheitlicher Gesellschaften sind und wie wichtig das permanente Ringen um Toleranz, Offenheit und Rechtsstaatlichkeit ist.
Am Ende müssen wir uns alle die Frage stellen, wie hätten wir uns verhalten, wenn wir in der damaligen Zeit gelebt hätten? Hätten wir uns durch die jahrelange „feine Verschiebung unse-rer Grundeinstellung“ genauso verhalten wie diese in dem jetzt erschienenen Buch beschrie-benen Täter und Mitläufer? Hätten wir Widerstand geleistet – in welcher Form auch immer – womöglich auch unter dem Risiko massivster Repressalien der bestehenden Diktatur? Diese Frage kann nur sehr schwierig beantwortet werden.
10:22 Uhr
Innenansichten. Methoden, Quellen und Ergebnisse der geschichtswissenschaftlichen Forschung zur Inneren Medizin.
H. Hofer (Münster0)
10:44 Uhr
Anpassung, Widerstand, Neuanfang. Zu Tätern, Verfolgten und Gegnern des Nationalsozialismus in der DGIM 1933-1970.
R. Forsbach (Münster0)