Autor:innen:
S. Gotthardt (Nürnberg, DE)
A. Franke (Nürnberg, DE)
T. Auerswald (Nürnberg, DE)
C. Kraska (Nürnberg, DE)
M. Mellou (Nürnberg, DE)
A. Hofmann (Nürnberg, DE)
V. Reith (Nürnberg, DE)
E. Freiberger (Nürnberg, DE)
C. Sieber (Nürnberg, DE)
D. Schoene (Nürnberg, DE)
Einführung
Die Abnahme der Muskelmasse ist ein bekanntes Phänomen des Alterns, welches u.a. assoziiert ist mit einer reduzierten körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. Ganggeschwindigkeit, Gleichgewicht und Kraft, wichtigen Risikofaktoren für Stürze im Alter. Der Einfluss der Muskelmasse auf das Sturzrisiko funktionell eingeschränkter alter Personen, einer besonders vulnerablen Gruppe, ist bisher nicht ausreichend untersucht worden.
Methodik
Die im Rahmen des Screeningprozesses (bis Juli 2017) einer randomisierten Kontrollstudie (SPRINTT-Studie, www.mysprintt.eu) durchgeführten Messungen des beteiligten deutschen Testzentrums wurden zur Beantwortung der Frage verwendet. Teilnehmer waren i) selbständig lebende, ii) funktionell eingeschränkte (Short Physical Performance Battery (SPPB) 3-9) Menschen iii) ≥70 Jahre iv) ohne starke kognitive Beeinträchtigungen (Mini-Mental-Status-Test>23). Der SPPB ist eine funktionelle Testbatterie und beinhaltet Messungen von Gleichgewicht (geschlossener Stand, Semitandem, Romberg), habitueller Ganggeschwindigkeit (4m) und Kraft (5-maliges schnelles Aufstehen) mit Kategorienpunktwerten von 0-4 und einem Gesamtpunktwert zwischen 0-12 (geringere Werte = schlechtere Funktionalität). Ganzkörperscans per Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA) wurden durchgeführt zur Bestimmung der appendikulären Magermasse (Rohwert und BMI-adjustiert) als Parameter der Skelettmuskelmasse. Als Stürzer wurden Personen klassifiziert, welche mindestens 2 Stürze in den vergangenen 12 Monaten berichteten. Die Analysen wurden adjustiert für Geschlecht.
Ergebnisse
Dreihundert-neunzehn Personen (Durchschnittsalter 80 ± 5 Jahre, 77% weiblich) hatten Messwerte für alle relevanten Variablen und von diesen stürzten 76 (24%) mehrfach. Stürzer und Nicht-Stürzer unterschieden sich nicht in ihrer Muskelmasse, weder bei den Rohwerten (F316,1=0,556, p=0,456) noch bei den BMI-adjustierten Werten (F316,1=0,104, p=0,747). Einen kleinen klinisch nicht relevanten Zwischengruppenunterschied zeigte der SPPB Gesamtpunktwert (Nicht-Stürzer 7,2 ± 1,4 vs Stürzer 6,9 ± 1,6, F316,1=3,919, p=0,049; beide Gruppen Median = 7). Von den SPPB Kategorien war lediglich die Gleichgewichtsfähigkeit mit dem Sturzrisiko assoziiert, als das ein besseres Gleichgewicht ein protektiver Faktor war (OR=0,95 (0,90-0,99), p=0,022). Bei einer Klassifizierung in frail (SPPB<7) und pre-frail (SPPB≥7) verbesserte sich die Diskriminierungsfähigkeit (OR=2,0 (95% KI 1,1-3,4), p=0,015). Dieser Effekt bestand nahezu unverändert nach der Adjustierung für die Muskelmasse.
Schlussfolgerung
Die Muskelmasse erscheint kein geeignetes diskriminierendes Kriterium in der Beurteilung des Sturzrisikos bei funktionell eingeschränkten älteren Menschen zu sein. Personen mit stärkeren funktionellen Einschränkungen (frail) hatten ein erhöhtes Sturzrisiko unabhängig von ihrer Muskelmasse.