Autor:innen:
P. Hüttemann (Berlin, DE)
A. Nowak (Berlin, DE)
J. Königsmann (Berlin, DE)
P. von Seck (Wiesbaden, DE)
A. Schmidt-Lucke (Berlin, DE)
C. Schmidt-Lucke (Berlin, DE)
Hintergrund: In evidenzbasierten Therapieprogrammen zur Gewichtsreduktion ist die erneute Gewichtszunahme nach vorangegangener Gewichtsreduktion typisch. Das Ziel dieser Studie war es daher die Hypothese zu untersuchen, ob die regelmäßige Nutzung eines neuartigen intra-oralen Medizinproduktes (Risikoklasse I) während der Nahrungsaufnahme zu einer Änderung des Essverhaltens und damit zu einer langfristigen Gewichtsreduktion führt.
Methodik und Ergebnisse: In die prospektive, randomisierte, kontrollierte, einfach-verblindete, multizentrische Studie wurden 19 adipöse Patienten eingeschlossen (Alter 45,1 ± 17,2; BMI 31,12 [26,9 - 40,7] kg/m2, davon 3 Männer). Alle Patienten hatten in der Vergangenheit mindestens 2 frustrane Abnehmversuche erlebt. Während der Studie sollten sie keine Diät halten, essen ad libitum, keine Kalorien zählen, sich Zeit zum Essen nehmen und die Mahlzeit erst dann beenden, wenn sie satt waren.
Die Schiene wurde während der ersten 3 Monate zu jeder Mahlzeit getragen, woraus sich eine Gesamttragezeit von 80 Stunden ergab. Die Follow-Up Zeit betrug insgesamt 12 Monate. In den ersten 3 Monaten reduzierten die Probanden ihr Körpergewicht signifikant (p < 0,005).
Mithilfe evaluierter, standardisierter Fragebögen sowie eines zweitägigen Essversuchen wurde der Einfluss der Schiene auf spezifische Parameter des Essverhaltens quantifiziert. Die Patienten kauten mit Schiene 3-mal häufiger pro Bissen (p < 0,001), sie benötigten doppelt so viel Zeit bis zum Schlucken pro Bissen (p < 0,001) und 60% mehr Zeit zum Beenden der Mahlzeit (p < 0,001). Zudem aßen sie 25% kleinere Portionen (p < 0,012), bemerkten die verzehrte Speisemenge besser (p < 0,004) und gaben keinen Hunger an, wenn sie direkt nach dem Essen dazu befragt wurden – trotz zuvor kleinerer verzehrter Speisemenge. Auch nach 3 Stunden hatten sie tendenziell weniger Zwischenhunger, als ohne Schiene (p = 0,10). Die Probanden hatten nach dem Essen mit Schiene weniger Appetit auf Süßes (p < 0,048) und Fettes (p < 0,004) und bemerkten im Verlauf der Studie eine Änderung des Essverhaltens (p < 0,001).
Zusammenfassung: Diese Ergebnisse zeigen, dass erstmalig ein nicht-invasives Medizinprodukt durch eine Änderung des Essverhaltens eine signifikante Gewichtsreduktion bei adipösen Patienten bewirkt, insbesondere bei freier Wahl der Speiseart und -menge. Daher stellt die Entwicklung dieses neuartigen Produktes in Kombination mit dem bestehenden leitlinienbasierten Basisprogramm eine vielversprechende Option zur Gewichtsreduktion bei pathologischer Adipositas dar. Diese Ergebnisse bilden die Grundlage für eine experimentelle Untersuchung der Änderung des Essverhaltens zur Gewichtsreduktion bei adipösen Patienten.