09:00 Uhr
Tatort Arbeitsplatz – Welche Unterstützung benötigen Beschäftigte nach Übergriffen?
U. Pasch (Düseeldorf, DE)
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Autor:innen:
U. Pasch (Düseeldorf, DE)
G. Zurek (Düsseldorf, DE)
Schlüsselworte
Sekundärprävention, Belastungsreaktionen, Akuthilfe
Zielsetzung
Übergriffe im Kundenkontakt in Form von verbaler oder körperlicher Gewalt haben in vielen Arbeitsbereichen, auch gegenüber Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung, deutlich zugenommen.
Die Folgen von Gewalt am Arbeitsplatz gefährden die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit von Beschäftigten. Dieser Beitrag fokussiert auf sekundärpräventive Maßnahmen in der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Düsseldorf. Die Ambulanz für Gewaltopfer im Gesundheitsamt ist dabei einer der Hauptakteure, um geeignete Maßnahmen zu entwickeln und durchzuführen. Ziel ist es, das Risiko psychischer Folgestörungen nach Übergriffen für betroffene Beschäftigte zu minimieren.
Methode
Ein wesentlicher Schutzfaktor in der Nachsorge von betroffenen Beschäftigten ist die Unterstützung durch Vorgesetzte sowie Kolleginnen und Kollegen. Häufig sind diese aber im Umgang mit von Gewalt Betroffenen verunsichert. Unter dem Dach der Gesundheitskonferenz wurden deshalb im ersten Schritt Flyer entwickelt. Inhalt der Flyer ist die Vermittlung von Aspekten psychotraumatologischer Akuthilfe in der Nachsorge sowie Hinweise auf arbeitsrechtliche Aspekte. Die Implementierung der Flyer wurde mittels Versandaktionen und Durchführung von Schulungen umgesetzt. Von Gewalt Betroffene benötigen darüber hinaus kurzfristig professionelle Unterstützung. Die Ambulanz für Gewaltopfer im Gesundheitsamt der Stadt Düsseldorf bietet hier kurzfristig Beratungsgespräche an. Das Hauptamt verweist die Beschäftigten im städtischen Intranet auf das Unterstützungsangebot der Ambulanz als nachsorgende Fachstelle. Zur Unterstützung der Selbsthilfe werden darüber hinaus Seminare zum Erlernen von Techniken zur Stabilisierung der eigenen Psyche nach Gewalt durchgeführt.
Schlussfolgerung
Bei zunehmenden Übergriffen gegenüber Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung und anderen Institutionen ist neben der Entwicklung von primärpräventiven Maßnahmen auch die Entwicklung wirksamer sekundarpräventiver Maßnahmen unerlässlich. Dies berührt nicht zuletzt auch die Fürsorgepflicht für die Beschäftigten.
Zusammenfassung
Übergriffe gegenüber den Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung und anderen Institutionen in Form von verbaler und körperlicher Gewalt nehmen immer mehr zu. Es ist deshalb neben den Maßnahmen der Primärprävention notwendig, Instrumente der Sekundärprävention zu entwickeln und zu implementieren.
Sekundärpräventive Maßnahmen tragen dazu bei, die Motivation von Beschäftigten zu stärken, nach Gewalttaten Dienst- bzw. Arbeitsunfälle zu melden und Unterstützung nachzufragen. Sie erhöhen die Kompetenz von Vorgesetzten und Beschäftigten im Umgang mit Belastungsreaktionen und wirken so psychischen Folgeschäden entgegen.
Literatur:
Zurek, G., Pasch, U., Hoop, R. (2012) Gewalt am Arbeitsplatz – ein Thema für die Gesundheitskonferenz und die örtliche Gewaltopferhilfe. Erschienen in: ASUpraxis | Arbeitsmed. Sozialmed. Umweltmed. 47, 7, 2012
09:30 Uhr
Die Beurteilung psychischer Gesundheitsstörungen nach Arbeits- und Dienstunfällen
E. Richartz-Salzburger (München, DE)
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Autor:in:
E. Richartz-Salzburger (München, DE)
Der rechtlichen Anerkennung erlebnisreaktiver psychischer Folgeschäden nach Unfällen ging eine über viele Jahrzehnte kontrovers geführte Diskussion voraus, die die Bedeutung
gesellschaftlicher und politischer Einflüsse auf die Akzeptanz seelischen Leidens in beeindruckender Weise erkennen lässt. Bis in die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurden sog. traumatische Neurosen für Begehrensneurosen gehalten ohne jeglichen Anspruch auf entschädigenden Ausgleich. Mittlerweile wird die Möglichkeit der Entstehung längerfristiger psychischer Gesundheitsstörungen nach Unfällen auch ohne Vorhandensein körperlicher Schädigungen kaum mehr in Frage gestellt.
An unfallbedingten psychischen Auffälligkeiten kann sich eine Vielzahl unterschiedlicher psychoreaktiver Krankheitsbilder entwickeln, unter denen das spezifische Störungsbild einer posttraumatischen Belastungsstörung eher die Ausnahme als die Regel darstellt.
Bei der Beurteilung psychischer Störungen nach Arbeits- bzw. Dienstunfällen kommt dem Gutachter eine ebenso zentrale wie komplexe Rolle zu. Ausgehend von einem zuvor festgestellten schädigendem Ereignis während einer versicherten Tätigkeit hat der Gutachter zu prüfen, ob ein durch den Unfall hervorgerufener Primärschaden sowie ein resultierender Sekundärschaden vorliegen. Dabei sind die erhobenen Befunde nachvollziehbar darzulegen und etwaige Gesundheitsstörungen entsprechend der gängigen Diagnosekriterien zu klassifizieren.
Von wesentlicher Bedeutung ist die dann vorzunehmende differenzierte Kausalitätsprüfung, die sowohl den objektiven Bezug der vorliegenden Gesundheitsstörungen zum Unfallereignis als auch die Würdigung konkurrierender Ursachen wie Vorerkrankungen oder unfallunabhängige Nachschäden zum Gegenstand hat.
Schließlich sind die konkreten Auswirkungen der unfallbedingten Gesundheitsstörungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit einzuschätzen. Das Dienstunfallrecht folgt dabei weitgehend dem Vorgehen der gesetzlichen Unfallversicherung zur Einschätzung der „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ (MdE). Wie bei den somatischen Störungen orientiert sich die MdE-Bewertung psychischer Folgen nicht an der diagnostischen Klassifikation, sondern an konkreten, durch die Störung bedingten Beeinträchtigungen und Funktionsdefiziten im Kontext des allgemeinen Erwerbslebens. Die Funktionsstörungen sind vom Gutachter im Einzelfall und für jede Störung gesondert im Detail zu beschreiben und in seinen Auswirkungen zu bewerten. Als Anhaltspunkte für die MdE-Einschätzung können die versorgungsmedizinischen Grundsätze herangezogen werden, nach denen Schädigungsfolgen im sozialen Entschädigungsrecht und der Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht bewertet werden.
10:00 Uhr
Posttraumatische Verbitterungsstörung, Burn-out...-arbeitsplatzbezogene psychische Störungen in der amtsärztlichen Begutachtung
A. Melville-Drewes (Düsseldorf, DE)
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Autor:in:
A. Melville-Drewes (Düsseldorf, DE)
Die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) beinhaltet ein Kapitel zu Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen. Im klinischen Alltag, wie in der amtsärztlichen Begutachtung, findet man darüber hinaus eine weitere Anpassungsstörung, bei der ein Ärger- und Verbitterungsaffekt im Vordergrund steht. Die Betroffenen haben ein persönliches Ereignis erlebt, das sie als ungerecht erlebt haben. Im Vordergrund steht dabei das Erleben von massiver Ungerechtigkeit und Kränkung. Auslöser sind durchaus lebenstypische Erfahrungen wie fehlende Beförderung, berufliche Herabwürdigung, Scheidung oder Verlust eines nahestehenden Menschen, die zu einer massiven Verletzung vorhandener Wertvorstellungen führen. Die Störung geht mit einer langen Arbeitsunfähigkeit, unfreiwilligen Klinikaufenthalten ohne eigenes Therapieinteresse, Tendenz zu Chronifizierung und Nichtansprechen auf antidepressive Behandlung einher. Sowohl bei der Posttraumatischen Verbitterungsstörung wie beim Burn-out spielen neben äußeren Faktoren eigene Bewertungsmechanismen und spezifische Fähigkeiten zur Problembewältigung eine wichtige Rolle.
Der Vortrag stellt verschiedene Modelle für arbeitsplatzbezogene Störungen vor und leitet entsprechende Diagnosekriterien ab. Dabei liegt ein Schwerpunkt in der differentialdiagnostischen Betrachtung dieser Störungsbilder. "Im klinischen Alltag ist die Tendenz zu beobachten, die diagnostisch klar definierte Kategorie der posttraumatischen Belastungsstörung auch auf Störungen auszuweiten, die nicht aus der Konfrontation mit einem lebensbedrohlichen Ereignis, sondern mit einer lebensüblichen Belastung hervorgegangen sind, obwohl hierfür eigentlich die Kategorie der Anpassungsstörung vorgesehen ist" (Linden 2005)
Im Rahmen der amtsärztlichen Begutachtung stellt sich regelhaft die Frage, ob die eingeleitete Behandlung ausreichend ist. Arbeitsplatzbezogene psychische Störungen erfordern je nach Diagnose sehr unterschiedliche therapeutische Ansätze. Im Verlauf des Vortrages werden kurz die evidenzbasierten Therapieansätze vorgestellt.