Die neuen gesetzlichen Vorgaben des IFSG haben das Ziel die Meldungen von Ärzten und aus dem Labor mit neuen Methoden zu verbessern, die Verarbeitung zu beschleunigen und den Austausch zwischen den Gesundheitsämtern zu erleichtern.
Die folgenden drei Fragestellungen werden dargestellt:
1. Bildet die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision (ICD-10-GM) ausreichend die Triggerpunkte für die Meldungen nach § 6 und 7 IFSG ab oder muss der Gesetzgeber für den Bereich des Infektionsschutzes die Klassifikation modifizieren?
2. Gibt es strukturelle Unterschiede bei den verschiedenen Versorgungsstrukturen (Niedergelasse Ärzte, Krankenhaus, Labor), die bei der Erfüllung der Vorgaben nach IFSG für die zukünftige automatisierte Bearbeitung mit DEMIS zu berücksichtigen sind?
3. Gibt es Ansätze und Wege die Schnelligkeit und Vollständigkeit der Meldungen z.B. durch Unterstützung der Krankenhausinformationssysteme (KIS), Patientenverwaltungssysteme (PVS) und Laborinformationssysteme zu erhöhen.
Virale Meningitiden und Enzephalitiden sind weder gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) noch gemäß einer niedersächsischen Meldeverordnung meldepflichtig. Um schnell und verlässlich Informationen zu Auftreten, Häufigkeit und Ausbreitung viraler (aseptischer) Infektionen des zentralen Nervensystems (ZNS) zu erhalten, wurde 2003 das Meningitis und Enzephalitis Register in Niedersachsen (MERIN) eingerichtet.
Das niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) bietet allen pädiatrischen, neurologischen und internistischen Kliniken in Niedersachsen und Bremen eine unentgeltliche virologische Diagnostik für Patienten mit Verdacht auf aseptische ZNS-Infektion an. Das Routineangebot umfasst eine serologische und molekularbiologische Untersuchung auf die wesentlichen viralen Erreger für ZNS-Erkrankungen. Insbesondere werden Stuhl- und Liquorproben mittels PCR, Anzucht und Typisierung auf Enteroviren untersucht. Dies beinhaltet auch eine Testung auf Polioviren. Den Befunden wird ein Fragebogen beigelegt, auf dem die behandelnde Ärztin / der behandelnde Arzt den klinischen Verlauf sowie die Abschlussdiagnose auch in Zusammenschau mit dem virologischen Befund rückmelden kann.
Während der letzten 10 Jahre sendeten 43 Kliniken jährlich etwa 1800 Proben von über 700 Patienten ein. Rund 90% entfallen dabei auf pädiatrische, 10% auf neurologische Abteilungen. Knapp 80% der Patienten sind jünger als 15 Jahre. Die Erregernachweisrate liegt bei etwa 30%. Enteroviren verursachen einen Großteil der sommerlichen Meningitis- und Enzephalitisfälle. Echovirus 30 zählt zu den am häufigsten vorkommenden Serotypen und verursacht zumeist gutartige, selbstlimitierende Krankheitsverläufe. Im Sommer 2017 konnten 16 Patienten mit seröser Meningitis mittels Serotypisierung einem Ausbruch von Echovirus 6 zugeordnet werden. Die Fragebogenrücklaufquote beträgt 58%. Für 3/4 aller Patienten wird zum Zeitpunkt der Entlassung vollkommene Ausheilung angegeben. Wöchentlich aktualisierte MERIN-Daten sind auf der Homepage des NLGA abrufbar.
MERIN genießt eine hohe Akzeptanz bei den teilnehmenden Kliniken aufgrund des umfangreichen virologischen Diagnostikangebots zur ätiologischen Abklärung aseptischer Meningitiden und Enzephalitiden. Die Genese viraler ZNS-Infektionen ist nicht nur klinisch von Interesse, sondern auch für den Infektionsschutz relevant. Aussagen über aktuell zirkulierende Enteroviren, beziehungsweise Erregervariabilität können gemacht werden. Auch das Auftreten neuer, in Deutschland bisher noch nicht beobachteter Varianten oder importierter Polioviren kann erkannt und zusammen mit dem Nationalen Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren am Robert Koch-Institut weiter abgeklärt werden. Basierend auf dem System MERIN wurde 2005 eine bundesweite Enterovirus-Surveillance etabliert. Eine zeitnahe und qualitativ hochwertige Enterovirusdiagnostik ermöglicht die Überwachung der Poliofreiheit Deutschlands gemäß der globalen Polioeradikationsinitiative der WHO.
Von November 2015 bis Oktober 2016 wurden dem Gesundheitsamt vier Eritrear mit einer Tuberkuloseerkrankung gemeldet. Befragungen im Rahmen der Umgebungsuntersuchungen ergaben, dass sich die Erkrankten kannten, so dass im Herbst 2016 der Gedanke eines Ausbruchsgeschehens aufkam. Es wurden die Kulturen der Erkrankten aus den verschiedenen Laboren zur Typisierung zum nationalen Referenzzentrum nach Borstel eingeschickt. Die Miru-Typisierung der Materialien ergab jedoch verschiedene Stämme des mycobacteriums tuberculosis, ein Ausbruch war zunächst auszuschließen.
Erst als in kurzen Abständen drei weitere Erkrankungen bei Eritrearn gemeldet wurden und auch diese Kulturen mit den zuvor typisierten Stämmen verglichen wurden, bestätigte sich ein Ausbruchsgeschehen. Vier Kulturen zeigten nun einen identischen Stamm.
Als Indexfall stellte sich der Fall 4 heraus.
Die 23-jährige Frau war mit ihrem 8-jährigen Sohn im Rahmen des Familiennachzuges im Dezember 2015 nach Deutschland eingereist. Anamnestisch war die junge Frau schon bei Einreise mit hartnäckigem Husten und gelegentlichen Hämoptysen symptomatisch, bis zur Diagnose und Behandlung vergingen 12 Monate. Die Erkrankte hatte in diesen 12 Monaten engen Kontakt zu allen anderen bis dahin bekannten Erkrankten des Ausbruchs. Eine Erstuntersuchung nach §62 AsylG erfolgte beim Indexfall nicht, da sie in keiner Erstaufnahmeeinrichtung war. Alle anderen Erkrankten hatten eine Erstuntersuchung nach Einreise und die Röntgenaufnahmen waren unauffällig. Es handelte sich dementsprechend bei dem Ausbruch um in Deutschland erworbene Neuinfektionen/Erkrankungen durch die Indexpatientin.
Maßnahmen
Es wurden 200 Umgebungsuntersuchungen mit QFT durchgeführt. Dabei konnten durch aktive Fallfindung zwei weitere Erkrankte gefunden werden.
43 Personen wurden als latent infiziert (LTBI) diagnostiziert.
Die latent infizierten Personen wurden in das Gesundheitsamt eingeladen und zur Möglichkeit einer Chemoprävention beraten.
27 Personen mit einer LTBI haben eine Chemoprävention durchgeführt.
Die Hausärzte wurden über die Chemoprävention ihrer Patienten bei einer LTBI informiert. Es wurden fünf Vorträge zur Tuberkulose gehalten.
Zahlreiche telefonische Beratungen wurden geführt und Presseanfragen beantwortet.
Fazit und Konsequenzen
Der Tuberkuloseausbruch wäre durch eine zeitnahe „Erstuntersuchung“ mit Röntgenthoraxaufnahme der Indexpatientin vermutlich zu vermeiden gewesen. Als Konsequenz aus dem Ausbruch führt das Gesundheitsamt seit Frühsommer 2017 freiwillige Erstuntersuchungen beim Familiennachzug durch. Das Angebot der Erstuntersuchungen wird von fast allen Personen im Familiennachzug wahrgenommen. Weiterer Vorteil, außer dem frühzeitigen Entdecken einer Tuberkulose, ist insbesondere die Erhöhung der Durchimpfungsrate bei den impfpräventablen Erkrankungen, weil neben der körperlichen Untersuchung und der Röntgenuntersuchung bei Erwachsenen, der Impfstatus geprüft wird und eine Impfempfehlung für die Hausärzte mitgegeben wird.
Im Zeitraum 23.KW 2016 bis 22. KW 2017 wurden im Referat für Gesundheit und Umwelt München (RGU), Sachgebiet Tuberkulose 603 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UmF) nach § 36 IfSG untersucht.
Haupt-Herkunftsländer bzw. -regionen waren Somalia (159), Eritrea (145) Afghanistan/Pakistan (112) und Westafrika (95).
532 Probanden waren älter als 15 Jahre, sie erhielten primär eine Röntgenthorax-Aufnahme. Bei den unter 15-jährigen wurde ein IGRA-Test durchgeführt.
488 UmF waren männlich (81%), 115 weiblich (19%).
Der überwiegende Anteil der Jugendlichen wurde 1-3 Wochen nach der Erstuntersuchung abverlegt. In München verblieben 20 % der UmF.
Im Gesamtkollektiv fanden wir 8 ansteckungsfähige, pansensible und 3 klinisch diagnostizierte Lungentuberkulosen sowie 7 extrapulmonale TB-Erkrankungen, ferner wurden 29 latente Tuberkulse-Infektionen (LTBI) diagnostiziert.
Von den QFT-positiven Klienten kamen jeweils 1/3 aus Somalia und 1/3 aus Westafrika.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass vor allem bei den jugendlichen Migranten aus Hochprävalenzländern bzw. bei langen Fluchtwegen und Fluchtdauern eine alleinige radiologische Erstuntersuchung nicht ausreicht.
Im Hinblick auf das Risiko einer späteren TB-Erkrankung ist zum Ausschluss einer LTBI auch bei den über 15 - jährigen UmF die zusätzliche IGRA-Testung zu empfehlen, mit konsequenter Einleitung einer Chemoprävention oder zumindest engmaschiger Verlaufskontrolle.
In einer geplanten Follow-up-Studie an der Münchner“ Kohorte soll über die nächsten 3 Jahre der klinische Verlauf beobachtet und mit den Erfahrungen auswärtiger Gesundheitsämter verglichen werden.
Durch den Zuzug von Personen aus Ländern mit hoher Tuberkuloseinzidenz sind auch in Deutschland die TB-Meldezahlen seit 2011 angestiegen. Viele Lungen-TB-Meldefälle werden im Rahmen der bei Aufnahme in Gemeinschaftsunterkünfte nach §36 IfSG in Verbindung mit §62 Asylgesetz durchgeführten TB-Gesundheitsuntersuchung (TBGU) entdeckt. In welchem Umfang TB-Erkrankungen bei Asylsuchenden in Niedersachsen erst nachträglich diagnostiziert werden und es sich möglicherweise um Neuerkrankungen handelt, sollte genauer untersucht werden. Dazu wurden für die in 2016 bei Asylsuchenden übermittelten Lungentuberkulosefälle zusätzliche Informationen zur TBGU bei den Gesundheitsämtern erfragt und mit den Angaben in der Meldesoftware abgeglichen.
Die Erhebung ergab, dass ca. 50% (41 von 85 Fällen) der in Niedersachsen gemeldeten TB-Erkrankungen bei Asylsuchenden durch die TBGU erkannt wurden. Somit stellt diese eine wirksame und bedeutende Maßnahme der frühzeitigen Fallfindung dar. Ebenfalls ca. 50% der Lungen-TB-Erkrankungen wurden nicht durch die TBGU festgestellt. In ca. 10% der Fälle war die TB-Erkrankung bereits bei der Einreise bekannt und bei ca. 40% wurde sie erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt. Bei der letzteren Gruppe handelt es sich in einigen Fällen definitiv um Infektionen nach der Einreise, in einigen Fällen um Erkrankungen, die höchstwahrscheinlich schon bei der Einreise bestanden, aber bei der TBGU nicht erkannt wurden; und bei der Mehrzahl der Fälle konnte eine derartige Zuordnung nicht eindeutig vorgenommen werden.
Von den TB-Meldefällen unter Asylsuchenden, die nicht im Rahmen der TBGU diagnostiziert wurden, lagen leider oft keine Informationen zur TBGU vor, sodass nicht geklärt werden konnte, ob und mit welchem Ergebnis eine TBGU stattgefunden hatte. Da Personen, die nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden, keine TBGU durchlaufen müssen und sie normalerweise nicht als „asylsuchend“ gekennzeichnet sind (z. B. nachgezogene Familienmitglieder) waren diese Personen in der hier beschriebenen Untersuchung nicht eingeschlossen.
Ein guter Zugang zum Gesundheitswesen und eine hohe Aufmerksamkeit der behandelnden Ärzte müssen gewährleistet sein, damit alle TB-Erkrankungen so früh wie möglich erkannt und behandelt werden.
In Niedersachsen, wie auch in ganz Deutschland, liegt in den letzten Jahren wieder eine verstärkte Aufmerksamkeit auf der Entwicklung der gemeldeten Neuerkrankungen an Tuberkulose (TB). Bedingt durch die aktuellen Migrationsbewegungen und der damit verbundenen Einreise von Personen aus Hochinzidenzländern nach Deutschland ist die TB-Inzidenz angestiegen. Im Fokus steht auch die Entwicklung des Anteils (multi)resistenter TB-Fälle.
TB-Meldefälle werden gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) von den Gesundheitsämtern täglich elektronisch an das NLGA übermittelt und im Datenbanksystem SurvNet@RKI verwaltet. Die TB-Situation wird 2001-2015 primär in 5-Jahreszeitabschnitten und 2016 sowie 2017 in Einzeljahren beschrieben.
Bis zum Jahr 2010 ging die Anzahl der gemeldeten TB-Neuerkrankungen in Niedersachsen und deutschlandweit kontinuierlich zurück. Seit 2011 konnte jedoch ein deutlicher Anstieg der TB-Inzidenz auf 5,3 Neuerkrankungen/100 000 Einwohner im Jahr 2015 beobachtet werden. Seitdem sank die Inzidenz auf 4,5 (Quartale I-II 2017). Der größte Anteil der TB-Meldefälle war über 70 Jahre alt. Insbesondere 2011-2015 stieg der Anteil der 20- bis 29-jährigen unter den TB-Meldefällen deutlich an. In den Jahren 2011-2015 erreichte der Anteil der in Deutschland geborenen Fälle, mit 43,9 % seinen bisherigen Tiefststand. Bis 2010 waren die meisten TB-Meldefälle mit einem Geburtsland außerhalb Deutschlands in der ehemaligen UdSSR geboren (2001-2005 13,8 %; 2006-2010 11,8 %). In den Jahren 2011-2015 waren dagegen Länder Afrikas die häufigsten Geburtsländer (14,2 %; v. a. Soma¬lia, Sudan, Eritrea). Auf dem zweiten und dritten Rang folgten 2010 bis 2015 Europa ohne die ehemalige UdSSR (11,5 %; v. a. Rumänien, Polen) und Asien (10,3 %; v. a. Indien, Afghanistan).
Der Anteil der TB-Meldefälle mit einer jeglichen Resistenz ist leicht gesunken (2001-2005 14,7 %; 2006-2010 14,2 %; 2011-2015 11,5 %). Auch der Anteil der multiresistenten TB-Meldefälle sank im Laufe der Jahre von 3,6 % (2001-2005) auf 2,2 % (2006-2010 bzw. 2011-2015). Die am häufigsten von einer (multi)resistenten TB Betroffenen stammten aus Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR.
Der starke Anstieg und leichte Rückgang der gemeldeten TB-Neuerkrankungen der letzten Jahre, die Veränderung der hauptbetroffenen Altersgruppe, sowie der Geburtsländer ist auf die gegenwärtigen Migrationsbewegungen zurückzuführen. Viele dieser Fälle wurden im Rahmen der bei Aufnahme in Gemeinschaftsunterkünfte nach §36 IfSG in Verbindung mit §62 Asylgesetz durchgeführten Aufnahmeuntersuchung entdeckt. Aber auch noch mehrere Jahre nach der Ankunft können sich durch Reaktivierung behandlungsbedürftige und ansteckungsfähige TB-Erkrankungen entwickeln. Ein guter Zugang der Geflüchteten zur medizinischen Versorgung und eine hohe Wachsamkeit der behandelnden Ärzte sind daher von großer Bedeutung, um nachhaltig einem Anstieg von TB-Erkrankungen und einer Zunahme (multi)resistenter TB in Deutschland entgegen zu wirken.
In Düsseldorf stieg Anfang des Jahres 2017 die Zahl der gemeldeten positiven Analyseergebnisse bei Antigentests auf Legionellen im Urin gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres deutlich an.
Die Routineermittlung möglicher Infektionsorte ergab keinen Hinweis auf gemeinsam genutzte Einrichtungen wie Sporthallen oder Hotels. Die Rückkühlanlage einer der Kliniken war zum in Frage kommenden Infektionszeitraum nicht in Betrieb, ein nosokomiales Geschehen konnte anhand der Belegungshistorie ausgeschlossen werden. Die Meldungen betrafen allerdings Patienten aus nur zwei Kliniken, die Antigentests wurden durch dasselbe Labor durchgeführt.
26 Rückstellproben wurden daher erneut untersucht. Der Einsatz des ursprünglich verwendeten Tests ergab abermals 26 positive Ergebnisse, davon waren 3 schwach positiv. Die Testwiederholung mit dem Produkt eines anderen Herstellers führte jedoch zu 23 negativen und lediglich 3 positiven Befunden. Der falsch positiv anzeigende Antigentest war erst seit Oktober 2016 in dem Düsseldorfer Labor verwendet worden. Durch eine höhere Zahl von Untersuchungen seit Anfang 2017 fielen die falsch positiven Resultate schneller auf.
Über die Anwendung SurvNet@RKI wurden durch die betroffenen Gesundheitsämter 23 Korrekturmeldungen an das Landeszentrum für Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG NRW) generiert. Zurzeit führt der Hersteller Untersuchungen durch, weshalb der zugelassene Antigentest in diesem Setting versagte.
Fazit:
„Der Antigentest aus Urin handelt es sich um ein antikörperbasiertes Nachweisverfahren (Enzyme-linked Immunosorbent Assay, ELISA). Diese Test-verfahren besitzen eine sehr hohe Spezifität von über 99%, d.h. falsch-positive Ergebnisse kommen extrem selten vor .“ Dennoch kann es insbesondere bei der Einführung von neuen Testverfahren zu Unregelmäßigkeiten kommen. Eine Häufung sollte auch immer Anlass sein die verwendete Nachweismethode kritisch zu hinterfragen.
Toxigene Corynebacterium (C.) ulcerans-Bakterien verursachen zunehmend häufig sowohl Wundinfektionen als auch klassische Atemwegsdiphtherie beim Menschen in westlichen Ländern. Das Erregerreservoir stellen hierbei vor allem Nutz- und Haustiere dar. Bei einem im medizinischen Bereich tätigen Mann mit Otitis externa und seinem Hund wurden mittels Feintypisierungsverfahren (MLST) identische toxigene C. ulcerans-Isolate nachgewiesen. In der Umgebungsuntersuchung mit Testung von Rachenabstrichen enger Kontaktpersonen, fanden wir keinen Hinweis auf Mensch-zu-Mensch-Übertragungen. Enge Kontaktpersonen, die auch im medizinischen Bereich tätig waren, hatten keinen Impfschutz. Der Fall unterstreicht die wachsende Bedeutung von toxigenen (tox+) C. ulcerans als wichtigen zoonotischen Erreger für Menschen in Deutschland. Die kürzliche IfSG Novellierung schließt nun die gesetzliche Labormeldung aller tox+ Corynebacterium spp. ein. Wir empfehlen die Entwicklung einer Leitlinie zur Untersuchung von potentiellen Tierreservoirs, um das Infektionsrisiko für Menschen zu bestimmen und reduzierende Maßnahmen zu entwickeln. Auf ausreichenden Impfschutz vor allem bei medizinischem Personal muss geachtet werden und die Verfügbarkeit von Diphtherie-Antitoxin in europäischen Ländern muss gewährleistet sein.
Surveillance von Sterbefällen in der Bevölkerung ist ein Instrument zur schnellen Aufdeckung von abrupten Veränderungen der Mortalität. Die „Exzessmortalität“ ist ein wertvoller Parameter für das Entdecken und Einschätzen von Epidemien, Pandemien oder extremen Umweltereignissen. Seit 2009 koordiniert EuroMOMO, ein ECDC- und WHO-finanziertes Netzwerk, eine solche Surveillance der Gesamtmortalität in z. Zt. 19 europäischen Ländern. Die Teilnahme Deutschlands ist zwar vom RKI gewünscht, scheiterte bisher aber an der Verfügbarkeit zeitnaher Sterbedaten bzw. an fehlenden gesetzlichen Vorgaben zur Nutzung solcher Daten für Surveillance. Dass eine Teilnahme jedoch auch unter bestehenden Gegebenheiten möglich ist, beweisen Hessen und Berlin, die an der europäischen Mortalitätssurveillance teilnehmen konnten/können. Wir stellen die Mortalitätssurveillance und ihren Nutzen vor und diskutieren Möglichkeiten der Teilnahme für die Bundesländer.
Exzessmortalität ist die Mortalität, welche die erwartete Mortalität (Basislinie) überschreitet. Kernstück EuroMOMOs ist ein gemeinsamer Algorithmus zur Berechung der Basislinie; die Eingabedaten sind im Idealfall individuelle Sterbedaten. Länder analysieren eigene Daten mithilfe des Algorithmus und senden die Ergebnisse wöchentlich an die EuroMOMO-Zentrale in Dänemark, die Länderdaten in einer gesamteuropäischen Sterbekurve sammelt, bewertet und publiziert.
EuroMOMO generiert wöchentliche Exzessmortalität, Graphen und Tabellen zur direkten Verwendung in Surveillance-Bulletins. Diese fließen auch in das wöchentlich vom ECDC erstellte europäische Influenzabulletin ein. EuroMOMO zeigte frühzeitig in der Influenzasaison 2009/2010 die Verschiebung der Sterblichkeit von älteren Menschen in jüngere Altersgruppen. Diese Verschiebung wurde später durch etliche pandemiespezifische Mortalitätsstudien weltweit bestätigt. In den Influenzasaisons 2014/2015 und 2016/2017 stellte EuroMOMO einen starken Anstieg der Sterblichkeit bei älteren Menschen fest, der mit einer weit verbreiteten Zirkulation von Influenza-A-Virus (H3N2) in vielen Ländern zusammenfiel.
Mortalitätssurveillance zusammen mit Daten relevanter Einflussgrößen, wie Influenzaaktivität und Hitzewellen, hat das Potenzial, als wirksames Instrument zur schnellen Einschätzung der Schwere von gesundheitsgefährdenden Ereignissen auch bioterroristischer Art zu dienen. Die Überwachung der Sterblichkeit ist jedoch komplex, insbesondere bei der Bewertung von Daten mehrerer Länder. Standardisierte Methoden sind hilfreich um Vergleiche vorzunehmen und zu kommunizieren. EuroMOMOs Ergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit der Mortalitätssurveillance und die Notwendigkeit für einen Paradigmenwechsel in Deutschland hin zum proaktiven Gebrauch demographischer Daten für die zeitnahe Risikobewertung von gesundheitlichen Notlagen. Wir empfehlen Landesgesundheitsbehörden den Zugang zu Sterbedaten in Absprache mit den Statistikbehörden zu prüfen.
Hintergrund
Wenn bekannt wird, dass eine Person mit einer ansteckenden Krankheit in einem öffentlichen Verkehrsmittel gereist ist, kann eine Kontaktpersonen-Nachverfolgung (KoNa) notwendig werden, um Folgeinfektionen zu verhindern. Erkenntnisse zu KoNa in Deutschland beruhen zumeist auf Einzelfallberichten. Ziel dieser Studie war systematisch zu erheben, wie häufig eine KoNa eingeleitet wird und zu welchen Ergebnissen diese führt.
Methode
Die Studie wurde als prospektive, fragebogenbasierte Längsschnittstudie durchgeführt. Zielgruppe für die Teilnahme waren Gesundheitsämter im Zuständigkeitsbereich internationaler Verkehrsknotenpunkte und zugehörige Landesstellen. Die Teilnehmer wurden monatlich aktiv vom Robert Koch-Institut zu aufgetretenen Ereignissen befragt.
Ergebnisse
Zwischen Mai 2012 und April 2014 haben durchgehend 45 Teilnehmer aus 12 Bundesländern an der Studie teilgenommen. Die Antwortrate auf die monatliche Anfrage betrug 80% (852/1066). Bei 11 von 29 bekannt gewordenen Ereignissen wurde eine KoNa eingeleitet: die Kontaktpersonen waren in allen 11 Ereignissen im Flugzeug exponiert gewesen. Von diesen Ereignissen standen 7 im Zusammenhang mit einer Tuberkulose und 4 im Zusammenhang mit einer Masern-Erkrankung. Nur 6 der 11 Ereignisse konnten erfolgreich abgeschlossen werden: 215 von 798 (27%) Kontaktpersonen wurden erreicht. Bei einem Tuberkulose-Ereignis ist es wahrscheinlich, dass es aufgrund der Exposition im Flugzeug bei einer Person zu einer Folgeinfektion kam. Insgesamt 5 der 11 Ereignisse konnten nicht abgeschlossen werden, u. a. da keine Passagierlisten vorlagen.
Diskussion
Damit Aufwand und Nutzen einer KoNa in einem angemessenen Verhältnis stehen, muss der öffentliche Gesundheitsdienst über potentiell infektiöse Reisende zeitnah informiert werden und schnell Zugang zu direkten Kontaktinformationen von Nachzuverfolgenden erhalten. Das IGV-Durchführungsgesetz regelt seit 2013 für Luftfahrtunternehmen das Zurverfügungstellen von Erreichbarkeitsdaten. Allgemein sollte ein Standardvorgehen für KoNa zwischen den lokalen Gesundheitsämtern und den in ihren Zuständigkeitsbereich tätigen relevanten Verkehrsmittel- und (Flug-) Hafenbetreibern vereinbart werden, um im Bedarfsfall schnell handeln zu können.
Einleitung
Seit Gründung der Modellregion Region Hannover im Jahr 2001 führt der Fachbereich Gesundheit in Kooperation mit dem nationalem Referenzzentrum für Mykobakterien (FZ Borstel) systematisch molekulare Untersuchungen der in der Region Hannover isolierten Tuberkulosebakterien-Stämme durch.
Methodik
Es wurden Daten von n=xxx Patienten aus der Region Hannover vom 1. Januar 2002 bis 31.12.2017 ausgewertet, bei denen eine Tuberkulose diagnostiziert und eine Kultur analysiert werden konnte. Als auszuwertende Merkmale standen Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsland und Clusterzugehörigkeit vollständig, sowie Resistenzen und Stammtyp der Bakterien überwiegend zu Verfügung.
Für die Jahre 2015 bis 2017 wurde darüber hinaus eine gesonderte Auswertung der Patienten mit Flüchtlingsstatus durchgeführt.
Ergebnisse (vorläufig)
Hier kommt eine deskriptive Auswertung zu den obengenannten Merkmalen, wie (Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsland, Clusterzugehörigkeit, Resistenzen und Stammtyp der Bakterien)
Betrachtet man den gesamten Zeitraum, dominieren mit knapp 80% Mykobakterien der Euro-Amerikanischen Linie. Mykobakterien aus dem asiatischen und osteuropäischen Raum waren mit jeweils 8, bzw. 9% etwa gleich häufig vertreten.
In vertiefenden Analysen wird deutlich, dass sich in der Untergruppe der Flüchtlinge ein deutlich anderes Muster, mit einem überwiegenden Anteil von Mykobakterienstämmen aus dem ostasiatischen Raum findet.
Im gesamten Untersuchungszeitraum war bei 35% aller untersuchten Kulturen, ein molekularbiologischer Zusammenhang (Cluster) nachweisbar. Die überwiegenden Cluster umfassten lediglich zwei Personen.
In den bisherigen Analysen wurden wenige Übertragungen von Asylsuchenden auf andere Asylsuchende und keine auf andere Bevölkerungsgruppen beobachtet.
Fazit (vorläufig)
Initiale Befürchtungen, dass an Tuberkulose erkrankte Flüchtlinge Folgeerkrankungen innerhalb der Allgemeinbevölkerung auslösen, haben sich bislang nicht bestätigt.
Darüber hinaus spricht der große Anteil an Clustern mit zwei, bzw. drei Erkrankten dafür, dass die Infektionspfade früh unterbrochen werden konnten.
Die größeren Cluster spiegeln Folgeerkrankungen im engeren Freundes- und Bekanntenkreis sowie im familiären Rahmen wider. Dabei spielen bei den Erkrankungen im Freundes- und Bekanntenkreis Suchterkrankungen als prädisponierende Faktoren häufig eine wichtige Rolle. Auch eine enge räumliche Beziehung (Wohnheim) bei vermutlich immunsupprimierend wirkenden Faktoren (Flucht, latente LTBI im Heimatland) ist in einem Cluster als gemeinsamer Faktor deutlich geworden.
Hintergrund
Seit dem 01.05.16 besteht bundesweit eine namentliche Meldepflicht für Nachweise von Carbapenem-nichtempfindlichen Acinetobacter spp. (ACB) und Enterobacteriaceae (EBC), die auch für Kolonisationen gilt.
Wir beschreiben die bis zum 30.09.17 an das Niedersächsische Landesgesundheitsamt übermittelten Meldefälle.
Methoden
Da die neuen Meldekategorien noch nicht in allen von den Gesundheitsämtern (GÄ) genutzten Software-Produkten vorhanden sind, wurde zusätzlich zu den systematischen Analysen der Kategorien ACB und ECB die Kategorie „Weitere bedrohliche Krankheiten“ (WBK) hinsichtlich der enthaltenen ACB- und ECB-Fälle händisch ausgewertet. WBK enthält keine Angaben zu Infektion/Kolonisation.
Ergebnisse
2016 wurden 173 Fälle (49 ACB, 124 EBC) übermittelt, 165/173 (95,4%) als WBK. 2017 waren es 192 Fälle (46 ACB, 146 EBC), 96/192 (50%) als WBK. Die am häufigsten genannten Spezies/Subspezies waren Klebsiella pneumoniae, Enterobacter cloacae/complex und Acinetobacter baumannii/complex.
Betroffen waren überwiegend Männer (beide Kategorien 63,7%; ACB 60,9%; EBC 65,0%) über 50 Jahre, am stärksten die über 70-Jährigen.
Nur 66 (18,1%) der insgesamt 365 übermittelten Fälle enthielten Angaben zu Infektion/Kolonisation, bei 1/3 dieser Fälle (22/66) lag eine Infektion vor.
Teil von Ausbrüchen waren 2016 5 Fälle (2,9%) und 2017 2 Fälle (1,0%).
Schlussfolgerung und Diskussion
Die relativ hohen Meldezahlen zeigen, dass die Meldepflicht umgesetzt wird und dass eine relevante Anzahl an ACB- und EBC-Nachweisen geführt wird.
Die betroffenen Altersgruppen und die am häufigsten vorkommenden Erreger entsprechen den Beschreibungen der Literatur. Warum überproportional viele Männer betroffen sind, lässt sich weder durch die Literatur, noch durch die vorliegenden Daten hinreichend erklären.
Das Verhältnis von Infektionen zu Kolonisationen kann nicht verlässlich interpretiert werden, da nur 1/5 der Fälle entsprechende Angaben enthielten. Dies gilt auch für den Anteil von Fällen mit Ausbruchszusammenhang.
Wir empfehlen dringend die Implementierung der Kategorien ACB und EBC in allen Software-Produkten im Meldewesen sowie die systematische Erfassung von Infektion/Kolonisation und Ausbruchszusammenhängen, um aussagekräftige Routineanalysen und zeitnahe Reaktionen auf Ausbruchsgeschehen zu ermöglichen.
Syphilis und HIV sind als sexuell übertragbare Krankheiten (STD) z.T. mit denselben Risikofaktoren assoziiert. Zudem steigert eine Syphilisinfektion durch genitale Ulcera auch das Risiko für eine HIV- Transmission. Auf der anderen Seite kann eine HIV Infektion den Krankheitsverlauf, Diagnose und Therapie einer Syphilis beeinträchtigen. In Deutschland werden gemäß IfSG beide Krankheiten nicht-namentlich direkt an das RKI gemeldet. Informationen zu Ko-Infektionen werden nur auf freiwilliger Basis im Meldebogen angegeben. Im Jahr 2015 wurde in Deutschland bei 6,3% aller gemeldeten Syphilis-Fälle auch eine HIV-Infektion gemeldet. Aufgrund der anonymen Meldepflicht können die Daten jedoch nicht direkt miteinander abgeglichen werden. Daher ist von einer Unterschätzung der Ko-Infektionsrate auszugehen. Am LGL werden zur Unterstützung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes pro Jahr ungefähr 30 000 Proben auf STDs untersucht. Die Möglichkeit, die positiven Laborergebnisse für die beiden Erkrankungen aus derselben anonymisierten Probe abrufen zu können, ermöglichen es uns den Anteil der Syphilis und HIV Ko-Infektionen für Bayern zu errechnen und mit den jährlichen Daten des RKI abzugleichen.
Im Zeitraum 2010-2016 wurden am LGL insgesamt 253 000 Proben auf HIV untersucht, davon wurden nur 28 % der Proben zeitgleich auch auf Syphilis untersucht. 46% der Proben wurden von Justizvollzugsanstalten eingesandt, 53 % der Proben von Gesundheitsämtern und 1 % von anderen Einsendern. Insgesamt wurden in den eingesandten Proben 508 (0,71 %) Syphilis-Infektionen und 1543 (0,61 %) HIV-Infektionen labordiagnostisch nachgewiesen. Davon waren 354 (0,49 %) und 1074 (0,42 %) Neuinfektionen, die auch zu einer Meldung nach IfSG führten. Die Ko-Infektionsrate lag pro Jahr zwischen 5,3-16,9 % und wies keinen Trend auf. Betrachtet man nur die Ko-Infektionsrate der Neuinfektionen lag diese bei durchschnittlich 5,9 % für alle Jahre. In dem genannten Zeitraum war eine Verdoppelung der von Gesundheitsämtern eingesandten Untersuchungsproben für Syphilis und HIV zu beobachten.
Die Differenz der Ko-Infektionsrate am LGL und am RKI (6,3 %) zeigt die Größenordnung der Unterschätzung der gemeldeten Ko-Infektionen an. Die Ko-Infektionsraten des RKI sind jedoch vergleichbar mit den am LGL errechneten Ko-Infektionsraten der Neuinfektionen. In den letzten Jahren werden durch die Gesundheitsämter immer häufiger beide Untersuchungen angefordert. Dies deutet auf einen positiven Trend und erweitertes Screening-Angebote der Gesundheitsämter hin.
Benachrichtigungen von Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Schulen, Kindergärten) an Gesundheitsämter sind nicht übermittlungspflichtig an die Landesbehörden. Somit liegen wenig systematische Untersuchungen über Art und Häufigkeit und die meldenden Einrichtungen vor. Ziel dieser Studie war die Analyse der Benachrichtigungen der letzten Jahre. Dies soll der Abschätzung dienen, ob Aufwand und infektionshygienische Bedeutung der Benachrichtigungen in sinnvollem Verhältnis zu anderen Aufgaben des Gesundheitsamtes im Infektionsschutz stehen.
Im LK Reutlingen wurden alle Benachrichtigungen (Einzelfälle und Häufungen) der Kindertagesbetreuung und Schulen von 2011-16 systematisch erfasst. Daten des Jugend- und Schulamts lieferten die Anzahl Kinder pro Jahrgang. Wir ermittelten daraus Inzidenzen (gemeldete Erkrankungen pro Jahr und Kind) für verschiedene Erkrankungen. Ferner analysierten wir, welche und wie viele Einrichtungen nur sporadisch oder nie meldeten.
Benachrichtigungen von Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Schulen, Kindergärten) an Gesund-heitsämter sind nicht übermittlungspflichtig an die Landesbehörden. Somit liegen wenig systemati-sche Untersuchungen über Art und Häufigkeit und die meldenden Einrichtungen vor. Ziel dieser Studie war die Analyse der Benachrichtigungen der letzten Jahre. Dies soll der Abschätzung die-nen, ob Aufwand und infektionshygienische Bedeutung der Benachrichtigungen in sinnvollem Ver-hältnis zu anderen Aufgaben des Gesundheitsamtes im Infektionsschutz stehen.
Im LK Reutlingen wurden alle Benachrichtigungen (Einzelfälle und Häufungen) der Kindertagesbe-treuung und Schulen von 2011-16 systematisch erfasst. Daten des Jugend- und Schulamts liefer-ten die Anzahl Kinder pro Jahrgang. Wir ermittelten daraus Inzidenzen (gemeldete Erkrankungen pro Jahr und Kind) für verschiedene Erkrankungen. Ferner analysierten wir, welche und wie viele Einrichtungen nur sporadisch oder nie meldeten.
Im Landkreis wurden im Untersuchungszeitraum durchschnittlich jährlich 408 Einrichtungen (384-442) mit 51.694 Kindern (51.223-52.979) betreut. Im Mittel kamen jährlich von 123 Einrichtungen (107-147) 782 Benachrichtigungen (591-1.180), es meldete also nur etwa jede dritte Einrichtung (26-36%). Die meldenden Einrichtungen hatten im Mittel insgesamt 23.581 Kinder (19.930-26.725). Im Mittel ergaben sich 33 Meldungen pro 1.000 Kinder/ Jahr (24-44). Insgesamt kam es zu 1.874 Kopflausmeldungen (40%), 1.179 Scharlachfällen (25%), 1.093 Magen-Darm-Infektionen (23%), 283 Windpockenfällen (6%), 17 Keuchhustenfällen (<0,4%), 17 Impetigo contagiosa (0,4%) und 3 Skabiesfällen (<0,1%); 26% der Benachrichtigungen erfolgten im Rahmen von Häufungen; 7% waren nach §§6-7 IfSG meldepflichtig. Die Hochrechnung der Daten unter Berücksichtigung von Einrichtungen die fälschlich nie meldeten, ergibt jährlich weit über 1.000 Benachrichtigungen. Dies entspräche fast einer Verdoppelung des bisherigen Meldeaufkommens.
Jährlich kamen es im LK Reutlingen pro 30 betreuter Kinder zu etwa einer Benachrichtigung nach §34 IfSG, wobei 90 % auf Kopfläuse, Gastroenteritis und Scharlach zurückzuführen waren. Drei Viertel der Erkrankungen wurden als Einzelfälle gemeldet, größere Häufungen fanden sich nur bei Magen-Darm-Infektionen und Atemwegserkrankungen. Die Anzahl Benachrichtigungen nach §34 war ähnlich hoch wie die Meldungen nach §§6-7 IfSG; sie liegt also ungefähr zehnmal so hoch, wie vom RKI im Rahmen der Vorbereitung auf DEMIS angenommen wurde. Sollte sich die Melde-compliance der Einrichtungen durch DEMIS verbessern, könnte der jährliche Arbeitsaufwand sogar 20mal so groß sein. Auch wenn nicht alle Benachrichtigungen weitreichende Maßnahmen und Be-ratungen nach sich ziehen, wird deutlich, dass sie einen erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand darstellen. Ein Wegfall der Benachrichtigungspflicht oder die Beschränkung auf Häufungen würde Gesundheitsämtern die Möglichkeit geben, vorhandene Ressourcen im Infektionsschutz besser einzusetzen.
Einleitung
Carbapeneme sind wichtige Antibiotika für die Behandlung von Infektionen durch multiresistente gramnegative Erreger. Carbapenem-resistente gramnegative Erreger (CRGN) werden als Public Health-Bedrohung betrachtet. Inwieweit ein Eintrag dieser multiresistenten Keime über die Kläranlage in die Umwelt stattfindet, wurde anhand der Untersuchung des Zu- und Ablaufs einer großen kommunalen Kläranlage untersucht. Im Einzugsbereich der Kläranlage befinden sich auch mehrere Krankenhäuser.
Methodik
An drei aufeinanderfolgenden Tagen im Oktober 2016 wurden, jeweils aus dem Zu- und Ablauf eines Klärwerks, Wasserproben entnommen. Je 1 ml mehrerer Verdünnungsstufen wurde auf Brilliance CRE-Agar (und MacConkey-Agar) ausgestrichen. Für Proben des Zulaufs wurden 1:10, 1:100, 1:500, 1:1000 und 1:10000 Verdünnungen, für Proben des Ablaufs wurden 1:2, 1:5, 1:10 und 1:100 festgelegt. Für die Berechnung der Keimkonzentrationen wurden die Mittelwerte der Proben aus Zu- bzw. Ablauf verwendet.
Verdächtige Kolonien des CRE-Agars wurden isoliert. Isolierte Bakterien wurden einem Oxidase-Test unterzogen. Oxidase-negative Isolate wurden zur Identifizierung und Resistenzbestimmung mittels VITEK 2 untersucht. Sechs phänotypisch Carbapenem-resistente Enterobakterien wurden molekularbiologisch untersucht.
Ergebnisse
Für den Zulauf wurde eine Keimlast von 3,29 × 104 KBE/mL und für den Ablauf von 2,3 × 101 KBE/mL ermittelt.
In allen Proben des Zulaufs der Kläranlage und in einer Probe des Ablaufs fanden sich 3MRGN bzw. 4MGN. An zwei Tagen konnten im Zulauf Escherichia coli mit KPC-3 nachgewiesen werden. In zwei Proben aus dem Zulauf wurden die ß-Laktamasen CTX-M-9 und MIR-1 in Klebsiella oxytoca bzw. Enterobacter cloacae nachgewiesen. In zwei Proben des Ablaufs wurden CTX-M-15 bei E. coli bzw. Klebsiella pneumoniae nachgewiesen
Diskussion
Entlang der Abwasserreinigung wurde eine Keimreduktion von drei log-Stufen erreicht, entsprechend einer Reduktion von ca. 99,93 %. Im Zu- und im Ablauf der Kläranlage fanden sich multiresistente Enterobakterien mit erworbenen Resistenzgenen.
Hintergrund: Um die weitere Entwicklung von Antibiotikaresistenzen zu vermindern, müssen Antibiotika zurückhaltender und zielgerichteter eingesetzt werden. Antibiotika werden am häufigsten bei Infektionen der Atemwege und der Harnwege verschrieben. Nach dem Projekt „Weniger ist mehr – Antibiotika verantwortungsvoll einsetzen bei Atemwegserkrankungen“ startet das MRE-Netz Rhein-Main im Herbst 2017 das Projekt „Wenn dann richtig – Antibiotika verantwortungsvoll einsetzen bei Harnwegsinfektionen“.
Material und Methoden: Auf der Grundlage der neuen Interdisziplinären S3 Leitlinie
Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten 2017 (AWMF-Register-Nr. 043/044) wurde ein Flyer erstellt mit leicht verständlichen Informationen.
Ergebnisse: Kernbotschaften des Flyers sind u.a.: Der Nachweis von Bakterien im Urin – ohne Beschwerden – ist normalerweise kein Grund für eine Antibiotika-Therapie. - Nicht jedes Missempfinden im unteren Bauchbereich ist eine Blasenentzündung. - 70% aller Patienten mit einer unkomplizierten Blasenentzündung sind nach einer Woche mit symptomatischer Therapie (Schmerzmittel) beschwerdefrei. - Pflanzliche Medikamente und Immunprophylaktika können zur Vermeidung wieder-kehrender Infekte eingesetzt werden.
Diskussion: Das Projekt wurde im Oktober 2017 im Rahmen einer Pressekonferenz öffentlichkeitswirksam gestartet. Es konnten wieder viele Partner gewonnen werden, u.a. Landesärztekammer Hessen, Landesapothekerkammer Hessen, Kassenärztliche Vereinigung Hessen, Hessische Krankenhausgesellschaft, Hessische Urologen Genossenschaft, Hausärzteverband Hessen e.V., Berufsverband der Frauenärzte e.V., MRE-Netzwerke Hessen. Der Flyer wird in Praxen und Kliniken verteilt. Begleitend sind Fortbildungen für Ärzte geplant. Ziel ist, den Einsatz von Antibiotika bei Harnwegsinfektionen zu vermindern und durch intensivere mikrobiologische Diagnostik bei Bedarf „passgenaue“ Antibiotika einzusetzen („Wenn, dann richtig“).
Das Thema Antibiotikaresistenz erfährt derzeit immer wieder mediale Aufmerksamkeit, nicht zuletzt durch das verstärkte Aufgreifen durch die internationale Politik, z. B. als Thema der G7- und G20- Konferenzen. Dabei gibt es schon seit langem auf nationaler und regionaler Ebene Initiativen und Projekte mit dem Ziel, der zunehmenden Antibiotikaresistenz entgegenzuwirken.
Um die Maßnahmen im Handlungsfeld Antibiotikaresistenz in Niedersachsen aufeinander abzustimmen und auf dieser Basis eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen zu entwickeln und zu begleiten, hat die niedersächsische Landesregierung 2015 einen interministeriellen Arbeitskreis (IMAK-StArt) ins Leben gerufen. Die erste Aufgabe des IMAK-StArt war die Ausarbeitung der gemeinsamen niedersächsischen Strategie gegen Antibiotikaresistenz. Die Strategie identifiziert neun Handlungsfelder im Sinne des One-Health-Gedankens und benennt als oberstes Ziel: die Wirksamkeit von Antibiotika muss für die Behandlung bakterieller Infektionserkrankungen bei Mensch und Tier erhalten bleiben. Hierfür muss der Anteil antibiotikaresistenter Bakterien begrenzt oder noch besser zurückgeführt werden.
Für die Humanmedizin zählen im Rahmen der Strategie zu den wichtigsten Aktivitäten (1) das Antibiotika-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen (ARMIN), mit dem seit 2006 systematisch Ergebnisse mikrobiologischer Untersuchungen für 14 ausgewählte, infektiologisch relevante Erreger gesammelt, ausgewertet und veröffentlicht werden. (2) der Ratgeber für die rationale orale Antibiotikatherapie für Erwachsene im niedergelassenen Bereich, der 2013 erstmalig veröffentlicht und 2017 aktualisiert wurde. (3) der seit 2013 regelmäßig durchgeführte dreitägige „Basiskurs Antibiotikatherapie“ für stationär tätige Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker. In kleineren Projekten wurden drüber hinaus z. B. Antibiotikaverordnungsdaten niedersächsischer Krankenkassen unter dem Aspekt regionaler Unterschiede ausgewertet und ein Informationsblatt entwickelt, das Ärztinnen und Ärzte bei der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten unterstützt, wenn ein Antibiotikum nicht indiziert ist.
Außerdem wurden vom Arbeitsbereich Krankenhaushygiene des NLGA strukturierte Begehungen im Rahmen der Hygieneüberwachung durch den ÖGD etabliert und Hygienesiegel für Alten- und Pflegeheime in Anlehnung an das EurSafety Health-Net Qualitäts- und Transparenzsiegel für Pflegeeinrichtungen eingeführt.
Des Weiteren wurde das Meta-Netzwerk „MRE Netzwerke in Niedersachsen“ durch die Einführung eines Koordinators am NLGA gestärkt. Dieses Netzwerk wird nach Beendigung des IMAK-StArt in der Arbeitsgruppe „One-Health“ den fachlichen Austausch der verschiedenen Ressorts Gesundheit des Menschen, Tiergesundheit und Lebensmittel, Umwelt sowie Wissenschaft und Forschung fortführen.