Autor:innen:
M. Stenzel (Datteln, DE)
P. Kutz (Datteln, DE)
S. Supcun-Ritzler (Datteln, DE)
L. Stüwe-Kunz (Datteln, DE)
C. Roll (Datteln, DE)
Hintergrund: Die zystische periventrikuläre Leukomalazie ist eine erworbene Läsion des Gehirns Frühgeborener von hoher Relevanz. Betroffene Frühgeborene entwickeln fast immer eine Zerebralparese und zeigen häufig eine kognitive Beeinträchtigung.
Fragestellung: Inzidenz der zystischen periventrikulären Leukomalazie (PVL) in Abhängigkeit vom Gestationsalter und Überprüfung diskutierter Risikofaktoren im eigenen Patientenkollektiv.
Material und Methoden: Über einen Zeitraum von 12 Jahren (2006 – 2017) wurden alle Frühgeborenen mit der Diagnose PVL, die im Perinatalzentrum Datteln postnatal behandelt wurden, erfasst. Es folgte eine ausführliche systematische Datenerfassung der mütterlichen und kindlichen Patientenakten und eine Reevaluation der sonographischen Befunde.
Ergebnisse: 23 Frühgeborene mit PVL wurden identifiziert. Das Gestationsalter lag im Median bei 30 (Range 24 – 32) Wochen, das Geburtsgewicht bei 1370 (540 – 2200) g. Die Inzidenz der PVL betrug bezogen auf das Kollektiv aller Frühgeborener < 33 SSW (n=1.436) 1,6%. Bezogen auf das Gestationsalter lag die absolute Anzahl betroffener Frühgeborener (bzw. die Inzidenz) für 24 SSW bei 2 (3,2%), 28 SSW 1 (0,8%), 29 SSW 4 (3,5%), 30 SSW 8 (4,2%), 31 SSW 6 (2,5%) und 32 SSW 2 (0,7%). Von den 23 Frühgeborenen mit PVL hatten 12 (52%) ein Geburtsgewicht < 1500g, nur 1 war (3%) SGA (P 9), 15 (65%) waren Mädchen, 5 (22%) Zwillingskinder.
Pränatale Anamnese: Vorzeitiger Blasensprung in 16 Fällen (70%), >24h in 15, > 48h in 11, > 72h in 8 und > 7d in 6 (26%). Pränatale Steroide waren in 91% verabreicht worden, davon in 4 Fällen inkomplett.
Postnataler Verlauf: 2 Kinder unterscheiden sich durch das niedrige Gestationsalter (24 SSW) vom Gesamtkollektiv (28-32 SSW) und werden gesondert betrachtet. Kind 1: Im Alter von 14d Sepsis, Darmperforation, Reanimation, IVH III, danach PVL, nach 4 Monaten verstorben. Kind 2: Nekrotisierende Enterokolitis im Alter von 6 Wochen, danach PVL. Von den 21 Frühgeborenen mit einem Gestationsalter von 28-32 Wochen hatten 2 eine Early-onset-Infektion, keines eine Late-onset-Sepsis. 7 von 21 waren invasiv beatmet, 14 erhielten Surfactant (davon 8 unter Spontanatmung). Im Verlauf zeigten 5 Frühgeborene eine IVH I, 2 eine IVH II. Niedrige CO2 Werte wurden bei invasiv beatmeten Frühgeborenen nicht häufiger beobachtet als unter NIV, CPAP oder Spontanatmung.
Diskussion: Mit dem Focus auf extrem unreife Frühgeborene bzw. Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500g wird die Inzidenz der PVL unterschätzt. Vorzeitiger Blasensprung und langer vorzeitiger Blasensprung waren in unserem Kollektiv häufig, postnatale Infektionen spielten hingegen keine Rolle. Diese Beobachtungen sind mit der pathophysiologischen Vorstellung eines schwelenden intrauterinen Entzündungsgeschehen als (Mit-)Ursache der PVL vereinbar.