Autor:innen:
A. Dathe (Essen, DE)
J. Reil (Essen, DE)
K. Fischer (Essen, DE)
I. Sanchez-Albisua (Essen, DE)
F. Dransfeld (Essen, DE)
I. Mund (Essen, DE)
U. Felderhoff-Müser (Essen, DE)
B. Hüning (Essen, DE)
Hintergrund:
Graphomotorik umfasst Prozesse, die zu einer Produktion von graphischen Zeichen mit einer Hand und einem Stift auf einem Untergrund führen unter Beteiligung der Feinmotorik (FM) und visuellen Wahrnehmung (vis. WN). Studien belegen Schwierigkeiten in der Graphomotorik von sehr frühgeborenen Kindern im Schulalter und u.a. einen Zusammenhang mit niedrigeren Schulleistungen [1,2].
Fallberichte
Kind 1: Eutroph. weibl. FG, 31+0 SSW, 1220g, 1. Zwilling.
Perinatal: RDS I°, INSURE, CPAP bis LT 2, Sepsis mit S. aureus, ROP 1°. Schädel-US: 3 kleine Zysten li. periventr. frontal, periventr. Echogenitätsvermehrung, keine IVH/ PVL. Entlassung: 35+5 SSW, 2190g, milde Rumpfhypotonie. MRT am ET: germinolyt. Zyste li. frontal und re. am Temporalhorn, keine PVL/IVH.
Entwicklungs(Entw.)-verlauf: altersentspr. Entw. bis 62 Monate (Mo), dann unterdurchschnittliche Werte bei räumlich-vis. Anspruch im Wechsler-Test (WPPSI-III: Verbalteil(VT)-IQ: 101, Handlungsskala(HS)-IQ 82, Verarbeitungsgeschwindigkeit(VG): 83, Gesamt-IQ 89, Norm 85-115). Neurostatus stets unauffällig bei leichten Unsicherheiten in Koordination mit 62 Mo, keine Spastik/Ataxie.
Kind 2: Eutroph. männl. FG, 24+5 SSW, 635g, 1. Zwilling.
Perinatal: RDS II-III°, Beatmung bis LT 3, 1x Surfactant, milde BPD, Z.n. PDA-Ligatur, Z.n. Herniotomie, ROP 1°, Schädel-US: asymm. schmale Ventrikel, keine IVH/PVL. MRT am ET: kleine punktförmige Einblutungen cerebellär re., leicht plumpe Ventrikel, leicht verzögerte Gyrierung. Entlassung: 42+4 SSW, 3610g, milde Rumpfhypotonie.
Entw.-verlauf: erste 8 Mo milde statomotor. Entw.-verzögerung, mit 25 Mo leicht unterdurchschnittliche motor. Entw. im Bayley-Test II (MDI 92; PDI 78, Norm 85-115), mit 61 Mo im WPPSI-III altersentspr. Befunde (VT-IQ: 102, HS-IQ: 98, VG 100, Ges.-IQ 100), unauffälliger Neurostatus, keine Spastik/Ataxie.
Testung mit 6 Jahren:
Beide Kinder hatten Schwierigkeiten Formen zu kopieren, die Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit des Stiftes anzupassen. Die Testung der FM erfolgte anhand der Movement Assessment Battery for Children 2 (M-ABC 2, Norm 7-13), die vis. WN und Graphomotorik/ visuomotor. Integration (VMI) mittels Frostigs Entw.-test der vis. WN (FEW-2, Norm 7-13).
Kind 1 (67 Mo) erzielte unterdurchschnittliche Werte in der VMI (Abzeichnen: 2, räumliche Beziehungen: 6) und vis. WN (Lage im Raum: 5) bei altersentspr. FM (Handgeschicklichkeit: 7).
Kind 2 (73 Mo) zeigte unterdurchschnittliche Werte in der VMI (Auge-Hand-Koordination: 2, Abzeichnen: 5, visuomotor. Geschwindigkeit: 4) und FM (Handgeschicklichkeit: 2) bei altersentspr. vis. WN (Lage im Raum: 8).
Schlussfolgerung:
Eine Beeinträchtigung der Graphomotorik kann sowohl aus Schwierigkeiten in der FM als auch aus der vis. WN resultieren. Der Umgang mit dem Stift, das Erkennen sowie Kopieren von Formen sind für den Schulalltag unerlässlich. Eine frühzeitige Diagnostik ermöglicht eine spezifische Therapie vor Schulbeginn.
Literatur:
1. Evensen KAI et al., EJPN, 2009
2. Feder KP et al., DMCN, 2007