Autor:innen:
T. Thiess (Gießen, DE)
A. Woesler (Gießen, DE)
S. Stehle (Gießen, DE)
K. Zimmer (Gießen, DE)
G. Eckert (Gießen, DE)
M. Krawinkel (Gießen, DE)
H. Ehrhardt (Gießen, DE)
Hintergrund: Die bronchopulmonale Dyplasie (BPD) ist eine chronische Lungenerkrankung des Frühgeborenen (FG) mit lebenslangen Konsequenzen für Lungenfunktion, somatische sowie psychomotorische Entwicklung. Die Erkrankung beruht auf einer Störung der Lungenentwicklung im sakkulären Stadium, wobei sowohl Alveologenese als auch Vaskulogenese negativ beeinflusst sind. Trotz des enormen Fortschritts im Verständnis der komplexen Pathomechanismen sind therapeutische Maßnahmen limitiert. Die Verbesserung der pulmonalen Auswirkungen in den letzten Jahren basiert hauptsächlich auf Veränderungen im klinischen Alltag mit Fokus auf Beatmungsstrategien und optimierter Surfactant-Applikation. Bisher wurde der Einfluss von Ernährung auf die BPD nur unzureichend untersucht. Es gibt jedoch Hinweise, dass vor allem die intramuskuläre Applikation von Vitamin A, die Gabe von Muttermilch, der frühe Abschluss des enteralen Nahrungsaufbaus sowie eine bessere Gewichtszunahme von Vorteil sind. Deshalb wurde der Einfluss der Ernährung auf Inzidenz und Schweregrad der BPD detailliert ermittelt.
Material und Methoden: Retrospektiv wurden aus dem Patientendokumentationssystem Parameter der parenteralen und enteralen Ernährung von FG, die zwischen 02/06 und 01/17 im Level 1 Perinatalzentrum in Gießen auf die Welt kamen und ein Gestationsalter von (GA) ≤ 32+0 Wochen und ein Geburtsgewicht (GG) von <1.000 g hatten, erfasst. Grundlage der Bestimmung des Schweregrads der BPD bildete die Definition von Jobe und Bancalari. Die qualitative sowie quantitative Auswertung der Variablen und deren Korrelation mit dem BPD Schweregrad erfolgten mittels IBM SPSS. Zugrunde lag eine partielle Korrelation. GA, GG, Geschlecht, Mehrlingsgeburt und antenatale Steroide gingen risikoadjustiert in die Untersuchung ein.
Ergebnisse: Die Analyse umfasste 207 FG (median GG 800 ± 166 g; median GA 26,6 ± 1,91Wochen): Die Ernährung von 144 (69,6%) FG mit keiner oder leichter BPD wurde mit 63 (30,4%) FG mit moderater oder schwerer BPD verglichen. Dabei ergaben sich signifikante Unterschiede (p<0,05) nur bei der Zufuhr bis zum 14. Lebenstag. Die Aufnahme von Kohlenhydraten (r= -0,146, p= 0,038) und Kalorien (r= -0,142, p= 0,044) zeigte ein statistisch signifikantes Ergebnis vor und nach der Risikoadjustierung. Im Gegensatz dazu senkte eine hohe orale Vitamin A Zufuhr während der ersten 14 Lebenstage wie von anderen Arbeitsgruppen publiziert den Schweregrad der BPD nicht signifikant. Beide Gruppen hatten eine identische Proteinzufuhr, wodurch ein Urteil bezüglich der Auswirkung von Proteinen nicht möglich ist.
Schlussfolgerung: Unsere Studie zeigt, dass frühe hochkalorische Ernährung einen, wenn auch moderaten, positiven Einfluss auf den Schweregrad, nicht jedoch die Inzidenz der BPD hat. Zukünftige tierexperimentelle Studien und prospektive Kohortenstudien sollten die selektive Untersuchung des Einflusses einzelner Ernährungsvariablen anstreben.